„Wirklich Witwe“
1. Timotheus 5,3.5.16

Edward Dennett

© SoundWords, online: 25.05.2024, updated: 04.06.2024

Leitverse: 1. Timotheus 5,3-16

1Tim 5,3.5.16: Ehre die Witwen, die wirklich Witwen sind. … Die aber, die wirklich Witwe und vereinsamt ist, hofft auf Gott und verharrt in dem Flehen und den Gebeten Nacht und Tag. … Wenn ein Gläubiger oder eine Gläubige Witwen hat, so leiste er ihnen Hilfe, und die Versammlung werde nicht belastet, damit sie denen Hilfe leiste, die wirklich Witwen sind.

Drei Merkmale

Die Witwe wird in der Heiligen Schrift oft als Gegenstand der Gedanken Gottes gesehen. Aber erst der Timotheusbrief geht näher auf die verschiedenen Kategorien von Witwen ein und kennzeichnet diejenigen, die nach den Gedanken Gottes „wirklich Witwen“ sind. Der Apostel  ermahnt Timotheus und durch ihn uns, ebendiese Witwen zu „ehren“ (1Tim 5,3), und zeigt damit den Platz auf, den sie unter den Gläubigen stets einnehmen sollten.

Paulus nennt drei Merkmale einer Witwe, die „wirklich Witwe“ ist:

  • Sie ist „vereinsamt“,
  • sie „hofft auf Gott“,
  • und sie „verharrt in dem Flehen und den Gebeten Nacht und Tag“ (1Tim 5,5).

Eine Witwe, die „wirklich  Witwe“ ist, wird also vor Gott diese Kennzeichen aufweisen. Bemerkenswerterweise finden wir im Lukasevangelium drei Witwen, auf die ebendiese Beschreibungen zutreffen:

  • Die Witwe von Nain, deren Sohn, „der einzige Sohn seiner Mutter“, zum Begräbnis hinausgetragen wurde, als unser Herr, „der Fürst[1] des Lebens“ (Apg 3,15), ihr begegnete (Lk 7,12), war wirklich „vereinsamt“.
  • Die arme Witwe, die ihre zwei Scherflein in den Schatzkasten einlegte, war gewiss eine Witwe, die „auf Gott hoffte“, denn sie „legte von ihrem Mangel ein: den ganzen Lebensunterhalt, den sie hatte“ (Lk 21,2-4).
  • Und bei der Prophetin Anna, „eine Witwe von vierundachtzig Jahren, die nicht vom Tempel wich“, finden wir das letzte Merkmal; denn von ihr heißt es, dass sie „Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente“ (Lk 2,37). 

Möglicherweise war jede dieser Witwen „wirklich Witwe“ – Anna war es mit Sicherheit –, aber so, wie der Evangelist diese Witwen darstellt, weisen die drei gemeinsam die Merkmale einer Witwe auf, „die wirklich Witwe ist“.

Vereinsamt

Geistlich gesehen gibt es nichts Schöneres als eine Witwe, die „vereinsamt“ ist (1Tim 5,5), obwohl das Herz natürlich davor zurückschreckt. Aber bedenken wir: Ihre Verlassenheit und Trostlosigkeit, wodurch sie charakterisiert ist, betreffen nur das Irdische; ja man könnte mit Fug und Recht hinzufügen, dass gerade ihre Lage – dass sie nichts mehr hat, worauf sie sich stützen könnte – ebendas Mittel ist, wodurch „der Gott allen Trostes“ (2Kor 1,3) sie außergewöhnlich segnet.

Ebenhier kann man eine Anwendung auf die Kirche machen. Wenn die Kirche sich bewusst ist, dass sie in Bezug auf die Erde gewissermaßen eine „Witwe“[2] ist und dass sie sich deshalb in einer trostlosen Lage befindet – weil sie nämlich keine einzige erkennbare Hilfsquelle hat –, dann kann sie sich in vollem Maß an der grenzenlosen und unerschöpflichen Zuneigung ihres Herrn erfreuen. Und nicht nur das: Dadurch lernt sie, dass sie von Ihm völlig abhängig ist, und daraus wiederum erwächst ihr unablässiges „Flehen und Beten Nacht und Tag“. Die Witwe, die „wirklich Witwe“ ist, ist ein vollkommenes Bild (Ideal) der Kirche auf der Erde.[3]

Die Merkmale der Witwe finden sich auch bei unserem Herrn selbst:

  • Er war allein, „hatte nicht, wo er das Haupt hinlege“ (Mt 8,20), und niemand auf der Erde hatte Gemeinschaft mit Ihm.
  • Er hoffte auf Gott.
  • Er war immerzu im Gebet (Lk 5,16; 6,12).

Jeder Gläubige sollte sich auf dieselbe Weise auszeichnen und wird es entsprechend dem Maß, wie er seinem Herrn ähnlich ist.

In Üppigkeit leben

Nachdem der Apostel eine Witwe geschildert hat, die „wirklich Witwe“ ist, zeigt er den Gegensatz auf: eine Witwe, „die in Üppigkeit {Genusssucht} lebt“ und „lebendig tot“ ist (1Tim 5,6). Sie leugnet, dass sie eine Witwe ist, und nimmt ihre Einsamkeit zum Anlass, ihre Neigungen und weltlichen Begierden zu befriedigen, anstatt auf die Stimme dessen zu hören, der durch ihre Not zu ihr spricht, wie Er einst zu Israel sprach: „Ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen reden“ (Hos 2,16). Wenn sie auf diese Weise lebt, ist sie „lebendig tot“, tot gegenüber Gott inmitten ihrer Freuden.

Die Analogie einer solchen Witwe finden wir in Offenbarung 18,7.8; von ihr heißt es, dass sie gewiss untergehen wird: „Wie viel sie sich verherrlicht und Üppigkeit getrieben hat, so viel Qual und Trauer gebt ihr. Denn sie spricht in ihrem Herzen: Ich sitze als Königin, und Witwe bin ich nicht, und Trauer werde ich nicht sehen. Darum werden ihre Plagen an einem Tag kommen: Tod und Trauer und Hungersnot, und mit Feuer wird sie verbrannt werden; denn stark ist der Herr, Gott, der sie gerichtet hat.“ Das ist der Untergang Babylons, die sich als Braut Christi ausgab, aber nichts anderes war als eine abtrünnige Hure, die „mit Purpur und Scharlach bekleidet war und übergoldet mit Gold und wertvollem Stein und Perlen, und sie hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand, voll von Gräueln und den Unreinheiten ihrer Hurerei“ (Off 17,4).

Verantwortung der Versammlung

Außerdem gibt der Apostel Anweisungen, wie sich die Versammlung gegenüber den Witwen verhalten soll. Bemerkenswerterweise entstand die erste Schwierigkeit in der Kirche im Zusammenhang mit Witwen (vgl. Apg 6,1). Also bereits zu Beginn der Kirche gab es in den Versammlungen zahlreiche Witwen; und aus der Unterweisung für Timotheus geht hervor, dass unter den Gläubigen immer viele Witwen sein werden. Dies ist ein gesegneter Gedanke; er offenbart die Schönheit der Wege Gottes, so wie jemand einmal gesagt hat: „Gott verdunkelt oft den Glanz dieser Welt, um den Blick auf die jenseitige Herrlichkeit zu lenken.“ Wenn Gott also eine Frau zu einer Witwe macht, dann, um sie von der Erde zu entwöhnen und sie für sich zu gewinnen.

Aber hier geht es darum, dass die Witwe in ihrer Notlage eine Belastung  für die Versammlung sein könnte. Deshalb ermahnt der Apostel, dass „eine Witwe verzeichnet werde, wenn sie nicht weniger als sechzig Jahre alt ist“ (1Tim 5,9). Nur diese Witwen sollten ein Anrecht darauf haben, von der Versammlung regelmäßig unterstützt zu werden. Für andere Witwen konnte natürlich privat von den Gläubigen oder gelegentlich von der Versammlung gesorgt werden, aber in die Liste sollten nur diejenigen Witwen aufgenommen werden, die unbestreitbar Ansprüche auf die Gelder der Versammlung hatten. Es wäre der Kirche viel Verwirrung erspart geblieben, wenn man die Weisheit Gottes, wie sie hier zum Ausdruck kommt, in diesem Punkt beachtet hätte.

Beachten wir auch, dass das Alter an sich nicht eine notwendige Qualifikation darstellt, dass eine Witwe „verzeichnet“ wurde. Darüber hinaus durfte sie nicht zweimal verheiratet gewesen sein, sondern durfte nur „die Frau eines Mannes“ gewesen sein (1Tim 5,9); und sie musste gut angesehen sein – sowohl was ihre häuslichen Pflichten betrifft als auch in ihrem Dienst für den Herrn (1Tim 5,10). In einer Zeit wie heute, wo wir im christlichen Dienst unaufhörlich und zunehmend aktiv sind, könnten ihre „guten Werke“ – Werke, die also nach den Gedanken Gottes sind – vielen zum Vorbild sein.

Jüngere Witwen

Jüngere Witwen sollten „abgewiesen“ werden, das heißt, sie sollten nicht „verzeichnet“ werden. Der Grund dafür lautet: „Wenn sie üppig geworden sind gegen Christus, so wollen sie heiraten und fallen dem Urteil anheim, weil sie den ersten Glauben verworfen haben“ (1Tim 5,11.12). „Erster Glaube“ bedeutet wahrscheinlich, dass sie sich während ihrer Trauerzeit, als der Herr sie durch ihren Kummer zu sich zog, ganz Ihm und seinem Dienst hingaben. Aber weil sie ihr Herz für Christus verloren haben, „wollen sie heiraten“, denn sie sehen sich in ihrem Seelenzustand nicht in der Lage, sich für alle Unterstützung, die sie brauchen, auf Christus zu stützen; und so sehnen sie sich nach menschlicher Zuneigung und dass sie Hilfe und Unterstützung durch Menschen erfahren.

Ein unzufriedenes Herz ist die Quelle vieler Sünden, wie der nächste Vers zeigt: „Zugleich aber lernen sie auch, müßig zu sein, indem sie in den Häusern umherlaufen; nicht allein aber müßig, sondern auch geschwätzig und vorwitzig, indem sie reden, was sich nicht geziemt“ (1Tim 5,13) – eine Quelle des Unglücks und des Leids in der Versammlung Gottes zu jeder Zeit und an jedem Ort. Das Gegenmittel lautet: „Ich will nun, dass jüngere Witwen heiraten, Kinder gebären, den Haushalt führen, dem Widersacher keinen Anlass der Schmähung wegen geben“ (1Tim 5,14). Wenn sie sich dem Herrn unterordnen und vor dem Fallstrick des Satans bewahrt bleiben wollen, dann ist ihr Dienstbereich das Haus. Darüber hinaus sind die Gläubigen für die Witwen in ihren eigenen Familien verantwortlich, damit die Versammlung „denen Hilfe leiste, die wirklich Witwen sind“ (1Tim 5,4.8.16).

„Wirklich Witwen“

Wir können aus der Betrachtung dieser Schriftstellen einige nützliche Lehren ziehen:

  • Zunächst lernen wir, wie bereits erwähnt, dass Gott ein Herz für diejenigen hat, die „wirklich Witwen“ sind. Beweise dafür finden wir sowohl im Alten als auch im Neuen Testament.
  • Daraus folgt zweitens, dass wir für die Witwen stets liebevoll sorgen und ihnen dienen sollen, wenn wir in Gemeinschaft mit Gott sein wollen.
  • Schließlich können wir aus diesen Anweisungen für Timotheus entnehmen, welch wichtigen Dienst eine Witwe vor Gott ausübt. Anna ist ein Beispiel dafür unter dem kleinen Überrest, der in Jerusalem nach Erlösung suchte. Sie erwartete den Messias und war durch ihr ständiges „Fasten und Flehen“ mit dem Geist Gottes in Verbindung gebracht worden. Deshalb wurde sie von Ihm in den Tempel geführt, als das Kind Jesus dem Herrn dargestellt wurde (Lk 2,22.36-38). Ihr Herz war voller Freude und ihre Lippen voller Lob; und als Botin der frohen Botschaft von Christus ging sie zu denen hinaus, die mit ihr auf diese gesegnete Zeit warteten und sich danach sehnten.

Wo sind nun die, die heutzutage „wirklich Witwen“ sind?

Moralisch gesehen befinden wir uns in der gleichen Lage wie die kleine Schar in Jerusalem. Wie sie erwarten wir unseren Herrn. Währenddessen ruft Gott diejenigen, die „wirklich Witwen“ sind, dazu auf, „mit Fasten und Flehen zu dienen“ (Lk 2,37), damit sie die ganze Kirche durch ihre Fürbitte tragen und auf diese Weise das Mittel sind, damit in vielen Herzen die Hoffnung auf die Wiederkunft des Herrn neu entfacht wird. Viele dienen in „der Bemühung der Liebe“ (1Thes 1,3), aber noch nötiger ist der Dienst derer, die wie Epaphras wissen, wie man für die Gläubigen „allezeit ringt in den Gebeten“ (Kol 4,12). Die „Witwen“ sind für ebendiesen Dienst berufen und von Gott dazu befähigt. Möge die Kirche in dieser dunklen und bösen Zeit immer mehr die Früchte ihres gesegneten Dienstes ernten! 


Originaltitel: „Widows indeed“
in The Christian’s Friend and Instructor, Jg. 9, 1882, S. 123–126
Quelle: www.stempublishing.com

Übersetzung: Gabriele Naujoks

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Siehe die Fußnote in der CSV-Elberfelder zu Apostelgeschichte 3,15.

[2] Anm. d. Red.: Grundsätzlich ist die Kirche keine Witwe, aber sie ist nicht bei ihrem Bräutigam/Mann und ihre irdischen Umstände sind schwierig und mit Witwenschaft vergleichbar.

[3] Anm. d. Red.: Siehe Anmerkung 2.

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