Der Prophet Micha (7)
Kapitel 7

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online: 05.11.2021

Zukünftige Buße und Segen

Dieses letzte Kapitel, das den vierten Teil bildet, ist den Klageliedern nahe verwandt. Es ist das Gebet des bußfertigen Überrestes in den Tagen der großen Trübsal, in der „Zeit der Drangsal für Jakob“ (Jer 30,7). Das bedeutet, dass der Prophet die angemessenen Äußerungen derer wiedergibt, die nicht mehr hochmütig wandeln. Gedemütigt aufgrund ihrer Sünde, erkennen sie stattdessen an, dass sie von einer gerechten Hand geschlagen worden sind. Weder bringen sie Ausreden vor noch schauen sie auf zweitrangige Ursachen, sondern sie nehmen alles als gerechten Lohn für ihre Taten an. Und doch blicken sie im Glauben zu dem Gott ihrer Väter: Sie vertrauen auf seine unerschütterliche Gnade, dass Er sie wiederherstellt. Die drei vorangegangenen Reden (oder Abschnitte) sollten alle zu diesem Ende zu führen. Dieses Kapitel beschreibt also das künftige Ergebnis des Dienstes, der damals zugrunde zu gehen schien. Es war das Wort des lebendigen Gottes und konnte nicht leer zu Ihm zurückkehren, sondern musste durchführen, wozu es gesandt war (Jes 55,11).

Verse 1-6

Mich 7,1-6: 1 Wehe mir! Denn mir ergeht es wie bei der Obstlese, wie bei der Nachlese der Weinernte: Keine Traube zu essen! Keine Frühfeige, die meine Seele begehrt! 2 Der Gütige ist aus dem Land verschwunden, und da ist kein Rechtschaffener unter den Menschen; allesamt lauern sie auf Blut, sie jagen jeder seinen Bruder mit dem Netz. 3 Nach dem Bösen sind beide Hände gerichtet, um es gut auszuführen. Der Fürst fordert, und der Richter richtet gegen Entgelt, und der Große spricht die Gier seiner Seele aus, und sie flechten es ineinander. 4 Der Beste unter ihnen ist wie ein Dornstrauch, der Rechtschaffenste schlimmer als eine Dornenhecke. – Der Tag deiner Wächter, deine Heimsuchung, ist gekommen; dann wird ihre Verwirrung da sein. 5 Traut nicht dem Genossen, verlasst euch nicht auf den Vertrauten; verwahre die Pforten deines Mundes vor der, die in deinem Schoß liegt. 6 Denn der Sohn verachtet den Vater, die Tochter lehnt sich auf gegen ihre Mutter, die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter; des Mannes Feinde sind seine Hausgenossen. –

Die ersten sechs Verse dieses Kapitels beschreiben sehr anschaulich die Zustände in den furchtbaren Tagen des Antichrists. Dem Überrest kommt es so vor, als seien die Guten aus dem Land vertilgt worden und als gebe es „keinen Rechtschaffenen unter den Menschen“. Verrat und Betrug sind so weit verbreitet, dass man es nicht mehr wagt, seinem besten Freund zu vertrauen. In dieser furchtbaren Zeit verrät die Ehefrau womöglich sogar ihren eigenen Ehemann an die Inquisition. Denn es sind die Tage der Rache, die unser Herr in Matthäus 24,9-31 beschreibt, wenn der Gräuel der Verwüstung an heiliger Stätte stehen wird. Auch in Matthäus 10,21-36 zitiert Er genau diesen Vers, wenn Er sich auf das letzte Zeugnis vor dem Erscheinen des Menschensohns bezieht.

Solche Zeiten hat es schon vielerorts gegeben, so wie beispielsweise in den dunklen Tagen, als der römische Katholizismus herrschte; doch für Israel stehen in einem besonderen Sinn noch dunklere Tage bevor.

Verse 7-10

Mich 7,7-10: 7 Ich aber will ausschauen nach dem HERRN, will harren auf den Gott meines Heils; mein Gott wird mich erhören. 8 Freue dich nicht über mich, meine Feindin! Denn bin ich gefallen, so stehe ich wieder auf; denn sitze ich in Finsternis, so ist der HERR mein Licht. 9 Den Grimm des HERRN will ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt –, bis er meinen Rechtsstreit führen und mir Recht verschaffen wird. Er wird mich herausführen ins Licht, ich werde seine Gerechtigkeit anschauen. 10 Und meine Feindin soll es sehen, und Scham soll sie bedecken, die zu mir sprach: Wo ist der HERR, dein Gott? Meine Augen werden mit Genugtuung auf sie sehen: Nun wird sie wie Straßenkot zertreten werden.

Diese Verse beschreiben sehr schön die Zuversicht des Überrestes und ihre Unterwerfung unter den Willen Gottes. Während sie anerkennen, dass Gottes Handeln [mit ihnen] gerecht war, schauen sie im Glauben dennoch zu Ihm auf und rufen: „Ich will harren auf den Gott meines Heils.“ Dabei haben sie die Gewissheit, dass Er sie hören wird. Es scheint, als ob der Feind triumphiert; doch obwohl sie gefallen sind, werden sie wieder aufstehen, und wenn die Finsternis am tiefsten ist, wird der HERR ihr Licht sein. In Demut und Ergebenheit sagen sie: „Den Grimm des HERRN will ich tragen – denn ich habe gegen ihn gesündigt.“ Das ist außerordentlich schön und zeigt, wie echt das Resultat der „friedsamen Frucht der Gerechtigkeit“ in ihrer Seele ist (vgl. Heb 12,11). So können sie auf Gott vertrauen, dass Er sie errettet, und geduldig warten, bis Er ihre Sache vertritt und ihnen Recht verschafft, so dass sie Ihn für seine Gerechtigkeit preisen werden. Dann werden die Feinde Israels, die Israel in ihrer Verlassenheit verhöhnt hatten, anerkennen, dass sie tatsächlich die Auserwählten des Herrn sind.

Verse 11-14

Mich 7,11-14: 11 Ein Tag kommt, an dem deine Mauern aufgebaut werden sollen. An jenem Tag wird die Schranke entfernt werden. 12 An jenem Tag, da wird man zu dir kommen von Assyrien und den Städten Mazors und von Mazor bis zum Strom und von Meer zu Meer und von Gebirge zu Gebirge. – 13 Und das Land wird zur Wüste werden wegen seiner Bewohner, wegen der Frucht ihrer Handlungen. 14 „Weide dein Volk mit deinem Stab, die Herde deines Erbteils, die abgesondert wohnt im Wald, inmitten des Karmel; lass sie weiden in Basan und Gilead wie in den Tagen der Vorzeit.“

„An jenem Tag“ wird Jerusalem wieder zu Wohlstand kommen und ihre Mauern werden wiederaufgebaut. Ihre Kinder werden zurückgebracht werden aus Assyrien und aus allen Ländern, in die sie gefangen weggeführt worden waren. Obwohl das Land wegen der Frucht der Taten Israels zuerst durch die Heere der Nationen verwüstet werden wird, so werden die verwüsteten Orte doch wieder aufgebaut werden. Auch wird die Herde des Erbteils des HERRN aus ihren Zufluchtsorten geholt und auf den auserlesenen Weiden von Basan und Gilead gehütet werden so „wie in den Tagen der Vorzeit“.

Verse 15-17

Mich 7,15-17: 15 Wie in den Tagen, als du aus dem Land Ägypten zogst, werde ich es Wunder sehen lassen. 16 Die Nationen werden es sehen und beschämt werden über all ihre Macht: Sie werden die Hand auf den Mund legen, ihre Ohren werden taub werden; sie werden Staub lecken wie die Schlange, wie die kriechenden Tiere der Erde; 17 sie werden hervorzittern aus ihren Schlössern; sie werden sich bebend wenden zu dem HERRN, unserem Gott, und vor dir sich fürchten.

So wie der HERR sie einst im Triumph aus dem Land Ägypten heraufgebracht hatte, so wird Er auch in den letzten Tagen wunderbare Dinge tun, wenn Er auftreten wird, um seine Auserwählten zu retten. Die Heiden, die die Juden verachtet und gehasst haben, werden voller Staunen sehen, wenn der Überrest im Land ihrer Väter wiederhergestellt und die ursprüngliche Herrschaft zu Jakob zurückgekehrt ist. Darin zeigt sich auf wunderbare Weise die Gnade und Güte des Herrn.

Verse 18-20

Kein Wunder, dass das Buch damit schließt, dass Israel Gott anbetet und Ihm für die erwiesene Güte dankt:

Mich 7,18-20: 18 Wer ist ein Gott wie du, der die Ungerechtigkeit vergibt und die Übertretung des Überrestes seines Erbteils übersieht? Er behält seinen Zorn nicht auf ewig, denn er hat Gefallen an Güte. 19 Er wird sich unser wieder erbarmen, wird unsere Ungerechtigkeiten niedertreten; und du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. 20 Du wirst an Jakob Treue, an Abraham Güte erweisen, die du von den Tagen der Vorzeit her unseren Vätern geschworen hast.

Das wird das glückliche Ende aller Wege Gottes mit Israel sein. Wenn sie in das Königtum des Sohnes des Menschen eingeführt sind, werden sie erkennen, dass ihre Ungerechtigkeiten vergeben und ihre Sünden zugedeckt sind. Und sie werden diesen Segen auf den „geschlagenen Richter“ (Mich 4,14) zurückführen, der in Gnade kam, um zu retten. Doch wurde Er verachtet und verworfen von ebendiesem Volk, das das Wort der Wahrheit in Händen hielt, in dem alles vorausgesagt war, was sie in ihrem Unglauben selbst erfüllten.

In der Stunde ihrer tiefsten Not werden sie sich zu ebendiesem heiligen Buch zurückwenden und daraus lernen, dass der Nazarener der war, den sie lange erwartet hatten und „dessen Ursprünge von der Urzeit sind, von den Tagen der Ewigkeit her“ (Mich 5,1). Wenn der Überrest endlich seiner furchtbaren Sünde überführt ist, dann werden sie sich in schmerzlicher Seelennot vor Gott beugen, die Sünde ihrer Väter bekennen und ihren eigenen Unglauben verurteilen. Dann wird die Gnade zu ihren Gunsten handeln, und Gott wird ihr Land und sie selbst wiederherstellen.

Aus jedem erneuerten Herz wird Anbetung hervorbrechen: „Wer ist ein Gott wie du, der die Ungerechtigkeit vergibt?“

Gott wird all ihre Sünden in das Meer der Vergessenheit werfen. In seiner Gnade wird Er sie durch dieselbe wunderbare Erlösung rechtfertigen, die jetzt die Grundlage dafür ist, dass jeder Jude und jeder Heide gesegnet wird, der auf den Namen Jesu vertraut.

So kommt die Prophezeiung Michas an dem Ende an, auf das alle Propheten hingewiesen haben: Der Eid des HERRN, den Er Abraham, Isaak und Jakob geschworen hatte, wird sich erfüllen, und ihre Nachkommen werden in ihrem ursprünglichen Erbteil wohnen und nie wieder entwurzelt werden. Sie werden alle Segnungen des neuen Bundes genießen, die durch das kostbare Blut Christi gesichert sind.

Vorheriger Teil


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Micah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909
Quelle: http://www.plymouthbrethren.org/article/4846

Übersetzung: Christa Kern


Note from the editors:

The SoundWords editorial team is responsible for the publication of the above article. It does not necessarily agree with all expressed thoughts of the author (except of course articles of the editorial staff) nor would it like to refer to all thoughts and practices, which the author represents elsewhere. “But examine all things, hold fast the good” (1Thes 5:21).—See also „On our own account ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen