Der Brief des Paulus an die Philipper (1)
Kapitel 1

William Wooldridge Fereday

© CSV, online seit: 20.07.2021

Kapitel 1

Die Gliederung des Briefes an die Philipper ist gut zu erkennen, wenn man der Kapiteleinteilung folgt:

  1. Christus, unser Leben
  2. Christus, unser Vorbild
  3. Christus, unser Ziel
  4. Christus, unsere Stärke

Einleitung

Der Philipperbrief vermittelt uns Erfahrung und nicht so sehr Lehre. Wir finden darin das innere Leben der Gläubigen und des Apostels Paulus auf sehr kostbare Weise dargestellt. Auch der erste Thessalonicherbrief stellt uns christliche Erfahrung vor, aber mit dem Unterschied, dass die Gläubigen dort erst seit kurzem bekehrt waren, so dass wir bei ihnen das göttliche Leben sich in seiner ganzen ersten Frische und Tatkraft entfalten sehen. Die Philipper hingegen waren bereits bewährte Gläubige, als Paulus ihnen schrieb; sie hatten schon viele Jahre im Glaubenslauf zurückgelegt und Gottes völlige Treue erprobt. Bei den Thessalonichern traten das „Werk des Glaubens“, die „Bemühung der Liebe“ und „das Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus“ besonders hervor; sie hatten sich „von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“. Die Philipper aber hatten dem Sturm standgehalten und dem Apostel in all seinen Nöten und Bedürfnissen anhaltend ihre Unterstützung und Gemeinschaft erwiesen.

In Philipper 1 finden wir die glückseligen Beweggründe im Herzen des Apostels, in Philipper 2 etwas, was treffend die Gütigkeit des christlichen Lebens genannt worden ist; in Philipper 3 haben wir die Energie dieses Lebens und in Philipper 4 seine Überlegenheit über alle Umstände.

Verse 1-11

Phil 1,1-11: 1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit den Aufsehern und Dienern: 2 Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! 3 Ich danke meinem Gott bei all meiner Erinnerung an euch 4 allezeit in jedem meiner Gebete, indem ich für euch alle das Gebet mit Freuden tue, 5 wegen eurer Teilnahme an dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt, 6 indem ich eben darin guter Zuversicht bin, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi; 7 wie es für mich recht ist, dass ich dies über euch alle denke, weil ihr mich im Herzen habt und sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums ihr alle meine Mitteilnehmer der Gnade seid. 8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit dem Herzen Christi Jesu. 9 Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, 10 damit ihr prüfen mögt, was das Vorzüglichere ist, damit ihr lauter und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi, 11 erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.

In der Anrede werden „Aufseher und Diener“ erwähnt (in der Mehrzahl, wohlgemerkt). Das waren örtliche Diener, von denen sich die einen um die geistlichen und die anderen um die äußeren Belange der Gläubigen zu kümmern hatten. Man darf sie nicht verwechseln mit den Gaben zur Auferbauung des Leibes nach Epheser 4.

Paulus dankte Gott jedes Mal, wenn er an diese Gläubigen dachte. So wie hier redet er zu keiner anderen Versammlung. An manchen Orten konnte er Gott für einiges danken, musste aber über anderes seufzen – doch hier gab es nichts, was ihm Kummer machte. So haben wir hier eine treffende Illustration von Hebräer 13,17. Er gab Rechenschaft über die Philipper „mit Freuden und nicht mit Seufzen“ – zweifellos zu ihrem Nutzen. Was im Besonderen sein Herz erfreute, war ihre Teilnahme am Evangelium: Sie hatten ihn als Arbeiter auf ihren Herzen vor Gott getragen, hatten ihm wiederholt etwas für seinen Bedarf gesandt, und vor allen Dingen hatten sie mit ihm Anteil genommen an den Glaubensproben und der Schmach, die die Ausbreitung des Evangeliums mit sich bringt. Das alles erkannte er als Gottes Werk in ihnen an, und sein Herz war voll Zuversicht, dass Gott, da Er ein gutes Werk in ihnen angefangen hatte, es auch vollenden würde bis auf den Tag Christi. Diese Bemerkung des Apostels ist beachtenswert; er betrachtet nämlich in diesem Brief die Gläubigen als solche, die für sich selbst auf Gott gestellt waren, denn er, der „Diener der Versammlung“, war nicht mehr tätig, sondern im Gefängnis. Dieser Brief leitet gewissermaßen über zu der Situation, dass die Versammlung überhaupt ohne apostolische Fürsorge sein würde. Apostolische Nachfolge gibt es für die Versammlung nicht; ihr hervorstechendes Merkmal ist, dass Gott selbst in den Gläubigen das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen wirkt.

So war es durchaus recht, dass der Apostel in Bezug auf sie alle voll Zuversicht war: Er wusste, dass er einen Platz in ihren Herzen hatte; sie hatten „Trübsal gelitten mit dem Evangelium nach der Kraft Gottes“ [vgl. 2Tim 1,8] und waren auch „Mitteilnehmer der Gnade“, mit der Paulus ausgestattet war. Und zudem wusste Gott, wie sehr er sich nach ihnen sehnte „mit dem Herzen Christi Jesu“. Dieselbe zärtliche Zuneigung zeigt sich auch in 1. Thessalonicher 3. Paulus sehnte sich sehr danach, die Thessalonicher zu sehen, wie sie sich sehnten, ihn zu sehen, indem er „Nacht und Tag über die Maßen flehte“, ihr Angesicht zu sehen und zu vollenden, was an ihrem Glauben mangelte [1Thes 3,10]. Auch seine geliebten Philipper nennt er „meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und Krone“ [Phil 4,1]. Was für ein kostbarer Ausdruck gegenseitiger Zuneigung!

Paulus betete für die Philipper, dass ihre „Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht“. Die Liebe darf sich nicht unweise entfalten – sie muss in Gottes Schule lernen. Zuzeiten spricht die Liebe zärtlich, ein andermal streng; um in Liebe recht zu handeln und zu reden, braucht man Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen. Die Liebe muss im Gleichgewicht stehen mit anderen göttlichen Eigenschaften. Paulus wünschte auch, dass die Philipper „prüften, was das Vorzüglichere sei“ – das bedeutet, dass der neue Mensch sich durch den Geist in der Gegenwart Gottes schult in Bezug auf Gut und Böse. So würden sie „lauter und ohne Anstoß sein auf den Tag Christi“. Beachten wir, dass „der Tag“ immer zur Sprache kommt, wenn es um Verantwortung geht (vgl. Röm 13,121Kor 1,81Thes 3,13). In unserem Zusammenhang ist der Sinn des Geistes auf die „Frucht der Gerechtigkeit“ gerichtet, in Epheser 5 geht es um die „Frucht des Lichts“ und in Galater 5 um die „Frucht des Geistes“. „Zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“, fügt der Apostel hinzu – und das ist gewiss immer das Ziel im Leben des Gläubigen.

Verse 12-19

Phil 1,12-19: 12 Ich will aber, dass ihr wisst, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind, 13 so dass meine Fesseln in Christus offenbar geworden sind in dem ganzen Prätorium und allen anderen, 14 und dass die meisten der Brüder, indem sie im Herrn Vertrauen gewonnen haben durch meine Fesseln, viel mehr sich erkühnen, das Wort [Gottes] zu reden ohne Furcht. 15 Einige zwar predigen den Christus auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen; 16 diese aus Liebe, da sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums gesetzt bin; 17 jene verkündigen den Christus aus Streitsucht, nicht lauter, wobei sie meinen Fesseln Trübsal zu erwecken gedenken. 18 Was denn? Wird doch auf alle Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich, ja, ich werde mich auch freuen; 19 denn ich weiß, dass dies mir zum Heil ausschlagen wird durch euer Gebet und durch Darreichung des Geistes Jesu Christi,

Während die Verse 1 bis 11 eine Art Einleitung bilden, greift der Apostel in Vers 12 den eigentlichen Gegenstand dieses Briefes auf. Sein selbstloses Herz freute sich darüber, dass Gott so über seine Fesseln hinweg gewirkt hatte, dass seine Gefangenschaft sich mehr zur Förderung des Evangeliums als zum Nachteil ausgewirkt hatte. Das wollte er seine Brüder wissen lassen, damit sie sich gemeinsam freuen konnten. Statt dass er als Übeltäter angesehen wurde, wie es Satans Absicht war, hatte Gott offenbar gemacht, dass seine Fesseln um Christi willen waren, und das war zu einem Zeugnis geworden. Wie weise ist unser Gott, und wie segensreich ist es, einfach Ihm zu vertrauen! Für das Auge des Menschen war die Gefangennahme eines Arbeiters wie Paulus eine Katastrophe, und erst recht zu einer Zeit, als der Verfall sich schon überall abzeichnete, aber der Herr wusste es am besten. Die Fesseln ermöglichten es Paulus, Menschen am Gerichtshof des Kaisers und auch sonst in Rom zu erreichen, die er unter normalen Umständen sicher nie erreicht hätte. Es ist auffallend, dass die einzige Mitteilung der Schrift über einen Apostel in Rom sich auf einen Gefangenen bezieht, und das erst viele Jahre nach der Einführung des Christentums dort.

Seine Fesseln hatten auch noch etwas anderes bewirkt. Viele Brüder im Herrn, die anfangs durch seine Gefangennahme entmutigt worden waren, wurden jetzt zuversichtlicher, vertrauten auf den Herrn und waren viel kühner geworden, das Wort ohne Furcht zu reden. Was für eine Freude für das Herz des treuen Gefangenen! War er gebunden, das Wort Gottes war es nicht: Es nahm seinen Lauf. Dennoch war diese Freude nicht ungetrübt, denn einige predigten Christus aus Neid und Streitsucht mit der Absicht, seiner Gefangenschaft noch weitere Trübsal hinzuzufügen. Wie gemein! Und doch konnte sein selbstloses Herz sich freuen, weil Christus gepredigt wurde, so sicher war er sich, dass dieser Name nicht vergebens vorgestellt werden kann, was auch die Beweggründe des Redenden waren. Zudem empfand er, dass alles zum endgültigen Sieg über Satan beitrug – alles würde übergehen in die endgültige Errettung (das „Heil“) des Apostels. Es geht hier in Vers 19, wie ich glaube, nicht um seine Befreiung aus der Gefangenschaft – darauf wird in Vers 26 angespielt –, sondern um die Errettung am Ende des Weges. So stimmt es auch überein mit dem Gebrauch des Wortes im ganzen Philipperbrief. Die Errettung steht am Ende des Glaubenskampfes, das erreicht ist, wenn der Herr Jesus kommt (wogegen der Gläubige sich der Errettung der Seele schon jetzt erfreut). Paulus rechnete auch mit den Gebeten der Philipper und der Darreichung des Geistes Jesu Christi. Das Gefäß muss ständig mit dem reinen Öl von oben gefüllt werden, damit das Licht ausstrahlen kann.

Verse 20-30

Phil 1,20-30: … 20 nach meiner sehnlichen Erwartung und Hoffnung, dass ich in nichts werde zuschanden werden, sondern mit aller Freimütigkeit, wie allezeit, so auch jetzt Christus erhoben werden wird an meinem Leib, sei es durch Leben oder durch Tod. 21 Denn das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn. 22 Wenn aber das Leben im Fleisch mein Los ist – das ist für mich der Mühe wert, und was ich erwählen soll, weiß ich nicht. 23 Ich werde aber von beidem bedrängt, indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser; 24 das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen. 25 Und in dieser Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und bei euch allen bleiben werde zu eurer Förderung und Freude im Glauben, 26 damit euer Rühmen in Christus Jesus meinethalben überströme durch meine Wiederkunft zu euch. 27 Wandelt nur würdig des Evangeliums des Christus, damit, sei es, dass ich komme und euch sehe oder abwesend bin, ich von euch höre, dass ihr feststeht in einem Geist, indem ihr mit einer Seele mitkämpft mit dem Glauben des Evangeliums 28 und euch in nichts erschrecken lasst von den Widersachern; was für sie ein Beweis des Verderbens ist, aber eures Heils, und das von Gott. 29 Denn euch ist es im Blick auf Christus geschenkt worden, nicht allein an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden, 30 da ihr denselben Kampf habt, wie ihr ihn an mir gesehen habt und jetzt von mir hört.

Der Apostel vertraute auch dem Herrn – es war seine „sehnliche Erwartung und Hoffnung“ -, dass die Gnade, die ihn bis jetzt erhalten hatte, ihn bis zum Ende erhalten würde. Seine Zuversicht war, dass er in keiner Hinsicht beschämt werden, sondern dass Christus an seinem Leib erhoben werden würde, ob durch sein Weiterleben oder durch seinen Märtyrertod. „Denn“, sagt er, „das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn.“ So völlig stand Christus vor seinem Blick und so völlig war er Ihm mit Leib und Seele hingegeben, dass er völlig einverstanden war, zu leben oder zu sterben, wie es den Absichten des Herrn am meisten entsprach und zu seiner Verherrlichung diente. An einer solchen Sprache erkennen wir, wie das Ich völlig beiseitegesetzt ist und der Herr – seine Herrlichkeit und der Dienst für Ihn – den Blick und das Herz in Beschlag genommen hat. Christus war das einzige Anliegen des Apostels: Noch weiter hier zu leben bedeutete, weiter für die Ehre seines Namens zu arbeiten und noch tiefer mit Ihm vertraut zu werden. Aber auch zu sterben war ein Gewinn für den leidenden Apostel, denn dann würde er bei Christus sein – „einheimisch bei dem Herrn“. Wie schmerzlich war es für einen so Treuen, schreiben zu müssen: „Alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21). Nur wenige führten ihr Glaubensleben wie er und Timotheus; bei den meisten vermischten sich eigene Interessen mit dem Dienst für den Herrn, und das schon in seiner damaligen Zeit.

So wollte Paulus gern bleiben, aber auch gern abscheiden; er fühlte sich im Widerstreit zwischen beidem. Doch er dachte an die Versammlung, deren Diener er in einer besonderen Weise war. Sie trug er auf dem Herzen und er nahm teil an den Zuneigungen und Empfindungen des Hauptes für seine Glieder, und das machte die Sache schwierig. Für ihn selbst wäre es besser gewesen, abzuscheiden und alle Leiden und Bedrängnisse hinter sich zu lassen, „das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen“. Wir müssen im Auge behalten, dass schon zu dieser frühen Zeit auf allen Seiten der Niedergang einsetzte: Böse Männer waren schon am Werk und suchten das Zeugnis des Herrn zu verderben und die Gläubigen zu verführen. Paulus wusste, dass das Böse sich weiter ausbreiten würde; das hatte er den Ältesten von Ephesus schon einige Zeit vor der Abfassung des Philipperbriefes gesagt (Apg 20). Deshalb wollte er gern noch bleiben und das Boot der Versammlung etwas länger über das unruhige Meer geleiten. Und erfüllt mit diesem Wunsch und dem Vertrauen, dass sein Bleiben im Fleisch nötig war, wusste er, dass er bleiben und mit den Gläubigen weitergehen würde zu ihrer Förderung und Freude im Glauben.

Beachten wir die ruhige Würde dieses Mannes! Vom menschlichen Standpunkt aus lag es in den Händen des Kaisers, ob er blieb oder nicht; aber er blickte nicht auf den Menschen, ob hoch, ob niedrig, sondern regelte seinen Fall lieber vor dem Herrn. Für die Gläubigen war es nötig, dass er eine Zeitlang bleiben würde, und das konnte weder der Hass der Juden noch die Laune des Kaisers verhindern. Er war überzeugt, dass er seine geliebten Philipper wiedersehen würde, und rechnete mit ihrer Liebe, so dass bei ihrem Wiedersehen ihre Freude in Christus Jesus überströmen würde.

Beachten wir auch, dass er „zu ihrer Förderung und Freude im Glauben“ zu bleiben wünschte. Was für eine liebliche und schlichte Sprache für einen Apostel – jemand, der vom Herrn mit Autorität ausgestattet war! Paulus vermied es so weit irgend möglich, Autorität zur Schau zu tragen, und war damit in seinem Geist weit entfernt von solchen, die gern über Gottes Besitz herrschen wollten. Er sagte lieber: „Nicht, dass wir über euren Glauben herrschen, sondern wir sind Mitarbeiter an eurer Freude; denn ihr steht durch den Glauben“ (2Kor 1,24). Doch ob er nun kam oder nicht, sein Wunsch war, dass der Lebenswandel der Gläubigen gut war: „Wandelt nur würdig des Evangeliums des Christus.“ Darin bestand seine Freude, wie er den Thessalonichern sagte: „Denn jetzt leben wir, wenn ihr feststeht im Herrn“ (1Thes 3,8), und wie Johannes sagt: „Ich habe keine größere Freude als dies, dass ich höre, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln“ (3Joh 4). Ein solches Einssein mit der Herrlichkeit Christi ist doch etwas Kostbares!

Paulus begehrte zweierlei für die Philipper: Erstens sollten sie „feststehen in einem Geist, indem sie mit einer Seele mitkämpften mit dem Glauben des Evangeliums“, und zweitens sollten sie sich „in nichts erschrecken lassen von den Widersachern“.

Praktische Einheit ist etwas sehr Kostbares und von höchster Wichtigkeit, wie der Apostel in Philipper 2,1-4 noch ernstlich betonen wird. „Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen!“ (Ps 133). Der Heilige Geist ist das Band der Einheit und auch ihre Kraft. Wenn Er in den Herzen der Gläubigen wirkt, stellt er ihnen ein Ziel vor Augen und fügt sie zusammen zu einem Entschluss und einer Absicht. Das darf man nicht mit äußerlicher Übereinstimmung verwechseln. Die kann auch durch eine allgemeine Zustimmung zu einem Glaubensbekenntnis bewirkt werden oder dadurch, dass man sich einem Gesetzbuch unterwirft oder gar einer Person wie beim Papsttum. Aber die Einheit des Sinnes, die der Heilige Geist bewirkt und aufrechterhält, ist etwas unvergleichbar Höheres und Gesegneteres.

„Mit dem Glauben des Evangeliums mitkämpfen“ ist, wie ich es verstehe, etwas anderes, als „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen“ (Jud 3). Das Letzte hat zu tun mit Verderbnis von innen, das Erste mit einer feindlichen und im Fall der Philipper heidnischen Welt. Sie sollten sich durch ihre Widersacher nicht erschrecken lassen, da sie wussten, dass der, der in ihnen war, größer war als der, der in der Welt war (vgl. 1Joh 4,4). Sie sollten dem Verfolger mutig die Stirn bieten. Dieser ruhige Mut, den die Gnade uns schenkt, wirkt in zwei entgegengesetzten Richtungen: Für den Feind ist er ein offenbares Zeichen seines Verderbens, für die leidenden Gläubigen ist er eine Zusicherung des Heils, und das von Gott. Die Feinde kommen dahin, zu erfahren, dass der Christ unbesiegbar ist und dass auch das Schlimmste nur seine Glückseligkeit vertieft. So kann er die Gewissensregung nicht unterdrücken, dass er gegen Gott kämpft, was nur zu seinem Verderben führen kann, wie es denn „bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten“ (2Thes 1,6). Auf der anderen Seite empfindet der Gläubige, dass die Gnade, die ihn durch den Feuerofen hindurch bewahrt, ihn auch bis zum Ende aufrechterhalten wird. Und weil er so gleichsam den Helm des Heils trägt, geht er unverzagt und mit heiliger Ruhe voran. Zu leiden ist ein Vorrecht, sagt uns der Apostel Paulus (vgl. Mk 10,35-40).

Es besteht ein Unterschied zwischen dem Leiden mit Christus und dem Leiden für Ihn. Das Erste ist die notwendige Frucht davon, dass man seine Natur hat, und ist damit in höherem oder geringerem Maß das Teil jedes Christen; das Zweite ist das Ergebnis der Einsmachung mit Ihm und seiner Sache in der Welt. In diesem Sinn hatte Paulus in Philippi gelitten und litt er nun in Rom. Die Philipper schmeckten jetzt denselben Kelch. Aber es war „für ihn“, und das versüßte alles – wie damals in Mara, als Israel das bittere Wasser nicht trinken konnte, aber Gott Mose ein Holz zeigte, das ihnen das Wasser süß machte.

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Originaltitel: „Gedanken zum Brief an die Philipper (1)“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 58, 2006, S. 99ff.
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Hinweis der Redaktion:

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