Die moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus (1)
In seiner Gelassenheit

John Gifford Bellett

© SoundWords, online: 26.02.2002, updated: 11.01.2021

Leitverse: Lukas 9,51; Markus 9,15; Johannes 20; Matthäus 21

Lk 9,51: Es geschah aber, als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten, das er sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen.

Mk 9,15: Und sogleich, als die ganze Volksmenge ihn sah, erstaunten sie sehr; und sie liefen herzu und begrüßten ihn.

Höhen und Tiefen

Der Herr Jesus hat während seines Lebens auf der Erde durch alle Höhen und Tiefen hindurch eine Gelassenheit gezeigt, die einzigartig ist und die wir nur bewundern können. Er wusste, um einen Ausdruck des Apostels Paulus zu gebrauchen, „erniedrigt zu sein und Überfluss zu haben“. Er wusste genauso gut die Augenblicke auszunutzen, in denen es angenehm lief, wenn man das mal so sagen darf, wie auch die Zeiten des Drucks zu verwerten. Beide Umstände hat Er während seines Lebens hier auf der Erde immer wieder angetroffen.

Die Verherrlichung auf dem Berg

So wurde Er auf dem Berg der Verklärung für einen Augenblick in seine Herrlichkeit eingeführt. Und das war in der Tat eine glanzvolle Stunde. Er erschien dort in der Majestät und in den Würden, die Ihm gebührten. Wie die Sonne, die Quelle allen Lichts, so strahlte sein Angesicht in überwältigendem Glanz. Und die Großen des Alten Testaments, Mose und Elia, standen Ihm zur Seite, indem sie seine Herrlichkeit teilten und mit Ihm darin glänzten. Doch Er steigt wieder von dem Berg herab. Und dann befielt Er denen, die „Augenzeugen seiner Majestät“ gewesen waren, „niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten“. Und als Er am Fuß des Berges ankommt und die erstaunte Volksmenge zu seiner Begrüßung zusammenläuft (Mk 9,15) und seine Stirn ohne Zweifel noch einen wenn auch schwachen Nachglanz der Herrlichkeit, in der Er soeben gestrahlt hatte, zur Schau trägt, da bleibt Er doch keinen Augenblick nur stehen, um die Huldigungen der Menge entgegenzunehmen. Nein, Er wendet sich sofort wieder seinem gewöhnlichen Dienst zu, denn Er wusste, „Überfluss zu haben“. Der Wohlstand machte Ihn nicht hochmütig. Er suchte nicht einen Platz unter den Menschen, sondern Er entäußerte sich, machte sich selbst zu nichts und verhüllte eilig seine Herrlichkeit. Er war zufrieden, Diener zu sein, der wohl zum Dienst gegürtet ist, aber nicht mit Herrlichkeit bekleidet ist.

Der Sieger nach der Auferstehung

Genauso war es mit Ihm nach der Auferstehung (s. Joh 20). Wir sehen Ihn dort umringt von seinen Jüngern, bekleidet mit einer Herrlichkeit, wie sie noch nie ein Mensch besessen und noch nicht einmal ein Mensch angeschaut hatte. Er steht dort als der Überwinder des Todes, als der Zerstörer des Grabes. Und dennoch, obwohl Er im Besitz solcher Herrlichkeiten war, ist Er nicht gekommen, um die Glückwünsche seines Volkes, wie wir zu sagen pflegen, entgegenzunehmen. Hätte das nicht jeder andere getan, der nach ausgestandenen Mühsalen und Gefahren und nach endlichem Sieg in den Schoß seiner Freunde und seiner Familie zurückgekehrt wäre? Der Herr Jesus war nicht gleichgültig gegen Mitgefühl, keinesfalls. Er verlangte vielmehr danach zu seiner Zeit, und Er entbehrte es tief, wenn Er es nicht fand. Aber jetzt, auferstanden aus den Toten, erscheint Er in der Mitte seiner Jünger vielmehr wie Einer, der sie für einen Tag besucht wie ein triumphierender Überwinder, und Er unterhält sich mit ihnen weit mehr über das, was sie interessierte bezüglich der gewaltigen Dinge, die sich soeben erfüllt hatten. In einer solchen Würde und Gelassenheit von einem Sieg einen Gebrauch zu machen, ist für viele weit schwieriger, als den Sieg selbst zu erringen. Hier sehen wir also wieder, wie Er wusste, „Überfluss zu haben“ und „erfüllt zu sein“.

In Samaria verworfen

Aber Jesus wusste auch, „erniedrigt zu sein“. Betrachten wir Ihn zum Beispiel bei den Bewohnern Samarias in Lukas 9,51 usw. Von vornherein versetzt Er sich im Bewusstsein seiner persönlichen Herrlichkeit in, wie er es nennt, die Tage seiner „Aufnahme“. Er macht sich auf den Weg nach Jerusalem, und wie jemand, der als eine Person von Ansehen sein Herannahen ankündigt, sendet Er Boten vor seinem Angesicht her. Jedoch der Unglaube der Samariter verändert alles; sie weigern sich, Ihn aufzunehmen. Wie hatte Johannes der Täufer sich abgemüht, dass man dem Messias doch eine gerade Bahn bereiten würde. Sie aber wollen den Füßen des Herrn der Herrlichkeit keine gerade Bahn bereiten und zwingen Ihn als den Verworfenen den bestmöglichen Pfad für sich selbst herauszufinden. Und wie handelt Er jetzt? Sofort nimmt Er den Platz eines Verworfenen ein, ohne dass Er auch nur im Herzen irgendwie darüber gemurrt hätte. Schon einmal hatte Er so etwas erleben müssen. Damals war Er in Bethlehem verfolgt worden. Herodes hatte versucht, Ihn umzubringen. Doch Er war bereit gewesen, in dem verachteten Nazareth zu leben, wenn Er als Bethlehemit verworfen wurde. Er trägt den Charakter des Verworfenen von jetzt auf gleich mit derselben Würde, wie Er vorher den Charakter des Erhabenen getragen hatte. So also wusste Jesus, „erniedrigt zu sein“.

In Jerusalem verworfen

Das Gleiche finden wir in Matthäus 21. Er betritt Jerusalem als „der Sohn Davids“; alles, was Ihn in dieser glorreichen Würde zu kennzeichnen vermochte, umringt und begleitet Ihn. Wie Er auf dem heiligen Berg in seiner himmlischen Herrlichkeit erschienen war, so erscheint Er hier in seiner irdischen Herrlichkeit. Von Rechts wegen hatte Er ein Anrecht auf diese Königsehre. Jetzt war der passende Augenblick, und Er wusste diese Herrlichkeit in würdiger Weise zu tragen. Aber der Unglaube von Jerusalem, wie früher derjenige von Samaria, verändert die Szene. Er, der als König seinen Einzug in die Stadt gehalten hat, ist praktisch sofort gezwungen, sie wieder zu verlassen, um sich ein Nachtlager zu suchen, wo Er es am besten finden kann. Und so befindet Er sich, indem Er wusste, „erniedrigt zu sein“ wie einst außerhalb Samarias, so jetzt außerhalb Jerusalems.

Welch eine Vollkommenheit! Wenn die Finsternis das Licht der persönlichen (Joh 1) und amtlichen (hier Mt 21) Herrlichkeit Christi nicht erfasst, so gibt das nur seiner moralischen Herrlichkeit Gelegenheit, in umso hellerem Glanz hervorzustrahlen. Denn in moralischer Hinsicht gibt es nichts Schöneres als diese Verbindung einer freiwilligen Erniedrigung unter die Menschen mit dem Bewusstsein einer durchdringenden Herrlichkeit vor Gott.

Beispiele im Leben von Männern Gottes

Wir finden schöne Beispiele von dieser Verbindung in dem Leben etlicher Gläubiger:

1. Abraham

Abraham war während seines ganzen Lebens freiwillig ein Fremdling unter den Kanaanitern, indem er nicht einen einzigen Quadratmeter Land besaß und nicht einmal haben wollte. Aber wenn die Gelegenheit sich dazu darbot, verstand er es, sich über Könige zu setzen, in dem Bewusstsein seiner Würde vor Gott und nach dem Ratschluss Gottes.

2. Jakob

Jakob spricht von seinem Leben als Ausländer, von seiner Lebenszeit, die „kurz und böse“ gewesen sei, und macht sich so in den Augen der Welt zu nichts. Aber zu gleicher Zeit segnet er den Pharao von Ägypten, den Mann, der damals der Höchste auf Erden war, wohl wissend, dass er selbst in den Augen Gottes der „Vorzüglichere“ war.

3. David

David bittet um ein Brot, und er tut es, ohne sich zu schämen. Zu gleicher Zeit aber nimmt er die einem König gebührende Huldigung entgegen und empfängt quasi aus den Händen Abigails den Tribut seiner Untertanen.

4. Paulus

Paulus ist mit Ketten gebunden, ein Gefangener im Hause des Landpflegers, und er spricht von seinen Fesseln; aber zugleich lässt er den Hof und die ihn umringenden Großen der römischen Welt, wie zum Beispiel den König Agrippa, wissen, dass er sich unter ihnen allen als den gesegneten, den allein glücklichen Menschen erkennt.

Wodurch wird diese Fähigkeit gefördert?

Diese Verbindung einer freiwilligen Erniedrigung vor den Menschen mit dem Bewusstsein der Herrlichkeit und Würde vor Gott findet ihre erhabenste, glänzendste, ja (wenn wir daran denken, wer Er war) ihre unendliche Offenbarung in unserem Herrn. Und es gibt in dieser Fähigkeit, zu wissen, „Überfluss zu haben“ und „erniedrigt zu sein“, „satt zu sein“ und „Mangel zu leiden“, noch eine weitere Schönheit. Wer diese Fähigkeit besitzt, zeigt, dass er sich viel mehr mit dem Endziel der Reise als mit der Reise selbst beschäftigt. Wenn unser Herz an die Reise selbst denkt, werden wir ihre Probleme und rauen Wege sicher nicht gern haben; aber in dem Maß, wie wir das Ziel anschauen, werden wir über solche Dinge hinwegzusehen vermögen. Liegt hierin nicht für uns alle eine tiefe Belehrung?

Nächster Teil


Aus The Moral Glory of the Lord Jesus Christ

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