Wie aber werden sie hören …?
… wenn wir nicht gehen?

George Cutting

© SoundWords, Online începând de la: 08.07.2007, Actualizat: 19.12.2023

Leitverse: Römer 10,14.15.17; Jesaja 6,8

Röm 10,14.15.17: Wie aber werden sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören, ohne einen Prediger? Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind? – wie geschrieben steht: „Wie lieblich sind die Füße derer, die das Evangelium des Guten verkündigen!“ … Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.

Jes 6,8: Und ich hörte die Stimme des Herrn, der sprach: Wen soll ich senden, und wer wird für uns gehen? Da sprach ich: Hier bin ich, sende mich.

Auf welche Weise werden nach Gottes Gedanken die Millionen erreicht, die nirgendwo hingehen?

Die vorstehende Frage hat mit der Verkündigung einer Botschaft zu tun, die dieser Welt vom Himmel aus gebracht wurde. Der Sender ist Gott selbst, und ihr Hauptgegenstand ist ein Mensch, der hier auf der Erde gekreuzigt wurde, der aber, aus den Toten auferweckt, im Himmel verherrlicht wurde, Gottes geliebter Sohn (Röm 1,3.4). Die Botschaft wurde von den Aposteln „durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist“ verkündigt (1Pet 1,12). Gottes Wille ist, „dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 2,4; Mk 16,15; Lk 24,47; Apg 17,30).

Gegen Ende eines langen Briefes – des Briefes an die Römer, der die Herrlichkeit dieser himmlischen Botschaft, ihre wunderbaren Aussichten, ihre reichen, sich weithin erstreckenden Folgen darlegt – erhebt der Geist Gottes durch die Feder des Apostels Paulus eine Frage: Wenn nämlich diese Botschaft Vergebung, Frieden und Errettung enthält, wenn unaussprechliche Freude, ein unverwesliches Erbteil (1Pet 1,4.8) und ewiges Leben durch sie erlangt werden, wenn sie Menschen allenthalben angeht (Apg 17,30): Wie werden sie hören?

Diese Frage und alles, was damit zusammenhängt, wollen wir nun in dieser Schrift betrachten. Dabei werden sich zwei Antworten ergeben:

  1. die Antwort bekennender Christen im Allgemeinen, wie sie uns in ihrem herkömmlichen Verfahren entgegentritt; und
  2. die Antwort Gottes, die uns die Heilige Schrift gibt.

Wie traurig, dass beide nicht vollkommen übereinstimmen! Ist es nicht auffallend, dass bei all den Abweichungen der bekennenden Kirchen voneinander heutzutage in dieser Hinsicht eine nahezu völlige Übereinstimmung herrscht?

1. Die allgemeine Antwort

Dem Wesen nach lautet sie wie folgt:
Wir haben einen Platz für die Predigt ausersehen, einen Prediger gesichert und die Stunde des Gottesdienstes festgesetzt, und nun freuen wir uns, allen sagen zu können: „Kommt zu uns und hört die Botschaft.“

Wer kann behaupten, dass diese Antwort heute nicht ebenso von denen wahr ist, die imstande sind, die Botschaft des Heils in ihrer schlichten Einfachheit voll, klar und unverfälscht zu verkündigen, wie von denen, die sie nur getrübt und unvollkommen zum Ausdruck bringen können?

Der wahre Wert einer solchen Antwort beruht nun nicht etwa darauf, dass sie bei den meisten Menschen Anklang findet, sondern ob Gott sich mit ihr einverstanden erklärt. Darauf werden wir noch zurückkommen; doch ehe wir dies tun, lasst uns folgende ernste Frage stellen: Hat uns obige Antwort befriedigt?

Ich will die Sache an einem Beispiel erläutern: Ein Mann will zum ersten Mal ein Gebirge überschreiten und möchte den besten Weg hierzu wissen. Er erkundigt sich bei jemand, der den Weg kennt, und erfährt, dass er zwei Stunden bis zu seinem Bestimmungsort braucht, wenn er einen bestimmten Weg benutzt. In gutem Glauben begibt er sich nun auf den bezeichneten Weg, er geht und geht, und allem Anschein nach kommt er seinem Ziel überhaupt nicht näher. Schon ist er vier Stunden gewandert und noch immer hat er keine Aussicht darauf. Ist es dann nicht höchste Zeit, sich zu fragen: Bin ich etwa irgendwo vom rechten Weg abgekommen? Wenn er weise wäre, würde er das tun. Wenden wir nun dieses Bild auf den Gegenstand unserer Betrachtung an.

Wenn man an die wenigen denkt, die heutzutage noch eine Kirche oder Kapelle besuchen, um das Evangelium zu hören, dann denkt man mit Schrecken an die Millionen, die es nicht hören. Ist es angesichts solcher Tatsachen nicht an der Zeit, zu fragen: Haben wir da nicht den falschen Weg eingeschlagen? Wer könnte mit solchen Verfahren, die so schlechte Ergebnisse aufweisen, zufrieden sein?

Wenn der Mann unseres Beispiels jenen Bergpfad nur sehr langsam entlanggeschlendert wäre, so brauchte er sich nicht zu wundern, wenn er schon das Doppelte der ihm angegebenen Zeit gebraucht und dennoch sein Ziel nicht erreicht hätte. Und wenn die bekennende Kirche zur Durchführung ihrer Absichten auch solchen Mangel an Tatkraft gezeigt hätte, so brauchte sie über den Fehlschlag nicht erstaunt zu sein. Doch es ist nicht an dem; die Sache liegt ganz anders: Man hat beinah jeden erdenklichen Kunstgriff angewandt und keine Mühe gescheut; inwieweit jedoch die getroffenen Maßnahmen gottgemäß waren, wollen wir hier nicht erörtern. Nun, was geschah:

  • Kostbare Gebäude wurden errichtet, um das Auge zu fesseln.
  • Geistesschulung der Diener des Wortes wurde verlangt, um dem Zeitgeist entgegenzukommen.
  • Gesang und Musik wurden aufgeboten, um das Ohr zu befriedigen.

Ja, man kann tatsächlich fragen: Was ist nicht alles geschehen, damit die einander überbietenden Rufe „Kommt zu uns!“ auch Erfolg hatten?

Nur noch auf eins möchte ich hinweisen: Dieser Wunsch, den Menschen zu gefallen und sie zu „unseren Predigträumen“ hinzuziehen, hat einem der heimtückischsten Anschläge Satans das Tor geöffnet. So tödlich er auch schon in geringem Maß angewandt wirkt, ist er trotzdem weit und breit angenommen worden und erfreut sich täglich immer größerer Beliebtheit; er lautet: „Wenn ihr den Menschen gefallen wollt, so sagt ihnen, was sie zufrieden macht!“ Wenn ihr also eure Kirchen füllen wollt, so predigt so, wie es allgemein Anklang findet. Verwässert die Bedeutung der Schriftstellen oder verschweigt die, die dem Menschen wegen seiner Sünden zu schaffen machen. Sagt ihm trotz 1. Mose 6,5, Jeremia 17,9 und Markus 7,21-23, dass doch noch etwas Gutes in ihm ist und dass dieser gute Kern nur richtig gepflegt werden müsse, damit man passend für den Himmel werde, ungeachtet Römer 7,18 und 8,8. Zeigt weiter, dass im Einklang hiermit weder die neue Geburt noch die Erlösung durch Blut nötig sei, in offenem Widerspruch zu Johannes 3,5 und Hebräer 9,22. Lächelt ungläubig über eine Hölle und die ewige Verbannung all derer aus der Gegenwart Gottes, die das, was seine Gnade zu ihrer Errettung ausersehen hat, trotzig verwerfen, und versichert ihnen, dass dies abgedroschene Irrtümer einer rückständigen Theologie sind, und zwar angesichts Matthäus 25,46 und Markus 9,43-48. Wenn ihr dann auch das Gewissen nicht erreicht, so habt ihr doch wenigstens die Genugtuung, bereitwillige Ohren zu finden; die Predigt wird den Leuten gefallen und ihre Anwesenheit euch. Dies ist, wie ich ernstlich glaube, eine der letzten bitteren Früchte des „Kommt-zu-uns-Verfahrens“.

Der bestehende Zustand kann uns nun unmöglich befriedigen; doch das ist jetzt nicht meine Frage, sondern: Macht uns das zu schaffen? Ist es genug, sich mit einem tiefen Seufzer bequem in den Lehnstuhl zu setzen, unbekümmert um die vielen Millionen, die um uns her verlorengehen? Haben wir das etwa nicht so gemacht? Und nun sind sie dahin gekommen, uns in diesen Dingen für so gleichgültig zu halten wie sie.

Als Jesus auf Erden war, sagte Er beim Anblick der hungrigen Tausende die gnadenreichen Worte: „Ich bin innerlich bewegt über die Volksmenge“ (Mt 15,32; Mk 8,2). Heutzutage sind Millionen in noch viel größerer Not – wodurch drücken wir da unser Mitgefühl aus? Sie zu sehen, bedeutet nicht, ihnen zu dienen; und ihre große Zahl anzuerkennen, heißt nicht, ihrer Not abzuhelfen. Ein gewisser Gesetzgelehrter, der keine Nächstenliebe besaß, suchte dies dadurch zu entschuldigen, dass er auf die Schwierigkeit, seinen Nächsten zu finden, hinwies. – Könnten wir eine solche Entschuldigung vorbringen? Unmöglich! Unsere Nächsten sind, wie die Hausfliegen im Monat August, überall zu finden.

Vor einigen Jahren brannte im Herzen von London ein großes Geschäftshaus ab und Angestellte kamen in den Flammen um. Vergebens schauten die armen Opfer an den oberen Fenstern nach Rettung aus und viele Zuschauer in den Straßen waren entsetzte Zeugen ihrer Gefahr. Warum wurden sie nicht gerettet? Man konnte nicht bis zu ihnen gelangen. Aber gab es denn in ganz London keine Rettungsleitern, die lang genug waren? Jawohl; aber niemand brachte sie. An rühriger Tätigkeit mangelte es nicht; man nahm seine Zuflucht zu den verschiedensten Hilfsmitteln, aber alle erwiesen sich als unzureichend. Das traurige Ereignis warf kein gutes Licht auf die Feuerwehr; doch es ist nicht ausgeschlossen, dass keiner von ihr einen wirklichen Tadel verdient. Wenn nun der Brandmeister den Gefährdeten zugerufen hätte: „Wir haben vorzügliche Rettungsvorrichtungen; wenn nur die, die sie brauchen, zu uns kommen wollten, dann würden wir unser Bestes tun, ihnen zu zeigen, wie man sich ihrer bedient“ – Aber, wird man sagen, welcher vernünftige Mensch würde solchen Spott angesichts der Gefahr treiben? – Doch was sagt man dann über gefährdete Menschenseelen? Wie steht es dann mit den Millionen in dieser Stadt, die das Evangelium Gottes noch nie kennengelernt haben: das Evangelium, das „Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden“ ist (Röm 1,16)? Ist unsere Verantwortung damit aufgehoben? Sagen wir etwa: „Wenn sie nicht zu uns kommen wollen, so werden sie eben von unserer Seite aus das Evangelium Gottes nicht hören?“ – Welch ein herrlicher Triumph für Satan würde das sein! Gott gebe, dass es nicht einmal den Anschein habe, als ob es so bei uns stehe.

Nachdem wir nun des Menschen Antwort auf unsere Frage und was damit zusammenhängt, betrachtet haben, will ich versuchen, Gottes Antwort darzulegen.

2. Gottes Antwort

Jeder, der ohne Vorurteil die Heilige Schrift vor sich hat, wird ohne Weiteres den schlagenden Gegensatz zwischen diesem sorgsam vom Menschen ausgebildeten Verfahren und dem Weg Gottes in all seiner selbstlosen Einfachheit erkennen.

Wenn Sünder hören wollen, so mögen sie zu uns kommen – das ist unser Weg.
Wenn man aber will, dass sie hören, so gehe man zu ihnen – das ist Gottes Weg. Und dann will Er nicht, dass wir damit zufrieden sind, für den Dienst anderer zu werben, die ihnen dann erst die Heilsbotschaft bringen, sondern Er lässt jedem Gläubigen hier auf der Erde die Ehre zuteilwerden, ein persönlicher Zeuge der Gnade zu sein, die ihm selbst widerfahren ist. Wenn ein solcher überhaupt keine Zunge hätte, so würde er dennoch das Vorrecht haben, das kundzutun, was Jesus für ihn getan hat.

Lass jedermann es sehen,
dass Er dich frei gemacht;
sag, dem danach verlanget,
Er hat das Werk vollbracht.

Doch wir wollen hierüber das Zeugnis der Heiligen Schrift betrachten. Der Herr wandte sich mit folgenden Worten an …

  • den befreiten Besessenen: „Kehre in dein Haus zurück und erzähle, wie viel Gott an dir getan hat“ (Lk 8,39; Mk 5,19).
  • den Knecht, als alles zum großen Abendmahl bereit war: „Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt“ (Lk 14,21).
  • die Apostel: „Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium“ (Mk 16,15); und später, als sie aus dem Gefängnis befreit waren: „Geht und stellt euch hin und redet im Tempel zu dem Volk alle Worte dieses Lebens“ (Apg 5,20).
  • Philippus, den Evangelisten: „Geh nach Süden … Tritt hinzu und schließe dich diesem Wagen an“ (Apg 8,26.29). – Beachten wir dabei, dass dem Eunuchen nicht befohlen wurde, durch Samaria zu ziehen und den Philippus dort zu hören.
  • Petrus mit Bezug auf Kornelius, dass er mit den Männern gehen solle, „ohne irgend zu zweifeln“ (Apg 11,12) – Kornelius wurde also nicht gesandt, Petrus zu sehen.
  • Ananias: „Steh auf und geh in die Gasse, die die Gerade genannt wird, und frage … nach jemand mit Namen Saulus, von Tarsus“ (Apg 9,11). – Der Herr wusste genauso gut, wo Ananias wohnte, als wo Saulus sich aufhielt, und doch befahl Er diesem nicht, zu Ananias zu gehen.
  • Paulus: „Ich sende dich zu den Nationen“ (Apg 26,17).

Doch über jedes andere Beispiel erhaben, tritt uns Jesus selbst in der Heiligen Schrift in ganz hervorragender Weise als der „Gesandte“ als Vorbild entgegen. Mehr als vierzigmal nennt Er sich im Evangelium Johannes so.

Der barmherzige Samariter (ein liebliches Bild des mitleidigen Befreiers) kam gerade an den Ort, wo der Hilflose lag.

Der gute Hirte ging dem Verlorenen nach und hörte nicht auf zu suchen, bis Er sein Schaf gefunden hatte. Die Pharisäer hatten gesagt: „Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen“ (Lk 15,2). Beachten wir, dass seine gnädige Antwort, die uns in diesem Gleichnis entgegentritt, sagt: Ich warte nicht, bis sie zu Mir kommen, sondern Ich gehe zu ihnen. – Wie lieblich! Nun folge mir zu dem, was wir ruhig den Weg des wohlannehmlichen Dienstes nennen können.

Seine Wichtigkeit erkennen wir aus der Tatsache, dass jeder der vier Evangelisten durch den Geist geleitet wird, ihn zu berichten, und zwar in der Speisung der Fünftausend (Mt 14,13-21; Mk 6,30-40; Lk 9,12-17; Joh 6,1-13). Mit Ausnahme der Speisung der Viertausend (Mt 15,32-39; Mk 8,1-9) ist dies das einzige Beispiel, wo alle unter der persönlichen Aufsicht und Leitung des Herrn dienten. Beachten wir nun, wie dieser Dienst vor sich ging. Der Herr sagte gleichsam: „Heißt sie nicht anderswo hingehen, speist sie hier, das heißt da, wo sie gerade sind. Erwartet nicht, dass sie euch ihrer Bedürfnisse wegen nachlaufen; heißt sie sich niedersetzen, wo sie sind, und Ich werde euch den Ehrendienst geben, ihnen zu bringen, was sie benötigen.“

Es heißt also: Kommt zu mir und empfangt, und dann geht zu ihnen und gebt. Und danach handelten sie, bis nach und nach die ganze Volksmenge gegessen hatte und satt war. Doch weiter! Unser gnadenreicher Herr hat uns nicht nur gesagt, wie Er sein Werk getan zu haben wünscht, und das im Gleichnis erläutert – Er hat es hinreichend in seinem eigenen Dienst erwiesen.

Welches Herz verweilt nicht gern bei der Geschichte in Johannes 4, wo es heißt: „Er musste aber durch Samaria ziehen“ (Joh 4,4)? Wir alle kennen das Geheimnis dieser Reise. Sie brachte Mühe und Arbeit genug mit sich; doch das bedeutete nichts, weil Liebe die Triebfeder war. Wiederum als Andreas Simon und Philippus Nathanael fand, da war es Jesus selbst, der zuvor Philippus fand (Joh 1,41.42). Gelobter Meister! Ja, glückselig die Knechte, die nach einem solchen Vorbild dienen!

Es macht wenig aus, dass die Leute nicht zu uns kommen wollen, wenn wir willig sind, zu ihnen zu gehen. Unser Warten auf sie, bis sie so weit sind, zu uns zu kommen, hat dem, dass sie überhaupt das Evangelium hörten, ernstlich im Weg gestanden. Es sind die „Füße“ derer, die willig sind, die Botschaft zu ihnen zu tragen, die Gott als „lieblich“ bezeichnet (Jes 52,7; Röm 10,15).

Als Gott auf die ermüdende Reise seines geliebten Sohnes von Judäa aus nach dem Brunnen von Sichar herabschaute, dann sei gewiss: Wenn Er seinen Gedanken darüber in einem Wort der Bewunderung Ausdruck verliehen hätte, so wäre es das Wort „lieblich“ gewesen. Und hat Er etwa nicht heute noch dasselbe Wort der Anerkennung, wenn Er willige Füße auf ähnlichen Wegen sieht?

Dass Gott ein besonderes Wohlgefallen am Zusammenkommen der Gläubigen hat und dass Er auch dafür Anordnungen getroffen hat, darüber kann kein Zweifel sein. Solche Versammlungsorte der Verkündigung der Botschaft des Heils zur Verfügung zu stellen, sooft sich Prediger hierzu finden und auch solche, die zuhören, ist nicht nur unser Vorrecht, sondern auch Gott wohlgefällig. Das Evangelium in einer Umgebung zu predigen oder zu lehren, die innigen Anteil daran nimmt, kann für jeden Diener nur eine Freude sein; und es ist obendrein ein Dienst von höchster Wichtigkeit: Die Ängstlichen und Unbefestigten bedürfen seiner, und das Herz der Fortgeschrittenen wird dadurch weit. Wenn Unbekehrte geneigt sind, zu solchen Versammlungen zu kommen, so sollten wir sie nach allem, was in unsern Kräften steht, hierzu ermutigen.

Doch lasst uns nie gegen das Licht, das uns die Heilige Schrift gibt, sündigen, indem wir Gottes Erntefeld auf solche Plätze beschränken. Wer solche Versammlungen aufsucht, ist entweder schon „gefunden“ oder gehört zu den Suchenden. Gott sagt: „Ich bin gefunden worden von denen, die mich nicht suchten, ich bin offenbar geworden denen, die nicht nach mir fragten“ (Röm 10,20). Wie geschah das? – Nicht dadurch, dass einige von denen, deren Füße das Wort Gottes als „lieblich“ bezeichnet, sich mit der guten Botschaft, die Ihn offenbar machte, zu ihnen begaben? Wodurch machte sich nun der gebende Gott der Samariterin offenbar? Wie fand sie Christus? – Jene „lieblichen Füße“ begaben sich dahin, wo sie war. Er fand in ihr eine unbefriedigte Sünderin, die Ihn nicht suchte. Er füllte ihr Herz, indem Er sich selbst ihr offenbar machte, und nun wurden ihre Füße auch „lieblich“; denn sie ließ ihren Wasserkrug stehen und suchte andere!

Kann so noch ein Zweifel darüber herrschen, auf welche Weise am Anfang das Evangelium ausgebreitet wurde, oder über den wunderbaren Triumph, der es begleitet? In weniger als dreißig Jahren wurde seine Kraft in allen drei bis dahin bekannten Erdteilen – in Europa, Asien und Afrika – gefühlt! Das kam aber durch kein „Kommt-zu-uns-Verfahren“! – Sei es die jüdische Synagoge, eine Begegnungsstätte wie der Areopag oder das Flussufer – Paulus ging zu ihnen und redete zu ihnen „öffentlich und in den Häusern“ (Apg 20,20.) Es ist sehr auffallend, dass der Heilige Geist, der uns über jene Tage berichtet, nur drei Gebäude erwähnt, die zu christlichen Zusammenkünften dienten, und nicht eines davon war ein kirchliches Gebäude!

Sie versammelten sich in einem „Obersaal“, wahrscheinlich einem Gastzimmer, in einer „Schule“ und in einem „Obersaal im dritten Stock“ (Apg 1,13; 19,9, 20,9). Und soweit es uns gesagt wird, handelt es sich dabei nur um Jünger. Dass es dennoch Ungläubigen gestattet war hinzukommen, können wir aus 1. Korinther 14,25 schließen; dort heißt es: „Das Verborgene seines Herzens wird offenbar, und so, auf sein Angesicht fallend, wird er Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist.“ Aber wer könnte daran denken, dass innerhalb solcher Grenzen das Ohr „der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist“, erreicht werden kann (Kol 1,23)? Wie viele hätten Petrus am Pfingsttage predigen hören, wenn er im Obersaal geblieben wäre? Doch er sowie auch die Übrigen vom Geist Erfüllten gingen dahin, wo die Bedürftigen waren, sie gingen zu dem Volk.

Der Landarbeiter hat zuzeiten viel auf dem Kornboden seines Gutsherrn zu tun – dort findet er, was er zum Säen braucht! Aber wie viel wirkliches Säen würde stattfinden, wenn er seine Tätigkeit nur innerhalb dieser vier Wände ausübte? Nein, nein! Das Wort des Evangeliums lässt keine Schranken zu, „das Wort Gottes ist nicht gebunden“, es ist „lebendig und wirksam“ (2Tim 2,9; Heb 4,12). Das Verlangen des Apostels war, „dass das Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde“ und dass, der Sonne gleich, nichts vor ihrer Glut verborgen sei (2Thes 3,1; Ps 19,7). Es wird dir weit eher gelingen, einen Sonnenstrahl in einen finstern Keller zu bannen, als der Ausbreitung des „zuverlässigen Wortes“ (1Tim 1,15) Fesseln anzulegen und zu meinen, hierdurch dem Gott des Evangeliums zu gefallen!

„Doch“, sagt da vielleicht einer, „wir können nicht alle Prediger sein, es steht ja geschrieben: ,Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger‘“ (Röm 10,14)? Nach der allgemeinen Anschauung ist ein Prediger nur ein öffentlicher Redner; das ist ein Irrtum. Philippus predigte, das heißt, er verkündigte die Heilsbotschaft nur einem Einzigen; er setzte sich in den Wagen des Kämmerers und „predigte (oder verkündigte) … ihm das Evangelium von Jesus“ (Apg 8,35).

Das Feld des Zeugnisses an Einzelne steht allen offen, die Gottes rettende Gnade und Macht erfahren haben: „Wie aber werden sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind“ (Röm 10,15)? Das führt uns zu einer anderen, sehr wichtigen Betrachtung, es ist die über die notwendige geistliche Ausrüstung eines völlig geeigneten Dieners.

Der Diener

Worin besteht nun dessen Befähigung für den Dienst? Sie richtet sich nach dem Maß, in dem er mit Hilfe des Geistes von zwei mächtigen sittlichen Kräften Gebrauch machen kann; und ich füge hinzu, dass er lediglich diesen beiden Gewalten seine Kraft im Zeugnis, ja sein ganzes Dasein als Christ verdankt.

Die erste ist eine Lebenskraft und die zweite eine Hemm- oder Entsagungskraft; beide sind von Christus wie auch voneinander untrennbar. Um dem Leser die erste der Kräfte klarer und verständlicher zu machen, die wir, mangels eines besseren Ausdrucks, sittliche Kräfte nennen, will ich dem Beispiel des Geistes folgen und sie als eine Person darstellen, deren Wesenszüge er sorgfältig beachten möge, damit er dann sagen kann, ob er nicht einen derartigen Diener, wenn man ihn gewähren lässt, für ein passendes Gefäß erachtet, seines Meisters Werk zu treiben, dessen Botschaft auszurichten und ein Ausdruck seiner Gedanken und seiner Gesinnung zu sein, und zwar überall. So betrachte denn, nach 1. Korinther 13,4-8,

Die Wesenszüge des Dieners

  • Er kann mit Ausharren leiden und dennoch eine gütige Gesinnung bewahren – er ist „langmütig, ist gütig“.
  • Er kann es ertragen, wenn anderen weit mehr Gunstbezeigungen zuteilwerden, ohne die geringste Missgunst dabei zu empfinden – er „neidet nicht“.
  • Er ist weder vorschnell noch anmaßend – „tut nicht groß“.
  • Er ist ohne Selbstüberhebung – „bläht sich nicht auf“.
  • Er ist nicht ohne Anstand – „gebärdet sich nicht unanständig“.
  • Er ist selbstlos – „sucht nicht das Seine“.
  • Er kann Scherereien und Widerspruch ertragen – „lässt sich nicht erbittern“.
  • Er legt dem Verhalten anderer die denkbar besten Absichten zugrunde – „denkt nichts Böses“.
  • Er ist kein Herumträger, er freut sich über das, was gut und recht ist, und spricht nicht gern von den Sünden und Mängeln anderer – „freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sondern … freut sich mit der Wahrheit“.
  • Er ist sehr geduldig – „erträgt alles“.
  • Er ist nie argwöhnisch – „glaubt alles“.
  • Er ist immer freudig – „hofft alles“.
  • Er schickt sich in alles – „erduldet alles“.
  • Und was auch kommen mag: Er ist nie fassungslos, versagt nie – „vergeht nimmer“.

Aus 1. Korinther 13 geht klar hervor, dass Liebe das erste Erfordernis der göttlichen Ausrüstung für jeden Dienst ist; das tritt uns bis zum Überfluss in der Heiligen Schrift entgegen. Liebe ist das äußere Kennzeichen jedes wahren Jüngers, die jedem wohlannehmlichen Dienst zugrundeliegende Kraft. In 1. Korinther 13 wird uns nicht gesagt, was wir tun sollten, sondern was Liebe tut, ganz gleichgültig, ob wir sie besitzen oder nicht. „Die Liebe ist aus Gott; und jeder, der liebt, ist aus Gott geboren“ (1Joh 4,7). Ohne Liebe sind wir in Gottes Augen nichts.

Man mag Vorlesungen hören und Predigen lernen, aber man muss von Gott gelehrt sein, einander zu lieben (1Thes 4,9). Geld mag staunenerregende Bauwerke zustande bringen, tüchtige Prediger und ergreifende Chöre ausbilden helfen und großartige Orgeln erstehen lassen; aber „wenn ein Mann allen Reichtum seines Hauses für die Liebe geben wollte, man würde ihn nur verachten“ (Hld 8,7). Man mag unterwiesen werden, alle Geheimnisse zu verstehen, in der Kenntnis der Heiligen Schrift wohl unterrichtet sein und es beredt wie ein Engel anderen darstellen können; aber wenn man nicht von Gott gelehrt ist zu lieben, wird man nicht mehr Kraft besitzen, eine Seele für Christus zu gewinnen, als eine Kirchenglocke oder Orgel. Der Klöppel einer Glocke kann nur zum Ausdruck bringen, was die Glocke ist, und der unbekehrte Prediger kann, wenn auch unbewusst, nur dasselbe tun; doch eine unsichtbare Hand schreibt „tönendes Erz“ über beide. „Big Ben“, die große Glocke im Turm des englischen Parlamentsgebäudes, lässt über ganz London hin die ihr innewohnende Schallkraft ergehen, und „Simon Magus“ gab sich selbst für „etwas Großes“ aus (Apg 8,9); doch Paulus schrieb: „Wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als Herrn“ (2Kor 4,5).

„Der treue und wahrhaftige Zeuge“ – Christus selbst (Off 3,14) – war der vollkommene Ausdruck eines anderen. Die Liebe, die Ihn gesandt, die Liebe, die Er beständig genoss, war die Liebe, die immer in Ihm zu sehen war. So sollte es bei jedem wahren Diener sein, und so wird es auch sein, je nach der Innigkeit der Gemeinschaft mit der Liebe, die ihm gegenüber in Christus zum Ausdruck kam. Natürlich sind es nur die, die wahrhaft vom Geist geboren sind und die Vergebung der Sünden empfangen haben, die dies durch den Geist verstehen können; und nur an solche wende ich mich.

„Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1Joh 4,19). Dadurch, dass wir seine Liebe kennen, lieben auch wir; und je mehr sich die Erkenntnis seiner Liebe in uns vertieft, desto mehr wächst unsere Liebe. Der Heilige Geist gießt diese Liebe in unsere Herzen aus (Röm 5,5), und in dem Maß Er das tut, stärkt Er unsre Liebe; die in Galater 5,22 zuerst erwähnte „Frucht des Geistes“ ist daher „Liebe“.

„Wie kommt es nun“, sagt ein anderer, „dass ich bei solchen wunderbaren Entfaltungsmöglichkeiten, die der Besitz des Geistes Christi in sich schließt, so wenig auszudrücken vermag?“ Das führt uns zur Betrachtung der anderen Eigenschaft eines gottbegnadeten Dieners. Ich habe gesagt, dass die beiden Bestandteile seiner Befähigung untrennbar von einander sind.

Liebe und Tod

Zur Erläuterung diene folgendes Beispiel. Wenn ein Dampfschiff seine Fahrt antreten soll, dann ist unbedingt zweierlei nötig:

  1. hinreichende Antriebskraft, also eine zur Abfahrt bereite Maschine
  2. Widerstandskraft, das allseitig umgebende Wasser vom Beginn bis zum Ende der Fahrt draußen zu halten

Ohne diese Eigenschaft würde das Schiff nicht weit kommen, und ohne jene käme es überhaupt nicht von der Stelle. Der Maschinist, der eine Höchstleistung erstrebt, denkt vornehmlich an die erstgenannte Eigenschaft; doch ein weiser Kapitän auch an die Seetüchtigkeit des Schiffes.

Wenden wir nun unser Bild an:

  1. Die Antriebskraft ist Liebe:
    „Die Liebe des Christus drängt uns“ (2Kor 5,14).

  2. Was uns beständig zu schaffen macht, ist unser Ich.

  3. Die einzig wirksame Ausschlusskraft ist der Tod.
    Wenn wir also mit unserem Zeugnis keinen Schiffbruch erleiden wollen, so müssen die große Antriebskraft und die große Ausschlusskraft – die Liebe und der Tod – miteinander Hand in Hand gehen. Sogar Adam glich außerhalb Edens nur einem Schiff, wie wir es soeben beschrieben haben. Wohl konnte er den Trost der Güte seines Schöpfers in seiner Seele genießen, aber das demütigende Zeugnis über das, was er war, konnte man an seiner äußeren Gestalt wahrnehmen.

Doch es sollte noch etwas weit Wunderbareres entfaltet werden. Der Schöpfer selbst, im Fleisch verhüllt, wollte in diese Welt der Sünde kommen und sich in seiner heiligen Person ausdrücklich des Todes bedienen, um das Ziel seiner Liebe zu erreichen. Hätte es etwas Wunderbareres geben können? Wie angebracht war da das Verlangen der Engel, in solch ein Geheimnis zu schauen! Doch das, was den Schatten davon vorauswarf, ward uns lange zuvor, ehe es tatsächlich eintrat, in der Geschichte Israels in den Tagen Sauls berichtet.

Als Goliaths Schwert ganz Israel vor alters zittern machte, da trieb die nämliche Waffe in der Hand Davids alle ihre Furcht aus ihren Herzen und füllte ihren Mund mit Lob. Und wenn so im Gegenbild davon Satans Waffe, der Tod, allen Nachkommen Adams Furcht und Schrecken einflößte, so wollte Gott gerade „durch den Tod“ (Heb 2,14.15) – den Tod Jesu – seine vollkommene Liebe kundtun; und seine „vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1Joh 4,18). Doch wir haben noch etwas anderes zu lernen. Christi Tod beinhaltet weit mehr als das Hinwegtun unserer Sünden; und wenn wir das nicht erfahrungsmäßig durch den Geist lernen, so können wir die darin zum Ausdruck gebrachte Liebe weder völlig genießen noch ihre geeigneten Zeugen an andere sein.

In jedem Gläubigen auf Erden ist noch eine böse Neigung vorhanden, und obwohl er, als vom Geist geboren, Christus als Gegenstand seiner Zuneigungen vor sich hat und ein neues Sein in ihm gestaltet worden ist, so ist doch das, „was aus dem Fleisch geboren ist, … Fleisch“ (Joh 3,6). Es ist nicht nur vorhanden, sondern auch keinen Deut besser als an dem Tag, wo der Mensch seine Bosheit durch Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit krönte und wo es „Stephanus, einen Mann … voll Heiligen Geistes“, der von Ihm zeugte, zu Tode steinigte (Apg 6,5; 7,55). Von dieser bösen Wurzel gerade, dem Ich nach Adam, sagt der Apostel: „Ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.“

Wenn nun dieses innewohnende Böse derart war, dass nichts als der Tod Christi den Gläubigen davon befreien konnte, so hat auch Gott durch diesen Tod den hoffnungslosen Ausschluss dieses bösen Grundsatzes von seinem Dienst kundgetan; Er hat das ebenso unmissverständlich ausgesprochen wie seinerzeit den Ausschluss Adams aus dem Garten Eden durch die Flamme des kreisenden Schwertes der Cherubim. Und wenn es schon damals, noch ehe der Mensch den Sohn Gottes umgebracht hatte, keinen Platz für den gefallenen Menschen in Eden gab, um diesen Garten „zu bebauen und … zu bewahren“ (1Mo 2,15), wie könnte es nun für das, was demselben entarteten Wurzelstock entstammt, einen solchen in Gottes gegenwärtigem Erntefeld geben! Wenn der Dienst des ungehorsamen Adam mit Recht abgewiesen wurde, wie konnte der des Mörders Kain angenommen werden?

Was wir zu lernen haben, ist dieser große sittliche Grundsatz des Ausschlusses. Wenn man das Fleisch verbessern könnte, so vermöchte man mehr als Gott, der es viertausend Jahre unter den verschiedensten Umständen versucht hat. Wenn man meint, man könnte sein tatsächliches Vorhandensein zum Abschluss bringen, so sagt der Geist Gottes, man betrügt sich selbst (1Joh 1,8). Fragt man nun: „Was kann ich da tun?“, so wiederhole ich: Lernt den Selbstausschluss. Gideon, so schwerfällig er auch hierin war, musste das vor seinem großen Sieg lernen; und auch wir müssen das lernen, wenn wir auch nur langsam Fortschritte darin machen. Auf Gottes besonderen Befehl wurden damals alle, die „furchtsam und verzagt“ waren (Ri 7,3), aus Gideons Schlachtreihen ausgeschlossen. Zweiundzwanzigtausend wurden es da sofort weniger. Selbsterhaltung hat man lange Zeit „das erste Naturgesetz“ genannt – das mag richtig sein; doch Selbstverurteilung und Selbstverleugnung sind die Grundbestandteile des Triumphes der Gnade. Dann fand eine weitere Sichtung Gottes statt: Das Volk wurde von Angesicht zu Angesicht einer der größten Erbarmungen Gottes gegenübergestellt, nämlich dem Wasser: Die Versuchung, sich selbst gefällig zu sein, trat an sie heran. Alle nahmen teil an diesem Erbarmen Gottes, aber neuntausendsiebenhundert erwiesen ihre Genusssucht und wurden infolgedessen ausgeschlossen; und dann gewannen die furchtlosen, sich selbst verleugnenden Dreihundert durch das „Schwert des HERRN und Gideons“ den Sieg (Ri 7,5.20).

Als die Jünger den Herrn befragten, weshalb sie den unreinen Geist aus dem Kind nicht auszutreiben vermochten, kam dasselbe Geheimnis in seiner Antwort ans Licht: „Diese Art kann durch nichts ausfahren als nur durch Gebet und Fasten“ (Mk 9,29). Gebet führt den, der da segnet, ein, und Fasten schließt den, der da hindert, aus. Der Tod ist der große Ausschließer, und Fasten dem Grundsatz nach die Anwendung des Todes, wenn wir es dabei bis zum Äußersten treiben, tritt der Tod tatsächlich ein. Fasten heißt darben; aber es ist mehr, es ist Selbstverleugnung. Doch sogar wenn wir Fasten als Darben auffassen, ist es für den Einzelnen beim Ausüben des Evangeliumswerkes von größtem Nutzen. Verborgene Selbstverleugnung gewährt eine ganz besondere Freude; sie befähigt uns, den zeitlichen Bedürfnissen der Armen viel freier zu entsprechen, wenn wir damit in Berührung kommen. Manche Mark, die wir so im Mitgefühl Christi gebrauchen, wird da sicherlich einen nachhaltigeren Dienst tun als all die stattlichen Kirchturmspitzen der Christenheit, deren Kosten in die Millionen gehen. Ein bekehrter Arbeiter aus meiner Bekanntschaft kaufte aus seinen Ersparnissen alte Eisenbahnschwellen, zerkleinerte sie während seiner freien Zeit zu Feuerholz und brachte es armen, betagten Leuten; damit erwies er sich als kein bloßer Durchnittsdiener. Das erfuhr ich nicht etwa von ihm selbst, sondern von seinem Nachbar.

Wahres Christentum ist voll solcher Schönheiten. Gottes unaussprechliche Gabe kostete Ihn etwas! Und wenn ein bekehrter Dieb etwas gibt, so wird ihm die Ehre, ein „Nachahmer Gottes“ zu sein, etwas kosten. Es heißt: „Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern arbeite vielmehr und wirke mit seinen Händen das Gute, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben habe“ (Eph 5,1; 4,28). Doch kehren wir zu unserem Gegenstand zurück. Am Kreuz schreibt Gott sein „Nein“ auf den nach dem Fleisch geborenen Menschen. Meine eigene, mir durch Erfahrung gewordene Kenntnis bewirkt, dass ich durch den Geist mein „Nein“ auf ebendiesen Menschen schreibe (Gal 5,17). Christi Tod hat jeder Hoffnung auf Gutes in diesem Menschen ein Ende gemacht, genauso wie die Verfluchung des unfruchtbaren Feigenbaumes jede Hoffnung auf Frucht ausschloss. So lernt der Gläubige, sich wider sich selbst auf die Seite Gottes zu stellen und in sich selbst das zu richten, was Gott auf dem Kreuz gerichtet hat.

Welch ein liebliches Abbild der siegreichen Dreihundert haben wir in Paulus! Welche Furchtlosigkeit kennzeichnete ihn, wenn das Werk Christi in Frage gestellt wurde! „Nachdem wir in Philippi zuvor gelitten hatten …, waren wir freimütig in unserem Gott, das Evangelium Gottes zu euch zu reden“ (1Thes 2,2). Welche rückhaltlose Selbstverleugnung sehen wir bei ihm! „Daher wirkt der Tod in uns, das Leben aber in euch“ (2Kor 4,12). Wie straff hielt er die Zügel! Er beugte sich vor anderen nicht in den Staub, um zeitliche Annehmlichkeiten oder Erleichterungen zu erlangen, obwohl er anhaltend auf seinen Knien war um der Wohlfahrt und des geistlichen Trostes anderer willen! Es war daher kein Wunder, dass er allenthalben im Triumph umhergeführt wurde.

Vielleicht sagen da einige Leser: „Wir sind heute aber nicht alle wie Paulus.“ Das ist ganz richtig; was noch mehr sagen will, ist, es gibt überhaupt keinen Paulus heute! – Aber wir haben dem Gott des Paulus zu gefallen, das Evangelium des Paulus zu predigen, dem Beispiel des Paulus zu folgen, und die Ausrüstung des Paulus steht uns zu Gebote! Alles, was uns nottut, ist das Herz des Paulus, sie zu gebrauchen; und hierzu haben wir dieselbe Liebe, die Paulus drängte, und die Macht desselben Segensgeistes zur Verfügung, der sie in unsere Herzen ausgießt. Welch eine Ermutigung!

Aber trotz allem sagen vielleicht manche: „Wie könnte ich die, die nirgendwo hingehen, erreichen, selbst wenn ich es versuchte?“ Wie? – Betrachte die beiden gewaltigen Kräfte, die dir zu Gebote stehen, und diese Frage wird für dich bald erledigt sein. Denke an den Tod; gibt es etwa jemand in irgendeinem Haus dieses Landes, den er nicht erreichen könnte? Bringt ihn die Umgebung der Stolzen und Reichen außer Fassung oder lässt er sich durch den Schmutz liederlicher Armut abschrecken? Fährt er beim Lachen und Spotten der Menschen zusammen oder sinkt er angesichts ihrer Gleichgültigkeit wie gelähmt zurück? – Keineswegs! – Wer von allen unter unserem gefallenen Geschlecht vermag ihm zu widerstehen? Wer kann es mit seiner Stärke aufnehmen?

Und doch hat er seinen Überwinder gefunden: „Die Liebe ist gewaltsam wie der Tod“ (Hld 8,6). Wenn der Tod imstande ist, die Massen zu erreichen – so auch die Liebe! Mit solchen Kräften als Rückhalt haben wir nichts zu fürchten. Millionen setzen sich aus Einzelnen zusammen, und es „ist Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut“ (Lk 15,10). Doch ehe wir hinausgehen, um auch nur zu einem Einzigen zu sprechen, tun wir gut, im Licht des Kreuzes den rechten Maßstab an uns selbst zu legen. Dort sehen wir, wie die Liebe den Tod über sich ergehen lässt. Dort allein werden wir lernen, uns selbst zu richten; dort lernen wir die Liebe, die uns vom Tod geschieden hat, indem sie unseren Platz im Tod einnahm, damit wir durch den Geist mit Christus jenseits des Todes vereinigt würden.

Unserthalben hat Er alles, was vom Fleisch ist, am Platz des Gerichts zurückgelassen (wie es uns im Bild in der Asche des Sündopfers entgegentritt), damit Er uns am Platz in der Herrlichkeit diene, wo Er jetzt ist. Wir haben nur das zu tun, was Er getan hat, nämlich, um das Ziel der Liebe zu erreichen, den Tod auf uns zu nehmen und unsre Freude an der Ehre zu finden, dies tun zu dürfen.

Selbstsucht ist gerade das Gegenteil von Liebe; sie steht deren Entfaltung am meisten entgegen. Unser Ich muss ausgeschlossen werden, wenn Liebe gesehen werden soll. – Aber wie verschlagen ist es! – Es wird immer einen einleuchtenden Grund finden, sich der Unbequemlichkeit und der Schmach zu entziehen, die damit verbunden ist, persönlich zu denen zu gehen, die des Evangeliums wirklich bedürfen, und sich dabei noch, seiner Findigkeit halber, als „geistlich“ betrachten! – Doch bringe es zum Kreuz, es wird dort sicherlich einen stärkeren Stoß erhalten, als es ihn durch vermeintliche Arbeit für den Herrn erhält, indem man zum Beispiel eine Stunde lang die Gleichgültigsten besucht oder sich in eine Seitenstraße hinstellt und das Lob dessen darstellt, der um unsertwillen den Schimpf und den Spott jenes schmachvollen Kreuzes ertrug.

Der Glaube ist „aus der Verkündigung“ (Röm 10,17); doch wenn man nicht zu uns kommt, wie wird jemand die Botschaft hören, wenn wir nicht zu ihm gehen?

Die betagte Anna redete von Christus; und so können auch wir es tun, und wir haben viel mehr zu erzählen als sie. Oh, dass auch unser Herz so voll davon wäre, wie das ihre! Können wir nicht ein jeder sagen, wie wir Ihn gefunden haben; das Willkommen beschreiben, das uns zuteilwurde, und Zeugnis ablegen von seiner treuen Freundschaft, geduldigen Güte, von seinem zarten Mitgefühl und dem rechtzeitigen Beistand, den wir seitdem immer erfahren durften? Können wir andere nicht mit Wärme desselben Willkommens versichern und sie liebevoll ermutigen, zu Ihm zu kommen? Sollte man etwa keine Lust haben, uns zuzuhören, können wir da nicht eine kleine, gedruckte Heilsbotschaft dalassen und später wieder einmal vorsprechen? Und wenn der ganze Eindruck, den wir hinterlassen haben, nur der ist, dass wir ihrer in Liebe gedacht haben, so war unsre Bemühung nicht vergeblich.

Nur eins haben wir zu fürchten, und das ist, Christus dadurch zu verbergen, dass wir selbst Ihn verdrängen. Je weniger wir da von unseren Zusammenkünften reden, desto besser ist es vielleicht; denn sonst hält man uns für solche, die für eine der miteinander wetteifernden Sekten der Christenheit werben, und das sollten wir unter allen Umständen vermeiden. Das ist die gemeinsame Schande aller Christen und etwas, woran viele ernstlich Anstoß nehmen. Vom Platz in der Herrlichkeit dagegen, zu dem wir gehen, und von der Person, die diese Stätte zu dem macht, was sie ist, können wir freimütig reden. Zweifellos ist das, was die Leute in uns sehen, ihnen ein Zeugnis besonderer Art; aber wir sollten sie allein auf Christus und nicht auf uns selbst oder die Versammlung, die wir aufsuchen, hinweisen. Wenn sie danach Verlangen haben, so werden sie sicherlich danach fragen; und wenn sie kommen, so sollten sie einen würdigen Ausdruck von der „Verwaltung Gottes“ (1Tim 1,4) vorfinden, auf dem sein Friede ruht, wo kein Misston eindringt, Heiligkeit wohnt und die göttliche Liebe jedes Herz erfüllt.

Welch einen Eindruck würde es auf die Menschen machen, wenn jeder wahre Christ im Land durch den Geist Gottes in der Kraft der Liebe und des Mitgefühls Christi unter Ausschluss des „großen Hindernisses“ getrieben würde, für die zu sorgen, die nirgendwo hingehen! Wenn Jesus für sie gestorben ist, sind sie dann unseres Suchens nicht wert? Welche Einheit wäre in solch einem Zeugnis! Welch eine Ehre für den Christus, den wir lieben! Welch eine Freude für das Herz des Gottes, der die Heilsbotschaft sandte! Oh, dass Er dies gerade vor der Rückkehr unseres Herrn zustande brächte! Er allein kann es tun.

Nun, geliebter Leser, überlasse ich diese kleine Schrift – mit tiefer Übung vor dem Herrn – deinen Händen. All unsere Erkenntnis des Wortes Gottes, all unsere Auseinandersetzungen darüber, was das Evangelium ist und wie es verbreitet werden soll, werden sicherlich nicht hinreichen, wenn wir aus Mangel an Herz und Hang zur Bequemlichkeit der Arbeit aus dem Weg gehen, denjenigen die Heilsbotschaft zu bringen, die sie bedürfen. Der Glaube ist „aus der Verkündigung …, wie aber werden sie hören ohne einen Prediger“ (Röm 10,17.14)?

Schon vor alters finden wir im Buch des Jesaja folgende Frage, die von höchster Wichtigkeit ist, weil Gott selbst sie stellt: „Wen soll ich senden, und wer wird für uns gehen?“ (Jes 6,8). Er braucht Arbeiter, und jedes Herz, das Ihn liebt, ist Ihm angenehm. Sollten da nicht der Leser und der Verfasser dieser Zeilen in aller Demut, aber entschieden und freudig antworten: „Hier bin ich, sende mich“?

„Der Morgen kommt und auch die Nacht“ (Jes 21,12). Lasst uns „die Zeit auskaufen, denn die Tage sind böse“ (Eph 5,1).

Wie bald entflieht die Spanne Zeit,
drum sei Dir jeder Tag geweiht.
All unser Trachten sei hinfort,
zu hören stündlich auf Dein Wort
und Deinen Willen hier zu tun,
um dann für immer dort zu ruhn.

Jetzt bietet sich uns die Gelegenheit, und bei Ihm ist dann unser Lohn.


Nota redacţiei:

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