Dieses lange Stillschweigen
Aus einem alten Brief

B. M.

© SoundWords, online seit: 28.01.2009, aktualisiert: 15.05.2022

(Auszug aus einem Brief)

… Ich habe gehört, dass dieses oft länger andauernde Schweigen in den Versammlungen Ihnen unangenehm ist. Aber ich denke, wenn Sie es richtig gebrauchen würden, dann könnten Sie eine sehr nützliche und glückliche Erfahrung machen.

Ich begrüße es, dass Sie die Schuld nicht auf die andern abwälzen, sondern bekennen, dass während dieser Pausen viele Gedanken Sie vom Thema der Versammlung ablenken. Sie stellen fest, dass dieser oder jener nicht anwesend ist, und fragen sich warum – Krankheit oder Unfall? Ein anderes Mal wird es die Unruhe eines Kindes sein, die Ihre Aufmerksamkeit beansprucht, und Sie möchten, dass die Mutter, an deren Seite es sitzt, sich mehr um den Kleinen kümmern würde. Oder wenn Sie das Geräusch des Regens hören, keimt der Wunsch, dass dieser vor Ende der Versammlung aufhören möge. Dann versuchen Sie, diese belanglosen Gedanken zu verscheuchen, aber sofort tauchen andere an ihrer Stelle auf, und es bekümmert Sie, wenn Sie merken, dass dieser Geisteszustand nicht von der Gegenwart des Herrn an seinem Tisch kommt. Aber was ist das Heilmittel?

Zunächst müssen wir bekennen, dass etwas nicht richtig läuft in unserer „Gedankenmaschine“. Anstatt dass wir sie beherrschen, werden wir von ihr mitgerissen. Es ist der Mechaniker, der den Lauf des Motors einstellt, nicht der Motor den Mechaniker. Zusammenhanglose Gedanken sind öfter der Grund für Abstürze. Gott fordert von uns den ganzen Verstand, genauso will Er unsere Seele und unser Herz ganz. Aber oft lassen wir uns leider durch irgendeinen Windhauch mitreißen. Jedenfalls ist es so, dass die Aktivität Ihres Gehirns Sie Dinge denken lässt, die Sie nicht denken sollten. Infolgedessen widmen Sie sich nicht dem Thema, das Sie eigentlich beschäftigen sollte.

Um das zu verhindern, fängt man dann an, in der Bibel oder im Liederbuch zu lesen. Natürlich ist diese Beschäftigung an sich gut, aber hier ist sie völlig fehl am Platz. Denn die Schwachheit hat ihren Grund im Fehlen heiliger Themen in Ihrem Kopf. Möglicherweise haben Sie das Lesen des Wortes zu Hause vernachlässigt. Sie sind geistlich hungrig, aber während der Zeit der Anbetung ist nicht der Moment zum Essen! Was bringen Sie hingegen mit, wovon haben Sie sich die Woche über prägen lassen?

Wenn der Israelit hinaufging, um den Herrn anzubeten, musste er sein Opfer – Erstlinge von all seinen Früchten – in einen Korb legen, um sie vor den Herrn zu bringen. Er sollte nicht mit leeren Händen vor Ihm erscheinen. Wenn er versucht hätte, seinen Korb in den Innenhöfen des Hauses Gottes zu füllen, dann hätte er das von Mose gegebene Gebot missachtet. Das ist oft ein Grund, warum unsere Gedanken so oft während der Versammlungsstunde abschweifen.

Bevor Sie zur Versammlung kommen, müssen Sie ihren Korb mit Worten der Schrift füllen; dann sind Sie auch bereit für diese Momente der Stille, wo Ihre Gedanken zurzeit so oft nicht bei der Sache sind. Sie können sich immer an das erinnern, was der Heilige Geist uns über das Leben, die Leiden und den Tod des Herrn Jesus Christus erzählt. Dann ist im Herzen auch kein Platz für Freunde oder ihre Erfahrungen. Satan und seine Diener füllen schnell ein Haus, besonders wenn es leer ist. Nehmen Sie Abstand, indem Sie in Ihrer Erinnerung die herrlichen Worte bewahren, die Gott Ihnen gegeben hat, um damit Ihr Gedächtnis zu füllen; das ist vernünftiger Gottesdienst (Röm 12,1) und angenehm für Ihn.

Haben Sie einmal über das Gebet nachgedacht, das Jona im Bauch des großen Fisches sprach? Diese Worte (Jona 2) wurden im Herzen des Propheten während der langen Zeit von drei Tagen und drei Nächten ausgestoßen. Er konnte da kein Manuskript konsultieren, das vorher von heiligen Männern verfasst worden wäre. Aber Jona hatte sich der Mühe unterzogen, sein Gedächtnis mit Worten der Schrift zu füllen. Sie können es selber nachlesen, dass sich diese Worte aus Jona 2 in den Psalmen befinden. Jona erinnerte sich, sprach in seinem Innern und niemand, außer dem Herrn, konnte ihn hören. Nie hatte er daran gedacht, dass er eines Tages im Bauch eines Fisches sein könnte, aber sein Gedächtnis war voll, bereit, Ihm zu dienen. Nehmen Sie sich dieses Beispiel zu Herzen; lesen Sie immer wieder das Wort auf diese Weise, schaffen Sie einen Vorrat, von dem Sie zehren können, wenn ein Stillschweigen eintritt.

Wenn Sie zusammen mit anderen zum Gedächtnis des Todes des Herrn gehen, können Sie Ihren Korb mit vielen Stellen füllen, die von seinen Leiden reden; die Mehrzahl davon kennen Sie, aber Sie sind immer wieder neu. Denken Sie an Abraham bei der Opferung Isaaks; an die levitischen Opfer mit ihrer Erklärung im Hebräer- oder Petrusbrief; an Psalm 22; an Jesaja 53; an die Evangelien und an viele andere Stellen. Suchen Sie sie, aber nicht während der Versammlungsstunde.

Somit gibt es keinen Grund, dass irgendein Zeitabschnitt der Versammlungsstunde – wie klein er auch sein möge – durch eine Pause oder ein Stillschweigen verlorenginge oder verschwendet wäre. Sollte nicht jede Minute in der Gegenwart des Herrn der freudigen Anbetung und der feierlichen Erinnerung dienen? Könnte ein Stillschweigen Sie dazu bewegen, das Bewusstsein seiner Gegenwart zu verlieren? Seinen schläfrigen Jüngern in Gethsemane sagt Er: „Konntet ihr nicht eine einzige Stunde mit mir wachen?“ Kann der Herr nicht während der ganzen Versammlungsstunde von uns erwarten, dass wir Ihm unser ganzes Herz und unseren ganzen Verstand übergeben? Lassen Sie nicht zu, dass ihr Geist passiv bleibt; wenn ein stiller Moment da ist, rufen Sie sich die Worte der Schrift ins Gedächtnis.

Denken Sie daran, dass Gott in der Versammlung viel mehr auf das schaut, was im Herzen, als auf das, was auf der Zunge ist. Er verurteilt jene, die sich Ihm mit den Lippen nahen, während ihr Herz fern ist (Mk 7,6.7; Jes 29,13). Während der Stille sieht Gott in Ihr Herz. Hoffentlich sieht Er es nicht leer, sondern voll seines Wortes, damit auch die Andacht Ihres Herzens in seinen Augen wohlgefällig sei.

Möge das in unser aller Herzen so sein!


Aus der Zeitschrift Gethsemani

Übersetzung: Hans Meier


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