Das Markusevangelium (7)
Kapitel 7

William Kelly

© J. Das, online: 25.12.2002, updated: 10.12.2020

Leitverse: Markus 7

Überlieferungen von Menschen (Mk 7,1-30)

Aber in diesen Zusammenhang gehört noch ein weiterer Gesichtspunkt in Verbindung mit dem Dienst. Wir müssen die vorherrschenden Gefühle bei den religiösen Führern kennenlernen. Folglich finden wir hier die Überlieferungsfanatiker, wie sie mit Christus zusammenstoßen, ähnlich wie im vorigen Kapitel Herodes mit Johannes dem Täufer. Es waren die anerkannten Führer aus Jerusalem, die Schriftgelehrten, denen unser Herr den überzeugenden Beweis darlegte, dass die Grundsätze und die Durchführung ihrer wertgeschätzten Überlieferungen die sittliche Einstellung des Menschen verderben und das Wort Gottes verunehren. Der Grund für dieses Übel ist klar. Die Überlieferungen sind von Menschen erdacht. Das genügt; denn der Mensch ist ein Sünder. Es gibt nichts wirklich Gutes außer von Gott. Zeige mir etwas, was der gefallene Mensch hervorgebracht hat, welches nicht böse ist! Überlieferungen als Ergänzungen vonseiten des Menschen sind immer und notwendigerweise böse. Der Herr verband diese Wahrheit mit dem, was Er später herausstellte, nämlich der Verdammung des menschlichen Herzens in seiner ganzen Verdorbenheit. Es geht nicht nur um die Gesinnung des Menschen, sondern auch um die Wirksamkeit seiner verderbten Gefühle. Wir haben jetzt nicht die Zeit, um uns bei diesem gut bekannten Kapitel aufzuhalten. Es zeigt den Gegensatz zwischen der Überlieferung und Gottes absolut vollkommener Gnade, wie sie sich in Christus gegen die größte Not in dem Fall der Frau entfaltete, die wegen ihrer besessenen Tochter zu Ihm kam. Die Frau war eine Griechin, eine Syro-Phönizierin der Herkunft nach, die Ihn anflehte, damit Er den Dämon von ihrer Tochter austreiben möchte. Aber der Herr erprobte ihren Glauben, um ihr einen noch reicheren Segen zu geben. Er erfüllte ihr nicht nur das, was sie verlangte, sondern Er setzte auch ausdrücklich das Siegel Seines Beifalls auf ihren persönlichen Glauben. „Und er sprach zu ihr: Um dieses Wortes willen gehe hin; der Dämon ist von deiner Tochter ausgefahren. Und sie ging hin nach ihrem Hause und fand den Dämon ausgefahren und die Tochter auf dem Bette liegen.“

Die Heilung des Tauben (Mk 7,31-37)

Zum Abschluss des Kapitels kommt noch ein weiterer Bericht, der wieder außergewöhnlich gut zu unserem Evangelium passt, nämlich der Fall des Taubstummen, dem Jesus begegnete, als Er aus jenen Gegenden wieder nach Galiläa zurückkehrte. „Und sie bringen einen Tauben zu ihm, der schwer redete, und bitten ihn, dass er ihm die Hand auflege.“ Auch hier zeigt uns der Herr wieder ein schönes Beispiel von Rücksichtnahme und zarter Güte in der Art Seiner Heilung. Es wird nicht nur die Heilung an sich, sondern insbesondere die Handlungsweise herausgestellt. Er führte den Mann von der Volksmenge weg. Wer durfte sich in dieser Szene zwischen dem vollkommenen Knecht Gottes und dem Bedürftigen einmischen? Er „legte seine Finger in seine Ohren“. Was konnte Er mehr tun, um Seine Anteilnahme zu zeigen? „Und er spützte und rührte seine Zunge an; und, gen Himmel blickend, seufzte er.“ Was für eine Bürde lag auf Seinem Herzen, als Er die erschütternden Ergebnisse der Sünde bedachte! Es ist ein besonderes Beispiel von der großen Wahrheit, die wir an einem anderen Abend im Matthäusevangelium gesehen haben. Es ging bei Jesus nicht nur um Kraft, die dem Menschen half, sondern Sein Geist trat auch immer in den Fall ein und empfand seinen Charakter nach den Gedanken Gottes sowie seine traurigen Folgen für den Menschen. Er trug die Last auf Seinem Herzen, und dann seufzte Er, so wie hier, und befahl, dass die Ohren aufgetan werden möchten. „Und alsbald wurden seine Ohren aufgetan, und das Band seiner Zunge wurde gelöst, und er redete recht. Und er gebot ihnen, dass sie es niemand sagen sollten. Je mehr er es ihnen aber gebot, desto mehr machten sie es übermäßig kund; und sie erstaunten überaus und sprachen: Er hat alles wohlgemacht.“ Das könnte das Motto des Markusevangeliums sein. Die Äußerung der Volksmenge, jener, die es gesehen hatten, besagte genau das, was im ganzen Markusevangelium verdeutlicht wird. „Er hat alles wohlgemacht.“ Es war nicht nur die Macht da, die völlig ausreichte, um alles auszuführen, was Er sich vornahm, sondern „Er hat [auch] alles wohlgemacht“. Er war überall und in allen Umständen der vollkommene Knecht, welcherart auch immer die Not sein mochte. „Er hat alles wohlgemacht; er macht sowohl die Tauben hören, als auch die Stummen reden.“

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Aus Lectures Introductory to the Study of the Gospels
Heijkoop, Winschoten, NL, 1970
(im Deutschen herausgegeben und übersetzt von J. Das)
Die Zwischenüberschriften stammen von SoundWords

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