Sacharja und die Zukunft Jerusalems (2)
Abschnitt A: Sacharja 1,1-6

Jacob Gerrit Fijnvandraat

© SoundWords, online: 30.07.2018, updated: 29.04.2023

Abschnitt A – Sacharja 1,1-6
Die einleitende, ermahnende Botschaft: „Seid nicht wie eure Väter“

Sach 1,1-6: 1 Im achten Monat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an Sacharja, den Sohn Berekjas, des Sohnes Iddos, den Propheten, indem er sprach: 2 Der HERR ist heftig erzürnt gewesen über eure Väter. 3 Und sprich zu ihnen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt zu mir um, spricht der HERR der Heerscharen, und ich werde zu euch umkehren, spricht der HERR der Heerscharen. 4 Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen und sprachen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen! Aber sie hörten nicht und achteten nicht auf mich, spricht der HERR. 5 Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig? 6 Doch meine Worte und meine Beschlüsse, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie eure Väter nicht getroffen? Und sie kehrten um und sprachen: So wie der HERR der Heerscharen vorhatte, uns nach unseren Wegen und nach unseren Handlungen zu tun, so hat er mit uns getan.

Dieser Abschnitt, der als Einleitung des Buches betrachtet werden kann, enthält

  • eine Zeitangabe, wann der Ausspruch Gottes erfolgt ist;
  • eine Erinnerung an die Haltung der Vorväter, verknüpft mit einem Aufruf zur Bekehrung;
  • eine Nachricht, dass die Väter und Propheten ihre Zeit gehabt haben und dass das Wort des Herrn in Erfüllung gegangen ist, wie sie selbst feststellen konnten.

Im zweiten Jahr des Darius, und zwar im achten Monat, das ist im November 520 v.Chr., beginnt Gott zu Sacharja zu sprechen. Der Tag wird nicht genannt[1], ist aber mindestens zwei Monate nach dem Auftreten von Haggai[2] und mindestens einen Monat nachdem sein Wort das Volk dazu geführt hat, den Wiederaufbau des Tempels in Angriff zu nehmen.[3] Offensichtlich ist es notwendig, dass Sacharja die erste Botschaft Haggais noch einmal unterstreicht und dabei an das Versagen der Väter und an den Zorn Gottes über das Volk erinnert. Diese Botschaft, die Gott Sacharja bekanntgibt, wird der Prophet, genau wie im Fall Haggais, auf dem Tempelplatz ausgesprochen haben, und zwar an demselben Tag oder kurz danach.

Wiewohl das Volk schon auf den Aufruf Haggais gehört hatte, den Wiederaufbau des Tempels wiederaufzunehmen, ist ein Aufruf zur Bekehrung nicht überflüssig. Dieser Aufruf hat, wie schon gesagt, nichts mit Faulheit in Bezug auf den Wiederaufbau des Tempels zu tun, so wie wir das im Buch Haggai finden, sondern mit dem moralischen Zustand des Volkes. Aus Sacharja 5,3; 7,9 und 8,16 geht hervor, dass es hier an dem ein oder anderen fehlt. Wenn die Juden dieser Ermahnung Sacharjas radikal gehorchen, wird Gott sich zu ihnen kehren.[4] Das geht weiter, als dass der Herr „mit euch“ ist im Hinblick auf den Bau des Tempels, wie Haggai bezeugt.[5] Es enthält, dass Er die gute Verbindung mit ihnen wiederherstellt und ihnen Gunst erweisen kann.

Sie sollen nicht ihren Vätern gleichen, denen Gott durch die damaligen Propheten einen dringenden Appell zur Bekehrung zukommen ließ. Sie „pfiffen“ auf diesen Appell. Hierzu können etliche Beispiele gegeben werden.[6] Die allgemeine Situation war die, dass Israel zwar Ohren hatte, jedoch nicht hören wollte. Sie achteten nicht auf die Worte des Herrn, wodurch sie Gott beiseitesetzten. Deswegen war der Herr nicht nur ein bisschen böse auf sie gewesen, sondern Er war „heftig erzürnt“.

Die aus der Verbannung zurückgekehrt sind, sollen gut bedenken, dass die Väter verschieden sind, sei es, dass das Gericht Gottes sie getroffen hat, sei es durch natürliche Ursachen und dass auch die Propheten nicht das „ewige Leben“ (auf Erden) hatten. Das Wort des Herrn hat sich nicht in Luft aufgelöst, und genauso wenig hat es nur einen zeitlichen Wert.[7] Es hat sich gezeigt, dass sich die Worte des Herrn erfüllt haben.[8] Die Väter erfuhren das, und es gab solche, die zur Einkehr kamen.[9] Sie mussten feststellen, dass Gott nicht in einen luftleeren Raum gesprochen hatte, sondern ausgeführt hat, was Er angekündigt hat. Das weist auf Strafen und Gerichte hin, die Gott über das Volk ausgesprochen hatte. Hierbei müssen wir vor allen Dingen an das angekündigte Gericht von der Wegführung in die Verbannung denken. Dieses Gericht hatte gezeigt – um in neutestamentlicher Sprache zu reden –, wie schrecklich es ist, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.[10] Zum Glück brachte dieses Gericht die Väter bzw. einen Teil von ihnen zur Einkehr, und sie erkannten, dass Gott sein Wort wahr gemacht hatte.[11]

Einleitung zu den Nachtgesichten

Dieser Abschnitt kann als Einleitung zu den nachfolgenden Nachtgesichten oder auch als Einleitung zu dem ganzen Buch aufgefasst werden, bei der eine Verbindung mit Sacharja 7,7 und 8,16 gelegt werden kann. J. Ridderbos legt diese Verbindung.[12]

Daten in Sacharja

Es ist beschämend, dass die Geschichte des Volkes ab der Verbannung nach den Regierungsjahren der fremden Völker, die sie beherrschten, datiert wird. Dies allein schon muss den Juden etwas zu sagen haben.[13] Den Übergang hin zu dieser Zeitangabe finden wir bei Jeremia und Daniel.[14]

Im Buch Sacharja werden die folgenden Daten erwähnt:

  • Sacharja 1,1: achter Monat im zweiten Jahr des Darius
  • Sacharja 1,7: 24. Tag des elften Monats des zweiten Jahres des Darius
  • Sacharja 7,1: vierter Tag des neunten Monats des vierten Jahres des Darius

Es betrifft, wie vorher erwähnt, Darius Hystaspis, der von 521–485 v.Chr. regierte. Wir dürfen diesen Fürsten also nicht mit Darius dem Meder gleichsetzen, von dem Daniel 6 redet, und ihn genauso wenig mit seinen zwei Nachfolgern verwechseln, und zwar mit Darius Nothus (423–404 v.Chr.) und mit Darius Codomannus (335–331 v.Chr.). Merkwürdig ist übrigens, dass hier in Sacharja 1,1 kein Datum erwähnt wird. Dass dieses weggefallen sein soll, ist lediglich eine Vermutung diverser Kommentatoren.

Es gibt allen Grund, die Periode, die auf die Einnahme Jerusalems durch Nebukadnezar folgt, als den Beginn der „Zeiten der Nationen“ anzusehen, über die der Herr Jesus in Lukas 21,24 redet.[15] Seit diesem Moment wurde Jerusalem durch die Heiden beherrscht und wurde die Zeitrechnung mit den Regierungsjahren der heidnischen Fürsten verknüpft. Es ist die Zeit der vier Weltreiche aus Daniel 2 und 7.

„Das Wort des HERRN“

Der Text sagt aus, dass das Wort des HERRN zu Sacharja kam. In Sacharja 1,1-17 geht es also nicht darum, dass Gott durch einen menschlichen Mittler zu ihm redete, sondern dass der HERR ihm durch die Erleuchtung des Heiligen Geist seine Gedanken bekanntmachte.[16]

Die Ausdrücke „Wort des HERRN“, „Wort des HERRN der Heerscharen“ und „So spricht der HERR“ kommen in diesem Bibelbuch regelmäßig vor.[17] Das unterstreicht noch einmal, dass diese Schrift kein Hirngespinst Sacharjas ist, sondern ausdrücklich eine Botschaft Gottes.[18]

„An Sacharja“

Wenn wir von der Tatsache ausgehen, dass Sacharja selbst der Schreiber des nach ihm benannten Buches ist, würden wir erwartet haben, dass in Sacharja 1,1 und 7 „zu mir“ stünde. Manche Ausleger[19] gehen davon aus, dass der Redakteur des Buches diese Klausel verändert hat. Das muss jedoch nicht der Fall sein; es kommt ja häufiger vor, dass eine Person über sich selbst in der dritten Person redet.[20] Hier könnte dies der Fall sein, weil Sacharja seine Funktion als Prophet betonen möchte. Übrigens macht es wenig aus, und wenn es doch so sein sollte, müsste der Redakteur die Erwähnung der Daten dennoch einer Aussprache Sacharjas entlehnt haben.

Prophezeiung

Bei „Prophezeiung“ müssen wir einen Unterschied machen zwischen dem inspirierten Aussprechen oder Niederschreiben einer göttlichen Botschaft und dem Hervorheben einer Botschaft aus dem inspirierten Wort, das zur Ermunterung und Tröstung der Zuhörer ist. Ersteres findet in unserer Zeit nicht mehr statt. Die Bibel ist vollständig, der Kanon sozusagen abgeschlossen. Das Zweite ist zweifellos in der Gemeinde noch geläufig.[21]

Erwähnte Personen

Ironside verknüpft die Bedeutung der drei Namen Sacharja, Berekja und Iddo wie folgt: „Der Herr gedenkt“, „der Herr segnet“ zur „bestimmten Zeit“.[22] Siehe übrigens die allgemeine Einleitung.

Propheten

Gott sendet Propheten, wenn etwas schiefläuft, um Dinge gerade zu machen. Ihre Botschaft erscheint daher auch oft pessimistisch, weil Gott dem Volk ihre Sünden vorhält sowie seine Bestrafung dazu. Es geht jedoch nicht darum, pessimistisch oder optimistisch zu sein, sondern realistisch. Leider hörte Israel nicht auf die realistischen Worte der Propheten.[23]

Die Väter

Mit den „Vätern“ wird sehr oft auf die Vorväter hingewiesen.[24] Welche Vorväter es dann betrifft, hängt von dem Zusammenhang ab. Manchmal geht es um die Söhne Jakobs oder um ihre Nachkommen in Ägypten. Auch kann es sich auf spätere Generationen des vorhergehenden Geschlechts beziehen. Hier müssen wir dann an die Israeliten von vor der Verbannung denken, zu denen Gott die Propheten sandte, kurz gesagt: Israel in der Zeit der Könige. Die Abweichung fing jedoch schon an dem Tag an, als Israel aus Ägypten geführt wurde.[25]

„Treffen“

Dieses Wort ist ein Jägerausdruck und enthält, dass das Gericht Gottes dem Missetäter folgt und zu fassen bekommt. Das Wort „treffen“ wird in 5. Mose 28 sowohl für Gericht gesagt wie auch für Segnungen, siehe 5. Mose 28,15.45 im Vergleich zu 5. Mose 28,2. Denke auch an die Aussage Moses: „Und wisst, dass eure Sünde euch finden wird.“[26]

Unterschied zu Haggai

Nebst den vielen Übereinstimmungen mit Haggai sehen wir in diesem Abschnitt auch Unterschiede: Der Hinweis auf das Verhalten der Väter und der Aufruf zu Bekehrung – wenngleich sie mit dem Wiederaufbau schon begonnen haben (vgl. Hag 2,1) – ist kennzeichnend für Sacharja. Zwar finden wir bei Haggai gewisse Verweise auf frühere Zustände (siehe Hag 2,17), jedoch nicht so eindringlich wie bei Sacharja.

„HERR der Heerscharen“

Das Wort „Heer“ in „Heerscharen“ ist ein altes Wort für Armee. Die Übersetzer der Statenvertaling gaben es mit heir wieder. Das „i“ war ein Dehnungs-i, um die Verlängerung des Klangs anzugeben.[27] Der Titel „HERR der Heerscharen“ kommt in diesem Buch fast 50-mal vor und weist auf die Macht Gottes hin.[28] Himmlische Heerscharen stehen Ihm zur Verfügung, und Er möchte seine Macht zum Gericht über die Nationen gebrauchen, jedoch zugunsten seines Volkes. Van Andel stellt fest:

Sein Name […] ist genauso erschreckend für die Sünder wie tröstlich für den Frommen.[29]

In Hosea 12,6 begegnen wir dem Titel „HERR, Gott der Heerscharen“. Das Wort „Heerscharen“ kann sowohl das „Sternenheer“ und das „Engelheer“ wie auch das „Heer des Volkes Israel“ bedeuten.[30]

Bekehrung

Bekehrung hat mit einer inneren und einer äußerlichen Veränderung zu tun. Das Erste zielt darauf ab, seine verkehrte Einstellung Gott gegenüber zu verurteilen, mit seinem Herzen zu Gott zurückzukehren und für Ihn zu leben. Die äußerliche Veränderung hat mit einer veränderten Lebensweise zu tun. Wenn in Israel die Rede von Götzendienst war, bedeutete das, dass man nun zum Dienst für Gott zurückkehrte. Führte man früher ein Leben in Diebstahl, Erpressung, Unsittlichkeit usw., dann bricht man damit und trachtet von jetzt an nach Ehrlichkeit, Sittsamkeit usw. Im Neuen Testament werden für diese beiden Aspekte der Bekehrung zwei verschiedene Ausdrücke gebraucht. Das eine Wort ist metanoeo, das sowohl mit „Bekehrung“ als auch mit „Buße tun“ wiedergegeben werden kann; das andere Wort ist epistrepho, das mit „bekehren“ oder „umkehren“ übersetzt wird. Es enthält: um-kehren auf einem verkehrten Weg und zurückkehren zu einem Gott wohlgefälligen Lebenswandel.[31]

Veldkamp sagt, dass die „Bekehrung sich täglich fortsetzen“ müsse:

Niemand kann sagen, dass er bekehrt ist. Das wäre erst möglich, wenn der alte Mensch radikal tot wäre und der neue Mensch sich in Vollkommenheit entfaltet hätte.[32]

Dies ist eine etwas unglückliche Aussage. Es gibt nämlich ganz bestimmt eine einmalige Bekehrung des Sünders zu Gott. Als solcher ist jemand bekehrt. Wir müssen jedoch auch als bekehrte Menschen leben und uns der Sünde für tot halten. Leider können wir darin versagen, und dann müssen wir zur Einkehr kommen und unsere Schuld bekennen.[33]

„Ich werde umkehren [wiederkehren]“

Manche Christen behaupten sehr einseitig, dass Gott sich zuerst zu uns wenden muss, bevor wir uns zu Ihm bekehren können. Darin steckt ein Kern Wahrheit, man darf das aber nicht dazu gebrauchen, die Verantwortung für die Bekehrung von sich wegzuschieben. Man vergisst dann, dass Gott schon sofort nach dem Sündenfall den Menschen aufsuchte und ihm zurief: „Wo bist du?“ Adam musste dann zu Gott hingehen und seinen Fehler einsehen, was ihm erheblich Mühe machte. Beim Volk Israel finden wir dasselbe. Der Herr hatte das Volk auserwählt und Er führte es aus Ägypten. Auch die Rückkehr aus der Verbannung war ein Beweis, dass Gott mit seinem Volk beschäftigt war. Es war alles sein Werk. Doch die Rückkehr aus der Verbannung enthielt noch nicht, dass das Volk auch mit einem echten Herzen zurückgekehrt war zu Gott und völlig auf den Herrn vertraute. In so einer Situation ruft Gott sein Volk auf, sich zu bekehren. Das war ihre Verantwortung! Darauf folgt dann die Verheißung, dass der Herr sich wieder zu ihnen wenden würde. Letzteres enthält, dass Er praktisch für sein Volk alles in Ordnung bringen und es seine Gegenwart spüren lassen würde. Jemand hat einmal in Kurzform so formuliert:

Wenn dort steht „Kehrt zu mir um“, dann werden wir daran erinnert, dass wir uns bekehren wollen müssen. Wenn dort steht „Bekehre uns, so wollen wir bekehrt sein“, dann drücken wir damit die Notwendigkeit der vorhergehenden Gnade Gottes aus.[34]

Die Seite der menschlichen Verantwortung einhergehend mit Gottes „Reaktion“ finden wir verschiedene Male in der Schrift wieder:

  • So lautet 1. Samuel 2,30: „Die, die mich ehren, werde ich ehren.“
  • Maleachi 3,7 sagt es so: „Kehrt um zu mir, so will ich zu euch umkehren.“
  • Und Johannes 14,21 sagt: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren.“
  • Johannes 14,23 fährt fort mit: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben.“
  • Jakobus 4,8 behält dieselbe Reihenfolge bei: „Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen.“[35]

Die Sünden der Väter

Aus Sacharja 1,4 geht hervor, dass Gott die Sünden der Väter nicht automatisch am nachfolgenden Geschlecht heimsucht. Es gibt viel Missverständnis auf diesem Gebiet. Es gibt sehr strenge Ausleger, die 2. Mose 20,5 nur halb lesen. Sie enden beim Wort „Geschlecht“[36] und gehen davon aus, dass die Sünden der Väter automatisch dem nachfolgenden Geschlecht zugerechnet werden. Sie lassen Hesekiel 18 unberücksichtigt, wo Gott klar bezeugt, dass, wenn ein Sohn sich von den Sünden seines Vaters abwendet, dieser nicht getötet werden wird. Jeder wird für seine eigenen Sünden sterben! Liberale Ausleger behaupten aufgrund dessen, dass Hesekiel eine andere Botschaft bringt als das Wort des Gesetzes, und ziehen daraus negative Schlussfolgerungen hinsichtlich der Autorität des Wortes Gottes.

Hesekiel bringt jedoch keine andere Botschaft. Im Gesetz, nämlich in 5. Mose 24,16, lesen wir dieselbe Aussage, dass die Väter nicht wegen der Sünde der Kinder und die Kinder nicht wegen der Sünden ihrer Väter getötet werden. König Amazja von Juda handelte nach dem Wort Gottes und brachte die Kinder der Männer, die seinen Vater getötet hatten, nicht um.[37]

Der Punkt, um den es in 2. Mose 20,5 geht, ist, dass nach dem Wort „Geschlecht“ folgt: „derer, die mich hassen“. Wenn also Kinder in der Spur des Vaters weitergehen und den Herrn hassen, dann erben sie mit den Sünden der Väter auch die Strafe über sie. Dieser Grundsatz wird durch den Herrn Jesus erweitert. In Matthäus 23,35 lesen wir, dass von der Hand der Juden und insbesondere von den Schriftgelehrten und Pharisäern das Blut von Abel bis Zacharias gefordert werden wird. Abel wurde jedoch durch Kain getötet, von dem die Juden gar nicht abstammen. Hier sehen wir also, dass der Herr eine geistliche Verwandtschaftslinie zieht. Die Juden sind geistlicherweise Kinder von Kain, sie folgen seiner Fußspur, weshalb die Sünde Kains auch ihnen zugerechnet wird. Eine andere Sache ist, dass Gott die Sünde einer einzelnen verantwortlichen Person allen zurechnen kann, für die so jemand verantwortlich ist. Das kam zum Beispiel in Israel vor, wenn der gesalbte Priester (der Hohepriester) gesündigt hatte.[38] Ein besonderer Fall ist auch, dass Gott ganz Israel für die Sünde Achans verantwortlich machte.[39] Hierbei müssen wir allerdings in Betracht ziehen, dass der Zustand des Volkes offensichtlich nicht gut war und dass sie darin versagt hatten, sorgfältig vor dem Vergreifen an Verbanntem zu wachen.

„Eure Väter, wo sind sie?“

Über Sacharja 1,5 gibt es verschiedene Erklärungen. Einige Ausleger nehmen an, dass die Worte „Eure Väter, wo sind sie?“ genau wie „Eure Propheten, leben sie ewig?“ vom Volk spöttisch ausgesprochen wurden.[40] Das Volk würde demnach denken: Die Väter sind tot und die Propheten ebenso; was haben wir damit zu tun?! Wir leben jetzt und haben mit unserer Zeit zu tun.[41] Dieser Gedanke erscheint nicht wirklich annehmbar, denn es findet sich dazu im Text keine Stütze.

Betrachtet man die Frage „Eure Väter, wo sind sie?“ an sich, könnte sie dazu gedacht sein, den Gegensatz zu dem Wort Gottes zu schildern, das nicht vergeht, sondern seine Wirkung gezeigt hat[42], und zu der Vergänglichkeit des Menschen, durch den und zu dem das Wort geredet wurde.[43] Der Gedanke ist nicht unmöglich, dass die Zuhörer mit dieser Frage an das ernste Los, das die Väter getroffen hat, erinnert werden. Vers Sacharja 1,5a ist hierbei in Übereinstimmung mit Sacharja 1,2.

Nun zur zweiten Frage bezüglich der Propheten. Hieronymus, der die Verse Sacharja 1,5 und 6 als Aussagen Gottes auffasst, versteht unter den Propheten falsche Propheten.[44] Genau wie die Väter wurden sie auch durch Gottes Zorn getroffen. Er unterbricht dabei jedoch den Zusammenhang mit Sacharja 1,4. In diesem Vers sind nämlich ganz bestimmt die Propheten des Herrn gemeint, da sie das Volk zur Bekehrung aufrufen.

Gottes Treue

Die Väter haben die Züchtigung Gottes erfahren; Er bleibt jedoch treu und verlässt sein Volk nicht (vgl. Röm 11,29). Dies wird sehr schön in 3. Mose 26,44.45 beschrieben. Er zerbricht seinen Bund mit seinem Volk nicht. Zu Recht stellt B. Keller fest:

Die alten Verheißungen sind sehr genau erfüllt. Sollten daher nicht alle Verheißungen, die bis jetzt noch nicht erfüllt sind, nicht auch erfüllt werden?[45]

Dass Gott treu ist, bedeutet nicht, dass Er einen verkehrten Weg mit uns mitgeht. So darf zum Beispiel 2. Timotheus 2,13 nicht ausgelegt werden. Wenn wir untreu sind, zeigt sich seine Treue darin, dass Er uns mit Zucht begegnet. Das empfanden die Israeliten, als sie vom Herrn abwichen.

Worte und Einsetzungen

Die Propheten mögen verschieden sein, doch die Worte des Herrn haben sich als wahrhaft erwiesen und behalten ihren Wert.[46] Siehe für diverse Ausdrücke für Gottes Einsetzungen Psalm 119, vor allen Dingen Psalm 119,1-8.

„Handel und Wandel“

Dieser Ausdruck[47] ist in bibeltreuen Kreisen ein geflügeltes Wort. Es bezieht sich auf das, was wir mit unseren Händen tun und wohin wir mit unseren Füßen gehen.[48]

Kenntnis der Geschichte

Sacharja führt den Juden die Geschichte des Volkes aus früheren Zeiten vor Augen. Jemand habt einmal so etwas gesagt wie: „Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, hat keine Zukunft.“ Von dieser Geschichte muss das Volk Israel und müssen auch wir in unserer Zeit lernen, und zwar an erster Stelle, dass Abweichen von Gott Gericht und Elend nach sich zieht. Die Verbannung, die erst so kurz hinter ihnen lag, hatte sie das gelehrt.[49]

Die Geschichte ist keine Anhäufung zufälliger Ereignisse und genauso wenig eine Aneinanderreihung von Ursache und Wirkung, wiewohl wir diese Aneinanderreihung auch wahrnehmen können. Nein, schlussendlich wird die Geschichte durch Gott bestimmt, und das gilt ganz gewiss für die Geschichte des Volkes Gottes. Ein Engländer hat es einmal so kernig ausgedrückt: „All history is His story“ (Die ganze Geschichte ist seine Geschichte).

Diese ersten sechs Verse des Buches beschreiben uns dies: die Voraussetzungen für Segen (Sach 1,3); das Böse des Ungehorsams und seine Folgen (Sach 1,4.5); den unveränderlichen Charakter Gottes und seines Wortes sowohl im Hinblick auf Warnungen als auch auf Verheißungen; die Regierung Gottes in Übereinstimmung mit dem Zustand seines Volkes. Diese Grundsätze sind nicht abhängig von einer bestimmten Zeit.[50]

Verständnisfragen zu Sacharja 1,1-6

  1. Gib ein Beispiel von Zeitangaben aus 1. oder 2. Könige. Was stellt man im Vergleich zur Datierung im Buch Sacharja fest?

  2. Wozu dient ein prophetischer Dienst in unserer Zeit nach 1. Korinther 14,3? Nenne einen Abschnitt aus der Bibel, der dich sehr getröstet hat.

  3. Der Gemeinde in Ephesus sagt Gott in Offenbarung 2, dass, wenn sie sich nicht bekehren, Er ihren Leuchter wegnehmen wird. Kannst du sagen, ob – und wenn ja wie – sich das Wort erfüllt hat? Welche Lehren können wir daraus ziehen?

  4. Warum ist der Aufruf zur Bekehrung keine freibleibende Sache?


Übersetzt aus Zacharia en de toekomst van Jerusalem. Bijbelstudies bij de profetie van Zacharia, Vaassen (Medema) 2002

Übersetzung: Stephan Winterhoff

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Anmerkungen

[1] Es wird behauptet, dass es den Ersten des Monats betrifft; eine klare Grundlage für diesen Gedanken gibt es jedoch nicht.

[2] Haggai 2,1.10.20.

[3] Haggai 1,1.12.14; 2,1.

[4] Vergleiche Jak 4,8 wie auch 2Chr 15,2.

[5] Haggai 1,13; 2,4.

[6] Siehe unter anderem 2. Chronika 36,15.16; Jesaja 28,12; Jeremia 3,13; 7,13.24-28; 11,6-8; 13,11; 17,23; 18,11.12.18; 22,21; 25,3-8; 29,19; 32,23; 35,17; 36,31; 42,21; 44,5.16; Hesekiel 3,7; 28,8; Daniel 9,11; Hosea 14,1 und auch Nehemia 9,33-35.

[7] Vergleiche Josua 23,14 wie auch 1. Petrus 2,22-25.

[8] Siehe die Vorhersage in Jeremia 39,16 und die Erfüllung in Klagelieder 2,17; Daniel 9,10.11; vgl. Jesaja 55,11, was die Heilsprophezeiungen betrifft.

[9] Calvin meint, dass hier keine Rede von echter Reue ist, sondern von einem von Gott erzwungenem Bekenntnis (J. Calvin, De Profeet Zacharia [De Kleine profeten, Teil V], De Groot Goudriaan, Kampen, 1985, S. 20). Dies lässt sich aus dem Text jedoch nicht ableiten.

[10] Vergleiche J. Calvin, De Profeet Zacharia (De Kleine profeten, Teil V), De Groot Goudriaan, Kampen, 1985, S. 11; Heb 10,31.

[11] Vergleiche Klagelieder 2,17; Daniel 9,4-9; Esra 9,6.

[12] J. Ridderbos, Korte Verklaring – De Kleine Profeten, Kampen, 1952, S. 41–42.

[13] Siehe J.G. Fijnvandraat, Terugzien en vooruitkijken. Vaassen, 1998, S. 48–50.

[14] Jeremia 52,4.12; Daniel 1,1; 2,1.

[15] Vergleiche Daniel 2,37-45 und Daniel 7.

[16] 2. Petrus 1,20.21.

[17] Siehe J.G. Fijnvandraat,Terugzien en vooruitkijken, Vaassen, 1998, S. 52.

[18] Vergleiche Hosea 1,1; Micha 1,1; Haggai 1,1.

[19] Unter anderem Van der Woude, siehe A.S. van der Woude, De prediking van het Oude Testament, Nijkerk, 1984, S. 19.

[20] Siehe 1. Mose 14,19; 18,19 wie auch Johannes 17,3, wo man demnach auch eine schwerlich annehmbare, redaktionelle Veränderung unterstellen müsste.

[21] Siehe 1. Korinther 14 insgesamt und besonders 1. Korinther 14,3.

[22] H.A. Ironside, Notes on the Minor Prophets, 131974, S. 342.

[23] Siehe zum Beispiel 2. Chronika 24,19.

[24] In Werk in Uitvoering, Teil 2, Nieuwe Bijbelvertaling, 2000, wiedergegeben mit „Voreltern“.

[25] Jeremia 7,24-28.

[26] 4. Mose 32,23.

[27] Anm. d. Übers.: Es werden zwei niederländische Beispiele für Wörter mit Dehnungs-i angegeben. Im Deutschen kommt das Dehnungs-i nur in Eigennamen vor, wie zum Beispiel im Familiennamen Voigt.

[28] Werk in Uitvoering, Teil 2, Nieuwe Bijbelvertaling, 2000, schreibt „Heer der himmlischen Mächte“.

[29] J. van Andel, De Kleine Profeten. Leeuwarden, 1881, S. 274.

[30] Siehe resp. Jesaja 40,26; Psalm 148,2 und 1. Samuel 17,45; vgl. auch 2. Korinther 6,16.17; Matthäus 26,53; und siehe des Weiteren A. van de Weg, De Bijbel en zijn boodschap, Daniël en de twaalf kleine profeten, Leeuwarden, 1958, S. 102.

[31] Siehe die Liste der Ausdrücke in der Telos-Übersetzung, S. XXI.

[32] H. Veldkamp, De twee getuigen, Franeker, 41979, S. 53.

[33] Siehe J.G. Fijnvandraat, Toets 9: Bekering Noodzaak (auf Deutsch: „Probe“-Reihe 9: Notwendigkeit der Bekehrung).

[34] The Pulpit Commentary Zechariah, London, 1893, S. 10.

[35] Vergleiche auch 2. Chronika 15,2; 30,6; Maleachi 3,7 sowie Jeremia 3,12; Hesekiel 18,30.

[36] Anm. d. Red.: In der Elberfelder Übersetzung (CSV) ist das Wort „Geschlecht“ mit „Generation“ wiedergegeben; andere übersetzen auch mit „Glied“.

[37] 2. Chronika 25,4; vgl. Jeremia 31,29.30 wie auch Jeremia 18,7-12.

[38] 3. Mose 6,3.

[39] Josua 7,1.

[40] So Van der Woude, der hierin Beuken folgt.

[41] J. Douma suggeriert diese Auffassung (J. Douma, De Nachtgezichten van Zacharia, Kampen, 1924, S. 22–23); Rudolph und andere auch (W. Rudolph, Kommentar zum Alten Testament, Gerd Mohn, 1976, S. 69–70).

[42] Siehe Klagelieder 2,17; Jesaja 40,6-8; vgl. Daniel 9,4-19; Nehemia 9 u.a. Nehemia 9,16.17; Esra 9,6.7.

[43] Vergleiche 1. Petrus 1,24; Jesaja 40,8.

[44] Siehe J. Calvin, De Profeet Zacharia (De Kleine profeten, Teil V), De Groot Goudriaan, Kampen, 1985, S. 18. Van der Woude unterstützt den Gedanken von Hieronymus. Durch Einfügung anderer Vokale stellt er die folgende Lesart vor: „Und (wo sind) die Propheten, die gegen euch schwätzen?“ Auch er unterbricht also die Verbindung zu Sacharja 1,4 (A.S. van der Woude, De prediking van het Oude Testament, Nijkerk, 1984, S. 23–25), worin wir ihm nicht folgen.

[45] Praktische Bibelerklärung, Konstanz v.a. 1909, Teil II, Band 17b, Haggai, Sacharja, erklärt von B. Keller, S. 52.

[46] Denke an 2. Petrus 1,15 und vergleiche mit 1. Petrus 1,25.

[47] Der Ausdruck „Handel und Wandel“ bedeutet im Hebräischen wörtlich: „von euren bösen Wegen und euren bösen Handlungen“ (A.H. Edelkoort, Bijbel in Nieuwe Vert. Met Kanttekeningen, Teil 6. Baarn, 1956, S. 287 Anm. 12).

[48] Der Ausdruck „Handel und Wandel“ kommt vor in Richter 2,19 und 2. Chronika 13,22.

[49] Denke hierbei an die Warnungen, die Paulus den Korinthern und auch uns in 1. Korinther 10,1-13 vorhält.

[50] E. Dennett, Zechariah the Prophet and Malachi, Montreal, Quebec, 1888, S. 9–10.


Note from the editors:

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