Die „Himmelfahrt“ des Herrn im Johannesevangelium
Die Pforte des Himmels

John Gifford Bellett

© CSV, online: 04.03.2006, updated: 16.02.2022

Leitverse: Johannes 21,20-25

Joh 21,20-25: Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! Es ging nun dieses Wort unter die Brüder aus: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu hm, dass er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Dies ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dieses geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. Es sind aber auch viele andere Dinge, die Jesus getan hat, und wenn diese einzeln aufgeschrieben würden, so würde, denke ich, selbst die Welt die geschriebenen Bücher nicht fassen.

Petrus hatte Selbstvertrauen offenbart. Er hatte gesagt, wenn auch alle sich an seinem Herrn ärgern würden, er würde sich nicht ärgern, und selbst wenn er mit Ihm sterben müsste, würde er Ihn nicht verleugnen. Sein Meister hatte ihn von der Eitelkeit solcher Prahlerei überzeugen wollen und hatte auch zu ihm davon gesprochen, dass Er für ihn beten würde, damit sein Glaube nicht aufhörte. Als seine Ruhmredigkeit sich tatsächlich als Eitelkeit erwiesen und Petrus seinen Herrn sogar mit einem Eid verleugnet hatte, schaute sein Herr ihn an und dieser Blick hatte eine gesegnete Wirkung. Das Gebet und der Blick hatten ihm geholfen. Das Gebet hatte seinen Glauben vor dem Schiffbruch bewahrt, aber der Blick hatte sein Herz zerbrochen. Er ging nicht „hinweg“, aber er weinte, und er weinte bitterlich …

Die dreimalige Verleugnung seines Herrn scheint Petrus zum völligen Bewusstsein gekommen zu sein, als der Herr ihn in Johannes 21 zum dritten Mal fragt: „Hast du mich lieb?“ Aber der Herr wollte damit nur seinen geliebten Jünger zu reicheren Segnungen führen. Er stellte ihn wieder zum Dienst her, denn niemand anders sollte seinen Dienst übernehmen, und verhieß ihm Kraft hierzu, ohne ein zweites Mal zu fallen oder Ihn zu verleugnen. Er machte ihn zu seinem Zeugen und Diener in der vollen Glaubenskraft eines Märtyrers. Nachdem Er ihm so die Gnade verheißen hatte, sein treuer Zeuge sogar bis in den Tod zu sein, sagt Er ihm: „Folge mir nach.“

Das war ein Augenblick lieblichster Anziehungskraft. Wir wissen, dass wir, wenn wir mit Ihm leiden, auch mit Ihm herrschen werden, und wenn wir Ihm folgen, der Diener da sein wird, wo der Herr selbst ist. Petrus wurde berufen, Ihm auf dem ganzen Pfad des Zeugnisses und der Leiden in der Kraft der Auferstehung zu folgen, bis zu der Ruhe, in der jener Pfad endet und zu der die Auferstehung führt. Bevor der Herr Petrus verließ, hatte Er zu ihm gesagt: „Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen“ (Joh 13,36). Der Herr ging dann über das Kreuz zum Himmel und zum Vater. Die jetzige Berufung machte im Geist die dem Petrus gegebene Verheißung wahr. Er war berufen, dem Herrn durch den Tod hinauf in das Haus des Vaters zu folgen. Es scheint, dass der Herr Jesus, nachdem Er diese Worte zu ihm gesprochen hatte, von dem Platz, wo sie gesessen hatten, aufstand und auch Petrus, dadurch aufgefordert, sich erhob und Ihm folgte.

Johannes folgt diesem Ruf, als habe er auch ihm gegolten, auch er steht sofort auf, als der Herr und Petrus sich erheben, denn er war stets dem Herrn am nächsten. Er hatte sich beim Abendessen im Obersaal an die Brust Jesu gelehnt, und er war der Jünger, den Jesus liebte. Er befand sich immer in der Stellung innigster Vertrautheit mit Ihm, und daher steht er, als der Herr aufsteht, unaufgefordert, wie unter einem inneren Zwang, ebenfalls auf. Ein wahrhaft gesegneter Zwang!

In dieser Stellung sehen wir sie jetzt. Der Sohn Gottes hat sich erhoben und entschwindet wandelnd unseren Blicken; Petrus und Johannes folgen Ihm. Das alles ist unaussprechlich lieblich und bezeichnend. Wir sehen nicht das Ende ihres Weges, denn während sie so wandeln, endet das Evangelium. Die Wolke nimmt sie gleichsam auf und entrückt sie unseren Blicken. Wir sehen ihnen vergeblich nach, und der Weg der Jünger ist uns genauso weit in die Ferne gerückt wie der ihres Herrn. Dem Grundsatz nach war es der Weg, der zum Haus des Vaters führte, das, wie wir wissen, für den Herrn und seine Brüder bereitet ist, der Weg in die Gegenwart Gottes im Himmel.

Wir dürfen tatsächlich sagen, dass der Bräutigam auf unserem Fest den besten Wein bis jetzt aufgehoben hat. Wenn unsere Herzen hier hineinschauen, gibt es nichts Vergleichbares. Markus berichtet uns, dass der Herr in den Himmel aufgenommen wurde (Mk 16,19), und Lukas zeigt uns die Himmelfahrt selbst, indem Er seine Hände erhebt und seine Jünger segnet (Lk 24,50.51). Aber alles das, so schön es ist, hält keinen Vergleich aus mit dem, was wir hier haben. Denn jenes alles ließ die Jünger getrennt von ihrem Herrn. Er ging zum Himmel, und sie waren im Begriff, nach Jerusalem zurückzukehren. Aber hier folgen sie Ihm gewissermaßen in den Himmel, und ihr Pfad endet nicht kurz vor dem seinen.

„Dies ist nicht anderes als … die Pforte des Himmels“, wohin unser Evangelium uns führt und wo es uns auch lässt. Der Herr befindet sich an diesem Ort in völliger Gnade für seine Auserwählten. Die Aufnahme der Brüder in das Haus des Vaters wird uns hier vorgebildet. Petrus und Johannes sind hierin unsere Repräsentanten, Geliebte. Einige, wie Petrus, mögen Gott durch den Tod verherrlichen; andere wieder, wie es hier von Johannes gesagt wird, werden leben und „übrigbleiben“, bis der Herr Jesus kommt. Aber alle sollen folgen, ob Petrus oder Johannes, Mose oder Elia, ob gestorben in Christus oder lebend bei seiner Ankunft – alle werden zusammen entrückt dem Herrn entgegen in die Luft, um allezeit bei Ihm zu sein. Es wird für sie so sein wie bei der Entrückung Henochs vor der Flut. Von Ihm selbst in Empfang genommen, werden sie mit Ihm in die zubereitete Stätte des Vaterhauses gehen, wie Er uns verheißen hat. Wir dürfen nicht behaupten, dass irgendjemand bleiben wird, bis der Herr kommt. Das schließt Johannes 21,23 aus. Aber der gleiche Vers gestattet uns zu behaupten, dass der Herr, wenn es Ihm gefällt, vor unserem Tod kommen kann.

Das ist der einzige Blick auf die Himmelfahrt des Herrn, den unser Evangelium uns gibt. Aber dieser Ausblick steht in völligem Einklang mit dem Charakter des ganzen Johannesevangeliums, das uns den Herrn Jesus in Verbindung mit der Kirche als der Familie des Vaters, dem himmlischen Haushalt, zeigt. Das Hinaufsteigen des Herrn führt Ihn hier eigentlich nicht zur Rechten Gottes oder auf einen Platz der Macht, wo Er allein bleibt, sondern in das Haus des Vaters, wo auch die Kinder wohnen sollen. Ihr Pfad in dieser Richtung geht durch seine überströmende Gnade so weit wie der seine. Wohin auch immer der Herr Jesus ging, Petrus und Johannes folgten Ihm, mochte es auch ein dieser Erde unbekannter Ort sein. Der Herr Jesus handelt hier so, als sei Er weggegangen und habe den verheißenen Platz im Haus des Vaters bereitet und als sei Er wiedergekommen, um sie zu sich zu nehmen, damit, wo Er ist, auch sie seien. So wird es in Wahrheit bei der Auferstehung derer sein, die des Christus sind bei seiner Ankunft, wenn die Brüder ihrem Herrn in der Luft begegnen. Der Sohn Gottes zeigte jetzt am Ende des Evangeliums, wie Er es an seinem Anfang getan hatte, wo Er sich aufhielt (Joh 1, 39). Nur war Er am Anfang ein Fremdling auf Erden und sie blieben nur jenen Tag bei Ihm. Jetzt aber kehrt Er in seinen eigenen Himmel zurück und sie werden dort auf ewig bleiben.

Unser Evangelium begann mit dem Herabkommen des Sohnes und endet gleichsam mit dem Hinaufsteigen der Heiligen. Die Zeit dieses Hinaufsteigens oder der Entrückung ist ungewiss. Es kann morgen sein, aber es wird dann sein, wenn die Vollzahl der Nationen eingegangen sein wird. Das hängt nicht von einem bestimmten Zeitereignis ab, und es gibt meines Wissens hierüber keine Prophezeiungen, die eine entsprechende Zeitangabe enthalten. Zeitangaben beziehen sich auf die Wiederkehr des Herrn auf die Erde, aber nicht auf die Entrückung der Heiligen in die Luft, um Ihm zu begegnen. Bei der Rückkehr des Herrn auf diese Erde werden die Heiligen schon bei Ihm sein, und diese Erde wird dann zubereitet werden, um ihr gemeinsames Reich und Erbe zu sein. Jene Wiederkehr, das gebe ich zu, muss ihre vorgeschriebene Zeit, den Ablauf der von den Propheten angekündigten Tage und Jahre, abwarten, aber es gibt kein Zeitmaß für den Zwischenraum von der Himmelfahrt des Herrn bis zur Entrückung der Heiligen. Wohl hat uns der Heilige Geist sittliche Charakterzüge bestimmter Zeiten gegeben, die Er als die „späteren Zeiten“ und die „letzten Tage“ bezeichnet (1Tim 4; 2Tim 3 u.a.), aber Er sagt uns auch, dass die „letzte Stunde“ schon gekommen ist (1Joh 2,18).

So ist der Glaube berechtigt, zu seiner eigenen Freude zu jeder Stunde nach der Begegnung mit dem Herrn in der Luft auszuschauen, und inzwischen tut er mit Ausharren den Willen Gottes. Die Prophezeiungen mit Zeitangaben, soweit sie zukünftig sind, beziehen sich nach meinem Urteil nicht auf die Entrückung in die Luft, und die in ihnen angegebenen Zeiten fangen erst danach zu laufen an. Erst nach der Entrückung der Heiligen kann der leidende Überrest Israels die Tage zählen, die ihm Trost und die Erfüllung seiner Hoffnung bringen werden. In ihrer schwersten Trübsal werden sie ihre Häupter emporheben in dem Bewusstsein, dass ihre Erlösung naht (Lk 21,28).

Nach diesem allem, Geliebte, darf unser Gott wohl erwarten, unser Vertrauen zu besitzen, der Bürge völliger, heiliger Freiheit und die zuverlässige, beständige Quelle unserer Freude zu sein. Dadurch ehren wir Ihn als den Vater. Wenn wir Gedanken über Ihn haben, die nur ein wenig dahinter zurückbleiben, so sind es Gedanken der Torheit und des Unglaubens. Alles ist Klarheit für den Glauben. Das ist Gott, unser Vater, und in dem Sohn seiner Liebe sind wir begnadigt. Die Sprache unserer Herzen Ihm gegenüber sollte fortwährend sein: „Komm, Herr Jesus!“ Dieses Bewusstsein gegenwärtiger Kindschaft und diese Hoffnung der Freude haben wir durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt, den Gefährten auf dem Weg, unseren „anderen Sachwalter“, bis wir dem Bräutigam begegnen.

Unserem gnadenreichen Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist – sei Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.


Originaltitel: „Die Pforte des Himmels“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 40, 1986, S. 166–172

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