Geistlicher Hochmut?!
Selbsterhöhung in Zeiten des Verfalls

Paul Wilson

© SoundWords, online: 23.05.2018, updated: 31.07.2019

Wir leben in den Tagen des Verfalls – in den letzten Tagen der Geschichte der Kirche Gottes auf der Erde. Wir leben nicht in der wunderbaren Zeit, die am Tag der Pfingsten begann [Apg 2,1-41], sondern in den Tagen des „großen Hauses“, von denen im zweiten Timotheusbrief die Rede ist. Was sollen wir tun? Wir können nicht aus dem „großen Haus“ hinausgehen, denn dieses Haus ist das christliche Bekenntnis auf der Erde. Wir können nicht hinausgehen, es sei denn, wir geben den christlichen Glauben auf. Verfall und Versagen ist überall.

Lasst uns in so einer Zeit darauf bedacht sein, dass wir gleichsam das Sündopfer essen.[1] Wir wollen uns davor hüten, uns selbst zu erhöhen als solche, die nicht versagt hätten. Mich schaudert, wenn ich die Neigung sehe, dass wir uns selbst erhöhen, indem wir sagen, wir hätten die Wahrheit bewahrt. Wenn wir das sagen, dann haben wir unsere Lektion nicht gut gelernt. Wir sind Teil des Verfalls, und wir müssen den Geist Daniels haben. Er betete: „Ach, Herr, du großer und furchtbarer Gott, der den Bund und die Güte denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten! Wir [nicht „sie“] haben gesündigt und verkehrt und gottlos gehandelt, und wir [nicht „sie“] haben uns empört und sind von deinen Geboten und von deinen Rechten abgewichen“ (Dan 9,4.5). Daniel identifiziert sich völlig mit der Sünde des Volkes, und er betet.

Ich bin überzeugt: Wenn wir uns selbst erhöhen, um etwas zu sein, wird Gott uns zeigen, dass wir nichts sind. Am Ende wird Er Stolz zurechtweisen: „Sechs sind es, die der Herr hasst, und sieben sind seiner Seele ein Gräuel: hohe Augen, eine Lügenzunge, und Hände, die unschuldiges Blut vergießen“ (Spr 6,16.17). Das Erste, was genannt wird, sind „stolze Augen“. Hüten wir uns davor, uns selbst zu erhöhen oder zu meinen, wir seien anderen überlegen. Wir wollen auf dem Weg des Glaubens gehen und uns dessen bewusst sein, dass wir Teil des Versagens sind, das in das christliche Zeugnis eingedrungen ist. Es gibt einen Weg, die Wahrheit von dem Zeugnis des Überrestes in diesen letzten Tagen aufrechtzuerhalten, aber wir müssen demütig sein und erkennen, dass wir Teil des Versagens der Christenheit sind.


Aus einem Vortrag gehalten in Oak Park, Illinois, im August 1955
Originaltitel: „Spiritual Pride in Days of Failure“
in Christian Shepherd, Jg. 2, Nr. 12, Dezember 1998, S. 319;
mit Ergänzungen aus „Prayer and the Unseen World“, aus dem der o.g. Artikel ein Auszug ist

Übersetzung: Gabriele Naujoks

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Autor nimmt hier Bezug auf 3. Mose 10,16-18, wo Mose Aaron und seinen Söhnen gebot, das Sündopfer zu essen. Auf uns bezogen bedeutet das: Wir sollen uns mit dem Versagen der Christenheit identifizieren und ihre Schuld auch als unsere bekennen, so wie Daniel sich mit der Schuld seines Volkes identifizierte und sie bekannte: „Wir haben gesündigt“ (Dan 9,4.5). Wer „das Sündopfer isst“, sieht nicht so sehr auf die Sünden der anderen, sondern er weiß, dass dasselbe Fleisch, das in den anderen wirkt, auch in ihm selbst ist. Er weiß, dass er durch sein eigenes Verhalten zu dem niedrigen Zustand der Christenheit beigetragen hat, und denkt darüber nach, was er bei sich selbst noch richten und ändern muss. Er erkennt, dass für alle Sünden, die zu diesem Zustand geführt haben, Christus als Sündopfer im Gericht Gottes unendlich leiden musste. Dadurch bekommt er einen Eindruck davon, wie schrecklich diese Sünden in den Augen Gottes sind, und kann den Zustand aus der Sicht Gottes sehen.


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