Was ist ein „gereizter Geist“?
Psalm 106,32.33

C.G. M.

© SoundWords, online seit: 04.02.2009, aktualisiert: 16.03.2023

Leitverse: Psalm 106,32.33

Ps 106,32.33: Sie erzürnten ihn an dem Wasser von Meriba, und es erging Mose übel ihretwegen, denn sie reizten seinen Geist, so dass er unbedacht redete mit seinen Lippen.

Was ist ein „gereizter Geist“ (oder „aufgebrachter, verbitterter, empörter Geist“)? Ein fehlgeleiteter Geist als Reaktion auf schlechte Dinge. Möglicherweise stellt dieser aufgebrachte Geist für das reichliche Ausgießen des Heiligen Geistes das größte Hindernis dar![1]

Die oben zitierten Psalmverse fassen zusammen, was in 4. Mose 20,1-13 berichtet wird: Das Volk Israel war durstig und klagte Gott und Mose wütend an. Gott nahm sich seines Volkes an und sorgte für Abhilfe, aber der Geist Moses und Aarons war durch diese Anklagen gereizt worden. Achten wir auf die Bemerkung „Es erging Mose übel ihretwegen“. Wer war Mose? Nur wenige Männer besaßen solche Privilegien wie er. Und doch sehen wir diesen im Dienst gealterten Mann Gottes, der dem Haus Israel so treu vorstand, im vierzigsten Jahr der Wüstenwanderung auf eine große Katastrophe zusteuern.

Sind wir nicht aus demselben Grund ebenfalls anfällig für Katastrophen in unserem Leben? „Es erging Mose übel (ihretwegen)“, und der Siegeskranz seines Lebens wurde ihm vorenthalten. Aber war es denn nicht das Volk, das so verdorben war? Ja, es war schrecklich, vom rechten Weg abgekommen zu sein: „Sie reizten seinen Geist [erbitterten sein Herz, Luther 1984].“ Und dennoch handelte Mose falsch, und wer kann ermessen, welchen Verlust er deswegen erleiden musste!

Das Volk Gottes in heutiger Zeit spricht manchmal von „ehrlicher Entrüstung“ („heiligem Zorn“).[2] Man empfindet ein Unrecht so deutlich – und schon nutzt der Teufel dies aus, um den Geist zu reizen. Das Gotteskind erkennt aber nicht, dass dieser aufgebrachte, empörte Geist in Gottes Augen verabscheuungswürdig ist, weil er das größte Hindernis für Gemeinschaft und Dienst darstellt.

Wenn wir uns der Begebenheit aus 2. Mose 17 – das Wasser aus dem Felsen – zuwenden, so finden wir dort den Bericht über ein Ereignis, das sich vierzig Jahre zuvor abgespielt hatte: Das Volk war durstig und wollte Wasser. Es gab einen bösen Geist voller Murren unter ihnen, ein klares Fehlverhalten aufseiten der Menschen, Nörgeln und Undankbarkeit. Aber diese Bosheit fand damals keinen Weg in den Geist Moses. Er übergab die ganze Sache vielmehr in Gottes Hände, der sich ihrer annahm und Rettung schenkte.

Ein ruhiger, unaufgeregter Geist wird stets Gott mit einbeziehen. Der erzürnte Geist aber schließt Gott aus. Aus diesem Grund arbeitet der Widersacher daran, uns aufzubringen, uns zu reizen. Er weiß nämlich, dass sein Triumph nur dann vollständig sein wird, wenn er uns in die Irre geleitet hat. Wenn der Herr unseren Geist bewahrt, können wir mit seiner Hilfe jedem Übeltäter widerstehen.

In 4. Mose 20 ist die Lage ganz ähnlich: In den Versen 6 bis 8 geht alles gut, Mose und Aaron kommen zum Herrn (4Mo 20,6-8); aber in Vers 10 ergreift ein falscher Geist von Mose Besitz: Mose schlägt den Felsen, anstatt zu ihm zu sprechen, und er nennt das Volk „ihr Widerspenstigen“ (4Mo 20,10). „Er redete unbedacht mit seinen Lippen“ (Ps 106,33 ).

Gott hat unendlich viel Geduld mit unseren Fehlern. Er lässt sich dadurch nicht gegen uns aufbringen. Seine Absicht war, dass seine Diener Ihn darstellen sollten, aber durch ihren erzürnten Geist verdeckten Männer wie Mose und Aaron den wahren Charakter Gottes. Die Sünde im Geist des Propheten verbirgt die Geduld Gottes vor dem Übeltäter.

Ähnliche Begebenheiten werden auch im Neuen Testament berichtet. Lukas 9,51-55 enthält den Bericht von den Samaritern, die sich weigern, Jesus und seinen Jüngern eine Unterkunft zu geben. Der falsche Geist ergreift Jakobus und Johannes. Nicht der Geist der Samariter betrübte den Herrn, sondern der seiner eigenen Kinder. Gottes größter Kummer ist auch heute noch unser fehlgeleiteter Geist. Welcher Schaden ist dadurch nicht schon angerichtet worden?! Wie sehr brauchen wir diese Gnade – die Gnade, unseren Geist nicht reizen zu lassen!

Ein Mann Gottes gab einmal ein gutes Beispiel hierfür. Er war zu Besuch bei einer Schwester, die sich sehr über ihren Mann geärgert hatte. Diese bat den Mann Gottes, für ihn zu beten. Denn ihr Mann vernachlässige das Gebet in der Familie, und im häuslichen Leben ginge alles drunter und drüber. Hierauf sagte der Mann Gottes, es sei sicherlich niemals Gottes Wille, dass jemand falsch handeln solle, aber es sei auch sein Wille, dass wir – seine Kinder – falschem Verhalten mit einem rechten Geist begegnen sollten. Sie verstand das nicht; alle Schuld lag bei ihrem Mann. Drei Wochen später kam der Mann Gottes wieder. „Gott hat an mir gearbeitet“, sagte sie, „jetzt verstehe ich!“ So wurde sie zurechtgewiesen, der Geist Gottes wirkte an ihrem Mann, und zu Hause kehrte wieder Ordnung ein.

Ein aufgebrachter Geist hindert Gott daran, die Dinge zu ändern, um die wir Ihn bitten. Aber auch unser eigenes Verhalten kann verkehrt sein. Wir erkennen es, sorgen uns und straucheln, so dass es uns am Ende nichts hilft. Wir werden die Dinge niemals in Ordnung bringen, wenn wir sie mit einem aufgebrachten Geist angehen. Gott hört unser Klagen, und Er will uns seine Rettung aufzeigen, wenn wir diesen schlechten Geist aufgeben.

Gehen wir zu Matthäus 26,47-54 und betrachten wir den Herrn Jesus in äußerster Anspannung. Wir erkennen bei Petrus (Mt 26,51) den Ausdruck seines aufgebrachten Geistes. Petrus konnte es nicht ertragen, sein Geist war erzürnt. Aber es war nicht der Geist Christi, und so konnte Jesus nicht einfach darüber hinwegsehen. Petrus hatte die Aufgabe dieser Stunde völlig verpasst. Wenn ich Vergeltung für die Übeltäter wollte, hätte ich zehntausend Engel zu meiner Verfügung. Ich brauche dein kleines Schwert nicht, Petrus! Jesus Christus hat jetzt ganz andere Dinge zu tun: nämlich die Ohren zu heilen, die wir abgeschlagen haben. Er möchte, dass wir mit seinem Geist gefüllt sind.

Achten wir darauf, wie Er Judas begegnet: „Freund …“ (Mt 26,50). Wie wunderbar sich der ruhige Geist im Lamm Gottes zeigte – inmitten dieser abgrundtiefen Bosheit und Niedertracht, als ob Judas ein Engel vom Thron des Vaters sei. Das Lamm Gottes als unser Vorbild – und wir als Nachfolger des Lammes.

An dieser Stelle könnte nun folgender Einwand erhoben werden: Sollen wir denn Menschen ohne Rückgrat sein? Die Antwort lautet: Sieh auf Petrus während des Pfingstfestes in Jerusalem (Apg 2). Eine Art von Stärke war sein Verhalten gegenüber der Menge, die Jesus gefangen nehmen wollten. Aber können wir uns vorstellen, dass Petrus durch seine Predigt jetzt noch den Malchus zum Herrn Jesus führen könnte?

Jakobus und Johannes handelten ohne Zweifel voller Eifer, als sie Feuer vom Himmel auf die undankbaren Samariter kommen lassen wollten, aber wir können uns kaum vorstellen, dass sie noch einmal hingehen und jenen Samaritern das Evangelium predigen würden.

Sehen wir uns an, wie Pfingsten die ganze Gruppe „mit heiligem Geist erfüllt wurde“ (Apg 2,4). Waren das charakterlose, schwächliche Männer? Welche Art von Stärke wählen wir? Die schwachen Dinge bei Gott bezwingen die mächtigsten Dinge der Welt. Wenn der Geist Christi in uns ist, dann werden wir das Böse abwehren und gleichzeitig den Übeltäter lieben können.

Meiner Meinung nach ist ein aufgebrachter Geist eines der größten Hindernisse für das mächtige Ausgießen des Heiligen Geistes.[3] Daher bin ich auch überzeugt, dass das größte Problem in vielen Ländern der (verbitterte) Geist vieler Christen darstellt.

Gott muss sich mit all den bösen und falschen Dingen im gesamten Universum auseinandersetzen. Haben wir gelernt, die Dinge so anzunehmen, wie Gott sie annimmt? Der Himmel ist ein sehr entspannter und gesegneter Ort. Danken wir Gott, dass wir noch hier sind, damit wir lernen, in der Gesinnung Jesu unseren Weg zu gehen. Welch eine großartige Gelegenheit bietet sich uns, um diese Lektion schon hier auf der Erde zu lernen!

Haben wir schon einmal daran gedacht, dass Gott das Böse unserer Mitmenschen dazu benutzen kann, unsere Seelen „auszuhöhlen“, um Platz für seinen Heiligen Geist zu schaffen? Ich glaube nicht, dass wir es uns schon genug zu Herzen genommen haben, wie sehr unser Gott auf den ruhigen, unaufgeregten Geist der Seinen zählt. Das ist nämlich der Kanal, durch den Er wirkt.

Sehen wir auf Jesus am Kreuz, lasst uns diese wundersame Geschichte immer und immer wieder lesen. Welches Unrecht, das dir oder mir angetan wird, lässt sich mit dem vergleichen, das man Jesus Christus, dem geliebten Sohn Gottes, zugefügt hat? Und was sagte Er? „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Blicken wir auf das Lamm Gottes, wie es von Übeltätern misshandelt und trotzdem davon nicht berührt wird! Unsere ganze Erlösung beruht auf diesem unaufgebrachten Geist, dem Geist des Lammes Gottes.[4] Der Herr über Himmel und Erde kam in diesem sanftmütigen Geist in unsere äußerste Not. Wenn Gott versucht, schreckliche Übeltäter anzusprechen, so scheint Er noch immer zu sagen: Ich lasse sie ihre bösen Taten tun, damit sie meinen Geist in meinen Kindern erkennen können. – Wenn unser Geist dann erzürnt ist, verbirgt dies seinen Ruhm und verhindert sein Handeln. Wir müssen Gott Platz einräumen, Platz machen, damit der Geist seines Sohnes von unserem Geist Besitz ergreifen kann.

Hast du bitteres Unrecht erlitten? Hältst du dich für vollkommen berechtigt, dich wie jemand zu fühlen, dem man so viel Unrecht angetan hat? Überlasse dem Herrn Jesus deinen Geist, lieber Bruder und liebe Schwester, und du wirst alle göttliche Kraft auf deiner Seite haben, um den Übeltäter zu überwinden. Amen.


Originaltitel: „The Provoked Spirit“
aus der Zeitschrift The Harvester

Übersetzung: Dr. Andreas Blings

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Gemeint ist wohl das Erfülltwerden mit dem Heiligen Geist. Die historische Ausgießung des Geistes ist ein für alle Mal vor fast zweitausend Jahren geschehen.

[2] Anm. d. Red.: Natürlich gibt es auch einen berechtigten heiligen Zorn. Den fordert Gott sogar von uns: „Zürnt und sündigt nicht“ (Eph 4). Aber wir sind schnell geneigt, unsere persönliche Bitterkeit mit dem Mantel des heiligen Zorns zu kleiden.

[3] Anm. d. Red.: Gemeint ist wohl das Wirken des Heiligen Geistes in der neuen Geburt und der Innewohnung in den Gläubigen. Die historische Ausgießung des Geistes ist ein für alle Mal vor fast zweitausend Jahren geschehen. Doch auch heute noch können Menschen unter diese Auswirkung kommen.

[4] Anm. d. Red.: Wenn Christus nicht als das Lamm Gottes still und stumm bereit gewesen wäre, alles über sich ergehen zu lassen, was auf Gottes Weg vorgesehen war, hätte es keine Erlösung für uns gegeben.


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