Ein auserwähltes Gefäß (4)
Das befreite Gefäß

Frederick George Patterson

© SoundWords, Online începând de la: 27.12.2013, Actualizat: 17.11.2022

Leitvers:  Römer 8,2

Röm 8,2: Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Eine überführte Seele erfährt oft die Schuld eines ganzen Lebens in einer unglaublich kurzen Zeitspanne. Ertrinkende, die gerettet wurden, berichteten, dass ihr ganzes Leben wie ein Lichtblitz vor ihren Augen stand; und die vergessenen Sünden, die sie Jahre zuvor begangen hatten, schienen in einem Augenblick in ihren schrecklichen Kategorien vor ihnen aufzutauchen. In den Worten Moses, des Mannes Gottes, würde das folgendermaßen lauten: „Du hast unsere Ungerechtigkeiten vor dich gestellt, unser verborgenes Tun vor das Licht deines Angesichts“ (Ps 90,8). Das tote Gewissen erwacht, lebendig gemacht durch die von Schuld überführenden Strahlen von Gottes Licht, und in einem Augenblick stehen wir vor Einem, der uns alles sagt, was wir jemals getan haben.

Wenn dies geschieht, sind Entschuldigungen nutzlos: Keine Beschönigung wird dann vorgebracht. Die Seele eines Menschen wird in der Gegenwart unendlicher Heiligkeit bloßgelegt. Bislang mag das Gewissen geschlafen haben, ohne einen Gedanken an Schuld, nur vielleicht mit dem vagen Gefühl, dass nicht alles in Ordnung ist. Vielleicht fühlte sich das Gewissen bislang auch unwohl, doch ohne ein klar umrissenes Gespür für Schuld. Zweifellos zagte Saulus von Tarsus vor den Worten: „Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen“ [Apg 26,14].Das natürliche Gewissen des Menschen fühlt zuweilen diesen Stachel, diesen Sporn: Sein Eifer und seine Glut sind erzwungen und unecht. Es gibt Schuldgefühle in dem Prinzip, das über die Handlungen des Menschen zu Gericht sitzt (was das Gewissen tut), und wenn man auch versucht, mit verstärktem Eifer seine Stimme zum Schweigen zu bringen, so ruht es doch niemals.

Fühlte das natürliche Gewissen des Saulus von Tarsus keinen Stachel, als der Märtyrer Stephanus mit nach oben gerichtetem, engelhaft glänzendem Gesicht zum Himmel emporschaute und seinen Geist Jesus übergab, während sein Körper von den Steinen der Menge zerschmettert wurde? Fühlte das Gewissen den Stachel nicht, als die blassen Gesichter einiger, die ihren Herrn und Meister liebten, um sich und diejenigen, die sie liebten, vor dem Gefängnis und dem Tod zu bewahren, seinen Namen lästerten, weil dieser gewalttätige Mann sie dazu zwang (s. Apg 26,11)? Ach, „der Weg der Treulosen ist ihr Unglück“ [Spr 13,15] [bzw. nach der englischen Übersetzung sowie der CSV-Elberfelder: Der Weg der Übertreter ist hart], und so war es auch mit Saulus. Doch während das natürliche Gewissen diese Dinge zur Kenntnis nimmt, folgt daraus nicht, dass die Seele sich zu Gott bekehrt. Nein, vielmehr treibt das natürliche Gewissen einen Menschen weg von Ihm. Es trieb Saulus zu größeren Exzessen als zuvor. Es trieb Adam weg von Gott, um sich unter den Bäumen des Gartens zu verbergen; bis sein Gewissen die Macht des Wortes „Adam, wo bist du?“ fühlte. Dann wurde es erweckt und Adam stand vor Gott als überführter Sünder. Es trieb Saulus dazu, seinen wirklichen Zustand unter dem religiösen Eifer zu verbergen, der bis dahin seine Seele angefüllt hatte.

Aber als die Stimme Jesu Paulus in seiner wahnsinnigen Raserei erreichte, trat seine Schuld in ihrem schrecklichen Ausmaß hervor und er wurde in die Ecke gedrängt. Und als er die Schuld seiner Seele in der Gegenwart Gottes, wo jede Entschuldigung nutzlos war, lesen durfte, da wurde sein Gewissen reingewaschen und kam zur Ruhe. Doch stellte sich ihm zu diesem Zeitpunkt wohl nicht die Frage nach seiner Natur. Dies ist nämlich nicht die Frage, die in der Geschichte der Seelen als erste Frage kommt. Erst die Anstrengungen, das Böse zu vermeiden und das Gute zu tun, um dem Herrn zu gefallen, die auf eine echte Bekehrung folgen, decken diese Frage in ihrer wahren und schrecklichen Tiefe auf. Saulus muss nun dieses Stadium der Geschichte der Seele zu seiner eigenen Befreiung als Heiliger durchlaufen – ich will nicht bei der Überlegung verweilen, wie notwendig dies war, um später anderen zu helfen –, sondern als ein Gefäß der Barmherzigkeit, das aus solch einem Zustand befreit werden muss.

Dies geschah vermutlich während der drei Jahre, in denen er nach Arabien und dann wieder nach Damaskus ging [Gal 1,17.18]. Ich mache daraus kein Dogma, aber es war ein notwendiger Prozess, wann immer er stattfand; und von dem Ergebnis lesen wir in Römer 7, wo er detailliert den Lernprozess beschreibt, durch den er mit Erfahrungen und Bemühungen voll bitterer Qual seine Natur kennenlernte. Vieles davon hatte er zweifellos durch Erfahrungen für sich selbst zu lernen, aber er lernte auch viele Lektionen um anderer Seelen willen.

Hier möchte ich bemerken, dass die Erfahrungen, die in den Schlussversen dieses wohlbekannten Kapitels (Röm 7,14-26) beschrieben werden, eine größere und umfassendere Bedeutung haben, als viele sich dessen vielleicht bewusst sind. Dieser Abschnitt ist vom Geist Gottes so formuliert, dass es keine aufgewühlte Seele gibt – gleichgültig, wie tief ihre Erfahrungen gehen und unter welchem Handeln Gottes und in welchen Zeitaltern sie sich befindet –, die nicht irgendeinen Ausdruck für das, was sie durchmacht, darin findet. In dem ein oder anderen dort niedergeschriebenen Aufschrei wird sie etwas finden, was zu dem passt, was sie erleidet; wenngleich zweifellos der volle Druck dieser Erfahrung erst bekannt sein konnte, als das Licht des Christentums schien. Ich werde nun nicht näher auf die Einzelheiten eingehen. Viele haben dies getan, einige davon mit bleibendem Nutzen für viele weitere. Doch ich schätze, dass dieser Text weit über die Anstrengungen einer Seele unter dem Gesetz hinausgeht, wie es in den „Zehn Geboten“ zum Ausdruck kommt.

Der natürliche Mensch mag „der Gerechtigkeit nach, die im Gesetz ist, untadelig“ [Phil 3,6] gelebt haben, doch mit noch unerweckter Seele. Was offenkundige Taten betrifft, hatte er die Verbote des Gesetzes nie gebrochen. Aber diese berührten nie den Baum: die Wurzel der „Sünde“ im Inneren. Es gab eines der Gebote des Gesetzes, das schließlich das Innerste seiner Seele erreichte: das Gebot, das sagte: „Du sollst nicht begehren“, und als dieses Gebot kam und die Heiligkeit des Gesetzes ausdrückte, „lebte die Sünde auf; ich aber starb“ [Röm 7,9]. „Die Sünde aber ergriff durch das Gebot die Gelegenheit und bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot“ [Röm 7,8]; sie lag inaktiv oder ohne Anlass in seiner Seele, bis auf diese Weise ihre Unheiligkeit enthüllt wurde.

Die gefallene menschliche Natur spricht überall allzu deutlich, als dass wir noch nicht die Tatsache entdeckt hätten, dass in dem Augenblick, in dem wir ein Verbot begreifen – von frühester Kindheit an bis zu unserem letzten Atemzug –, sofort in uns das Verlangen entsteht nach genau dem, was verboten wurde. Tausend Belege und Beispiele könnten angeführt werden, um dies zu beweisen.

Aber es gab ein „Gesetz“ im Paradies, bevor der Mensch fiel; und der Mensch war eine verantwortliche Kreatur, bevor er sich von Gott losriss: Er war dafür verantwortlich, dem Gesetz zu gehorchen, das es ihm verbot, die Früchte des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen, bevor er ein „Übertreter“ wurde. Gott hatte ihm mit großzügigster Freigebigkeit seine Handlungsweise als Geber offenbart. Nichts wurde dem Menschen vorenthalten. Die zehntausend Zuflüsse, die zu seinem Glück in Eden beitrugen, sprachen von einem Gott, der nichts Gutes zurückhalten würde. „Von jedem Baum des Gartens darfst du essen“ – das verkündete die Freigebigkeit und Fülle einer Hand ohne Geiz. Der Mensch durfte alles nach Belieben genießen. Ein kleines Verbot untersagte das Essen der Frucht eines einzigen Baumes: eines Baumes, der auf eine Verantwortung hinwies, die nur Böses zur Folge hätte, wenn man sie auf sich nahm: Denn „an dem Tag, da du davon isst, musst du sterben“. Durch das Halten dieses Verbots würde der Mensch ausdrücken, dass sein Wille Gott unterworfen war, der ihn dort hingestellt und ihn mit jedem geschaffenen Segen umgeben hatte.

Dies ist das Prinzip des Gesetzes. Ein Verbot wird immer in der angesprochenen Person einen Willen nachweisen: einen Willen, der einem anderen entweder unterworfen oder aber nicht unterworfen ist. Das kleinste Verbot reicht dafür aus. Es ist eine Methode, herauszufinden, ob jemand dem, der das Verbot erlassen hat, unterworfen ist oder nicht. Wenn er sich nicht unterwirft, lehnt er die Autorität des anderen ab und in der Folge stehen die beiden Willen einander entgegen; während der Mensch, der geprüft wird, in seinem Gewissen anerkennt, dass Gott ein Recht darauf hat, dass man Ihm gehorcht.

Nun begann Satan nicht damit, Aufmerksamkeit auf den Segen zu lenken, mit dem der Mensch umgeben worden war, genauso wenig auf das Wesen Gottes, der „alles … reichlich darreicht zum Genuss“ [1Tim 6,17]. Stattdessen greift er begierig das Verbot auf und lenkt die Aufmerksamkeit allein darauf. „Hat Gott wirklich gesagt: Von allen Bäumen des Gartens dürft ihr nicht essen?“ Gott hatte jedoch gesagt: „Von jedem Baum des Gartens darfst du essen.“ Der große Geniestreich der Schlange war es, der Seele Begehren und Misstrauen gegenüber Gott einzuflößen; einen Argwohn gegen die Fülle und Freigebigkeit seiner Natur zu erwecken. Dies war das Gift der Schlange, das die Menschheit seit jenem Tag durchdrungen hat. Dies war getan, bevor je eine Sünde begangen worden war. Der Teufel war aufgetreten und hatte Misstrauen in das Herz des Menschen gesät, einen Argwohn in seiner Seele erweckt und durch den Verlust des Glaubens und des Vertrauens auf Ihn den Menschen und seinen Schöpfer getrennt.

Das ist es, was die Menschen heutzutage untereinander tun, um irgendein Ziel zu erreichen, das sie im Blick haben. Ich wage zu sagen, dass sie das vielleicht nicht denken; aber der größte Teil des Leides zwischen Menschen oder sogar zwischen Brüdern wird durch Andeutungen hinter dem Rücken oder geflüsterte Geschichten verursacht, denen das Herz anderer Leute bereitwillig ein Ohr leiht und die dazu führen, dass Misstrauen zwischen den Seelen entsteht. Auf das entstandene Misstrauen folgt Abneigung, insbesondere seitens desjenigen, der dem anderen Unrecht getan hat. Es ist außerordentlich schwer, einem Herzen zu vertrauen, dem man Unrecht getan hat. „Eine Lügenzunge hasst die von ihr Zermalmten" [Spr 26,28], und: „Der aber dem Nächstem Unrecht tat, stieß ihn weg“ [Apg 7,27], usw. Diese Abschnitte (die ihrem Wesen nach verwandt sind) beschreiben nur, wie dieses Prinzip des Bösen wirkt. Daher das wahre Sprichwort: „Der Geschädigte mag vergessen, der Schädiger niemals!“

Den Menschen zu vollkommenem Vertrauen auf Gott wiederherzustellen und dem Frevel gegen Gottes Natur beizukommen, war das Werk Christi am „Ende der Welt“.

Der Mensch war also eine verantwortliche Kreatur, bevor er fiel. Misstrauen Gott gegenüber und Begierde wurden der Seele der Frau eingeflößt. Der Wille wurde gegen Gott aufgeboten – und zwar, was Adam betrifft, ein selbstherrlicher Wille, denn „Adam wurde nicht betrogen“ (1Tim 2,12); und der Mensch fiel. Sofort entstand ein Riss, so breit wie die Entfernung von Pol zu Pol, zwischen Gott und den Menschen; ein Abgrund, der nicht aufgefüllt oder überquert werden konnte. Der Mensch wurde „wie einer von uns“, sagte der Herr, „zu erkennen Gutes und Böses“ (1Mo 3,22). Dies kann er niemals wieder verlernen. Er kehrt nie wieder zur Unschuld zurück.

Was ist das nun, „zu erkennen Gutes und Böses“? Es ist etwas, was auch vom göttlichen Wesen gesagt wird: „Wie einer von uns“, so lesen wir, ist es, „zu erkennen Gutes und Böses“! Es ist, auf dem Richterstuhl zu sitzen und ein Urteil zu sprechen über das Gute oder Böse, das wir in unserer eigenen Seele finden. Die weise Frau aus Tekoa sagte über David, den König: „Wie der Engel Gottes, so ist mein Herr, der König, um das Gute und das Böse anzuhören {bzw. „zu unterscheiden“ nach Luther und nach der englischen Übersetzung}“ (2Sam 14,17). Dies bezieht sich auf richterliche Entscheidungen. Ebenso heißt es von Salomo in 1. Könige 3,9 und von Israel in 5. Mose 1,39; siehe auch Hebräer 5,14.

Dies ist die Arbeit des Gewissens: das Böse zur Kenntnis zu nehmen, das ein Wille tut, der Gott entgegensteht, über das Böse zu Gericht zu sitzen und es zu verurteilen; und leider auch das Gute zu begreifen, dem man entgegensteht, und es gutzuheißen, jedoch ohne die Macht zu haben, es zu tun. Dies ist der gefallene Mensch mit einem Gewissen. Er war verantwortlich vor seinem Fall; dann misstraute er Gott und übertrat voller Eigenwillen sein Gebot. Selbst als Gefallener hatte er die Fähigkeit, über seine eigenen Handlungen ein Urteil zu sprechen, und zwar durch die Erkenntnis des Guten und des Bösen; des Guten, wobei er nicht die Kraft hatte, es zu wünschen oder zu tun, und des Bösen, wozu ihm die Fähigkeit fehlte, es zu vermeiden! Dann wurde er schließlich aus der Gegenwart Gottes vertrieben, denn er hatte seine Stellung auf solch einem Grund für immer verloren. Diese drei Dinge kennzeichneten nun seinen Zustand:

  1. Misstrauen Gott gegenüber
  2. Sünde, die in diesem Misstrauen begangen wurde
  3. seine unwiederbringlich verlorene Stellung

Diese drei Dinge kehrte das Evangelium um.

  1. Sein Vertrauen wird durch den Glauben an Ihn als Erlöser wiederhergestellt.
  2. Seine Sünden, die er aus seinem Misstrauen heraus beging, werden weggenommen.
  3. Und er wird in Christus in eine neue Stellung vor Gott gebracht.

Wenn die Seele erweckt wird, entdeckt sie diese großen ursprünglichen Probleme einer Feindschaft, die Gott und den Menschen trennt, und sie setzen ihr ernst und tiefgehend zu:

  • ein Gespür für die Verantwortung als Sünder, der vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hat und durch böse Werke in seinem Geist in Feindschaft mit Gott lebt;
  • das Wissen um das nicht getane Gute
  • und um das aufgedeckte Böse ihrer Natur;
  • die Machtlosigkeit zu allem außer dem Bösen;
  • das Gespür – in gewissem Maße und abhängig von den Umständen – für die Güte Gottes
  • und – so wie sie meint – eine Verantwortung, sich selbst bei Gott wieder in die richtige Stellung zu bringen.

Diese Dinge drängen sich der Seele in schrecklich bitteren Lektionen auf.

Keine Menschenworte können denen der Seelenqual in Römer 7 gleichkommen:

  • Röm 7,14-23: Ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft, denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht, denn nicht, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es gut ist. Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. Ich finde also das Gesetz, dass bei mir, der ich das Gute tun will, nur das Böse vorhanden ist. Denn ich habe nach dem inneren Menschen Wohlgefallen am Gesetz Gottes. Aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.

Man beachte diesen Kampf zwischen dem „Guten“ und dem „Bösen“ in einer Seele unter dem Gefühl der Verantwortlichkeit oder auch „im Fleisch“. Doch ist es nicht ihre Schuld, die sie quält, sondern ihr Zustand. Die tiefe Seelenqual begreift all dies nicht nur, sondern geht zurück auf den ersten Ursprung der Abkehr des Menschen von Gott. Alle Wurzeln ihres Seins sind bloßgelegt und offen vor Ihm, mit dem sie es zu tun hat. Wie vielfältig sind die Wege Gottes, um die Seele in diesen Kampf zu führen; damit sie lernt, nicht länger zu kämpfen; damit sie lernt, dass jede Bemühung, jede Prüfung und jeder Kampf – solange sie andauern – nur umso eindeutigere Beweise dafür sind, dass sie noch nicht an dem Punkt angelangt ist, wo sie aufhört zu kämpfen und kapituliert; und dann erst herausfindet, dass diese Kapitulation Freiheit ist. Dann wird sie befreit.

Ich verzichte hier darauf, Beispiele dieser Seelenkämpfe und ihres Endes aufzuzeigen, wie sie im Wort zu finden sind. Es sind dort viele zu finden; vieles ist auch heute jeden Tag im Volk Gottes zu sehen, wenn wir die Verhaltensweisen und Erfahrungen mit der Schrift interpretieren.

Die Entdeckung einer bösen Natur durch einen Heiligen legt sofort nahe, dass sie bezwungen werden sollte. Das Verlangen und die Sehnsucht seiner erneuerten Seele legen, wenn er sie fühlt, sofort nahe, dass sie befriedigt werden sollten und dass Gott sie zu diesem Zweck in ihn eingepflanzt hat. Auch das Gefühl der Verantwortlichkeit, dass diese beiden Anregungen irgendwie ihre Antwort finden sollten, legt den Grund für diesen schmerzhaften Kampf. Dieser ist im eigentlichen Sinne überhaupt kein Konflikt. Er ist eine Bemühung, die nur in der noch schmerzlicheren Niederlage enden kann. Er führt in die Gefangenschaft und macht nicht frei. Aber wenn die Befreiung kommt – nicht der Sieg, denn ein Sieg wäre meine eigene verdienstvolle Tat, während die Befreiung die Tat eines anderen ist –, kommt sie als doppelte Befreiung: als Lösung für das Problem mit dem Guten, von dem die Seele festgestellt hat, dass sie es nicht hervorbringen kann, wie mit dem Bösen, das sie nicht vermeiden kann. Die Seele muss dazu fähig sein, hochzuschauen und sich in Freiheit bei Gott zu freuen, und sie muss dazu fähig sein, in ihr eigenes Herz hinabzuschauen, und dazu fähig sein, das Gute, das sie so gern vollbringen wollte, hervorzubringen und Macht über das Wirken einer sündigen Natur, „des Fleisches“, in ihrem Inneren zu haben.

Hier finden wir nun einen Mangel in unserer Seele. Viele haben tatsächlich diese Freiheit, die sie dazu befähigt, zu Gott aufzuschauen und zu sagen: „Alles ist dort in Ordnung.“ Aber sind wir alle frei von der Macht des Bösen in unserem Inneren, wenn wir unser eigenes Herz prüfen? Nein, es ist gerade die Freude und Dankbarkeit, die die Seele darüber empfindet, dass sie frei ist aufzuschauen, und die leider allzu oft sorglos über das andere macht. Dies mag durch Unwissenheit geschehen; ja, vielleicht ist es sehr häufig so. Wir müssen gelehrt werden, dass es eine Freiheit der Seele gibt, die mit dem Geist erfüllt ist, in der sie jeden Tag völlig abgesondert von allem Wirken des Fleisches oder den Begierden der Seele wandeln kann; solch eine Freiheit, als ob es in der Seele tatsächlich überhaupt nichts Böses zu bekämpfen gäbe – eine Freiheit, die Früchte für Gott hervorbringt.

Nicht dass es bis zum Ende unseres Weges hier keinen Konflikt geben würde; nicht dass „das Fleisch“ je aufhören würde, Anlass zu ständiger Wachsamkeit zu geben. Auch kann die „Sünde im Fleisch“ nie aufhören zu existieren, solange wir hier auf Erden sind, auch wenn sie „verurteilt“ wurde, als Christus starb [s. Röm 8,3]. Doch wir wollen an Paulus’ Weg als Heiliger denken, als von Gott auserwähltes Gefäß, als jemand, der auf solch eine Weise wandelte (und darin würde er sich auch anderen anschließen), dass er sagte: „Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen!“ [Phil 2,13]. Dann heißt es nicht länger: „Das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich“ [Röm 7,19]. Nein, befreiten Seelen gelingt das „Wollen“ und das „Wirken“, Gefäßen, in denen Gott wirken und nach seinem Wohlgefallen schalten und walten kann.

Denn was ist ein Gefäß? Angenommen, man würde ein Gefäß neben sich auf den Tisch stellen – hätte man da nicht zwei Absichten, wie man es gebrauchen wollte? Man stellt es dahin, um das zu halten, was man hineingefüllt hat; dies ist die eine Absicht. Die andere Absicht ist, dass jemand es in seiner Hand halten kann. Hätte es einen eigenen Willen oder Antrieb, so würde dieser diese beiden Verwendungszwecke behindern.

So ist es auch mit Gottes Gefäßen der Barmherzigkeit: Sie müssen willenlos und auch antriebslos sein; sie sind dazu da, um mit dem gefüllt zu werden, was Er in sie hineintut, und um von seiner Hand gehalten und gebraucht zu werden. Nur in dem Maße, wie unser Wille, unser Antrieb, unsere Gedanken beiseitegelegt werden, sind wir wirklich Gefäße und als solche tauglich und geeignet für den Gebrauch des Herrn.

Aber dies ist nicht unser gegenwärtiges Thema. Hier besprechen wir die Befreiung des Gefäßes, damit es frei ist in seiner Seele Gott gegenüber und auch frei von dem Wirken des Willens des Fleisches und damit es Kraft dazu hat, für Gott Früchte hervorzubringen; damit es einerseits seine Stellung „in Christus“ erkennt und andererseits, dass Christus in ihm lebt [s. Gal 2,20].

Ich erinnere mich daran, wie ich vor Jahren am Bett einer betagten Heiligen zu Besuch saß. Eine Zeitlang sprachen wir über allgemeine Dinge als Christen. Ich fragte sie, ob sie je daran gedacht habe, dass Christus, der in der Herrlichkeit war, in ihrem schwachen Leib auf seinem Krankenbett „lebe“. Ich habe den seltsamen Blick nicht vergessen, den sie mir zuwarf, als dieser Gedanke, wie er mir erschien, erstmals in ihr aufleuchtete. „Ah“, sagte sie, „Christus lebt in mir!“ Es schien eine wunderbare Erkenntnis für die Seele zu sein: ihr Körper als das Gefäß – so sehr in der Kraft davon, dass Christus und nicht das eigene Ich lebt. „Und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir“ [Gal 2,20]. Ist dies nicht ein noch größerer Gedanke, wenngleich das Gegenteil jenes Wortes von Paulus: „Das Leben ist für mich Christus“ [Phil 1,21]? Letzteres war der Antrieb seines Lebens, die Quelle in seiner Seele; Ersteres die Folge davon: „Christus lebt in mir.“

Dies ist wahrhaftig Freiheit. „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht[1]“ [Röm 8,2]. Wir sprechen zum Beispiel von dem Gesetz der Schwerkraft, dem Gesetz der Natur. Damit meinen wir die natürliche Tendenz aller Materie, die ihre Bewegungen regiert; so wird der Apfel zu Boden fallen und nicht nach oben schweben, wenn er vom Baum gelöst wird. Diesen Gedanken finden wir übertragen auch hier. Dieses „Gesetz {die Tendenz, nach der es sich bewegen muss} des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich freigemacht“. Es hebt die Seele aus diesem anderen Gesetz der Sünde, also aus dem Gesetz, das die Natur des Fleisches regiert, und auch aus dem Gesetz des Todes. Es ist das Gesetz (das natürliche Ergebnis) des Lebens geworden, das Er den Seinen einhauchte, als Er auferstand: ein lebendigmachender Geist – der zweite Mensch – der auferstandene Herr.

Können wir daher nicht sagen, dass die Seele, indem sie ihre Verantwortlichkeit erkennt – „unter dem Gesetz“, weil sie von dem „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ gegessen hat –, diese tiefgreifenden Lektionen durchläuft, damit sie durch Erfahrung die Tiefen einer verdorbenen Natur (des Fleisches) entdeckt, die im Herzen des Menschen entsprang, als er sich von Gott losriss? Aber nun, da sie befreit ist, erkennt sie auch, dass sie in Christus den „Baum des Lebens“ erreicht hat: das „Gesetz des Geistes des Lebens“ in Ihm, dass sie gänzlich freimacht „von dem Gesetz der Sünde und des Todes“. Frei auch auf jene doppelte Weise, die wir kurz besprochen haben, nämlich: frei in der Seele, um zu Gott aufzuschauen, und frei dazu, in der Gegenwart und in der Hoffnung alles, was Er ist, zu genießen. Und frei vom Wirken des Fleisches im Inneren. Das Selbst wird außer Acht gelassen, und man lebt das Leben, das man im Fleisch lebt, durch den Glauben an den Sohn Gottes: das heißt den Glauben an Ihn als Ziel und Kraft und alles. Die Quelle und der Antrieb solch eines Lebens kommen nicht aus dem Selbst, sondern von Christus; und nur so bringt es Frucht für Gott, weil es nämlich mit der Frucht der Gerechtigkeit gefüllt wird, was durch Jesus Christus geschieht, zu seiner Ehre und Herrlichkeit.


„Chapter 4: The Vessel Set Free“ aus A Chosen Vessel

Übersetzung: S. Bauer

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Übers.: Nach der englischen Übersetzung und der Fußnote in der Elberfelder Übersetzung.


Nota redacţiei:

Redacţia SoundWords este răspunzătoare pentru publicarea articolului de mai sus. Aceasta nu înseamnă că neapărat ea este de acord cu toate celelalte gânduri ale autorului publicate (desigur cu excepţia articolelor publicate de redacţie) şi doreşte să atragă atenţia, să se ţină seama de toate gândurile şi practicile autorului, pe care el le face cunoscut în alte locuri. „Cercetaţi toate lucrurile, şi păstraţi ce este bun” (1 Tesaloniceni 5.21).

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