Das Buch des Propheten Nahum
Vorwort

Henri Louis Rossier

© SoundWords, Online începând de la: 20.09.2018, Actualizat: 12.01.2021

Nahum unterscheidet sich von Jona und Micha dadurch (2Kön 14,25; Jer 26,18), dass er außer in seinem eigenen prophetischen Buch nirgends erwähnt wird. Alles, was wir über ihn wissen, ist, dass er aus Elkosch stammte. Die Beweisführung des Kirchenvaters Hieronymus, die sich auf eine Namensähnlichkeit stützt, um diesen Ort nach Galiläa zu verlegen, steht ziemlich einsam da und wurde von anderen nicht bestätigt. Eine Überlieferung, nach der Jona in Assyrien gestorben sei und die dort auch Elkosch, den Geburtsort Nahums, vermutet, verdient kaum, erwähnt zu werden, so wie im Übrigen alle ähnlichen Auslegungen auch. Wenn Elkosch in Galiläa läge, wäre die Bemerkung der Pharisäer gegenüber Nikodemus, „dass kein Prophet aus Galiläa aufsteht“ (Joh 7,52), doppelt irrig, denn Jona stammte aus dem Städtchen Gat-Hepher aus Sebulon, das zu Galiläa gehörte. Zudem hatte Jesaja vorhergesagt, dass von dort Christus kommen sollte, der große Prophet, dem die ungläubigen Juden sogar diesen Titel versagten (Jes 8,23.24).

Was das Datum der Prophezeiung Nahums angeht, so liefert uns sein Buch die Zeitspanne, wenn nicht sogar die genaue Jahresangabe. Als er seine prophetischen Worte aussprach, war die Zerstörung No-Amons (Theben, die Hauptstadt Oberägyptens) bereits geschehen (Nah 3,8). Dieses Ereignis hatte im Altertum beachtliche Auswirkungen, denn es bedeutete den zuvor schon in Gang gesetzten Verlust der wichtigsten Stadt Ägyptens und trug zum schnellen, endgültigen Fall dieses Königreichs bei. Die Zerstörung Thebens fand geschichtlichen Angaben zufolge 663 v.Chr. statt, und zwar unter der Regierung Manasses, des Königs von Juda (698–643 v.Chr.).

Es ist also offensichtlich, dass Nahum, der diese Zerstörung als ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis erwähnt, seine Prophezeiungen nicht vor dieser Zeit gemacht haben kann, wie man lange Zeit annahm. Jüngere assyrische Entdeckungen haben das biblische Datum bestätigt. Assurbanipal [669–631 v.Chr.][1] – der vorletzte König Assyriens, Eroberer Ägyptens und Zerstörer Thebens – erwähnt, zeitgleich mit dieser Eroberung, die Unterwerfung „Manasses, des Königs von Juda“ und anderer Stammeskönige. Auf der anderen Seite wissen wir, dass Manasse, der seine Herrschaft mit Gräueltaten begonnen hatte, gefangen genommen und nach Babylon weggeführt wurde, das zu dieser Zeit ein Besitztum Assyriens war. Nachdem er sich vor Gott gedemütigt hatte (2Chr 33,1-20), wurde er dann wieder auf seinem Thron in Jerusalem eingesetzt. Wenn wir auch nicht das genaue Datum dieser Wiederherstellung kennen, so können wir doch sagen, dass die Anerkennung der Souveränität Assyriens durch Manasse weniger als zwanzig Jahre vor seinem Tod stattfand, denn Assurbanipal, der 667 v.Chr. den Thron Assyriens bestiegen hatte, eroberte Theben 663, und Manasse starb 643.

Demnach erwähnt Nahum den Fall Thebens als ein vergangenes und gut bekanntes Ereignis um das Jahr 660 v.Chr. herum. Die Stadt Ninive wurde – wenn man einigen Historikern glauben darf – im Jahr 625 v.Chr. zerstört; andere nennen das Jahr 608 oder 606 unter der Herrschaft Jojakims (610–599 v.Chr.), also ungefähr fünfzig Jahre nach der Prophezeiung Nahums.

Die Ungewissheit in Bezug auf das Datum der Zerstörung Ninives, dem bemerkenswertesten Ereignis in der ganzen antiken Geschichte des Orients, zeigt uns, wie wenig Vertrauen die historischen Studien des Altertums verdienen, wenn sie – wie sorgfältig auch immer sie gemacht worden sein mögen – sich nicht auf das Wort Gottes stützen. Andererseits haben wir aus Erfahrung gelernt, den Behauptungen jener Kritiker keine allzu große Bedeutung beizumessen, die vorgeben, das Alter einer Prophezeiung aus dem Stil, in dem sie gehalten ist, ablesen zu können oder aus anderen Passagen, von denen sie meinen, ein Prophet habe sie von einem anderen abgeschrieben. Ob es sich um die Bücher Mose handelt, die Propheten oder die Evangelien – jede Behauptung, ihre Verfasser hätten bei anderen Autoren abgeschrieben, entbehrt einer soliden Grundlage; bei diesem Thema widersprechen sich die Kritiker unentwegt und kommen niemals auf einen Nenner. Tatsächlich offenbart ihre Arbeit unfreiwillig ihren Ursprungsgedanken, der sich, wenn man näher hinschaut, als Leugnung der Inspiration und der göttlichen Autorität der heiligen Schriften entpuppt. Der Christ dagegen weiß, dass Gott in der Bibel gesprochen hat; ebenso hat er nicht die geringsten Schwierigkeiten damit, wenn er Wiederholungen in dem einen oder anderen Buch des Alten oder Neuen Testamentes entdeckt, je nachdem, zu welchem Zweck der Heilige Geist sie hat aufschreiben lassen. Diese Wiederholungen sind bisweilen sehr umfangreich, und gelegentlich wiederholt derselbe Schreiber denselben Abschnitt, so wie in den Psalmen[2], oder wir finden auch zwei vollkommen unterschiedliche Schreibstile bei demselben Autor. Der Glaube zieht einen immensen Nutzen aus den Nuancen sich wiederholender Textstellen, da sie doch in den verschiedenen Teilen, die die Bibel bilden, auf eine offensichtliche Weise den Plan Gottes hervortreten lassen. Wenn ein Prophet, Daniel, die Prophezeiung Jeremias studiert, so erfüllt das den Glaubenden mit Vertrauen in diese Offenbarung und lässt ihn gleichzeitig den Unterschied zwischen Inspiration und Unterweisung durch den Geist erkennen – sieht er doch, dass die Propheten ihre eigenen Schriften studierten. Die Bibel ist tatsächlich ein göttliches Ganzes, ohne die selbst die inspirierten Männer, die berufen waren, sie zu vervollständigen, nicht auskommen konnten; ja, nicht einmal der, der das fleischgewordene Wort war. Dass aber eine Prophezeiung oder irgendeine andere Textpassage eine menschliche Reminiszenz an ältere Schriften sei, produziert von einer mehr oder weniger vertrauenswürdigen Erinnerung – das verneint der einfach Glaubende unbedingt. Was diese Kritiker ignorieren, ist, dass das Wort Gottes ein organisches Ganzes darstellt, das vom Heiligen Geist zusammengestellt ist und nicht eine Sammlung von Schriften ohne Verbindung zueinander ist.[3] Wenn es Gott angemessen erscheint, sich zu wiederholen, warum sollte Er es nicht tun? Der Glaube versteht den Grund dafür. Der Glaube weiß, dass die heiligen Männer Gottes „durch den Heiligen Geist“ geredet haben [vgl. 2Pet 1,21] und nicht, indem sie voneinander abgeschrieben haben.

Zephanja, der über der Herrschaft Josias prophezeite, kündigt wie Nahum den Untergang Ninives an und sagt die Zerstörung Assyriens voraus, die dem Untergang Ninives folgte – und zwar sagt er sie als bevorstehendes Ereignis voraus, denn sie fand nach den historisch als am wahrscheinlichsten geltenden Annahmen zu Beginn der Herrschaft Jojakims statt (Zeph 2,10-15).

Hesekiel schließlich, der während der Gefangenschaft um 589 v.Chr. prophezeite, erinnert den Pharao an den völligen Untergang Assyriens, der einige Jahre zuvor stattgefunden hatte und auf den in Kürze der Untergang Ägyptens folgen würde (Hes 31).

Noch eine Anmerkung am Ende dieses Vorwortes zu einer Besonderheit des Propheten Nahum: Während wir bei Micha verschiedene Gesprächspartner sehen, die bisweilen so schnell nacheinander auftreten, dass die Wechsel uns ständige Aufmerksamkeit abverlangen, hören wir bei Nahum nur eine einzige Stimme: die Stimme des HERRN, die sich durch den Propheten mal an die eine, mal an eine andere Person wendet, und dies so unerwartet, geradezu abrupt, dass nur der Kontext selbst uns Auskunft zu geben vermag über die betreffende Person. So geht es etwa einmal um Assyrien (Nah 1,14; 2,12), dann um den letzten König Assyriens (der Geschichtsschreibung zufolge um Assur-Ediliane) (Nah 3,18), dann wieder um Manasse (Nah 1,12), um Juda (Nah 2,1) oder um Ninive (Nah 2,14; 3,5; 6,8.11). Ein anderes Mal spricht der Prophet, ohne das Gemeinte explizit zu nennen, von dem HERRN (Nah 2,4), von Ninive (Nah 1,8; 2,8; 3,1), vom König des assyrischen Reiches (Nah 1,13; 2,1.14). Auf diese Weise wird angesichts der bevorstehenden Gerichte die Aufmerksamkeit stetig aufrechterhalten.


Übersetzt aus Le Livre du Prophète Nahum, 1916

Übersetzung: Verena Enseroth

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der assyrische König Assurbanipal heißt in der Bibel Osnappar; siehe Esra 4,10.

[2] Vergleiche zum Beispiel Psalm 14 und Psalm 53.

[3] Das Beste, was wir bei diesem Thema tun können, ist, einige Zeilen eines Dieners Gottes zu zitieren, der viele Male erfolgreich den modernen Unglauben bekämpft hat:

Die Einwände gegen die Bibel, die von kritischen deutschen Theologen und ihren Nachahmern formuliert werden, deuten hin auf eine furchtbare Beschränktheit des Geistes, die die Wege Gottes bis auf einige wenige Gedanken völlig ignoriert. Diese Männer kommentieren ein Buch, von dem sie im Grunde überhaupt nichts wissen. Sogar das Ziel und die Absicht dieses Buches sind ihnen unbekannt. Niemals hat dieses weite Feld, dieses schier unfassbare Gedankengebäude, dessen Teile sich alle ergänzen, voneinander abhängen und sich auseinander ergeben, sich vor ihren Augen entfaltet. Dieser Gedankenkomplex beginnt an dem Punkt, an dem die Vergangenheit die Ewigkeit berührt, und indem er uns die Entstehung und Lösung aller moralischen Fragen zeigt, führt er uns hin zu dem Ziel, an dem die Zukunft sich nach Gottes Gedanken in der Ewigkeit auflöst. Wir finden dort, historisch nachvollziehbar und entwickelt, alle Formen der Beziehungen zwischen Gott und dem Menschen, und zwar sowohl in ihrer moralischen wie auch individuellen Verwirklichung. Jedes Teil fügt sich in das andere ein, wie die Teile einer Landkarte bei einem Puzzle. Wenn die Teile zusammengefügt sind, entsteht ein vollkommenes Ganzes, bei dem nichts fehlt. Dieses komplette System, das ein Ganzes bildet und eine absolute Einheit ist, ist dennoch über einen langen Zeitraum von ungefähr 1500 Jahren hinweg geschrieben worden (das belegen die besten historischen Zeugnisse). Sein Grundgedanke hat Bestand gehabt und ist nicht erschüttert worden: weder von der ihm entgegengebrachten Gleichgültigkeit oder vom Wechsel von Zeiten der Finsternis und des Lichts, in denen der Mensch sich befindet, noch durch das Vorbringen von absichtlich in Kontrast zueinander gesetzten Prinzipien wie Gesetz und Evangelium. Angesichts all dieser unterschiedlichen Gegebenheiten verliert dieses System niemals seine vollkommene und absolute Einheit und ebenso wenig die Beziehung seiner Einzelteile zueinander. Für die Skeptiker sind diese Dinge nichtig; sie sind sich nicht einmal deren Existenz bewusst; sie haben von der Bibel ungefähr so viel Verständnis wie ein Kind, das beim Puzzeln der Erdkarte zwei völlig unpassende Teile nur deshalb nebeneinanderlegt, weil sie rot sind und schön aussehen.

Mai multe articole ale autorului Henri Louis Rossier (1)


Nota redacţiei:

Redacţia SoundWords este răspunzătoare pentru publicarea articolului de mai sus. Aceasta nu înseamnă că neapărat ea este de acord cu toate celelalte gânduri ale autorului publicate (desigur cu excepţia articolelor publicate de redacţie) şi doreşte să atragă atenţia, să se ţină seama de toate gândurile şi practicile autorului, pe care el le face cunoscut în alte locuri. „Cercetaţi toate lucrurile, şi păstraţi ce este bun” (1 Tesaloniceni 5.21).

Bibeltexte im Artikel anzeigen