Hat Christus seine Menschheit im Himmel abgelegt?
Kolosser 2,9

Stephan Isenberg

© SoundWords, online: 13.06.2012, updated: 09.04.2022

Leitvers: Kolosser 2,9

Kol 2,9: In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.

Ist der Herr Jesus jetzt im Himmel Mensch, oder hat Er nach der Auferstehung oder der Himmelfahrt seine Menschheit abgelegt?

Der Herr Jesus ist der Sohn Gottes von Ewigkeit her. Der Apostel Johannes spricht von Ihm als von dem „eingeborenen Sohn, der im Schoß des Vaters ist“ (Joh 1,18). Von Ewigkeit her ist der Sohn im Schoß des Vaters gewesen: „Als er [Gott] die Grundfesten der Erde feststellte – da war ich Schoßkind[1] bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne“ (Spr 8,29.30). Auf der einen Seite gab Gott in gewisser Weise seinen Sohn (Joh 3,16) aus seinem Schoß, und andererseits hat der Herr Jesus den Schoß des Vaters nie verlassen. Beide Aussagen sind wahr, und wir wollen uns davor beugen, auch wenn wir sie mit unserem Verstand nicht zusammenbringen können. Als der Herr Jesus auf der Erde war, war Er nicht allein der ewige Sohn Gottes, sondern Er „wurde“ Sohn in einer ganz neuen Art und Weise: Er wurde der Sohn des Menschen. Der Herr Jesus ist „im Fleisch gekommen“ (1Joh 4,2.3).[2] Von uns kann nicht gesagt werden, dass wir „im Fleisch gekommen“ sind. Dass wir als Kinder „im Fleisch“ geboren wurden, war selbstverständlich. Wenn es von Christus bzw. von Gott heißt, dass Er „im Fleisch gekommen“ ist (vgl. 1Tim 3,16; 1Joh 4,2.3; Joh 1,1.14), dann deshalb, weil Er zuvor Sohn Gottes von Ewigkeit war und jetzt immer noch ist.

Christus war auf der Erde vollkommen Mensch und auch vollkommen Gott. Es heißt in Kolosser 1,19: „Es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in ihm zu wohnen.“ Und weiter heißt es in Kolosser 2,9 ganz deutlich: „In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Als Mensch wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig in Ihm. Besonders die letzte Bibelstelle (Kol 2,9) zeigt deutlich, dass sie noch immer in Ihm wohnt. Gerade das Wort „leibhaftig“ zeigt uns, dass der Herr Jesus nun als verherrlichter Mensch im Himmel ist. So ist besonders Kolosser 2,9 einer der überzeugendsten Beweise dafür, dass der Herr jetzt als Mensch im Himmel ist und dass Er gleichzeitig vollkommen Gott ist. Nicht ein Geist ist im Himmel, sondern der Mensch Christus Jesus: Einer ist [Gegenwart!] Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Jesus Christus“ (1Tim 2,5).

Der Herr Jesus ist nach vollbrachtem Werk ins Grab gelegt worden. Am dritten Tag ist Er auferstanden, und zwar nicht als Geist, sondern als Mensch. Deshalb konnte Er zu seinen Jüngern sagen: „Seht meine Hände und meine Füße, dass ich es selbst bin; betastet mich und seht, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Gebein, wie ihr seht, dass ich habe“ (Lk 24,39). Der Auferstehungsleib des Herrn war nicht völlig anders als sein Leib, den Er auf der Erde hatte, denn wir lesen, dass die Frauen zur Gruft kamen und „den Leib des Herrn Jesus nicht fanden“ (Lk 24,3). Der Herr Jesus war offensichtlich in diesem Leib auferstanden, der nun in der Auferstehung allerdings eine für uns unvorstellbare Verwandlung erfahren hatte, so dass Er zum Beispiel sogar durch geschlossene Türen gehen konnte (Joh 20,19). Nicht nur hier, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten zeigte der Herr sich den Gläubigen in seinem Auferstehungsleib. Allerdings war sein Leib noch nicht verherrlicht, da Er sich noch nicht zur Rechten Gottes gesetzt hatte.

Nach seiner Himmelfahrt sitzt Christus nun zur Rechten Gottes und ist „über jedes Fürstentum und jede Gewalt“ gesetzt (vgl. Eph 1,20.21) und „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9) worden. Und wenn Er wiederkommt, wird Er „unseren [irdischen] Leib der Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,21). Dass der Herr Jesus einen „Leib der Herrlichkeit hat“, ist ebenfalls ein starker Hinweis darauf, dass der Herr Jesus nicht als Geist, sondern als Mensch im Himmel ist, „denn ein Geist hat nicht Fleisch und Gebein“ (Lk 24,39).

Bereits vor seinem Tod sprach der Herr Jesus von seiner Himmelfahrt: „Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er zuvor war?“ (Joh 6,62). Als Er dann nach der Auferstehung zum Himmel aufgefahren war, sagten die Engel zu den Jüngern: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird ebenso kommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen in den Himmel“ (Apg 1,11). Nur in ganz wenigen Stellen in den Briefen und in der Apostelgeschichte wird der Herr Jesus einfach nur „Jesus“ genannt. Damit soll immer in besonderer Weise auf seine wahre Menschheit hingewiesen werden. Diese Zusage der Engel war also für die Jünger eine feste Zusicherung, dass der Herr Jesus tatsächlich als Mensch in den Himmel aufgefahren ist und dass Er so, wie sie Ihn auffahren sahen, auch wiederkehren würde: als Mensch. Sie durften sehen, dass Er, der Vorläufer des Glaubens (vgl. Heb 6,20), den Gläubigen nur einen Schritt vorausgegangen ist.

Doch was ist in der Zwischenzeit? Wenn wir in der Apostelgeschichte weiterlesen, finden wir eine bemerkenswerte Aussage über Stephanus: „Als er [Stephanus] aber, voll Heiligen Geistes, unverwandt zum Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes, und Jesus zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7,55). Er sah nicht den Sohn Gottes (was auch richtig gewesen wäre); er sah nicht Christus (was auch richtig gewesen wäre), sondern er sah JESUS zur Rechten Gottes stehen – wieder ein Hinweis auf seine Menschheit. Ein Vers weiter bezeugt Stephanus es selbst: „Und er [Stephanus] sprach: Siehe, ich sehe die Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen!“ Auch hier wieder der Hinweis auf seine Menschheit!

Einen ähnlichen Hinweis auf die Menschheit des Herrn Jesus (und zwar aus seinem eigenen Mund) finden wir nur zwei Kapitel weiter, wo Paulus vor Damaskus zur Bekehrung kommt. Und was lesen wir dort? „Als er [Paulus] aber hinzog, geschah es, dass er sich Damaskus näherte. Und plötzlich umstrahlte ihn ein Licht aus dem Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Wer bist du, Herr? Er aber sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9,3-5).

In seinem bekannten Gebet an den Vater betete der Herr Jesus: „Und nun verherrliche du, Vater, mich bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war“ (Joh 17,5). Ehe die Welt war, hatte der Sohn Gottes alle Herrlichkeit bei dem Vater, und diese Herrlichkeit war auch nie von Ihm genommen worden; aber nun bittet der Herr Jesus als Mensch, dass Er diese Herrlichkeit, die Er bereits als Sohn in der Ewigkeit hatte, auch als Mensch im Himmel haben würde. Über diese gewaltige Tatsache, dass Christus nun als Mensch im Himmel ist, schreibt ein Bibelausleger:

Glaubst du, dass ein wahrer Mensch im Himmel ist, dass auf dem Thron Gottes ein menschliches Herz in tiefstem, wahrstem Mitgefühl mit euch hier auf der Erde schlägt, mit solchen, die von ihren Sünden durch sein Blut gewaschen sind? Was für ein Trost für das Herz, wenn es daran denkt – der ewige Sohn des ewigen Gottes in einem Leib der Herrlichkeit, einem Leib der Auferstehung! Diese Augen der Liebe sind immer auf uns gerichtet; diese Ohren der Liebe hören uns immer zu; diese Lippen der Liebe rufen uns immer Worte der Ermunterung und des Trostes zu; diese Hände, die für uns geblutet haben, leiten uns durch diese verworrene Welt; dieses Herz der Liebe schlägt mit unwandelbarer Zuneigung uns gegenüber; und dieser Mensch ist unser Heiland, unser Leben, unser Haupt, unsere Hoffnung! Ist Er das alles auch für dich?[3]

Kurz vor seinem Tod sprach der Herr Jesus zu den Menschen über seine bevorstehende Herrlichkeit im Himmel: „Doch ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mt 26,64). Der Herr Jesus sitzt als Mensch „zur Rechten der Macht“, und Er wird als Mensch wieder zur Erde zurückkehren. Das hatte der Herr selbst bereits in der Rede auf dem Ölberg angekündigt: „Dann wird das Zeichen des Sohnes des Menschen am Himmel erscheinen; und dann werden alle Stämme des Landes wehklagen, und sie werden den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit“ (Mt 24,30).

Später schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Epheser: „Das aber: Er ist hinaufgestiegen, was ist es anderes, als dass er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde? Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte“ (Eph 4,9.10). Diese Verse machen deutlich: Der Herr Jesus hat als Mensch den Tod erduldet, und Er ist derselbe, der nun auch „hinaufgestiegen ist über alle Himmel“. An die Korinther schreibt Paulus über die Auferstehung: „Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; dann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft“ (1Kor 15,23). Auch in dieser Stelle können wir sehen, dass Christus nun leibhaftig auferstanden ist, denn es geht im Zusammenhang um unsere leibliche Auferstehung.

Es ist also überaus wichtig, dass wir den Herrn Jesus nun als ersten verherrlichten Menschen im Himmel wissen dürfen. Er ist unsere Garantie dafür, dass auch wir in Ihm diesen Platz erreichen. Der Stellung nach sind wir bereits in Ihm, und in Ihm sind wir bereits versetzt in himmlische Örter (Eph 2,6). Deshalb ist Er unsere Sicherheit, dass wir diesen Ort auch erreichen, wenn Er uns holt und wir mit verherrlichten Leibern den Herrn schauen dürfen. Wenn der Herr Jesus nur ein Geist wäre, könnten wir Ihn nicht einmal sehen, aber weil ein Mensch im Himmel ist, werden wir Ihn sehen, wie Er ist. Wir werden das Lamm sehen „wie geschlachtet“ (vgl. Off 5,6).

„Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist“ (1Joh 3,2.3).

Anmerkungen

[1] So übersetzt die alte Elberfelder. Die überarbeitete Elberfelder (Edition Hückeswagen) übersetzt „Werkmeister“ und führt in der Fußnote an: „O. Pflegling, o. Liebling.“ Beide Übersetzungen (Schoßkind, Werkmeister) sind vom Hebräischen her möglich.

[2] Diese Formulierung bedeutet nicht, dass der Herr Jesus die gleiche sündhafte Natur gehabt hätte wie wir, als Er auf der Erde war, sondern dass Er die Leiblichkeit und die Gestalt eines Menschen annahm und wahrer Mensch war, ohne dass jedoch die Sünde in Ihm gewohnt hätte (vgl. Heb 4,15).

[3] Henry Mann Hooke, „1 John 1“ in The Christian’s Friend and Instructor, Jg. 12, 1885.

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