Der Prophet Habakuk (2)
Kapitel 2

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online: 17.09.2018, updated: 10.01.2021

Auf dem Wachturm

Es gibt nichts Schwereres für einen Menschen, als auf Gott zu warten. Die Ruhelosigkeit und Geschäftigkeit des Fleisches kann Verzögerungen nicht ertragen, sondern sieht die Zeit des Wartens und Ausschauens als Verlust an. Bei Habakuk ist es gesegneterweise anders. Da es keine sofortige Antwort auf seine begierigen und ängstlichen Fragen gibt, nimmt er die Haltung eines geduldig Lernenden ein, der stille wartet, bis sein Herr bereit ist, seine Gedanken kundzutun. Er sagt:

Vers 1

Hab 2,1: Auf meine Warte will ich treten und auf den Turm mich stellen, und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird, und was ich erwidern soll auf meine Klage.

Seine Worte lassen einen sehr richtigen und angemessenen Zustand der Seele erkennen. Ratlos und verwirrt durch Gottes scheinbar rätselhafte Wege räumt er ein, dass er vielleicht einen Tadel braucht, und nimmt seinen Platz auf dem Turm ein – über dem Nebel der Erde und über die Gedanken und Taten der Menschen erhoben –, wo er still auf Gott warten und sehen will, was Er ihm zu sagen hat. Solch eine Haltung garantiert eine Antwort. Gott wird seinen Diener nicht ohne Weisung lassen, wenn er einen willigen Geist und ein geübtes Gewissen hat.

Als Habakuk seine einsame Wache fortsetzt, antwortet der HERR und befiehlt ihm:

Vers 2

Hab 2,2: Da antwortete mir der HERR und sprach: Schreibe das Gesicht auf, und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne.

Die Botschaft, die ihm offenbart werden sollte, war nicht nur für den Propheten allein bestimmt, sondern ist für alle Menschen. Das ist ein Prinzip von äußerster Wichtigkeit und hat weitreichende Auswirkungen. Deshalb sollte er seinen Griffel nehmen und klar und deutlich auf die Tafeln schreiben, so dass der, der es liest, laufen möge, um es nah und fern zu verkünden.[1]

Vers 3

Hab 2,3: … denn das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt zum Ende hin und lügt nicht. Wenn es verzieht, so harre darauf; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben.

Was jetzt gesagt wird, ist nicht nur für die damalige Zeit bestimmt; es wird eine weitere, vollere Anwendung in einer zukünftigen, vom Herrn festgelegten Zeit finden. Der Prophet wird angewiesen, sich auf diesen Tag des Segens zu freuen.

Aus Hebräer 10,37 wissen wir, dass er hier tatsächlich schon auf die Zeit der Herrschaft des Messias hingewiesen wird. Im Zitat sind die Pronomen nicht mehr sächlich, sondern werden sehr persönlich. Sie beziehen sich allein auf Christus: „Denn noch eine ganz kleine Zeit, und ,der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben.‘“ Als der Apostel das schrieb, war der Herr bereits das erste Mal gekommen, jedoch nur, um verworfen und gekreuzigt zu werden. Aber Er wird zurückkommen in einer „sehr, sehr kleinen Weile“, wie man diese Worte auch übersetzen könnte. Wenn Er wiederkommt, wird Er alle Ungerechtigkeit niederstrecken und das Gericht zum Sieg führen. Dann wird das, wonach sich der Prophet sehnte, wirklich geschehen. Gottes rätselhaftes langes Tolerieren von Bösem wird ein Ende haben, und die gerechte Regierung kommen. Habakuk soll sich auf diese Segenszeit freuen.

Vers 4

Hab 2,4: Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.

Über den eigenwilligen Mann wird gesagt: „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele“, und das Böse scheint zu siegen. Dennoch darf der Mann Gottes in der Zwischenzeit wissen, dass „der Gerechte durch seinen Glauben leben wird.“ Das ist die offenbarte Botschaft, die Habakuk so schlicht und einfach aufschreiben und die der Leser zu verkünden sich beeilen sollte. Solch ein Leser und Läufer war der Apostel Paulus. Dieser Vers ist der Schlüssel seiner Verkündigung sowohl für die Heiligen als auch für die Sünder. Nachdem Paulus die Worte des Propheten mit Augen, die der Heilige Geist gesalbt hatte, gelesen hat, läuft er für den Rest seiner Tage, um sie anderen bekannt zu machen. Dreimal kommen sie in seinen Briefen vor, und jedes Mal werden sie mit Blick auf einen anderen Gegenstand verwendet:

  • Wenn er im Römerbrief die herrliche Lehre von Gottes Gerechtigkeit darlegt (Röm 1,16.17), wie sie im Evangelium offenbart ist, findet er in diesen Worten die inspirierte Antwort auf die Frage, die einst im Buch Hiob gestellt wurde: „Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?“ (Hiob 25,4; 9,2). Triumphierend weist er auf die Offenbarung auf dem Wachturm hin und ruft aus: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“

  • In Galatien versuchten judaistische Lehrer, die Versammlungen zu verderben, indem sie sie von der Schlichtheit, die in Christus ist, abwendeten und behaupteten: Obwohl der Mensch durch Glauben gerettet ist, bestimmt das Gesetz dennoch das Leben danach. – Paulus weist diese falsche Behauptung entrüstet zurück und erklärt den Galatern nicht nur, dass Glaube die Grundlage ist, auf der sie mit Gott begonnen hatten, sondern auch, dass „der Gerechte durch seinen Glauben leben wird“ (Gal 3,11). Er fährt sogleich damit fort, zu zeigen, dass „das Gesetz aber nicht durch Glauben ist“ (Gal 3,12) und deshalb nicht der Maßstab des Christen sein kann. Christus, und Christus, allein ist es. In Ihm sind wir eine neue Schöpfung. „Und so viele nach dieser Richtschnur wandeln werden – Friede über sie und Barmherzigkeit, und über den Israel Gottes!“ (Gal 6,16).

  • Wenn Paulus den Pilgerweg durch diese Welt in seinem Brief an die Hebräer verfolgt, der vom Kreuz zur Herrlichkeit führt, zeigt er auf: Nur das Eintreten in die Macht des unsichtbaren Gottes kann den Gläubigen in einem Leben der Erprobung und des Kampfes erhalten. Und darum verkündet er erneut: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Heb 10,38). Er fügt hinzu: „Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm“, was die erste Hälfte des Verses in der Septuaginta ist.

Daher wird das Geheimnis, das Habakuk vor so langer Zeit offenbart wurde, zur Losung der Christenheit; ebenso wurde es der Schlachtruf Luthers und seiner Mitstreiter zur Zeit der Reformation.

Es war sehr bedeutsam, dass der einsame Prophet über das hinaussah, was seine natürlichen Augen sehen konnten. Nur so konnte er aushalten, „als sähe er den Unsichtbaren“ (Heb 11,27). So auch heute. Es gibt vieles, was entmutigt und abschreckt. Mögen die Zeiten auch finster sein: Der Mann Gottes wendet sich im Glauben der Heiligen Schrift zu, um die Gedanken Gottes zu erkennen. Er handelt nach dem, was geschrieben steht, mögen andere tun, was sie wollen. Mag sein Pfad auch einsam und sein Herz oft traurig sein – aber er schaut in zuversichtlicher und froher Erwartung nach vorn zu dem Tag der Offenbarung und strebt danach, jetzt im Licht des Dann zu leben.

Daher sind seine Augen geöffnet, um alles genau zu betrachten, und er ist in der Lage, die Bestrebungen der ungöttlichen und ungeistlichen Menschen nach ihrem wahren Wert einzuschätzen. Der Chaldäer brüstete sich stolz der Hilfe seiner Götter, um das Volk des HERRN zu Fall zu bringen. Habakuk wird gezeigt, dass der Chaldäer nur ein Instrument zur gegenwärtigen Züchtigung ist, bald aber für seine eigenen Sünden doppelt bestraft werden wird.

Verse 5-8

Hab 2,5-8: 5 Und überdies: Der Wein ist treulos; der übermütige Mann, der bleibt nicht, er, der seinen Schlund weit aufsperrt wie der Scheol, und er ist wie der Tod und wird nicht satt; und er rafft an sich alle Nationen und sammelt zu sich alle Völker. 6 Werden nicht diese alle über ihn einen Spruch und eine Spottrede anheben, Rätsel über ihn? Und man wird sagen: Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist – bis wann? –, und der Pfandlast auf sich lädt! 7 Und werden nicht plötzlich aufstehen, die dich beißen, und aufwachen, die dich fortscheuchen werden? Und du wirst ihnen zur Beute werden. 8 Denn du hast viele Nationen beraubt; und so werden alle übriggebliebenen Völker dich berauben wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.

Aufgeblasen und selbstgefällig, so wie die falsche Weltkirche heute, würde Babylon alle in ihre Herde sammeln und alles unterdrücken, was wirklich von Gott ist (Hab 2,5). Aber die Stunde des Verderbens kommt, wenn sie zum Spott der Leute werden wird und die Leute rufen werden: „Wehe dem, der aufhäuft, was nicht sein ist!“ (Hab 2,6). Plötzlich werden Babylons Feinde sich erheben, und sie wird vernichtet werden wegen ihrer Blutschuld und der Lästerung gegen den HERRN.

Die Zeiten sind schwer, und das Wasser wird aus einem vollen Becher über der kleinen Herde ausgewrungen, die danach trachtet, im Gehorsam gegenüber Gott ihren Weg zu gehen. Dennoch schaut die vertrauensvolle Seele in der Zwischenzeit in heiliger Zuversicht auf, wohl wissend, dass der Gottlose nur eine kleine Zeit triumphiert. Und somit „wird der Gerechte durch seinen Glauben leben“.

Wenn sich Niedergang einstellte, befanden sich die, welche für Gott lebten, in allen Zeitaltern in einer ähnlichen Lage wie Habakuk. Jeremia, sein Prophetengefährte, verspürte es sehr heftig, doch die Gnade trug ihn durch alles hindurch. Gleicherweise mögen wir in unserer Zeit – wo das Wort Gottes weitestgehend aufgegeben und menschliche Hilfsmittel die göttlichen Grundsätze ersetzen – als solche erfunden werden, die demütig den Pfad des Glaubens gehen und sagen können: „Alle meine Quellen sind in dir!“ (Ps 87,7).

Verse 9-12

Hab 2,9-12: 9 Wehe dem, der bösen Gewinn macht für sein Haus, um sein Nest hoch zu setzen, um sich zu retten aus der Hand des Unglücks! 10 Du hast Schande für dein Haus geplant, die Vertilgung vieler Völker, und hast dein Leben verwirkt. 11 Denn der Stein wird schreien aus der Mauer, und der Sparren aus dem Holzwerk ihm antworten. 12 Wehe dem, der Städte mit Blut baut und Städte mit Ungerechtigkeit gründet!

Die „Wehe“, die nun folgen, gelten nicht nur dem König von Babylon und seinen grausamen und unbarmherzigen Heeren, sondern offenbaren auch Gottes Gedanken über jeden, der dieselben unheiligen Wege einschlägt.

„Wehe dem, der bösen Gewinn macht …!“[2] Unvollständig lässt dieser Satz die Sünde, auf die die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll, umso deutlicher hervortreten. Habgier lockte die Horden der Chaldäer zu den Toren Jerusalems. Nebukadnezar würde einen „bösen Gewinn für sein Haus“ machen, um sich selbst zu erheben und „um sein Nest hoch zu setzen“. Obwohl er einen teuren und prunkvollen Palast bauen kann von der Beute, die er gemacht hat, würden doch die Steine in der Wand und die Holzbalken antworten und ausrufen: „Wehe dem, der Städte mit Blut baut, und Städte mit Ungerechtigkeit gründet!“ (Hab 2,12). Ungerechtigkeit kommt aus der Gier hervor, wie wir auch in 1. Timotheus 6,10 lesen: „Denn die Geldliebe ist eine Wurzel alles Bösen.“ Die Gier nach Reichtum ist eine geeignete Wurzel, aus der jede Art von Ungerechtigkeit hervorkommen kann.

Habgier ist zweifellos die schreiende Sünde der Gegenwart. Sie schleicht sich hinterlistig heran und bemächtigt sich sowohl des Volkes Gottes als auch der Menschen der Welt. Doch sie ist eine Sünde, vor der uns Gottes Wort eindringlich warnt. Es hat sich gezeigt, dass sie das Verderben von vielen sonst tapferen Männern war und den Pilgercharakter von Tausenden zerstört hat.

Was genau ist denn Habgier? Und wie soll man sie unterscheiden von ehrbarer Sparsamkeit und ob jemand guten Gebrauch macht von Gelegenheiten – beides Dinge, durch die man vor allen Menschen ehrlich ist? In den englischen Bibeln werden vier Worte verwendet, um diese Sünde zu beschreiben: Habgier, Lüsternheit, Lust und Verlangen. Gläubige werden ermahnt: „Begnügt euch mit dem, was vorhanden ist“ (Heb 13,5). Auch lesen wir: „Wenn wir aber Nahrung und Bedeckung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen“ (1Tim 6,8). Habgier ist genau das Gegenteil davon. Es ist das unzufriedene Verlangen des Herzens nach mehr als dem, was Gott gegeben hat. „Habsucht ist Götzendienst“, wird uns in Kolosser 3,5 gesagt. Damit ist offensichtlich, dass der habgierige Mensch Gewinn zwischen seine Seele und Gott stellt. Alles, was uns von der Beschäftigung mit Gott ablenkt, ist ein Götze. So können wir leicht prüfen, wo wir selbst stehen.

Faule und Träge werden im Wort Gottes nicht gelobt, sondern hart getadelt und zur Tätigkeit und Sparsamkeit ermahnt. Aber in das andere Extrem zu fallen und das Herz an Geschäftigkeit und das Sammeln von Reichtümern zu hängen, wird unserer Geistlichkeit genauso zum Verhängnis; d.h., wir verlieren unsere Gottesfurcht und werden ungeistlich. Die goldene Mitte wird uns vom Heiligen Geist gezeigt, der uns befiehlt, „im Fleiß nicht säumig, inbrünstig im Geist zu sein; dem Herrn dienend“ zu leben (Röm 12,11). Wenn wir Ihm dienen, wird alles andere seinen Platz finden. Dann werde ich diese Welt „nicht als das Meine gebrauchen“, sondern alles, was mir anvertraut wurde, als Gottes Verwalter verwalten.

Man muss eigentlich zu dem Schluss kommen: Wenn wir alle klare Einsicht in dieser Sache hätten, würden wir weniger von Christen hören, die sich auf fragwürdige (um nicht zu sagen zwielichtige) Geschäftsmodelle und Spekulationen einlassen, die großen Profit versprechen. Das Scheitern derselben bringt oft große Schande auf den heiligen Namen, mit dem wir berufen worden sind. Man könnte auch den Grundsatz formulieren: Kein Heiliger sollte mit irgendeinem Geschäft in Verbindung gebracht werden – wie erfolgreich es auch sein mag –, das dem prüfenden Auge dessen, der „Augen wie eine Feuerflamme“ hat, nicht standhalten kann (Off 1,14).

Andersherum: Es mag gegenwärtig scheinbaren Erfolg und gesicherten Wohlstand geben, aber es wird sich bestätigen, was Habakuk geschrieben hat:

Vers 13

Hab 2,13: Siehe, ist es nicht von dem HERRN der Heerscharen, dass Völker sich fürs Feuer abmühen und Völkerschaften sich vergebens plagen?

Eine andere Stelle sagt: „Siehe, ihr alle, die ihr ein Feuer anzündet, mit Brandpfeilen euch rüstet: Hinweg in die Glut eures Feuers und in die Brandpfeile, die ihr angesteckt habt! Das geschieht euch von meiner Hand; in Herzeleid sollt ihr daliegen“ (Jes 50,11). Wie viele haben das in vollem Umfang erleben müssen! Sie haben sich genau in diesem Feuer abgemüht und auf der Suche nach Eitelkeiten selbst erschöpft; indem sie ihre eigenen Feuer entzündet haben und im Schein seiner Funken gewandelt sind, mussten sie doch im Herzeleid daliegen, weil sie das Wort des Herrn vernachlässigt haben.

Vers 14

Hab 2,14: Denn die Erde wird voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.

Wie groß der scheinbare Triumph der Sünde in der heutigen Zeit auch aussehen mag: Der Ausblick ist für den Mann des Glaubens immer strahlend. Wenn das gegenwärtige böse Zeitalter vergangen sein wird, wird „die Erde … voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN sein, so wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Hab 2,14). Wer teilhat an dem kommenden Tag der Herrlichkeit, würde gern allen gegenwärtigen Gewinn dahingeben, wenn er noch einmal die Möglichkeit hätte, ein Leben des Glaubens zu führen in der Zeit der Verwerfung seines Herrn und Erlösers! Aber dann wird es zu spät sein, um treu zu sein. Für all unsere Selbstsucht werden wir „Schaden leiden“ (1Kor 3,15). Denen aber, die alles hier im Blick auf das Kommen des Herrn besessen haben, wird „reichlich dargereicht der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ [2Pet 1,11].

Verse 15-17

Hab 2,15-17: 15 Wehe dem, der seinem Nächsten zu trinken gibt, indem du deinen Zorn beimischst und sie auch betrunken machst, um ihre Blöße anzuschauen! 16 Du hast dich mit Schande gesättigt anstatt mit Ehre: Trinke auch du und zeige dein Unbeschnittensein; der Becher der Rechten des HERRN wird sich zu dir wenden, und schimpfliche Schande wird über deine Herrlichkeit kommen. 17 Denn die Gewalttat am Libanon wird dich bedecken, und die Zerstörung der Tiere, die sie in Schrecken versetzte: wegen des Blutes der Menschen und der Gewalttat an Land und Stadt und an allen ihren Bewohnern.

Das nächste „Wehe“ wird über den ausgesprochen, der seinem Nächsten zu trinken gibt, um dessen Untergang herbeizuführen und seine Blöße zu zeigen. Es ist die erbärmliche Heuchelei, die zwar schöne Worte macht, während das Herz jedoch mit Hass erfüllt ist; jene unheilige Verstellung, die einen dazu führt, dem einen Besänftigung anzubieten, dem anderen aber einen gehirnbetäubenden Arzneitrank, um sein Verderben herbeizuführen. Wie schrecklich wird die Vergeltung des HERRN sein, wenn Er dem Blut nachforscht! Einen Stolperstein auf den Weg des Nächsten zu legen heißt, das Gericht auf den eigenen Kopf zu bringen. Jemandem, der einen dieser Kleinen des Herrn zu Fall bringt, ginge es besser, wenn ein Mühlstein um seinen Hals gebunden und er in die Tiefen des Meeres versenkt würde [Mt 18,6]!

Verse 18.19

Hab 2,18.19: 18 Was nützt ein geschnitztes Bild, dass sein Bildner es geschnitzt hat, ein gegossenes Bild und das Lügen lehrt, dass der Bildner seines Bildes darauf vertraut, um stumme Götzen zu machen? 19 Wehe dem, der zum Holz spricht: „Wache auf!“, zum schweigenden Stein: „Erwache!“ – Er sollte lehren? Siehe, er ist mit Gold und Silber überzogen, und gar kein Odem ist in seinem Innern.

Das letzte „Wehe“ richtet sich gegen Götzendienst, das Herstellen und Anbeten von den Götzen, deren Babylon sich rühmte. Aber der Götze und sein Anbeter werden zusammen in der Stunde des Zornes des HERRN vernichtet werden. Er allein ist Gott über alles und alle, in Ewigkeit gepriesen, jetzt offenbart im Fleisch in unserem Herrn Jesus Christus.

Vers 20

Hab 2,20: Aber der HERR ist in seinem heiligen Palast: Schweige vor ihm, ganze Erde!

Wenn Er spricht, muss der Mensch zuhören und sich in Unterordnung vor Ihm und seinem Wort beugen. So hat Habakuk Gottes Stimme gehört, und seine angstvollen Fragen schwinden. Sein Herz ist zur Ruhe gekommen, und seine Seele ist in Ehrfurcht vor der Majestät der Herrlichkeit des HERRN. Dass wir doch alle solch einen gezüchtigten und demütigen Geist hätten!


Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Habakkuk“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Anne Brust

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Die verwendete deutsche Elberfelder Übersetzung, CSV, gibt diesen Gedanken so nicht wieder, wenn sie übersetzt: „damit man es geläufig lesen könne“. Im Englischen heißt es in Habakuk 2,2: „that he may run that readeth it“ (= damit der, der es liest, laufen möge).

[2] Anm. d. Red.: Die verwendete King-James-Übersetzung hat: „Woe to him that coveteth“ (= Wehe dem, der begehrt).


Note from the editors:

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