Der Prophet Micha (4)
Kapitel 4

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online: 15.09.2021

Die frühere Herrschaft

Es ist wirklich wohltuend, wenn wir unsere Augen kurz auf die erfreulichen Szenen in der ersten Hälfte des Kapitels richten, bevor die traurige Geschichte des Versagens und der Sünde wieder aufgenommen wird.

Verse 1-4

Mich 4,1-4: 1 Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen auf dem Gipfel der Berge und erhaben sein über die Hügel. Und Völker werden zu ihm strömen; 2 und viele Nationen werden hingehen und sagen: Kommt und lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN und zum Haus des Gottes Jakobs! Und er wird uns belehren aus seinen Wegen, und wir wollen wandeln auf seinen Pfaden. Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und das Wort des HERRN von Jerusalem; 3 und er wird richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne. Und sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern; nicht wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen. 4 Und sie werden sitzen, jeder unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum, und niemand wird sie aufschrecken. Denn der Mund des HERRN der Heerscharen hat geredet.

Die ersten drei Verse sind nahezu identisch mit Jesaja 2,2-4. Wir brauchen nicht zu untersuchen, ob nun der ältere [Jesaja] oder der jüngere Prophet [Micha] beim jeweils anderen abgeschrieben hat. Denn wir haben es hier nicht mit Literatur von Menschen zu tun, sondern mit dem inspirierten Wort Gottes. Der Herr sagt, dass „das Zeugnis zweier Menschen wahr ist“ (Joh 8,17), und Er hat sowohl durch Micha als auch durch Jesaja dieselbe Verheißung gegeben – dass es nämlich eine tausendjährige Segenszeit geben wird –, damit alle wissen, dass keiner der beiden aus sich selbst heraus geschrieben hat, sondern so, wie er vom Heiligen Geist geführt wurde. Es braucht uns nicht zu überraschen, dass der Geist Gottes entschieden hat, in beiden Fällen dieselben Worte zu benutzen.

In den letzten Tagen – also in der Zeit, auf die alle Propheten hinweisen – „wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen auf dem Gipfel der Berge“. Der zukünftige Tempel des Tausendjährigen Reiches wird nicht auf dem Berg Morija stehen, sondern auf einer herrlichen Hochebene, die sich über die umliegenden Hügel erhebt, nachdem das Land eine bemerkenswerte topographische Veränderung durchgemacht hat. Diese Veränderung wird durch ein gewaltiges Erdbeben verursacht, das sich ereignet, wenn die Füße des Herrn Jesus wieder auf dem Ölberg stehen. Siehe dazu Hesekiel 40,2 und 48,8-12 sowie Sacharja 14,4.

Dort [auf dieser Hochebene], in einer beherrschenden Stellung, wird das Haus des Gottes der ganzen Erde stehen, und dorthin werden die Völker regelmäßig hinaufgehen, um anzubeten und die Wege des HERRN zu erforschen. Von diesem Heiligtum wird das Gesetz ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem, der Welthauptstadt im kommenden Zeitalter.

Zuletzt, wenn die Zeiten der Nationen abgelaufen sind, wird jede Herrschaft, die Gott einmal übertragen hatte, aufhören. Fortan wird unser Herr Jesus, der einst Verworfene, zeigen, wer der „selige und alleinige Machthaber, der König der Könige und Herr der Herren“ ist (1Tim 6,15). Er wird unfehlbares Recht ausüben und immerwährende Gerechtigkeit einführen. Nicht länger wird Nation gegen Nation das Schwert erheben; alle Kriegsgeräte werden zerstört und an ihre Stelle werden die Werkzeuge friedlicher Landarbeit treten.

An jenem Tag universellen Segens wird es den Fluch der Armut nicht mehr geben; es werden keine leidigen Eigentumsfragen zu klären sein; es wird keinen Kampf um den Erwerb und keine Konflikte um den Besitz von Gütern geben, die niemals richtig verwaltet werden können. Stattdessen wird jeder zufrieden und in Ruhe „unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum sitzen, und niemand wird sie aufschrecken“. Was der Mensch vergeblich versucht hat zu erlangen durch Sozialismus oder andere Wirtschaftssysteme, die sich ebenso wenig umsetzen lassen, das wird dann erreicht worden sein und während tausend Jahren bestehen bleiben, weil der, dem die Herrschaft gehört, anwesend ist. Die Aussage von Vers 4 findet sich nicht in der erwähnten Jesajastelle (Jes 2,2-4), aber die Aufforderung, in den Wegen des HERRN zu wandeln, folgt unmittelbar auf das, was hier in Micha 4,3 zu finden ist. Micha zeichnet das genauere, vollständigere Bild und berichtet dann mit herrlichen Worten, wie der Überrest auf die Ermahnung aus Jesaja 2,5 antworten wird: „Alle Völker werden wandeln, jedes im Namen seines Gottes; wir aber werden wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewig.“ Es ist der Glaube, der die Verheißung ergreift, und der Gläubige wandelt schon jetzt in der kommenden Herrlichkeit.

Verse 6-8

Mich 4,6-8: 6 An jenem Tag, spricht der HERR, werde ich das Hinkende sammeln und das Vertriebene zusammenbringen und den, dem ich Übles getan habe. 7 Und ich werde das Hinkende zu einem Überrest und das weit Entfernte zu einer gewaltigen Nation machen; und der HERR wird König über sie sein auf dem Berg Zion, von nun an bis in Ewigkeit. 8 Und du, Herdenturm, du Hügel der Tochter Zion, zu dir wird gelangen und zu dir wird kommen die frühere Herrschaft, das Königtum der Tochter Jerusalem.

Doch vor jenem Tag des Triumphs wird das Volk, dem „die frühere Herrschaft“ gegeben werden soll, wegen ihrer Sünden unter alle Völker zerstreut werden. Deshalb wird der HERR selbst sie wieder sammeln, bevor das Königtum mit Macht aufgerichtet wird. Der Prophet berichtet dann weiter, wie der HERR den hinkenden und vertriebenen Überrest sammeln und mit allmächtiger Kraft ins Land ihrer Väter zurückbringen wird. Die Nation als solche (die im Unglauben verharrt und den Antichrist bei seinem Kommen annehmen wird), wird nicht wiederhergestellt werden. Doch in den letzten Tagen wird ein bußfertiger Überrest gefunden werden, der zum Keim einer neuen Nation im Land werden wird. Über sie wird der HERR „König sein auf dem Berg Zion, von nun an bis in Ewigkeit“. Dann wird „die frühere Herrschaft“ für Israel tatsächlich kommen, wenn Jerusalem die Freude der ganzen Erde sein wird.

Verse 9-13

Mich 4,9-13: 9 Nun, warum erhebst du ein Geschrei? Ist kein König in dir? Oder ist dein Ratgeber umgekommen, dass dich Wehen ergriffen haben wie eine Gebärende? 10 Kreiße und stöhne, Tochter Zion, wie eine Gebärende! Denn nun wirst du aus der Stadt hinausziehen und auf dem Feld wohnen und bis nach Babel kommen. – Dort wirst du errettet werden, dort wird der HERR dich aus der Hand deiner Feinde erlösen. 11 Und nun haben sich viele Nationen gegen dich versammelt, die sprechen: Sie werde entweiht, und unsere Augen mögen mit Genugtuung auf Zion sehen! 12 Aber sie kennen die Gedanken des HERRN nicht und verstehen seinen Ratschluss nicht; denn er hat sie gesammelt, wie man Garben auf die Tenne sammelt. 13 Mach dich auf und drisch, Tochter Zion! Denn ich werde dein Horn zu Eisen machen und deine Hufe zu Erz machen, und du wirst viele Völker zermalmen; und ich werde ihren Raub dem HERRN verbannen und ihr Vermögen dem Herrn der ganzen Erde.

Doch es muss noch viel geschehen, bis diese herrliche Vision sich erfüllen wird. Wie eine gebärende Frau muss die Tochter Zion zuerst Stunden bitterer Schmerzen durchstehen. Sie wird nach Babylon verschleppt und dort zum Spott gefühlloser Heiden werden, die blind für ihre Schönheit sind und nichts von ihrer wunderbaren Bestimmung wissen. Ihre Feinde werden sich gegen sie erheben, bis die festgesetzte Zeit kommt, wenn die Tochter Zion erhoben werden und der Herr selbst erscheinen wird. Dann wird Er als ihr Löser[1] sie aus der Knechtschaft befreien und in den ewigen Segen einführen. An jenem Tag wird ihr ganzer Reichtum dem gewidmet sein, dem sie all ihre Freuden zu verdanken haben, und gerne werden sie ihr Vermögen Ihm zu Verfügung stellen.


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Micah“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909
Quelle: http://www.plymouthbrethren.org/article/4846

Übersetzung: Christa Kern

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Ironside verwendet an dieser Stelle das Wort Kinsman-Redeemer, das wörtlich „blutsverwandter Löser“ bedeutet (hebr. = go’el). Siehe dazu auch das Buch Ruth, besonders Ruth 4,4-9, wo Boaz, der Blutsverwandte Ruths, als ihr Löser auftritt. (Vgl. auch Heb 2,11.) Der verwandte Löser hatte die Verantwortung, Familienmitglieder zu retten, die in große Not geraten waren. Weil Naomi und Ruth alle ihre männlichen Familienmitglieder verloren hatten, war der nächste Verwandte verantwortlich, ihr Leben wirtschaftlich und gesellschaftlich zu sichern.


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