Der Prophet Habakuk (2)
Kapitel 2

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 02.12.2020, aktualisiert: 29.04.2023

Der glaubende Prophet

Habakuk hatte im ersten Kapitel seine Empfindungen über den Zustand seines eigenen Volkes vor Gott ausgeschüttet. Er tat das einzig Richtige, indem er mit seiner Klage zu Gott ging. Daraufhin bekam der Prophet eine Antwort, die ihn zu weiteren Fragen herausforderte. Er teilte Gott in einer sehr ehrfürchtigen Weise seine Bedenken mit. Doch es wurde ruhig, Er hörte keine Antwort. Hatte Gott ihn nicht verstanden? Hatte Er seine Klage nicht gehört? Habakuk gibt nicht auf, er wollte hören, wie Gott auf seine erneute Klage reagieren würde. Er würde warten.

Henry A. Ironside kommentiert:

Es gibt nichts Schwereres für einen Menschen, als auf Gott zu warten. Die Ruhelosigkeit und Aktivität des Fleisches kann Verzögerungen nicht ertragen, sondern sieht die Zeit des Wartens und Ausschauens als Verlust an. Bei Habakuk ist es gesegneterweise anders.[1]

Die Ruhelosigkeit und Aktivität des Fleisches kommt in der Geschichte des Königs Saul zum Ausdruck. Er sollte sieben Tage warten, bis Samuel wiederkäme. Saul wartete tatsächlich bis zum siebten Tag, handelte dann jedoch auf eigene Faust. Das Fleisch war fähig, bis zum Äußersten zu gehen, aber nicht bis zur festgelegten Frist.

Habakuk ist anders als der moderne Mensch von heute. Wir wollen Spaß sofort. Wir ernähren uns von Fast Food, weil wir nicht lange auf unser Essen warten möchten. Wir bestellen unsere Ware über das Internet, wenn möglich mit dem Zusatz: Lieferung am nächsten Tag. Wir sind enttäuscht, wenn der Paketservice nicht bei uns klingelt. Diese Erwartungshaltung überträgt sich leicht auch auf unser Leben mit Gott. Wir müssen wieder lernen zu warten.

Vers 1

Hab 2,1: Auf meine Warte will ich treten und auf den Turm mich stellen und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird und was ich erwidern soll auf meine Klage.

Habakuk trat auf seine Warte, um nach der Antwort des HERRN Ausschau zu halten. Habakuk war kein Mietling, der flieht, wenn irgendetwas nicht schnell genug ging, sondern er kümmerte sich um die Herde, für die er zuvor gebetet hatte. Er wollte bis zum Ende ausharren, bis Gott gesprochen hätte.

Die Propheten in Israel hatten eine gewisse Wächterfunktion (vgl. Hes 3,17: „Menschensohn [gemeint ist der Prophet Hesekiel], ich habe dich dem Haus Israel zum Wächter gesetzt; und du sollst das Wort aus meinem Mund hören und sie in meinem Namen warnen“).

Es ist gut, wenn wir einmal eine erhöhte Position einnehmen, um die Dinge von oben (sozusagen aus Gottes Perspektive) anzusehen. An diesem erhöhten Platz ist Habakuk Gott ein Stück näher. Es ist wichtig, in den Umständen des Lebens einen Platz zu finden, der ein wenig „erhöht“ ist von dieser Erde, wo wir mit Gott Gemeinschaft haben können, wo wir in der Lage sind, auf seine Stimme zu hören. Es ist bestimmt kein Zufall, dass der Herr Jesus an seinem letzten Abend mit seinen Jüngern vor seinem Kreuz einen Obersaal auswählte, wo Er mit ihnen Gemeinschaft haben wollte, und dass etliche Jünger nach der Auferstehung in einem Obersaal zum Gebet zusammenkamen (Apg 1,13). Der Herr Jesus selbst wählte eine erhöhte Position, um „der Gewohnheit nach“ auf dem Ölberg zu beten (vgl. Lk 22,39).

Wir müssen diese erhöhte Position erklimmen; dazu ist eine gewisse Anstrengung nötig. Wie oft scheitern wir gerade an diesem Punkt. Wir denken, dass wir uns für diese oder jene Sache einmal Zeit mit Gott nehmen sollten, tun es aber nie. Wir müssen das Angesicht Gottes auch bewusst suchen, uns Zeit dafür nehmen.

Bei der „Warte“ handelte es sich sehr wahrscheinlich um einen Wachturm. Möglicherweise war es Habakuks Aufgabe, darauf zu achten, wer in die Stadt ein- und ausging. Der Wächter musste nach dem Feind Ausschau halten, Habakuk wollte nach Gott Ausschau halten. Der Dienst eines Wächters hat sehr viel mit „warten“ zu tun. Manchmal müssen wir lernen, auf die Antwort Gottes zu warten.

Es ist aber ebenso gut möglich, dass hier eine bildhafte Sprache verwendet wurde, denn so wie der Späher auf einem Wachturm Ausschau hielt, so wollte Habakuk auf die Antwort des HERRN Ausschau halten. Wie lange Habakuk auf die Antwort warten musste, wird uns nicht gesagt. Wie Habakuk müssen auch wir warten und geduldig sein. Gott wird auf die eine oder andere Weise auf unser Gebet antworten. Manchmal ändert Gott die Situation nicht, für die wir so lange gebetet haben; aber während wir dafür gebetet haben und mit Gott Gemeinschaft hatten, verändert Gott uns und wir können die Situation mit Gottes Hilfe besser ertragen. Der Apostel Paulus betete dreimal zum Herrn, aber seine Situation änderte sich nicht; dennoch fand er Ruhe in den Worten des Herrn: „Meine Gnade genügt dir“ (2Kor 12,9). Paulus betete fortan nicht mehr für diese Sache. Er nahm sie aus der Hand des Herrn an.

Habakuk wartete geduldig ab und wurde belohnt. Die Antwort Gottes war kurz zusammengefasst: „Habakuk, mach dir keine Sorgen, ich weiß ebenso gut wie du, dass der Chaldäer ein böses Volk ist. Du meinst, der Chaldäer würde wegen seiner Grausamkeiten frei ausgehen? Bei weitem nicht. Er wird ebenso unter das Gerichtsurteil kommen wie die schuldige Nation Juda. Nur wird Juda am Ende gerettet und der Babylonier vernichtet werden!“

Die Antwort Gottes an Habakuk ähnelt der Antwort Gottes an Asaph. Als Asaph in die Heiligtümer Gottes ging, fand er eine Antwort auf seine drängende Frage, warum es den Gottlosen manchmal besser erging als dem Gerechten: Er sollte auf das Ende schauen (Ps 73,17). Auch Habakuk sollte seine Antwort darin finden, indem er auf das Ende des gottlosen Chaldäers schaute (Hab 2,5-13). Mag auch das Volk Gottes sich in großer Not und Übung befinden, am Ende würde der Gottlose zerschlagen und der Gerechte gesegnet sein (vgl. Hab 2,14).

Vers 2

Hab 2,2: Da antwortete mir der HERR und sprach: Schreibe das Gesicht auf, und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne.

Habakuk hat auf seiner Warte eine Erwartungshaltung. Er erwartet die Antwort Gottes und sie sollte nicht ausbleiben. Die Antwort überstieg alle seine Erwartungen. Er sollte die Antwort auf Tafeln schreiben (vgl. Jes 8,1: „Nimm dir eine große Tafel und schreibe darauf mit Menschengriffel.“) Diese Antwort sollte jeder lesen können. Man sollte sie „geläufig“ lesen können; sie sollte also nicht verborgen bleiben, sondern für alle zugänglich und verständlich sein. Jeder, der vielleicht ebenso in Übung geraten würde wegen des Gerichtes an Israel, sollte hier Ermutigung finden. Der Chaldäer sollte zwar die Zuchtrute in der Hand Gottes sein, aber seine Boshaftigkeit würde sich am Ende gegen ihn selbst wenden und Israel würde eine wunderbare Errettung erleben. Gott gibt eine großartige Verheißung in Vers 14: „Die Erde wird voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Hab 2,14).

Wir brauchen heute keine Tontafeln mehr, um die Worte Gottes im Vorbeigehen zu lesen. Wir können auf den Herrn Jesus schauen und den „vor uns liegenden Wettlauf“ (Heb 12,1) laufen. Wenn wir mutlos sind und mit Gottes Regierungswegen nicht klarkommen, dann schauen wir auf Jesus: „Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Denn betrachtet den, der so großen Widerspruch von den Sündern gegen sich erduldet hat, damit ihr nicht ermüdet, indem ihr in euren Seelen ermattet“ (Heb 12,2.3). Niemals nahm die Ungerechtigkeit derart überhand wie in den Tagen des Verrates und der Kreuzigung des Herrn Jesus. Gott schien nicht einzugreifen und den zu retten, an dem Er seine ganze Freude gefunden hatte. Dennoch blieb die Antwort Gottes auch damals nicht aus: „Ja, du hast mich erhört von den Hörnern der Büffel“ (Ps 22,22). Der Herr stand am dritten Tag auf! Christus konnte wegen der vor Ihm liegenden Freude das Kreuz erdulden. Wir müssen lernen, die Dinge vom Ende her zu sehen. Das Leben des Patriarchen Joseph war ebenfalls durch dramatische Wege, die Gott in seinem Ratschluss zuließ, gekennzeichnet. Nicht nur einmal hätte Joseph fragen können: Warum, Gott? Aber er vertraute auf seinen Gott und konnte am Ende zu seinen Brüdern sagen: „Ihr zwar hattet Böses gegen mich im Sinn; Gott aber hatte im Sinn, es gut zu machen, damit er täte, wie es an diesem Tag ist, um ein großes Volk am Leben zu erhalten“ (1Mo 50,20). Dieses Gute konnte Joseph mit Sicherheit nicht an jedem Tag seines Lebens sehen, aber er vertraute darauf, dass Gott es gut machen würde.

Wir haben heute keine Tontafeln mehr, aber wir haben das vollkommene und inspirierte Wort Gottes in unseren Händen und können es jeden Tag „geläufig“ lesen. Über das Wort „geläufig lesen“ gibt es verschiedene Auslegungen und Übersetzungen.

Henry A. Ironside gibt eine weitere Auslegungsmöglichkeit an:

Die Botschaft, die ihm offenbart werden sollte, war nicht nur für den Propheten allein bestimmt, sondern ist für alle Menschen. Das ist ein Prinzip von äußerster Wichtigkeit und hat weitreichende Auswirkungen. Deshalb, lasst ihn seinen Griffel nehmen und klar und deutlich auf die Tafeln schreiben, so dass der, der es liest, laufen möge, um es nah und fern zu verkünden. […] Solch ein Leser und Läufer war der Apostel Paulus. Dieser Vers ist der Schlüssel seiner Verkündigung sowohl für die Heiligen als auch für die Sünder. Nachdem er die Worte des Propheten mit Augen geöffnet durch den Heiligen Geist gelesen hat, läuft er für den Rest seiner Tage, um sie anderen bekannt zu machen. Dreimal kommen sie in seinen Briefen vor, und jedes Mal benutzt er sie aus einem anderen Blickwinkel.[2]

Auf diese Weise ausgelegt, sollten auch wir Läufer sein, die das Evangelium hinaustragen in die Welt, um den Menschen zu erzählen, wie man durch Glauben gerechtfertigt wird. Es war die Botschaft, die die Schriften des Paulus durchzieht, und es war das Credo der Reformation Martin Luthers, dass der „Gerechte aus Glauben leben“ würde. Für ihn war dieser Text „das Tor zum Paradies“, wie er selbst einmal sagte.

Vers 3

Hab 2,3: Denn das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt zum Ende hin und lügt nicht. Wenn es sich verzögert, so harre darauf; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben.

Habakuk muss lernen, dass Gott zu seiner Zeit eingreifen wird. Gott handelt nicht immer sofort und schon gar nicht nach unseren Vorstellungen (vgl. Jes 55,9). Das Ausharren spielt eine wichtige Rolle im Leben eines Gläubigen, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Der Schreiber des Hebräerbriefes ruft uns zu: „Ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt“ (Heb 10,36). Darauf folgt im Hebräerbrief, was wir auch hier am Schluss von Vers 3 finden, allerdings mit einer kleinen Änderung: „Noch eine ganz kleine Zeit, und ‚der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben. Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘“ (Heb 10,37.38). In Habakuk 2,3 finden wir: „Kommen wird es“, und Hebräer 10,37 spricht von dem „Kommenden“. Die Prophezeiung in Habakuk 2,5-16 hat sich vollständig erfüllt (vgl. Dan 5). Dennoch war das Gericht an den Babyloniern noch nicht das Ende: Es kamen noch die Meder und Perser sowie das Griechische als auch das Römische Reich. Aber wenn sich Hebräer 10,37 erfüllt, dass der Kommende kommen wird, dann geht es um den Herrn Jesus, der einmal das Endgericht an den Nationen vollziehen und alle Weltreiche zerschlagen wird. So wie es in dem Traum von Nebukadnezar vorhergesagt wurde: „Du schautest, bis ein Stein sich losriss ohne Hände und das Bild an seinen Füßen aus Eisen und Ton traf und sie zermalmte“ (Dan 2,34). Aber so lange „der Kommende“ nicht gekommen ist (der Stein, der sich losriss), gilt das, was wir im nächsten Vers finden: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Das kann so lange dauern, dass manche den Eindruck bekommen könnten, dass alles schiefgelaufen ist und die Verheißung sich nicht mehr erfüllen wird. Doch der Gerechte hält daran fest: „Das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt zum Ende hin und lügt nicht.

Vers 4

Hab 2,4: Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.

Der Chaldäer bläst sich selbst auf, macht sich größer, als er wirklich ist; er erhebt sich selbst, macht sich selbst zu Gott und vertraut auf seine eigene Kraft. Er ist wie ein großer Luftballon, von dem nichts übrigbleibt, wenn man ihn ansticht.

Dieser Chaldäer ist einerseits Nebukadnezar, der völlig berauscht war von seiner Macht (vgl. Dan 4,27). Dennoch geht das Bild dieser Vision auch „noch auf die bestimmte Zeit“ (Hab 2,3). In der zukünftigen Drangsalszeit wird der Antichrist aufstehen und sich über alles erheben. So lesen wir im Propheten Daniel: „Es verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit. Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen. Und auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben“ (Dan 11,35-37; vgl. 2Thes 2,4; Off 13,11-18).

Im Gegensatz dazu soll „der Gerechte [der auf Gottes Seite steht] durch seinen Glauben leben“. Dieser Vers wird im Neuen Testament mehrfach wiederholt, unter anderem im Brief an die Römer (Röm 1,17), der erklärt, wie ein Mensch vor Gott gerecht wird. Deshalb können wir sagen: Der „Gerechte“ ist jemand, den Gott für gerecht erklärt hat. Der Gerechte ist dadurch gekennzeichnet, dass er im Glauben lebt (Heb 10,38) und seine Beziehung zu Gott nicht an Gesetzeswerken festmacht (Gal 3,11).

Der hebräische Satz in Habakuk 2,4 besteht aus drei Wörtern (wezaddiq = der Gerechte aber; be’emunatho = durch seinen Glauben; jichjäh = wird leben). In den drei Erwähnungen im Neuen Testament liegt der Schwerpunkt immer auf einem anderen Teil dieses Satzes (Röm 1,17; Gal 3,11; Heb 10,38):

  • Im Römerbrief geht es vor allen Dingen um die Gerechtigkeit Gottes und wie ein Mensch vor Gott gerecht wird. Hier liegt die Betonung auf: „Der Gerechte [wezaddiq] aber wird aus Glauben leben.“
  • Im Galaterbrief geht es um den Gegensatz von Gesetz und Glauben. Die Galater wollten dem Glauben noch die Werke des Gesetzes hinzufügen. Deshalb können wir hier wie folgt betonen: „Der Gerechte wird aus Glauben [be‘emunatho]
  • Im Hebräerbrief geht es darum, den Glauben praktisch auszuleben. Vor allem Hebräer 11 stellt uns Personen aus dem Alten Testament vor, die durch ihren Glauben gelebt Dementsprechend liegt der Fokus dort auf „leben“: „Der Gerechte aber wird durch Glauben leben [jichjäh].“

Wodurch wird jemand gerechtfertigt und für gerecht erklärt?

  • „Wir urteilen, dass ein Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke“ (Röm 3,28).
  • Der Herr Jesus ist „unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden“ (Röm 4,25).
  • Als Grundlage für unsere Rechtfertigung war sein Blut nötig: „Wir sind jetzt durch sein Blut gerechtfertigt“ (Röm 5,9).

Die volle Bedeutung des Wortes „der Gerechte“ ist: Wir müssen (1) an den Herrn Jesus glauben („durch Glauben gerechtfertigt“); daran, (2) dass Er für uns gestorben ist („durch sein Blut gerechtfertigt“) und (3) für uns auferweckt („unserer Rechtfertigung wegen auferweckt“) worden ist. Davon wusste ein Habakuk noch nicht so viel.

Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben. Gerade Habakuk, der so voller Fragen an Gott war, musste diesen Punkt besonders zu Herzen nehmen. Wir leben nicht durch Schauen, sondern durch Glauben. Gott spricht: „Habakuk“ – und hier können wir, die wir auch manchmal große Fragen an Gott haben so wie Habakuk, unseren Namen einsetzen –, „du musst mir vertrauen! Auch wenn äußere Umstände nicht dafür sprechen; auch wenn es nicht so aussieht, dass ich höre; wenn du den Eindruck hast, dass ich schweige! Ich werde antworten, aber zu meiner Zeit!“ Es gibt keinen anderen Weg.

Auch in widrigen Umständen vertraut der Gerechte auf Gott. Er lässt sich durch die Wirren der Zeit nicht entmutigen und schaut auf die Verheißung, auch wenn die Gottlosen spotten: „In den letzten Tagen werden Spötter mit Spötterei kommen, die nach ihren eigenen Begierden wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ (2Pet 3,3.4). Der Hebräerbrief antwortet: „Noch eine ganz kleine Zeit, und ‚der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben. Der Gerechte aber wird aus Glauben leben‘; und: ‚Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm.‘ Wir aber sind nicht von denen, die sich zurückziehen zum Verderben, sondern von denen, die glauben zur Errettung der Seele“ (Heb 10,37-39). Die hebräischen Christen gingen durch eine ernste Zeit, ähnlich wie Habakuk, und für sie galt die gleiche Botschaft wie für Habakuk: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“ Gott hält alle Fäden unseres Lebens in seiner Hand. Vertrauen wir Ihm!

Auch in der zukünftigen Drangsalszeit nach der Entrückung der Gemeinde wird es keinen anderen Weg für den jüdischen Überrest geben. Sie werden den Propheten Habakuk lesen und durch diesen Vers ermutigt werden: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben.“ Es gibt keinen anderen Weg!

Vers 5

Hab 2,5: Und überdies: Der Wein ist treulos; der übermütige Mann, der bleibt nicht, er, der seinen Schlund weit aufsperrt wie der Scheol, und er ist wie der Tod und wird nicht satt; und er rafft an sich alle Nationen und sammelt zu sich alle Völker.

Bevor das Gericht über die Feinde Israels besungen wird (Hab 2,6-19), teilt Gott Habakuk mit, was zu diesem Gericht geführt hat.

„Der Wein ist treulos“ heißt es in Vers 5 und in Vers 15: „Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt“ (Hab 2,15). Der Alkohol benebelt die Sinne, stumpft das natürliche Empfinden ab. Da das Thema Alkohol auch in unserer Zeit oft leichtfertig behandelt wird, wollen wir darüber ein wenig intensiver nachdenken.

Exkurs: Der richtige Umgang mit Alkohol

Die Heilige Schrift verbietet nicht den Genuss von Alkohol, doch die Warnungen überwiegen deutlich. Wer Alkohol trinkt, weist gern auf Psalm 104,15 hin: „… damit Wein das Herz des Menschen erfreut“, oder auf Richter 9,13: „Sollte ich meinen Most aufgeben, der Götter und Menschen erfreut?“ Der Apostel Paulus empfiehlt seinem Mitarbeiter Timotheus, „ein wenig Wein wegen seines Magens“ zu nehmen. Nur weil der Herr Jesus bei der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelte, ist das allerdings kein Freibrief dafür, bei jeder x-beliebigen Gelegenheit Alkohol anzubieten bzw. zu trinken.

Sobald jedoch der Wein die Sinne benebelt und unsere Zunge lockerer macht, fängt es an, sündig zu werden. Wir werden an vielen Stellen des Neuen Testamentes zur Nüchternheit aufgerufen. Jemand, der kaum ohne Alkohol auskommen kann, nennt die Schrift einen Trunkenbold (1Kor 5,11; 6,10). Wer eigentlich immer Alkohol im Haus haben muss, sollte sich vor Gott ernstlich fragen, ob er nicht einen blinden Fleck mit sich herumträgt. Es ist bestimmt keine schlechte Regel, wenn man alkoholische Getränke nur zu bestimmten Festlichkeiten und dann auch nur in Maßen anbietet. Wir müssen bedenken, dass der Alkohol für viele Menschen ein sehr großes Problem darstellt. Wie traurig wäre es da, wenn durch die eigene Freiheit jemand anderes zu Fall käme! In Römer 14,21 heißt es: „Es ist gut, kein Fleisch zu essen noch Wein zu trinken, noch etwas zu tun, woran dein Bruder sich stößt.

Der Apostel Paulus sagt: „Berauscht euch nicht mit Wein, in dem Ausschweifung ist“ (Eph 5,18). Oftmals kann man in Bezug auf den Alkohol beobachten, dass manche sich selbst noch nicht kennengelernt haben und das eigene sündige Fleisch völlig unterschätzen. Der Apostel Paulus warnt die Römer: „Zieht den Herrn Jesus Christus an, und treibt nicht Vorsorge für das Fleisch zur Befriedigung seiner Begierden“ (Röm 13,14). Deshalb sollten wir uns auch im Blick auf unsere Kinder, ermutigen lassen, keine starken oder größeren Mengen alkoholischer Getränke im Haus zu haben. Es ist teilweise erschreckend, wie leichtfertig junge Christen mit diesem Thema umgehen. Möglicherweise auch deshalb, weil Eltern an dieser Stelle keine guten Vorbilder waren. Bei jungen Leuten, die aus ungläubigen Verhältnissen zum Glauben gekommen sind, lässt sich vermehrt feststellen, dass sie unglaublich für den Herrn brennen. Jeden Tag sehnen sie sich mehr danach, IHM zu gefallen, und sind bereit, immer mehr aus ihrem alten Leben um Christi willen aufzugeben. Andere hingegen, die in einem eher strengen christlichen Umfeld groß geworden sind, zeigen oftmals das Bedürfnis, Grenzen auszutesten oder sogar zu überschreiten. Anstatt sich zu fragen: „Was kann ich noch aufgeben?“, denken sie häufig: „Das kann ich mir auch noch erlauben“, oder: „Das kann ich ruhig auch noch mitmachen.“ Obwohl es ein großer Segen sein kann, in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen zu sein, besteht hier die Gefahr, dass man sich nie konsequent für die Nachfolge Christi entschieden hat und vielfach nur so mitschwimmt. Ein ernsthafter Christ wird jedenfalls das Thema Alkohol nicht bagatellisieren, sondern sehr behutsam damit umgehen.

Wie hier in Habakuk sind die Nationen geradezu dadurch gekennzeichnet, sich mit Alkohol zu berauschen (vgl. Nah 1,10). Der Apostel Petrus schreibt: „Die vergangene Zeit ist genug, den Willen der Nationen vollbracht zu haben, indem ihr wandeltet in Ausschweifungen, Begierden, Trunkenheit, Schwelgereien, Trinkgelagen und frevelhaften Götzendienereien; wobei es sie befremdet, dass ihr nicht mehr mitlauft zu demselben Treiben der Ausschweifung, und sie lästern euch“ (1Pet 4,4). Der Christ soll eben nicht „gleichförmig dieser Welt“ sein (Röm 12,2), sondern sich wohltuend und vorbildlich von dem Treiben in der Welt unterscheiden. Der weise Salomo sagt: „Wer Freude liebt, wird ein Mann des Mangels werden; wer Wein und Öl liebt, wird nicht reich“ (Spr 21,17). Das Wort „Freude“ kann man auch mit „Vergnügen“ oder „Freudenfest“ übersetzen. Wer also das Vergnügen und Partys liebt, hat keine Verheißung in Gottes Wort und muss sich nicht wundern, wenn der Segen Gottes ausbleibt und er buchstäblich, aber auch geistlich verarmt. Paulus schreibt dem jungen Timotheus, dass es eine Zeit geben wird, wo man das Vergnügen mehr lieben wird als Gott (vgl. 2Tim 3,4). Salomo gibt seinem Sohn noch weitere Ratschläge:

  • Spr 20,1: Der Wein ist ein Spötter, starkes Getränk ein Lärmer; und jeder, der davon taumelt, wird nicht weise.
  • Spr 23,20.21: Sei nicht unter Weinsäufern und nicht unter denen, die Fleisch verprassen; denn ein Säufer und ein Schlemmer verarmen, und Schlummer kleidet in Lumpen.
  • Spr 23,30.31: Die spät beim Wein sitzen, die einkehren, um Mischtrank zu kosten. Sieh den Wein nicht an, wenn er sich rot zeigt, wenn er im Becher blinkt, leicht hinuntergleitet.

Wer in der Gemeinde nach einer verantwortlichen Position trachtet, ob nun als Ältester oder Diakon, oder sogar daran denkt, vollzeitlich in den christlichen Dienst zu gehen, sollte auf das hören, was der Apostel Paulus dem jungen Timotheus mit auf den Weg gibt:

  • 1Tim 3,2.3: Der Aufseher nun muss untadelig sein, der Mann einer Frau, nüchtern, besonnen, bescheiden, gastfrei, lehrfähig; nicht dem Wein ergeben, kein Schläger, sondern milde, nicht streitsüchtig, nicht geldliebend (vgl. Tit 1,7).
  • 1Tim 3,8: Die Diener ebenso, würdig, nicht doppelzüngig, nicht vielem Wein ergeben, nicht schändlichem Gewinn nachgehend.

Natürlich kann man auch hier wieder die Frage stellen: „Wie weit kann ich da gehen?“, denn es ist ja ein großer Unterschied, „Wein zu trinken“ und „dem Wein ergeben zu sein“. Wenn unser Herz jedoch auf Christus ausgerichtet ist, dann fragen wir nicht, wie weit wir gehen können, sondern was am ehesten zur Ehre Christi gereicht. Muss man unter diesem Gesichtspunkt nicht eher sagen, dass diese Bibelstellen sehr deutlich davon reden, dass für einen Diener Christi Alkohol keine Rolle spielen sollte? Was Paulus hier meinte, könnte Folgendes sein: „Pass auf Timotheus, für einen verantwortlichen Diener Christi sollte der Alkohol keine Rolle spielen. Er mag hier und da ein Glas mittrinken oder ihn bei besonderen Anlässen auch einmal anbieten, aber ansonsten kommt der Diener Christi sehr gut ohne Alkohol aus.“

Sicherlich ist auch das Beispiel aus 4. Mose 6 für jeden geistlich gesinnten Christen voller Belehrung. Der Nasiräer sollte sich jeglichen Weingenusses entziehen. Nicht weil Wein grundsätzlich verboten wäre, sondern weil ein Nasiräer seine Hingabe an Gott dadurch unter Beweis stellte. So sollten auch wir unsere Hingabe an Gott dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir den irdischen Genüssen keine große Bedeutung beimessen. Wir nehmen davon quasi nur „ein wenig“ im Vorbeigehen (vgl. 1Sam 14,29.43). Wir vergessen dabei nicht, dass Gott uns auch viele irdische Segnungen geschenkt hat, und wir sind dankbar dafür. Der Apostel Paulus ermutigt uns jedoch, auf das Wesentliche zu achten: „So sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Kol 3,1.2).

Nach unserem Exkurs zum Thema Alkohol, wenden wir uns wieder dem Propheten Habakuk zu. Der Feind würde an sich selbst berauscht, unersättlich sein im Verschlingen von Nationen. Der Bibelausleger Hamilton Smith schreibt:

Berauscht durch seine eigenen Einbildungen und seinen eigenen Stolz ist dieser ruhelose Feind nicht zufrieden damit, in seinem eigenen Land zu bleiben. Seine unbefriedigte Begierde nach Macht über andere führt ihn dazu, mit einem teuflischen Verlangen alle Nationen unter seine Kontrolle zu bringen.[3]

Andere Menschen unter die eigene Kontrolle oder die Kontrolle der eigenen Gemeinde zu bringen und von sich selbst eingenommen und berauscht zu sein, kann auch ein Problem in der christlichen Gemeinde sein, wo Aufseher, Älteste und Diener eine Führungsaufgabe übernommen haben. Diese verantwortlichen Personen müssen ein Hirtenherz haben; sie müssen sich gern um die Belange der Gläubigen kümmern. Aufseher und Älteste sind keine Jäger, wie es in der Geschichte Nimrod, Esau, Päpste, Könige und Fürsten waren, sondern Hirten wie Mose, David und der Herr Jesus Christus selbst.

Menschen, die nicht gelernt haben, den eigenen Stolz zu richten, und sich selbst überschätzen, sind für diesen Dienst nicht geeignet. Deshalb ist es in der Gemeinde ebenso böse, andere Menschen unter die eigene Kontrolle (bzw. unter die Kontrolle der Gruppe) zu bringen („er rafft an sich alle Nationen“), wie es bei den Feinden Israels böse war und die Gerichtswege Gottes heraufbeschwor. Ein Missbrauch der Macht, die uns Gott in bestimmten Bereichen des Lebens durchaus gegeben hat, wird immer katastrophale Folgen haben. Gott hat auch die weltlichen Obrigkeiten eingesetzt (Röm 13), und wenn sie diese Macht missbraucht, bekommt sie es früher oder später mit den Gerichtswegen Gottes zu tun.

Verse 6-8

Hab 2,6-8: 6 Werden nicht diese alle über ihn einen Spruch und eine Spottrede anheben, Rätsel über ihn? Und man wird sagen: Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist – bis wann? –, und der Pfandlast auf sich lädt! 7 Und werden nicht plötzlich aufstehen, die dich beißen, und aufwachen, die dich fortscheuchen werden? Und du wirst ihnen zur Beute werden. 8 Denn du hast viele Nationen beraubt; und so werden alle übriggebliebenen Völker dich berauben wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.

In den Versen 6 bis 19 wird der Untergang Babels als Spottlied mit fünf Strophen besungen (vgl. Hab 2,6).

Die angesprochenen Nationen und Völker, die der Chaldäer einst an sich gerafft hat, werden sich gegen ihren Feind wenden und eine Spottrede anheben und zum Gegenschlag ausholen. Tatsächlich wurde das babylonische Weltreich durch das der Meder und Perser abgelöst (vgl. Dan 5).

Warren W. Wiersbe bringt es auf den Punkt:

Ein Grundgesetz des Universums ist, dass wir schließlich ernten, was wir gesät haben.[4]

Mag Gott auch den Chaldäer als eine Zuchtrute für sein Volk Israel benutzt haben, so sind nun die umliegenden Nationen in der Hand Gottes, um jene zu richten, die sich einst gegen das Volk Gottes gewandt haben und in ihrer Gewalttat weit über das Maß hinausgegangen sind.

In Vers 6 finden wir das erste „Wehe“ von insgesamt fünf „Wehe“-Rufen (Hab 2,6.9.12.15.19). Beim ersten „Wehe“ geht es um die Gier, etwas zu besitzen, was einem nicht zusteht („Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist“).

Das ist auch eine ernste Ermahnung für uns heute. Sind wir wirklich zufrieden mit dem Teil, das Gott uns zugedacht hat? Kommt nicht auch schon Neid in uns auf, wenn wir sehen, dass ein anderer scheinbar etwas empfangen hat, was wir auch gerne hätten? Gönnen wir dem Nächsten noch das, was die Vorsehung Gottes für ihn bereitet hat? Der Apostel schreibt an die Korinther: „Ihr seid noch fleischlich. Denn da Neid und Streit unter euch ist, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise?“ (1Kor 3,3). Jakobus ermahnt uns: „Wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede schlechte Tat“ (Jak 3,16).

Verse 9-11

Hab 2,9-11: 9 Wehe dem, der bösen Gewinn macht für sein Haus, um sein Nest hoch zu setzen, um sich zu retten aus der Hand des Unglücks! 10 Du hast Schande für dein Haus geplant, die Vertilgung vieler Völker, und hast dein Leben verwirkt. 11 Denn der Stein wird schreien aus der Mauer, und der Sparren aus dem Holzwerk ihm antworten.

Das zweite „Wehe“ beschäftigt sich mit „bösem Gewinn“ und Selbsterhöhung. Der beste Weg, sich selbst zu erhöhen, ist der, andere zu erniedrigen. „Böser Gewinn“ bedeutet nichts anderes als Habsucht. Es ist die Sucht, etwas haben zu wollen, gleichgültig, über wie viel Leichen man dabei gehen muss. Sprüche 28,16 sagt: „Wer unrechtmäßigen Gewinn hasst, wird seine Tage verlängern.“ Die Könige der Nationen würden gut daran tun, dem weisen Prediger zu folgen: „Ein König, der sich dem Ackerbau widmet, ist durchaus ein Gewinn für ein Land“ (Pred 5,8).

Die Feinde Israels wollten ihre eigenen Nester „hoch setzen“. Sie wollten erhabener sein als andere. Wir hingegen sollten den anderen höher achten als uns selbst (Phil 2,3). Wir sollten uns zu den Niedrigen halten und nicht auf hohe Dinge sinnen (Röm 12,16). „Wer sich selbst erniedrigen wird, wird erhöht werden“ (Mt 23,12) – wie hat der Herr Jesus sich selbst erniedrigt und ist „höher als die Himmel geworden“ (Heb 7,26)!

Der Ausleger André Cuendet schreibt:

Vielleicht machen wir keinen unrechtmäßigen Gewinn. Wir tun in den Augen der Menschen nichts Unehrenhaftes. Aber berauben wir in einem gewissen Sinn vielleicht den Herrn, indem wir unsere ganze Zeit und all unsere Energie darauf verwenden, uns zu bereichern? So kann es zum Beispiel bei einem christlichen Ehepaar vorkommen, dass der Mann und die Frau mit dem Ziel arbeiten, reich zu werden. Sie hätten es finanziell nicht nötig, so viel zu arbeiten. Doch sie tun es und vernachlässigen dabei die wahren Werte und die Kinder, die Gott ihnen anvertraut hat. Heißt das nicht, dass sie „ihr Nest hoch setzen wollen“? Was die Chaldäer betrifft, lautet das unanfechtbare Urteil des HERRN: „Du hast dein Leben verwirkt“ oder „dich deines Lebens schuldig gemacht“ (Hab 2,10; siehe auch ähnliche Ausdrücke in 4Mo 17,3; Spr 8,36; 20,2).[5]

Es gibt aber auch eine geistliche Höhe, zu der wir ermutigt werden, wenn wir bösen Gewinn verabscheuen: „Wer in Gerechtigkeit wandelt und Aufrichtigkeit redet; wer den Gewinn der Bedrückungen verschmäht; wer seine Hände schüttelt, um keine Bestechung anzunehmen; wer sein Ohr verstopft, um nicht von Bluttaten zu hören, und seine Augen verschließt, um Böses nicht zu sehen, der wird auf Höhen wohnen, Felsenfestungen sind seine Burg; sein Brot wird ihm dargereicht, sein Wasser versiegt nie“ (Jes 33,15.16). Habakuk wurde auf diese Höhen geführt: „Der HERR, der Herr, ist meine Kraft und macht meine Füße denen der Hirschkühe gleich und lässt mich einherschreiten auf meinen Höhen“ (Hab 3,19).

Verse 12.13

Hab 2,12.13: 12 Wehe dem, der Städte mit Blut baut und Städte mit Ungerechtigkeit gründet! 13 Siehe, ist es nicht von dem HERRN der Heerscharen, dass Völker sich fürs Feuer abmühen und Völkerschaften sich vergebens plagen?

Das dritte „Wehe“ verurteilt den Gedanken, auf Kosten anderer etwas zu errichten. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist der Petersdom in Rom. Er wurde mit Blut und dem Leben vieler Menschen bezahlt. Gott hat das nicht vergessen. Mag auch die katholische Kirche und ganz allgemein die etablierte Christenheit eine mächtige Institution sein – wenn wir die Offenbarung lesen, werden wir sehen, welches Gericht diese Hure Babylons einmal erdulden muss. Der Herr ruft den wahren Gläubigen dieser etablierten Kirche zu: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht empfangt von ihren Plagen; denn ihre Sünden sind aufgehäuft bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeiten gedacht“ (Off 18,4.5). Zuvor heißt es von Babylon: „Gefallen, gefallen ist Babylon, die große, und ist eine Behausung von Dämonen geworden und ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes und ein Gewahrsam jedes unreinen und gehassten Vogels. Denn von dem Wein der Wut ihrer Hurerei haben alle Nationen getrunken, und die Könige der Erde haben Hurerei mit ihr getrieben, und die Kaufleute der Erde sind durch die Macht ihrer Üppigkeit reich geworden“ (Off 18,2.3).

Aber wenden wir diese ernsten Worte ebenso auf uns selbst an. Vielleicht sind auch wir mit dem Bauen an diesem oder jenem beschäftigt, aber wir tun es auf Kosten unserer Ehe oder auf Kosten unserer Kinder. Wir können sogar beim Gemeindebau eifrig mithelfen, vergessen darüber jedoch unsere ersten Verantwortungsbereiche, die Gott uns zugeteilt hat: unsere Ehe und Familie.

Vers 14

Hab 2,14: Denn die Erde wird voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.

Gott hatte einst zu Noah gesagt: „Die Erde ist voll Gewalttat“ (1Mo 6,13). Daraufhin musste Gott das Gericht der Sintflut schicken. Wieder ist die Erde voll von Gewalttat und erneut geht die Erde ihrem Gericht entgegen. Aber hier lesen wir, dass die Erde einmal „voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN“ sein wird. Das ist ein wunderbarer Ausblick auf das zukünftige Friedensreich. Dann wird die Herrlichkeit des HERRN die Erde bedecken, wie das Wasser den Meeresgrund bedeckt. Dann wird auf dem Haupt des Herrn Jesus keine Dornenkrone sein, sondern viele Diademe. Dann wird Er an dem Ort hoch erhoben, wo Er einst abgelehnt, bespuckt, verspottet und geschlagen wurde. Wir dürfen heute schon als Gläubige mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen und in sein Bild verwandelt werden (vgl. 2Kor 3,18).

Verse 15-17

Hab 2,15-17: 15 Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt, indem du deinen Zorn beimischst und sie auch betrunken machst, um ihre Blöße anzuschauen! 16 Du hast dich mit Schande gesättigt anstatt mit Ehre: Trinke auch du und zeige dein Unbeschnittensein; der Becher der Rechten des HERRN wird sich zu dir wenden, und schimpfliche Schande wird über deine Herrlichkeit kommen. 17 Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Zerstörung der Tiere, die sie in Schrecken versetzte: wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.

Das vierte „Wehe“ beschreibt die Art und Weise, wie der Feind Israels vorging: Sie machten andere betrunken, um sich zu nehmen, was ihnen nicht gehört.

Henry A. Ironside kommentiert:

Es ist die erbärmliche Heuchelei, die zwar schöne Worte macht, während das Herz jedoch mit Hass erfüllt ist; jene unheilige Verstellung, die einen dazu führt, dem einen Besänftigung anzubieten, dem anderen aber einen gehirnbetäubenden Arzneitrank, um sein Verderben herbeizuführen. Wie schrecklich wird die Vergeltung des HERRN sein, wenn Er dem Blut nachforscht! Einen Stolperstein auf den Weg des Nächsten zu legen heißt, das Gericht auf den eigenen Kopf zu bringen. Jemandem, der einen dieser Kleinen des Herrn zu Fall bringt, ginge es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gebunden und er in die Tiefen des Meeres versenkt würde [Mt 18,6]![6]

Die Heuchelei, etwas vorzugeben, was man nicht ist, wird von dem Herrn im Zusammenhang mit den Pharisäern auf das Schärfste verurteilt. Der Apostel Paulus spricht zu den Römern: „Die Liebe sei ungeheuchelt“ (Röm 12,9), und der Apostel Petrus sagt: „Legt nun ab alle Bosheit und allen Trug und Heuchelei“ (1Pet 2,1). An Timotheus schreibt Paulus: „Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1Tim 1,5).

Dem „Betrunkenmachen“ steht der „Becher der Rechten des HERRN“ gegenüber. Der Becher ist ein Gerichtsbecher. Immer wieder wird das Gericht Gottes mit einem Becher verglichen, der ausgeschüttet wird:

  • Ps 75,9: Ein Becher ist in der Hand des HERRN, und er schäumt von Wein, ist voll von Würzwein, und er schenkt daraus ein: Ja, alle Gottlosen der Erde müssen seine Hefen schlürfend trinken.
  • Off 14,10: So wird auch er trinken von dem Wein des Grimmes Gottes, der unvermischt in dem Kelch seines Zorns bereitet ist; und er wird mit Feuer und Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm.
  • Off 16,19: Die große Stadt wurde in drei Teile geteilt, und die Städte der Nationen fielen, und Babylon, die große, kam ins Gedächtnis vor Gott, dass ihr der Kelch des Weines des Grimmes seines Zornes gegeben werde.

Auch der Herr Jesus nahm den Kelch der Leiden und des Gerichtes aus der Hand des Vaters an (Joh 18,11), Er leerte den Gerichtsbecher der Leiden für uns völlig. Durch den Glauben an Christus dürfen wir nun im Gericht frei ausgehen. Ja noch mehr: Der Herr Jesus hat den Becher des Zornes Gottes in einen „Kelch der Segnung“ (1Kor 10,16) verwandelt. Für uns ist der Becher randvoll mit Segnungen. Beim Trinken aus dem Kelch gedenken wir des schrecklichen Todes des Herrn Jesus, und doch denken wir gleichzeitig daran, dass nur durch seinen Tod alle geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern über uns ausgeschüttet worden sind (vgl. Eph 1,3). Es ist wahrlich ein „Kelch der Segnung“.

Verse 18.19

Hab 2,18.19: 18 Was nützt ein geschnitztes Bild, dass sein Bildner es geschnitzt hat, ein gegossenes Bild und das Lügen lehrt, dass der Bildner seines Bildes darauf vertraut, um stumme Götzen zu machen? 19 Wehe dem, der zum Holz spricht: Wache auf!, zum schweigenden Stein: Erwache!? – Er sollte lehren? Siehe, er ist mit Gold und Silber überzogen, und gar kein Odem ist in seinem Innern.

Das fünfte „Wehe“ handelt vom Götzendienst. Das ist von jeher die schlimmste Sünde gewesen, weil sie sich direkt gegen Gott richtet. Sie widerspricht gleich dem ersten und zweiten Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen“ (2Mo 20,3.4).

Die Beschreibung in den Versen 18 und 19 erinnert an Psalm 115,4-8: „Ihre Götzen sind Silber und Gold, ein Werk von Menschenhänden. Einen Mund haben sie und reden nicht; Augen haben sie und sehen nicht; Ohren haben sie und hören nicht; eine Nase haben sie und riechen nicht; sie haben Hände und tasten nicht, Füße, und sie gehen nicht; keinen Laut geben sie mit ihrer Kehle. Ihnen gleich sind die, die sie machen, jeder, der auf sie vertraut.“

Was sind all diese Götzen gegen den lebendigen Gott? Obwohl Gott ein Geist ist, so hat unser Gott doch einen Mund, denn Er spricht zu uns. Er hat Augen, denn sein Auge auf uns richtend will Er uns raten (vgl. Ps 32,8). Er hat Ohren, denn Er hört auf unser Gebet (vgl. Ps 65,3). Er hat eine Nase (vgl. Hiob 4,9; 3Mo 1,9), um zu riechen, wenn etwas nach seinem Willen geschieht oder eben nicht geschieht. Wenn wir den Herrn Jesus in der Anbetung vor Gott bringen, ist das für Gott ein lieblicher Wohlgeruch. Aber unser Gott hat auch Hände, denn niemand kann uns aus seiner Hand rauben (vgl. Joh 10,29). Er hat Füße, denn Er „schreitet einher auf den Höhen“ (Mich 1,3) und Er wandelte bei der Kühle des Tages im Garten Eden (vgl. 1Mo 3,8). Die Götzen der Nationen sind wie tote Schaufensterpuppen; man kann sie zwar umarmen, aber es entsteht keine Beziehung, es kommt nichts zurück, es bleibt alles kalt und leer. Habakuk, der „Umarmer“, wie sein Name auch übersetzt wird, hatte einen persönlichen Gott, den er auch „mein Gott“ nennen konnte. Er mag Gott nicht immer verstanden haben, aber sein Gott lebte, Er redete mit Habakuk.

David war sich im Kampf gegen Goliath eines lebendigen Gottes bewusst: „Wer ist dieser Philister, dieser Unbeschnittene, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt?“ (1Sam 17,26). Auch unsere Seele sollte nach dem lebendigen Gott dürsten: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott“ (Ps 42,3; vgl. Ps 84,3).

Wie schön, wenn auch die Nichtchristen um uns herum an unserem Leben erkennen, dass wir einen lebendigen Gott haben. Daniel hatte das erleben dürfen: „Der König hob an und sprach zu Daniel: Daniel, Knecht des lebendigen Gottes, hat dein Gott, dem du ohne Unterlass dienst, vermocht, dich von den Löwen zu retten?“ (Dan 6,21).

Die Götzen dieser Zeit sind vielfältig; auch heute wird dem Geschöpf immer noch mehr Ehre dargebracht als dem Schöpfer. Im Römerbrief heißt es dazu, dass sie „dem Geschöpf Verehrung und Dienst dargebracht haben anstatt dem Schöpfer“ (Röm 1,25). Fußballspieler, Sänger, Musikgruppen und sogar längst verstorbene Personen werden abgöttisch verehrt. Für manche Menschen sind ihr sozialer Status, ihre berufliche oder sportliche Anstrengung, ihre vermeintlich geistigen Kapazitäten (vgl. 2Kor 10,5) oder ihr Bauch und die fleischlichen Genüsse (vgl. Phil 3,19; Röm 16,18) ihr Götze.

Es ist eine gute Gewohnheit, sich bei jeder Art von Besitztum stets zu fragen: Kann ich es auch weggeben? Wenn ich nicht bereit bin, etwas herzugeben, dann besitze ich es nicht, sondern dann bin ich davon besessen. Es ist sehr erstaunlich, dass der erste Johannesbrief mit den Worten endet: „Kinder, hütet euch vor den Götzen“ (1Joh 5,21). Denn zuvor heißt es: „Wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (1Joh 5,20). Alles, was Christus den ersten Platz in unserem Herzen streitig macht, ist ein Götze!

Vers 20

Hab 2,20: Aber der HERR ist in seinem heiligen Palast: Schweige vor ihm, ganze Erde!

Das Gericht über die gottlose Nation ist ausgesprochen und der zukünftige Segen für diese Erde gesichert (Hab 2,14). Alle Unruhen können Gott in seinem (himmlischen) heiligen Palast nicht erreichen. Er sitzt im Regiment, mag es auch auf der Erde vorübergehend nicht so erscheinen. Jetzt geziemt es sich für die Erde und auch für Habakuk, zu schweigen, „damit jeder Mund verstopft werde und die ganze Welt dem Gericht Gottes verfallen sei“ (Röm 3,19). Dennoch sollte Habakuk seinen Mund wieder öffnen, diesmal jedoch, um Gott zu loben und zu preisen. Das werden wir dann im dritten Kapitel finden.

Der Bibelausleger Hamilton Smith kommentiert:

In der Antwort Gottes auf den Aufruf des Propheten wird uns somit versichert, dass Gott zu seiner Zeit mit all dem Bösen in der Welt ins Gericht gehen wird. Bis zu dieser Zeit mag eine kürzere oder längere Wartezeit entstehen, die den Glauben in Tätigkeit setzt. Doch der Glaube wird durch die Gewissheit gestützt, dass Gott als die nie versiegende Quelle seines Volkes in seinem heiligen Palast ist, was auch immer unter den Menschen stattfinden mag.[7]

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Anmerkungen

[1] H.A. Ironside, Kapitel 2 aus „Der Prophet Habakuk“; https://www.soundwords.de/a10962.html. Engl. Orig.: „Notes on the Prophecy of Habakkuk“ aus Notes on the Minor Prophets, 1909.

[2] H.A. Ironside, Kapitel 2 aus „Der Prophet Habakuk“; https://www.soundwords.de/a10962.html. Engl. Orig.: „Notes on the Prophecy of Habakkuk“ aus Notes on the Minor Prophets, 1909.

[3] H. Smith, Der Prophet Habakuk; https://www.soundwords.de/a181.html.

[4] W.W. Wiersbe, Sei erstaunt, Dillenburg (CV) 2005, S. 136.

[5] A. Conduet, „Der Prophet Habakuk“ in Halte fest, Beröa-Verlag, Jg. 55, 2012, S. 20ff.; https://haltefest.ch/1397-der-prophet-habakuk.

[6] H.A. Ironside, Kapitel 2 aus „Der Prophet Habakuk“; https://www.soundwords.de/a10962.html. Engl. Orig.: „Notes on the Prophecy of Habakkuk“ aus Notes on the Minor Prophets, 1909.

[7] H. Smith, Einleitung aus „Der Prophet Habakuk“; https://www.soundwords.de/a181.html.

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