Das „Buch der Erfahrung“: Vorträge über den Brief an die Philipper (3)
Kapitel 3

John Nelson Darby

© SoundWords, Online începând de la: 30.09.2018, Actualizat: 17.11.2022

Leitverse: Philipper 3

In dem vorhergehenden Kapitel brachte der Apostel unsere Herzen in Verbindung mit dem Herrn Jesu, der seine göttliche Herrlichkeit im Himmel verließ, die Gestalt eines Dieners annahm und sich erniedrigte, dann aber als Mensch hoch erhoben wurde. Ebenso haben wir uns zu erniedrigen; diese Gesinnung soll auch uns leiten.

Nachdem der Apostel seine Worte über diesen Gegenstand, den Standpunkt und den Zustand der Seele, worin wir sein sollen, beendet hat, blickt er jetzt vorwärts zur Herrlichkeit hin. Das, was vor uns liegt, wird die Seele bewahren, damit sie nicht aufgehalten wird, das heißt, Christus steht so vor der Seele, dass Er sie ganz in Besitz nimmt. Hier ist nicht die Rede von dem Charakter des Lebens auf Erden, von der Gnade und von dem rücksichtsvollen Verhalten gegen andere, wie dies im vorhergehenden Kapitel der Fall war. Dort wurden unsere Blicke auf Christus gerichtet als auf den, der sich der Herrlichkeit entäußerte und sich selbst erniedrigte. Hier handelt es sich um die Energie des göttlichen Lebens, das dem Ziel entgegeneilt.

Wir begegnen zuweilen da einem Mangel an Energie, wo Liebenswürdigkeit des Charakters vorhanden ist; andererseits findet sich oft viel Energie da, wo es an Sanftmut und Rücksicht auf andere fehlt. In den Dingen Gottes jedoch muss man alles zusammen haben, damit jedes einzelne Teil an seinem richtigen Platz ist. Satan mag das eine oder andere nachahmen; niemals aber wird man in seinen Nachahmungen das Ganze finden. Haben wir aber beides, Gnade und Energie, und ist Christus alles, dann wird die Seele von der Selbstsucht befreit, und das Leben offenbart sich, indem man das Wohl der anderen sucht. Doch man wird nie nachgiebig sein, wenn es sich darum handelt, Christus aufzugeben. Ich meine nicht, Ihn aufzugeben, was die Errettung der Seele betrifft, sondern aufzugeben auf unserem Weg auf Erden. In diesem Sinn sagt Petrus: „In der Bruderliebe reicht die Liebe dar“ (2Pet 1,7); denn wenn wir nicht mit Gott unseren Weg gehen, dann haben wir keine Kraft, um Gott gemäß in Gnade zu wandeln. Christus ist in den Himmel aufgestiegen und ist alles für uns. Er ist als ein Gegenstand vor unserer Seele, und wir dürfen Ihn nicht aufgeben, um dem Fleisch zu gefallen; wohl aber können wir Kraft bei Ihm finden, um voranzueilen.

Vers 1

Phil 3,1: Im Übrigen, meine Brüder, freut euch in dem Herrn! Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher.

Dies ist der Ausgangspunkt für den Apostel: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen, freut euch!“ (Phil 4,4). Mit dem alten Ich zu Ende sein hat zur Folge, dass ich mich allezeit freue, und wenn ich mich allezeit freue, so ist der Herr der Gegenstand meiner Freude. Nichts kann uns von der Liebe trennen, das wissen wir; wenn wir aber eine Segnung genießen, so sind wir in Gefahr, uns auf die Segnung zu stützen und nicht in der Abhängigkeit von dem zu bleiben, der uns segnet. David sagte in seinem Wohlergehen: „Ich werde niemals wanken. HERR! In deiner Gunst hattest du meinen Berg festgestellt. Du verbargst dein Angesicht, ich wurde bestürzt“ (Ps 30,7.8)! Als sein Berg wich, bemerkte er, dass er auf den Berg und nicht auf den Herrn vertraut hatte. Wenn er sagt: „Der HERR ist mein Hirte“ (Ps 23), dann wird er nicht bestürzt, denn er stützt sich auf den Herrn selbst. Wenn das Herz von dem eigenen Ich ausgeleert ist, ruht es im Herrn; aber das Herz ist so verräterisch, dass jemand, der als Christ große Freude erfahren hat, danach oft zu Fall gekommen ist, weil er den Platz der Abhängigkeit verließ. Wir wissen wohl, dass der Herr ihn wiederherzustellen vermag, wie es auch in jenem Psalm heißt: „Er erquickt meine Seele.“

Das Leben des Apostels stand augenblicklich in großer Gefahr. Er hatte schon vier Jahre im Gefängnis zugebracht; die beiden letzten Jahre war er mit einem heidnischen Soldaten zusammengekettet. Auch er sagte, er wisse sowohl niedrig zu sein als Überfluss zu haben, sowohl satt zu sein als Mangel zu leiden (Phil 4,11.12). Kummer und Leiden, Freude und Trost, durch alles war er hindurchgegangen; dennoch war er nicht entmutigt, wie man es von jemand erwarten sollte, der gezwungen wurde, mit ungebildeten und rohen Leuten zu leben, der stets an einen Soldaten gekettet war und vier Jahre lang im Gefängnis zubrachte. Und das war nicht alles; Paulus hätte sagen können: Ich bin im Gefängnis und kann mich um das Werk des Herrn nicht kümmern. – Doch nein; er wandelt mit dem Herrn und sagt: „Alles wird mir zum Heil ausschlagen.“ Selbst wenn Christus aus Neid und Streit gepredigt wurde, konnte er ausrufen: „Darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch freuen“ (Phil 1,18). Wenn uns alles entzogen wird, so sind wir auf den Herrn geworfen und fähig, uns in Ihm zu erfreuen; und dies wird der Fall sein, wenn Er uns leitet.

Welch einen herrlichen Gegenstand hatte Paulus in der Person des Herrn vor sich! Welch eine Energie bewirkt Er! Sein Blick war auf alles gerichtet, was jenseits der Wüste liegt; er war ein Reisender, der hindurchzog und auf dem ganzen Weg sich des Herrn erfreute. Mochte er öffentlich predigen oder in der Stille einen jeden in seiner Wohnung empfangen, der zu ihm kam – immer freute er sich. Man setzt sein eigenes Ich in hohem Maß beiseite, wenn man sich stets im Herrn erfreut. Paulus hatte gehofft, nach Spanien zu gehen, nachdem er die Heiligen ein wenig genossen haben würde (Röm 15,23.24). Hier aber ist weder von Spanien die Rede noch vom Genuss der Gemeinschaft der Heiligen, und dennoch freut sich Paulus. Es ist unmöglich, in die Festung dessen einzudringen, der sich stets im Herrn freut. Paulus sagt: „In diesem allen sind wir mehr als Überwinder“ (Röm 8,37-39). Engel, Fürstentümer und Gewalten, diese alle sind Geschöpfe; in uns aber wohnt Christus. Er ist dem Herzen nahe, und das ist das große Geheimnis. Wir haben Christus zwischen uns und den Trübsalen; wir verstehen, welch ein Hindernis der Unglaube ist; dies aber ist das Geheimnis, durch das alle Dinge zum Guten mitwirken. Man rechnet auf die Liebe Gottes; seine Liebe ist in das Herz ausgegossen. Der große Ausgangspunkt, ich wiederhole es, ist: „Übrigens meine Brüder, freut euch in dem Herrn.“

Verse 2-6

Phil 3,2-6: 2 Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung. 3 Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen; 4 obwohl ich auch auf Fleisch Vertrauen habe. Wenn irgendein anderer meint, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr: 5 Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer; 6 was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, für untadelig befunden.

Wie einfach ist alles für den, der auf Christus blickt. Die Religion der Väter, der Satzungen und der Werke: Sobald diese drei Dinge vorhanden sind, mache sie moralisch gesprochen einen Juden aus. Diese Religion bestand ganz aus Werken, Satzungen und Überlieferungen. Wäre Christus nicht gekommen, so könnte man sich all dieser Dinge noch in gleicher Weise rühmen. Aber wie urteilt der Apostel darüber? „Seht auf die Hunde“, sagt er und bezeichnet mit diesem Namen etwas Schlechtes und Schamloses.

Ich muss mit meinem Gewissen vor Gott sein und vonseiten Gottes Christus haben, oder ich habe nichts. Ein Jude mochte „seinen Kopf beugen wie ein Schilf“ und alles vollbringen, ohne dass seine Seele mit Gott war; darum verachtete Gott dies alles. Er sagt: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz“ (Spr 23,26). „Mein ist alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen. … Wenn mich hungerte, ich würde es dir nicht sagen“ (Ps 50,10.12). Was nützen mir deine Opfergaben, dass du sie mir bringst? Dich selbst will ich und nicht deine Gaben. – Kain hatte viel mehr Mühe mit dem Bebauen des Erdbodens als Abel mit seinem Lamm; aber Kains Gewissen war niemals vor Gott gewesen noch hatte er das Verderben erkannt, das durch die Sünde hereingebrochen war. Wir sehen seine Herzenstätigkeit wegen der Sünden und seine Unwissenheit über die Heiligkeit Gottes; er bringt das dar, was ein Zeichen des Fluches war; das, was er im Schweiß seines Angesichts erworben hatte. Abel brachte ein Lamm dar und wurde angenommen. Wenn wir die wahre Erkenntnis des Werkes der Versöhnung und der Annahme in Christus erlangt haben, so sind wir Abel gleich. Das Zeugnis über die Gerechtigkeit bezog sich auf die Person Abels, war gegründet auf sein Opfer, das ein Vorbild von Christus war. Gott kann mich nicht abweisen, wenn ich Christus vor Ihn bringe; ich werde von Ihm angenommen aufgrund des Passes, den ich vorweise. Ich darf nicht daran denken, durch irgendeine Entwicklung meine Seele verbessern zu können. Wenn ich Gott nahe, muss es auf dem von Ihm vorgeschriebenen Weg geschehen, und dieser ist Christus und nichts anderes. Auch muss ich mit meinem eigenen Gewissen kommen und nicht mit Satzungen, die alle äußerlich sind.

Die Art und Weise, in der der Apostel diesen Gegenstand hier behandelt, ist bemerkenswert. Er spricht nicht von einem  Gewissen, das mit Sünde beladen ist, sondern von der Nutzlosigkeit aller Satzungen; deshalb belegt er das ganze System mit dem verächtlichen Namen „Zerschneidung“. Das wahre Gebot ist: unsere Herzen beschnitten zu haben. „Wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen.“ Ebenso sagt Jeremia: „Beschneidet euch für den HERRN und tut die Vorhäute eurer Herzen weg“ (Jer 4,4). Das Fleisch muss gänzlich niedergehalten werden. Es hat ebenso eine Religion, als es Lüste hat, aber diese Religion muss von der Art sein, dass sie das Fleisch nicht tötet. Den Leib kasteien, um das Fleisch zufriedenzustellen – ein eigenwilliger Dienst, Demut, Nichtverschonen des Leibes (Kol 2,23) –, das ist eine leichtere Arbeit, als mit dem Fleisch völlig ein Ende gemacht zu haben. Paulus konnte sagen: „Ich bin Hebräer von Hebräern …; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, tadellos“, und war somit ein vollkommen religiöser Mensch. Wer aber wurde hierdurch geehrt? Paulus, aber nicht Gott oder Christus. Diese Gerechtigkeit hat nicht den geringsten Wert; sie huldigt dem Ich. Es heißt immer „Ich“ und nicht „Christus“. Diese Gerechtigkeit wird daran erkannt, dass sie dem Fleisch Ehre zuteilwerden lässt; sie mag Anstrengung und Mühe kosten, sie mag in Dingen bestehen, durch die ich mir selbst Strafe auferlege, aber sie ist ganz wertlos. Gewiss werden viele sehr aufgebracht sein, wenn man ihnen sagt, dass eine solche Gerechtigkeit nicht den geringsten Wert hat.

Verse 7-9

Phil 3,7-9: 7 Aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; 8 ja wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne 9 und in ihm gefunden werde, indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die, die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben; …

Es ist auffallend, wie der Apostel hier von dieser Gerechtigkeit spricht. Er betrachtet sie nicht als Sünde, sondern als etwas völlig Wertloses; es ist die gesetzliche Gerechtigkeit und eine für das Auge des Menschen sichtbare Religion. „Was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet.“ Paulus war ein Hebräer von Hebräern und lebte nach der strengsten Sekte des Judentums als Pharisäer; das war ein Gewinn für ihn. Nachher sagt er: „Ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne.“ Es handelt sich hier nicht um Sünde. Wenn der Apostel in Vers 9 von der Gerechtigkeit redet, so stellt er sie nicht den Sünden gegenüber, sondern bringt sie in Gegensatz zur Gerechtigkeit nach dem Gesetz; diese lässt sich leicht erkennen: Was sie auch immer tun mag – alles geschieht, um das Ich hervorzuheben. Darin liegt das Verkehrte und Böse; denn wer möchte „unflätige Kleider“ tragen (denn so werden unsere Gerechtigkeiten in Jesaja 64,5 genannt), wenn er Christus zu seiner Gerechtigkeit haben könnte? Paulus hatte eine solche Vorstellung von der Vortrefflichkeit dessen, was Christus in den Augen Gottes war – woran Gott seine Wonne fand –, dass er sagt: Ich mag diese elende Gerechtigkeit nicht behalten noch sie derjenigen beifügen, die von Gott ist. – Die trügerischen Lüste sind schlecht genug; dieses religiöse Fleisch aber ist noch schlechter. Jene Gerechtigkeit war keine wirkliche Gerechtigkeit; sie war das aufgeblähte, nicht das gerichtete Ich; sie war das gepflegte und übertünchte Ich. Paulus aber will von dem Ich frei sein und stattdessen Christus haben.

Das ist der Standpunkt des Apostels, den er jetzt näher entwickelt. Beachten wir es, er sagt nicht: Als ich bekehrt wurde, achtete ich alles für Verlust. – Wenn ein Mensch bekehrt wird, so ist Christus alles für ihn; die Welt ist für ihn nur Trug, Eitelkeit und Nichtigkeit; sie verschwindet aus den Gedanken, und die unsichtbaren Dinge erfüllen das Herz. Doch später, wenn dieser Mensch vorangeht, seinen Pflichten nachgeht, mit seinen Freunden Umgang hat, so wird er – auch wenn Christus ihm stets wertvoll ist – nicht fortfahren, alles für Verlust zu achten; oft hat er bloß alles für Verlust geachtet. Paulus hingegen sagt: „Ich achte“, und nicht nur: „Ich habe geachtet.“ Es ist etwas Großes, wenn man so sprechen kann. Christus sollte stets den Platz einnehmen, den Er hatte, als das Heil zuerst unseren Herzen offenbart wurde.

Ich möchte hier noch etwas hinzufügen, was mir soeben in den Sinn kommt. Ohne Zweifel ist ein Mensch, der Christus nicht im Grunde seines Herzens hat, gar kein Christ; aber selbst da, wo Christus in einem Menschen wohnt und dieser tadellos wandelt, gibt es vielleicht kein Echo in seinem Herzen, wenn man von Christus zu ihm redet – obwohl gegen sein Betragen nichts einzuwenden ist. Er mag Christus im Grunde des Herzens besitzen und einen schönen christlichen Wandel zur Schau tragen, aber zwischen beiden liegen hunderterlei Dinge, die mit Christus gar nichts zu tun haben: Sein Leben fließt in praktischer Beziehung ohne Christus dahin. Doch das ist nicht alles. Die entscheidende Leichtfertigkeit des Herzens geht ohne Christus voran, bis sie zum Kanal all der unreinen Dinge wird, die die Welt in die Seele ausschüttet. Jetzt stellt uns Paulus die Kraft vor, die uns befähigt, alle diese Dinge für Verlust zu achten. Er möchte Christus gewinnen, und es scheint, als ob es ein schweres Opfer ist, dafür allem zu entsagen. Doch es verhält sich damit ebenso wie mit dem Spielzeug eines Kindes: Will man es ihm aus der Hand nehmen, so wird es das nur umso fester halten; bietet man ihm aber ein hübscheres Spielzeug an, so wird es das erste Geschenk loslassen. Paulus achtet alles für Verlust und Dreck: Alles hatte seinen Wert für ihn verloren. Ich weiß wohl, dass wir Versuchungen haben werden, aber neun Zehntel dieser Versuchungen, die unsere Seele locken und hindern, würden gar nicht sein, wenn Christus seinen wahren Platz hätte. Gold und Silber und aller Tand dieser Welt würden uns weder anziehen noch zur Versuchung dienen, wenn „die Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu“ ihren Platz in unserem Herzen hätte. Diese Art des Kampfes wäre beendet. Wir würden dann die Listen Satans kennen und für andere leiden; unser Kampf würde nicht in der Anstrengung bestehen, unseren eigenen Kopf über Wasser zu halten, sondern darin, andere vor dem Ertrinken zu bewahren.

Wenn Christus den rechten Platz im Herzen hat, so haben die anderen Dinge ihren Wert verloren. Das Auge ist einfältig und der ganze Leib voll von Licht. Paulus hatte alles eingebüßt, aber er fügte hinzu: „Ich achte es für Dreck.“ Er blickte auf Christus, der für ihn ein so kostbarer Gegenstand war, dass er um seinetwillen alles aufgab. Diesen Platz bewahrte er Christus, und er eilte voran, um Ihn zu gewinnen. Er hatte Ihn noch nicht ergriffen, wohl aber war er von Christus ergriffen worden. Er streckte sich aus, um hinzugelangen, indem er seinen Blick stets auf das Ziel der Reise richtete. Es kommt nicht darauf an, wie der Weg ist; er mag rau sein, doch man blickt auf das Ziel. Es handelt sich hier um zweierlei: zuerst, dass ich Christus gewinne, und dann, dass ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe. Wenn jemand einen abgetragenen Mantel hat und einen neuen bekommt, wird er sich des alten schämen. So legt Paulus auch keinen Wert mehr auf die Gerechtigkeit, die er früher hatte. Man kann nicht zu gleicher Zeit seine eigene Gerechtigkeit und die Gerechtigkeit Gottes besitzen; wer diese kennt, will jene nicht mehr, selbst wenn er sie haben könnte. Wie schön sind die Worte, die wir in 1. Korinther 1,30.31 lesen: „Aus ihm aber seid ihr in Christ Jesu, der uns geworden ist Weisheit von Gott und Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung.“

Was wir in dem Leben aus Gott sind, das ist Christus vonseiten Gottes für uns. Der Apostel fährt weiter fort:

Verse 10.11

Phil 3,10.11: 10 … um ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, 11 ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten.

Das Erste war, Christus zu gewinnen; das Zweite, Christus zu kennen. Darin liegt der Sieg über die ganze Macht des Bösen, über den Tod und alles andere. Der Apostel wollte Ihn kennen. Seine vollkommene Liebe und sein Leben; er wollte Ihn als Gegenstand vor sich haben als den, der seine Seele, seinen Sinn und sein Herz beschäftigte, und so zu Ihm hin wachsen; er wollte die Kraft seiner Auferstehung kennen; denn dann war die ganze Macht Satans vernichtet. Er hatte von der Gerechtigkeit gesprochen, die er in Christus, nicht in sich selbst noch im Gesetz suchte; und nun wollte er die Macht des Lebens kennen, die ihren Ausdruck in der Auferstehung Christi fand. Nachdem er Christus als eine Person und den Sieg über den Tod kennengelernt hatte, konnte er den Dienst der Liebe unternehmen, wie Christus es tat, und „die Gemeinschaft seiner Leiden kennen“. Wie verschieden ist dies von den Gefühlen der Apostel, wie sie uns in Markus 10 geschildert werden, als Jesus mit ihnen von seinem Tod sprach; sie verstanden nichts von dem, was Er ihnen sagte; „sie entsetzten sich, und während sie nachfolgten, fürchteten sie sich“ (Mk 10,32), statt sich darüber zu freuen, dass der Tod vor ihnen war. Wer aber die Kraft der Auferstehung kennt, hat den Tod hinter sich; die ganze Macht des Todes ist gebrochen. Christus sagt nach seiner Auferstehung: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). „Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium“ (Mk 16,15). „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten“ (Lk 12,4); sie haben meinen Leib getötet.

Wenn mir die Kraft der Auferstehung zuteilgeworden ist, kann ich in Liebe dienen. Paulus sah dem Tod ins Angesicht und sprach nicht in leichtfertiger Weise davon. Satan sagt: „Du willst Christus nachfolgen?“ – „Ja.“ – „Es ist aber der Tod auf deinem Pfad.“ – „Ganz gut; wenn ich durch den Tod gehe, so werde ich Christus nur umso ähnlicher sein.“

Der Apostel hatte gesagt: „um ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung“; jetzt fügt er hinzu: „und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten“. Paulus ging so völlig in diese Gesinnung ein, dass er Ausdrücke gebraucht, deren Christus sich hätte bedienen können: „Ich erdulde alles um der Auserwählten willen“ (2Tim 2,10). Es war alles aus Gnade; es war eine ganz neue Stellung; jeder Anspruch auf Gerechtigkeit war verschwunden sowie auch das, was Paulus als Mensch war. Christus, als Gerechtigkeit für ihn, trat an dessen Stelle. Und dann wollte er Ihn, Ihn selbst kennen. Das ist der Weg, auf dem man Fortschritte macht. Die Zuneigungen des Herzens sind alsdann in Übung. Wenn ich die Leiden vor mir sehe, finde ich die Kraft seiner Auferstehung und danach das Vorrecht der Gemeinschaft seiner Leiden. Paulus hatte dabei ein großes Teil, wir ein kleines. Er sagt: „Ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten“, oder mit anderen Worten: Koste es, was es wolle; mag selbst der Tod auf meinem Weg sein, es ist mir ganz recht; ich werde das erreichen, was Er erreicht hat: die Auferstehung aus den Toten.

Dieser Ausdruck „Auferstehung aus den Toten“ ist an dieser Stelle im Grundtext ein ganz besonderes Wort, das man sehr selten und im Neuen Testamente nur hier findet. Diese „Auferstehung aus den Toten“ ist eine Wahrheit von unendlicher Tragweite. Christus ist der Erstling (1Kor 15,20-23), selbstverständlich nicht von den gestorbenen Gottlosen. Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt, weil Er in Ihm seine ganze Wonne fand wegen seiner vollkommenen Gerechtigkeit und weil Er Gott verherrlicht hatte. Ebenso ist es in Bezug auf uns. Die Auferstehung ist der Ausdruck des Wohlgefallens Gottes an denen, die auferweckt werden; sie ist das Siegel, das Gott auf das Werk Christi drückt. Christus war der Sohn, an dem Gott seine Wonne hatte, und jetzt sind auch wir um seinetwillen Gegenstände derselben Wonne Gottes. Was Christus betrifft, so war seine eigene Vollkommenheit die Ursache dieser Wonne; wir erfreuen uns ihrer um seinetwillen. Gott erscheint in Macht, um die Seinen aus der Mitte der Toten herauszunehmen, während die Übrigen zurückgelassen werden. „Aus den Toten“ – die ganze Kraft des Ausdrucks liegt in dem Wörtchen „aus“. Nach der Verklärung auf dem Berg (Mk 9) gebot der Herr seinen Jüngern, niemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, außer wenn der Sohn des Menschen „aus den Toten“ auferstanden war. „Und sie hielten das Wort fest, indem sie sich miteinander besprachen: Was ist das: aus den Toten auferstehen?“ (Mk 9,10). Dies „Auferstehen aus den Toten“ war es, was die Jünger so befremdete. Als Christus im Grab war, trat Gott in Macht dazwischen, weckte Ihn auf und setzte Ihn zu seiner Rechten; und wenn die Zeit gekommen ist, wird Er auch seine Heiligen auferwecken. Diese Auferstehung ist ein unendlich herrlicher Akt der göttlichen Macht, denn die göttliche Gerechtigkeit zeigt sich darin. Es ist nicht eine allgemeine Auferstehung. Das 15. Kapitel des ersten Briefes an die Korinther bezieht sich nur auf die Heiligen; denn die Gottlosen werden nicht in Herrlichkeit auferweckt werden. Ich kenne kaum etwas, was der Kirche mehr geschadet hätte als der Begriff einer allgemeinen Auferstehung. Wenn alle Toten zugleich auferstehen, so ist die Frage der Gerechtigkeit nicht erledigt; aber die Schrift sagt uns: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen seines in euch wohnenden Geistes“ (Röm 8,11). Ihrem ganzen Charakter, ihrer Natur, ihrer Bedeutung und ihrem Zweck nach ist diese Auferstehung eine ganz besondere Sache; es ist die Auferstehung „aus den Toten“ (vgl. Lk 20,27-36; 14,14; Joh 5,28; Off 20,4-6.11-15). Dieses „aus“ ist der Ausdruck der göttlichen Wonne an dem, der auf erweckt wird; um ihretwillen werden wir alle auferweckt, sonst hätte der Ausdruck „hingelangen“, den wir im vorliegenden Kapitel finden, keinen Sinn. Paulus sagt: „Ob ich auf irgendeine Weise [selbst wenn es mich das Leben kosten sollte] hingelangen möge.“ „Damit ich Christus gewinne“ – das ist die erste Sache. Ich werde Ihn gewinnen am Ende der Laufbahn; aber es gibt auch eine gegenwärtige Sache, nämlich: „Ihn zu erkennen“. Man hat gefragt, ob diese Worte eine gegenwärtige Wirkung ausdrücken oder auf die zukünftige Herrlichkeit Bezug haben. Ich denke, es ist eine gegenwärtige Wirkung, hervorgerufen durch die zukünftige Herrlichkeit.

Verse 12-14

Phil 3,12-14: 12 Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. 13 Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, 14 jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.

Wir sehen hier die unmittelbare Verbindung des Gegenstandes mit der gegenwärtigen Wirkung. Paulus wünschte, Christus jetzt ähnlich zu sein, nicht nur wenn sein Leib im Grab und sein Geist im Paradies sein würde. Sollte er sterben, so wusste er, dass er Ihm dann gleich sein würde; doch das, was er für jetzt suchte, war nicht, dem Bild des Sohnes Gottes in der Herrlichkeit gleichförmig zu sein. Sicher sollte ihm dieses zuteilwerden; aber ich werde erst dann dahin gelangen, wenn Christus kommt und die Toten auferweckt. Darauf warte ich; ich bin mir bewusst, dass ich es hier nie erreichen werde, aber ich warte darauf, und so werde ich Christus von Tag zu Tag ähnlicher, indem ich in der Kraft der Liebe leide, in der Er dem Vater gedient hat; und dadurch, dass mein Blick auf Christus in der Herrlichkeit gerichtet ist, werde ich innerlich immer mehr in sein Bild verwandelt (2Kor 3,18). Die einzige Sache, die mich beschäftigt, ist, Ihm in der Herrlichkeit gleich zu sein und bei Ihm zu sein, da, wo Er ist.

Das Leben des Apostels war hierauf gegründet und völlig dadurch gebildet. Der Sohn Gottes bildete Tag für Tag seine Seele, und Paulus eilte unaufhörlich zu Ihm hin; nie tat er etwas anderes. Nicht nur als Apostel, sondern auch als Christ ging Paulus in die Gemeinschaft der Leiden Christi und in die Gleichförmigkeit seines Todes ein, und jeder Christ sollte das tun. Du magst zu mir sagen: „Ich habe Vergebung meiner Sünden.“ Dann frage ich dich: „Was leitet jetzt dein Herz? Ruht dein Auge auf Christ in der Herrlichkeit? Steht die Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu so vor deiner Seele, dass sie alles andere beherrscht und dich alles, was auf dem Weg ist, als Verlust achten lässt? Bist du dahin gelangt? Hat diese vortreffliche Erkenntnis alles andere verbannt? Ich frage nicht, ob du äußerlich tadellos wandelst und sagen kannst: Ich liebe Christus, sondern ob der Gedanke an Christus in der Herrlichkeit alle anderen Dinge verbannt hat. Wenn dies der Fall ist, so wirst du durch die täglichen nichtigen Dinge sicher nicht geleitet werden.“ Ein Arbeiter, der eine Familie hat, wird über seiner Arbeit gewiss nicht die Liebe zu seinen Kindern vergessen; im Gegenteil, wenn seine Arbeit vollendet ist, legt er sein Werk beiseite und kehrt umso freudiger heim, weil er von den Seinen getrennt war. Seine Arbeit hat die Liebe seines Herzens weder gehindert noch geschwächt.

Es gibt aber noch eine andere Gefahr, über die wir zu wachen haben, damit wir in unseren täglichen Verrichtungen Christ gemäß handeln: nämlich die Zerstreuungen. Über diese haben wir ebenso sehr zu wachen wie über die Gegenstände, die uns beeinflussen wollen; unser Herz muss stets von einer eifersüchtigen Liebe für Christus erfüllt sein, sonst tritt augenblickliche Schwachheit ein, und wir haben dann, wenn wir in die Gegenwart Gottes kommen, unser Gewissen zurechtzuweisen, anstatt uns in dem Herrn erfreuen zu können. Es ist wirklich sehr traurig, wenn unser Wandel in der Welt so ist, dass wir bei unserer Rückkehr zu Christus bekennen müssen: Wir haben an Ihn darin nicht gedacht. Können wir sagen, wie Paulus zu Agrippa sagte: „Ich möchte wohl zu Gott beten, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin“? (Apg 26,29). Sind wir glücklich genug, um so sprechen zu können? Freuen wir uns so sehr in dem Herrn, und sehen wir eine solche Vortrefflichkeit in seiner Erkenntnis, dass wir sagen können: „Ich wollte zu Gott, ihr wäret alle wie ich“? Das Bekenntnis unserer Herzen darf nicht nur sein: „Ich habe geachtet“, sondern: „Ich achte.“ Achten unsere Herzen in diesem Augenblick wirklich alles für Verlust? Wir haben über zwei Dinge zu wachen: dass wir außer Christus keinen anderen Gegenstand haben, und dann, dass wir nicht, was noch weit gefährlicher ist, durch Zerstreuung von Ihm abgewandt werden. Der Herr möge unsere Augen mit Augensalbe salben, damit wir Ihn so sehen, dass unsere Herzen von anderen Dingen abgezogen werden und keinen anderen Gegenstand vor sich haben als Ihn allein. Vielleicht müssen wir das Kreuz auf uns nehmen; doch wenn dies der Fall ist, so leiden wir nicht nur, sondern wir leiden stets mit Ihm, wenn auch nicht immer gerade für Ihn. Unser Weg führt durch eine Welt, die sich um Christus nicht kümmert; möge daher unser Auge so fest auf Ihn gerichtet sein, dass wir Ihn als ein Heiligtum haben, als die Kraft und die Energie, die uns hindurchführt. Der Herr gebe – und es ist sein Wohlgefallen, uns zu geben –, dass wir sagen können: „Eines tue ich“; Er gebe uns aufrichtige und eifrige Herzen!

Wir haben bereits oben gesehen, in welcher Weise Christus – wenn das Auge auf Ihn gerichtet ist – den ernsten Vorsatz wachruft, der Herrlichkeit entgegenzueilen. Paulus war hierzu von Christus ergriffen worden; und er wollte Christus in der Herrlichkeit ergreifen. Wir haben ferner gesehen, dass dieser Brief den Christen als einen Wanderer betrachtet, der die Wüste durchschreitet und am Ende seines Weges alles zu finden erwartet. Vergessen wir jedoch nicht, dass der Apostel, da die Kraft der Auferstehung Christi in ihm war, schon die Macht des Lebens besaß und sie in der Herrlichkeit zu besitzen wünschte. Die praktische Folge war, dass er vorwärtseilte wie jemand, der nur die Herrlichkeit im Auge hat. Für ihn gab es nur eine Sache: Christus zu gewinnen und selbst zur Herrlichkeit auferweckt zu werden. Gott hat uns „zuvorbestimmt, dem Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29); aber dies findet seine Erfüllung nicht dann, wenn unsere Leiber im Grab und wir im Paradies sind, sondern „wenn es offenbart werden wird, werden wir ihm gleich sein, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2).

Jedoch ist „unser Wandel“ oder „unser Bürgertum“ jetzt in den Himmeln. Ich möchte hier bemerken, dass weder das eine noch das andere Wort den Sinn des Grundtextes genau wiedergibt. Der griechische Ausdruck bezeichnet unsere bürgerlichen Verhältnisse, wie wir von jemand sagen: Er ist ein Deutscher oder ein Engländer, wenn wir das hervorheben wollen, was ihn kennzeichnet. Was uns kennzeichnet, ist, dass wir im Himmel sind. Deshalb sagt Paulus: „Eines aber tue ich“, indem ich dem herrlichen Ziele entgegeneile; es hat meinem ganzen Leben seine Richtung gegeben: „Ich jage hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus.“ Für uns gibt es keine andere Vollkommenheit als die in der Herrlichkeit. Sobald ich Christus als den erkannt habe, der herabkam und um unseretwillen gehorsam war bis zum Tod, verstehe ich, dass als Antwort darauf keine Herrlichkeit zu groß ist; denn alles ist die Frucht der Mühsal seiner Seele.

Die Heilige Schrift weiß nichts von einem „Unterpfand seiner Liebe“. Dieser Ausdruck ist, wie ich glaube, irgendeinem Lied entnommen. Wir besitzen das Unterpfand der Herrlichkeit, und die „Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“ (Röm 5,5). Paulus empfand die Macht, die die Herrlichkeit auf seinen Geist ausübte, und in gleicher Weise sind wir berufen, zu laufen; doch nicht alle Christen wissen es. Ist jemand wirklich ein Christ, so muss er das Kreuz als das kennen, wodurch er erlöst worden ist; hingegen weiß er vielleicht nicht, dass er mit Christus eins sein wird in der Herrlichkeit. Die Kinder wissen, dass ihre „Sünden vergeben sind“ (1Joh 2,12); dies zu wissen, ist das gemeinsame Teil aller. Die „Kinder“ kennen den Vater (1Joh 2,14), sie haben den Geist der Kindschaft. Die Vollkommenen in Christus aber, wie der Apostel sie hier nennt, kennen die Verderbtheit ihres eigenen Herzens weit besser und sehen zugleich die vollkommene Liebe Gottes, der Christus auf dem Kreuz für uns dahingegeben hat; eine Liebe, die zu dem Sünder in seinen Sünden herabkam. Sie wissen nicht nur, dass sie Vergebung ihrer Sünden haben, sondern auch, dass sie als Kinder Adams völlig beseitigt sind. Die „Kinder“ wissen dies nicht; sie wissen nicht, dass sie, was ihre adamitische Natur betrifft, gänzlich beiseitegesetzt sind. Die alte Natur ist für den Glauben tot, und „wenn der Christus, der unser Leben ist, offenbart werden wird, dann werden auch wir mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Und diesen Platz hat der Glaube schon jetzt. „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden …, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Das ist der vollkommene Mensch, von dem der Apostel spricht, wenn er sagt:

Verse 15.16

Phil 3,15.16: 15 So viele nun vollkommen sind, lasst uns so gesinnt sein; und wenn ihr etwas anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch dies offenbaren. 16 Doch wozu wir gelangt sind, lasst uns in denselben Fußstapfen wandeln.

Es mag vielleicht jemand noch beim Anfang stehen, während du weiter fortgeschritten bist; und wenn dies der Fall ist, so hast du jenem umso mehr Gnade zu erweisen, denn Christus hat ihn ergriffen und ihm seine Sünden vergeben; er wird noch eine andere Sache verstehen lernen: nämlich dass er mit Christus gestorben ist, dass nicht nur seine Sünden vergeben sind, sondern dass auch die Sünde im Fleisch gerichtet ist, ja dass er selbst – jenes Ich, das ihn mehr beunruhigte als seine Sünden – für immer hinweggetan ist. Wir sollen alle gleichgesinnt sein als solche, die wissen, dass sie mit dem zweiten Adam vereinigt sind. Wenn dies nicht von allen verstanden wird, so sollen doch alle in denselben Fußstapfen wandeln; und was etliche noch nicht verstehen, wird Gott ihnen offenbaren.

Verse 17-19

Phil 3,17-19: 17 Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. 18 Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes des Christus sind: 19 deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen.

„Seid zusammen meine Nachahmer“, sagt der Apostel und stellt sich damit auf bemerkenswerte Weise zum Vorbild der Heiligen hin. Er zeigt den Gegensatz zwischen denen, deren „Bürgertum in den Himmeln ist“, und denen, „die auf das Irdische sinnen“. Das Ende derer, die auf das Irdische sinnen, ist das Verderben; sie sind Feinde des Christentums. Hier handelt es sich nicht um den Besitz von mehr oder weniger Licht, sondern um solche, deren Sinn auf das Irdische gerichtet ist und nicht auf Christus in der Herrlichkeit. Man kann seinen Sinn nicht zu gleicher Zeit auf das Irdische und auf Christus richten; „die Freundschaft der Welt“, sagt Jakobus, „ist Feindschaft gegen Gott“ (Jak 4,4). „Alles, was in der Welt ist …, ist nicht von dem Vater“ (1Joh 2,16). Die Kinder sind vom Vater. Als ich erweckt wurde, wunderte ich mich sehr darüber, dass im Wort Gottes so viel von der Welt die Rede war; nachdem ich aber mit anderen Christen Umgang hatte, sah ich bald, wie sehr die Welt sie stets zurückzog und ihre Herzen fort und fort reizte.

Die, die auf das Irdische sinnen, sind „Feinde des Kreuzes des Christus“, so sprach der Apostel mit Weinen. Was war das Kreuz? Es hatte dies alles verurteilt. Der Sohn Gottes ist die Quelle, die Wurzel, die Pflanze, aus der alle Herrlichkeit hervorsprießen sollte. Er hat in dieser Welt nur das Kreuz gefunden. Und was ist die Welt? Sie wollte Christus um keinen Preis haben, und deshalb habe ich als Christ nichts mehr mit ihr zu schaffen. „Die Welt sieht mich nicht mehr“, sagte der Herr (Joh 14,19). Der Heilige Geist ist nicht gekommen, um gesehen zu werden; „die Welt kann ihn nicht empfangen, weil sie ihn nicht sieht noch ihn kennt. Ihr kennt Ihn; denn er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,17). Auf diese Weise kennen wir den Heiligen Geist.

Das Gute und das Böse begegnen sich auf dem Kreuz; dort wurde die Frage zwischen beiden entschieden. Jetzt handelt es sich für jeden darum, ob er sich zu der Welt hält, die Christus verworfen hat, oder zu Christus, den die Welt verworfen hat. Nichts ist dem Kreuz zu vergleichen: Es ist sowohl die Gerechtigkeit Gottes gegen die Sünde als auch seine Gerechtigkeit im Vergeben der Sünde. Das Kreuz ist das Ende der Welt des Gerichts und der Anfang der Welt des Lebens; es ist das Werk, das die Sünde hinweggenommen hat und zugleich die größte Sünde, die begangen worden ist. Je mehr wir das Kreuz betrachten, umso mehr erkennen wir, dass es der große Wendepunkt von allem ist. Darum: Wer sich zur Welt hält, ist ein Feind des Kreuzes Christi. Als Christen haben wir darauf zu achten, dass nicht etwa der eitle Tand dieser Welt einen Schleier über unsere Herzen wirft, der uns hindert zu sehen. Wenn ich die Ehre der Welt, die Christus gekreuzigt hat, annehme, so ist meine Ehre in meiner Schande. Wo ist unsere Heimat? Im Haus unseres Vaters, nicht in der traurigen Wüste, die wir durchwandern müssen, um dorthin zu gelangen.

Im zweiten Kapitel haben wir die Sanftmut des Wandels gesehen; hier erblicken wir die Macht und Energie, die von einer Welt befreit, die uns hindern möchte, Christus ähnlich zu sein.

Verse 20.21

Phil 3,20.21: 21 Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, 21 der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.

Jetzt habe ich den Leib Adams, dann werde ich den Leib Christi haben; alle unsere Lebensverbindungen sind dort, wo Christus ist. Er wird als Heiland kommen und alles erfüllen, indem Er unseren Leib der Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit umgestalten wird. Der Preis ist bezahlt worden, aber die endgültige Befreiung, für die er bezahlt wurde, ist noch nicht gekommen. „Der uns aber eben dafür zubereitet hat, ist Gott“ (2Kor 5,5); doch die Sache selbst haben wir noch nicht empfangen; wir warten, bis Christus kommt, um uns in ihren Besitz zu setzen.

Wenn unsere Herzen wirklich von dem Bewusstsein durchdrungen wären, dass Gott uns Christus gleichmachen will; wenn wir in praktischer Weise glauben würden, dass Gott uns dahin bringen will, um als Brüder bei und gleich Christus zu sein, dann würden wir ganz andere Gedanken über die Welt haben. Wir würden vollkommen sein und nach dem vorgesteckten Ziel uns ausstrecken. Sollte ich auf meinem Weg dem Tod begegnen, so bin ich dennoch stets voller Vertrauen. Ich wünsche nicht, zu sterben; ich wünsche, dass „das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben“ (2Kor 5,4). Sollte aber der Tod kommen, so erschüttert er mein Vertrauen nicht im Geringsten, denn „ausheimisch von dem Leib“ ist „einheimisch bei dem Herrn sein“.

In 2. Korinther 5 spricht der Apostel zuerst von der Hoffnung, von dem, was ich wünsche; hernach richtet er seinen Blick auf die beiden Dinge, die das Teil des Menschen sind: auf den Tod und das Gericht; denn „es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27). Handelt es sich nun um den Tod – er ist ein Gewinn für mich; denn für mich ist ausheimisch vom Leib zu sein, einheimisch bei dem Herrn sein. Handelt es sich um das Gericht – es ist eine feierliche Sache, es ist „der Schrecken des Herrn“. Es richtet meine Gedanken auf diejenigen, die noch nicht errettet sind, und ich überrede die Menschen. Der Richterstuhl lässt Paulus nicht an sich selbst denken, sondern an die übrigen Menschen, obwohl er sagt: „Wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden.“ – „Wir überreden die Menschen und sind Gott offenbar geworden.“ Der Tag des Gerichts übte seinen Einfluss auf den Apostel aus; er ließ ihn die Wirkung der Gegenwart Gottes so fühlen, wie es am Tag des Gerichts der Fall sein wird. Der Gedanke an diesen Tag erhält das Gewissen wach und lebendig; er ist eine Macht, die mich heiligt, aber nicht erschreckt. Die göttliche Macht wird uns ergreifen, und so wie Eva dem Adam dargestellt wurde, so wird Christus, der Gott ist, sich selbst, dem zweiten Adam, seine Eva, seine Versammlung darstellen.

Die Frage ist aufgeworfen worden, ob die Worte „um ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung“ (Phil 3,10) die Gegenwart oder die Zukunft betreffen. Ich antworte: Es ist die gegenwärtige Kraft, die dadurch hervorgebracht wird, dass mein Blick auf Christus und seine Auferstehung gerichtet ist. „Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist“ (1Joh 3,3). Dies wird dadurch bewirkt, dass das Auge stets auf Ihn gerichtet bleibt und wir Ihn erwarten. Die endgültige Erlösung wird kommen und für den Leib das vollbringen, was hinsichtlich der Seele jetzt schon geschehen ist. Er wird uns sich gleichmachen in dem Haus des Vaters und, was ich so überaus köstlich finde, Er will uns dort haben, ohne dass wir eines Gewissens bedürfen. Hier unten muss mein Gewissen stets auf der Hut sein, wenn ich nicht unversehens in eine Schlinge Satans geraten will; droben aber, wo ich nur von Segnungen umgeben sein werde, ist dies nicht mehr nötig. Wir werden auch dann den Heiligen Geist haben, und seine ganze Macht wird dazu dienen, uns zu befähigen, die Herrlichkeit zu genießen. Jetzt „ist die Liebe Gottes ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Jedoch ein großer Teil seiner Macht wird dazu verwendet, das Schiff flott zu erhalten.

Die meisten unter uns haben Sorgen, Prüfungen und Versuchungen, doch Gott hat an dies alles gedacht. Er hat sogar die Haare unseres Hauptes gezählt und uns etwas gegeben, was uns durch alles hindurchhilft. Er denkt sogar an das Wetter für die Seinen: „Betet aber, dass eure Flucht nicht im Winter stattfinde“ (Mt 24,20). Nicht einmal ein „Sperling fällt auf die Erde ohne euren Vater“ (Mt 10,29). Gott denkt an alles und befähigt uns, über allem zu stehen.

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Originaltitel: „Das Buch der Erfahrung“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1878, S. 57–73, 85–92.
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