Walter Bligh Westcott (1871–1936)
Unterstützer der Westcott-Mission

Gabriele Naujoks

© Gabriele Naujoks, online seit: 23.12.2022, aktualisiert: 14.03.2024

Walter Westcott gehörte zu den sogenannten Glanton-Brüdern, so wie auch J.T. Mawson, F.B. Hole und H. Smith. Er war der jüngste Bruder von William Henry Westcott, der als Missionar der Westcott-Mission im Kongo und als Übersetzer der Bibel in eine indigene Sprache der wohl bekannteste der fünf Westcott-Brüder war.

Die Familie

Walter Bligh Westcott wurde am 1. Januar 1871 geboren. Er war das jüngste Kind seiner Eltern Lemuel Allingham Westcott (1829–1909) aus Lingfield (Surrey) und Emily Upton (1829–1913) und hatte noch drei Schwestern und vier Brüder: Emily Mary (1858–1943), Lemuel Upton (1859–1929), Minnie Hannah (1861–1938), Edith Lucy (1862–?), William Henry (1865–1936), Arthur James (1867–1941) und Frederick Allingham (1869–1954). William und Upton waren Missionare, Arthur und Frederick Handelsreisende.

Walter Westcott wuchs in einer gläubigen Familie der ‚Brüder‘ auf:

Walters Großvater

Walters Großvater, der Schulmeister John Westcott (ca. 1810–1848), gehörte vermutlich zunächst zur Church of England (denn seine Eheschließung mit Hannah Allingham [1805–1892] fand in einer anglikanischen Kirche statt), schloss sich aber bereits als sehr junger Mann den Baptisten in Lingfield (Surrey) an. Schon als junger Mann von Anfang zwanzig fühlte er sich wegen seiner seelsorgerlichen Gaben dazu geführt, in ihren Zusammenkünften zu predigen.

Als im Januar 1836 in der neu errichteten Dormansland Baptist Church erstmals das Abendmahl gefeiert werden sollte und kein ordinierter Baptistenprediger zur Verfügung stand, übernahm er – gerade Mitte 20 – auf einmütige Bitte der Gemeindeglieder die Dienste eines Predigers. Erst 1845, fast zehn Jahre später, als die Gemeinde auf hundert Mitglieder angewachsen war, wurde John Westcott offiziell ordiniert. Zusätzlich zu seinen Aufgaben als Prediger leitete er weiterhin eine Schule[1] in Lingfield.

Walters Vater

Der älteste Sohn von John Westcott war Walters Vater Lemuel. Er wurde Mitglied in der Baptistengemeinde, in der sein Vater, Walters Großvater, predigte, und übernahm später die Leitung der Schule; vermutlich bereits 1848 als 18-Jähriger nach dem frühen Tod des Vaters. Die Ebenezer Lodge in Lingfield war nur eine kleine Schule mit zehn Internatsschülern. Auch seine jüngste Schwester Emily Sarah und zwei jüngere Brüder sowie später seine eigenen Kinder besuchten die Schule. Zwei Schwestern des Vaters (also Tanten von Walter) unterrichteten ebenfalls an der Schule.

Irgendwann verließ Walters Vater Lemuel Westcott die Baptisten und schloss sich den ‚Brüdern‘ an, so dass Walter und seine Geschwister in ‚Brüderkreisen‘ aufwuchsen. Seinen Vater bezeichnete Walter als einen „äußerst guten und freundlichen Mann“[2]. Lemuel Westcott starb 1909 im Alter von 80 Jahren in Yorkshire „nach einem langen, gottesfürchtigen Leben“[3].

Walter

Walter Westcott heiratete 1897 im Alter von 26 Jahren in Leeds (Yorkshire) die vier Jahre ältere Beatrice Jane Anning[4] (1867–1965). Mit ihr hatte er drei Töchter und einen Sohn: Kathleen Beatrice (1889–1988), Marjorie Bligh (1901–?), Edith Norah (1903–1938) und Alan Bligh (1906–?).

Walters Brüder und die Westcott-Mission

Walters ältere Brüder William und Upton waren Missionare im Kongo (heute: Demokratische Republik Kongo, bis 1997 Zaire).

William hatte 1889 im Alter von 24 Jahren im Hinblick auf einen Missionsdienst im Kongo seinen Beruf aufgegeben und war fünf Jahre in Großbritannien im Predigtdienst tätig. Nachdem er anschließend in Südafrika zwei Jahre indigene Sprachen studiert hatte, reiste er 1896 im Alter von 31 Jahren schließlich in den Kongo. Anfang 1897 folgte ihm sein Bruder Upton, damals 37 Jahre alt. Die Brüder ließen sich am Fluss Sankuru in Inkongo bei der Stadt Lusambo nieder. Auf Verlangen der Regierung, dass alle Missionsstationen im Land sich einen Namen beilegen sollten, wurde der Name Westcott Mission gewählt. Von den Einheimischen wurden die beiden Brüder Mukyelenge Mule (William) und Kamanda (Upton) genannt.

Sogleich nach ihrer Ankunft begannen sie, die dortige Sprache Luna Inkongo[5] zu erlernen, die damals von etwa fünfzigtausend Menschen gesprochen wurde. Sie war bis dahin nur mündlich überliefert worden, weshalb zuerst noch ein Alphabet und eine Schreibweise geschaffen werden mussten. Zusätzlich erschwert wurde das Erlernen der Sprache dadurch, dass die Einwohner Inkongos außer ihrer Sprache keine andere Sprache beherrschten. William widmete sich ganz dem Sprachstudium und dem Übersetzen, während Upton in den Schulen Lesen und Schreiben unterrichtete, damit die Einheimischen einmal in der Lage wären, selbst die Bibel zu lesen. Schulunterricht war für sie eine völlig neue Erfahrung. Upton baute auch Häuser und kümmerte sich um die Kranken. In England hatte er einige Jahre Homöopathie studiert, was ihm jetzt hier zugutekam. Nun war er viel zu Fuß und mit dem Kanu unterwegs zu den Kranken.

Die ersten Jahre auf dem Missionsfeld seien „sehr schwierig und anstrengend“[6] gewesen:

Zwei Arbeiter. Eine leere Wand, keine geschriebene Sprache, keine Bücher, keine Bekehrten, wenig Ermutigung von zu Hause. Es gibt viele Nöte, aber Christus hat sie gesendet und Gott ist ihre Quelle.[7]

Die Saat ihrer Arbeit trug mit der Zeit Früchte: Nach sieben Jahren konnten die ersten Bekehrten getauft werden. Nach dreißig Jahren Missionsarbeit hatten sich fast dreitausend Einheimische bekehrt und an fünf Orten bestand eine Versammlung. Zu dieser Zeit waren sechzehn Mitarbeiter mit der Missionsarbeit verbunden. Auch etliche Einheimische verkündeten inzwischen das Evangelium, indem sie von Dorf zu Dorf zogen.

Nach den ersten einsamen Jahren schlossen sich der Mission neue Mitarbeiter an und unterstützten William Westcott in seinen Bemühungen, die Bibel in die Sprache der dortigen Bevölkerung zu übersetzen. Nach vielen Jahren Sprachstudium konnte er schließlich sein Lebenswerk vollenden: die Übersetzung der Bibel in die Sprache Luna Inkongo. Das erste veröffentlichte Bibelbuch war 1905 das Matthäusevangelium; 1911 folgte  das Neue Testament, 1927 war die gesamte Bibel fertiggestellt, und 1932 erschien eine erste Revision. Er schrieb auch eine Grammatik für die Sprache[8], zwei umfangreiche Wörterbücher und übersetzte zahlreiche Lieder für ein Liederbuch in den Versammlungen. Mit seiner Arbeit erwies er den Menschen, die rund um Inkongo diese Sprache sprachen, einen wertvollen Dienst und auch den nachkommenden Missionaren, da diese nun die Sprache erlernen konnten, bevor sie in den Kongo ausreisten.

Walter Westcott selbst wirkte zwar nicht als Missionar in Afrika, verfolgte in der Heimat jedoch sehr intensiv die Belange der Missionsarbeit und die Interessen seiner Brüder und der anderen Missionare der Westcott Mission. Er sammelte Spenden für die Arbeit im Kongo und verwaltete als Kassenwart (home treasurer) die Gelder. Offenbar machte er dabei die Erfahrung, dass nicht jeder Gläubige gern und großzügig die Belange der Mission unterstützte, denn er schrieb in einem Artikel:

Der Gott [...], der heute einige seiner Diener versorgt, die alles verlassen haben und in die Finsternis des Heidentums gegangen sind, ohne dass ihnen aus dem Heimatland Unterstützung zugesagt worden wäre – dieser Gott kann sein Werk tun, ohne dass um finanzielle Hilfe gebeten wird, und wir müssen Ihn das tun lassen.

Noch ein Wort. Ist es nicht eine Tatsache, dass viele Christen ziemlich knauserig und knickerig sind? Dabei singen sie doch so hingegeben:

Wär mein die Welt mit ihrem Glanz,
wärs doch als Opfer viel zu klein.
Für solche Liebe nimm mich ganz,
ich selbst will, Herr, das Opfer sein.[9][10]

Regelmäßig verschiffte Walter Westcott große Pakete nach Afrika mit für die Missionsarbeit notwendigen Dingen. Ein Zitat aus dem Blatt Mitteilungen aus dem Werk des Herrn in der Ernte vermittelt einen kleinen Eindruck, welche Bedeutung seine Arbeit für die Mitarbeiter auf dem Missionsfeld hatte:

Einer der ersten Mitarbeiter wurde einmal gefragt, wovon sie sich ernährten, worauf er antwortete: „Einen Tag von Bohnen und Reis, am nächsten Tag von Reis und Bohnen.“ So etwas wie Butter, Milch, Mehl, Zucker usw. konnte man nur aus England bekommen, und oft kamen Lieferungen gar nicht erst an. In Lusambo gab es keine Läden, und Briefmarken musste man aus 800 Meilen Entfernung besorgen. Interessant, dass die Tagebücher aus jener Zeit von der Aufregung sprechen, die das Eintreffen einer „Haushaltskiste“ hervorrief. Im vorgerückten Alter hatte Mr. Walter Westcott, dessen Werk alle Mitarbeiter viel zu verdanken hatten, alle Vorräte verschickt und eine große Kiste zurückbehalten, in die man einzelne Pakete von den Verwandten der verschiedenen Mitarbeiter hineinpackte. Auch Mrs. Westcott sind alle sehr dankbar dafür, dass sie die Nutzung eines Zimmers in ihrem Hause als Packraum duldete. Da es zwischen neun und achtzehn Monaten dauerte, bis solche Kisten ankamen, wird die Aufregung darüber umso begreiflicher, dass diese Ladung nun eine „Haushaltskiste“ enthielt.[11]

Walters Bruder William verließ den Kongo 1916 und kehrte nach Großbritannien zurück, wo er weiterhin an der Übersetzung des Alten Testamentes arbeitete; 1936 starb er in Grimsby (Linconshire). Upton wirkte trotz seiner Erblindung weiterhin im Kongo, wo er 1929 starb. Im Jahr 1962 schlossen sich die Westcott Mission und eine andere Missionsgesellschaft der ‚Brüder‘, die North Sankuru Mission, zur North Kasai Mission zusammen.

Scripture Truth

Als die ‚Glanton-Brüder‘ ab 1909 nach der Trennung von den ‚Raven-Brüdern‘ eine eigene Zeitschrift, Scripture Truth, herausgaben, gehörte Walter Westcott zu Beginn mit zwölf anderen führenden Brüdern zu einem Gremium, das eingereichte Artikel für die Zeitschrift vor dem Abdruck kritisch las und auswählte. Zu diesem Gremium gehörten auch Henry James Vine, John Thomas Mawson, Harold Primrose Barker, Frank Binford Hole, Hugh Denoon Rushton Jameson, D.R. Huntley, J. Murray, Captain John Wilson Smith, Hamilton Smith, Thomas Bell, Robert Dunn, Robert Whyte.[12] Später wurden die eingereichten Artikel von den jeweiligen Herausgebern begutachtet. Walter Westcott selbst schrieb auch Beiträge für Scripture Truth. 1914 stellte er Lieder für ein neues Liederbuch zusammen: Hymns of eternal salvation.[13]

Walter Bligh Westcott starb am 27. März 1936 in Gateshead (Durham) im Alter von 65 Jahren.  Er ist in Camden, London, begraben.


Die Informationen zu dieser Biographie stammen aus verschiedenen Internetquellen.

 

Anmerkungen

[1] Damals die Dormansland School.

[2] W.B. Westcott, „The Widening Breach“ in Scripture Truth, Jg. 5, 1913, S. 131.

[3] „II. Baptists in Outwood“ in The Baptist Quarterly, Jg. 4, 1928, Nr. 2, S. 80.

[4] Walter Westcotts Frau Beatrice Jane Anning war die Schwester von Edith E. Anning, die 1902 Walters Bruder Upton heiratete. Der Bruder der beiden Schwestern, Dr. James John Anning (1871–1954), war ein bekannter ‚Glanton-Bruder‘. Er war ausgebildet als Apotheker und arbeitete später als Allgemeinmediziner und Chirurg.

[5] Hier eine Hörprobe der Sprache Luna Inkongo: https://globalrecordings.net/en/program/66265.

[6] „Death of Mr. Upton Westcott“ in Help and Food for the Household of Faith, Jg. 47, 1929, S. 405.

[7] „Death of Mr. Upton Westcott“ in Help and Food for the Household of Faith, Jg. 47, 1929, S. 405.

[8] W.H. Westcott, Concise Grammar of Luna Inkongo. Siehe online auf: https://www.biblafrique.net/Luna_Inkongo/Luna_Inkongo-Concise_grammar.pdf.

[9] Anm. d. Red.: Aus dem Lied „Schau ich zu jenem Kreuze hin“ (1890) von Walter Rauschenbach (1861–1919). Siehe auch das Lied „When I Survey the Wondrous Cross“ (1707) von Isaac Watts (1674–1748): Were the whole realm of nature mine, | that were a present far too small. | Love so amazing, so divine, | demands my soul, my life, my all.

[10] W.B. Westcott, „The Church Mendicant“ in Scripture Truth, Jg. 6, 1914, S. 166.

[11] „In sein wunderbares Licht – Geschichte eines 50-jährigen Dienstes in Afrika“ in Mitteilungen aus dem Werk des Herrn in der Ferne, 15. Juni 1997, Nr. 403. Ursprünglich auf Englisch erschienen unter: F.B. Hole, “Into His Marvellous Light”. A Story Off 50 Years Service in Central Africa, London (The Central Bibel Truth Depot) 1947.

[12] Siehe von links oben nach rechts unten: https://www.scripture-truth.org.uk/images/committee.jpg.

[13] Hymns of Eternal Salvation erschien bei The Central Bible Truth Depot, London.

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