Der hebräische Knecht: ein Bild des Herrn Jesus
2. Mose 21,2-6

Philipp-Richard Schulz

© P.-R. Schulz, online: 03.02.2019, updated: 17.01.2021

Leitverse: 2. Mose 21,2-6

Einleitung

Viele haben gesagt – und das auch zu Recht –, dass dieser Abschnitt aus dem zweiten Buch Mose ein wunderschöner Hinweis auf unseren Herrn Jesus ist. Nun weiß vielleicht der ein oder andere den Text gar nicht so richtig einzuordnen, wenn er beispielsweise in der Mahlfeierstunde gelesen wird. Mir ging es zumindest immer wieder so. Wer ist denn nun eigentlich der Knecht in diesem Bild, und was heißt es, dass er frei ausgehen darf? Wer ist der Herr? Und was hat die Geschichte mit der Frau eigentlich zu bedeuten?

Diese oder ähnliche Fragen können im Zusammenhang mit dem Text leicht auftauchen – und das auch durchaus zu Recht. Schließlich passen, wie bei vielen anderen Bildern im Alten Testament, nicht alle Details hundertprozentig auf die Erfüllung im Neuen Testament.

Wir wollen deshalb im Folgenden den Text untersuchen und dabei all die Dinge herausarbeiten, die sich so herrlich in unserem Herrn Jesus erfüllt haben.

An dieser Stelle gilt es sicherlich zunächst zu klären, welche Entsprechung die Personen aus unserem Text im Neuen Testament haben. Dabei werden wir feststellen, dass die Übertragung anhand dieses ersten Verses nicht völlig eindeutig geschehen kann. Später werden wir allerdings sehen, dass es tatsächlich nur eine einzige mögliche Deutung dieses Abschnittes gibt.

Gleich zu Beginn sollten wir uns klarmachen, dass der „Knecht“ ein Vorbild auf unseren Herrn Jesus und der „Herr“ ein Vorbild auf Gott den Vater ist. Dies wird, wie gesagt, im ersten Vers allerdings nicht unmittelbar deutlich. War der Hebräer durch eigenes Verschulden dazu gezwungen, sich als Knecht zu verkaufen, so ist uns sehr klar, dass davon bei unserem Herrn Jesus nicht die Rede sein kann. Keine äußeren Umstände konnten in irgendeiner Weise derart Druck auf Ihn ausüben, dass Ihm nur der Weg in ein Leben als Knecht geblieben wäre. Vielmehr sehen wir bei dem Herrn Jesus eine ungleich herrlichere Grundlage dafür, Diener zu werden: Er tat es freiwillig, Er wollte ein Diener für seinen Gott sein.

Der Kontext des Abschnitts

Gott hatte dem Volk gerade die Zehn Gebote gegeben, und das Ergebnis war: „Das ganze Volk nahm die Donner und die Flammen und den Posaunenschall und den rauchenden Berg wahr. Und als das Volk es wahrnahm, zitterten sie und standen von fern; und sie sprachen zu Mose: Rede du mit uns, und wir wollen hören; aber Gott möge nicht mit uns reden, dass wir nicht sterben! … Und das Volk stand von fern; und Mose nahte dem Dunkel, wo Gott war“ (2Mo 20,18-21).

Schon jetzt brachte das Gesetz das Volk in Entfernung von Gott, und diese Entfernung würde schnell größer werden. Bei dem goldenen Kalb ist es dann schon so weit, dass Gott das Volk vernichten will, weil sie gegen das Gesetz gesündigt haben (2Mo 32,7-10). Und mit dem Gesetz allein wäre niemand in der Lage, auf Dauer in der Gegenwart Gottes zu sein, weil kein Mensch fähig ist, Gottes vollkommene Forderungen völlig zu erfüllen. Daher ist es so schön, zu sehen, wie schnell der Herr sich einem ganz anderen Thema zuwendet. Auch wenn Er den Platz des Schöpfers mit seinen Anrechten an seine Geschöpfe und ihren Gehorsam beibehält (2Mo 20,22b.23), so zeigt Er doch gleich, dass Er die Entfernung nicht will und den Menschen nahekommen und sie segnen möchte (2Mo 20,24). Und Er zeigt auch sogleich, wie das gelingen soll. Und so werden uns nun vier Aspekte des Todes Christi aufgezeigt:

  1. Es wird einen Altar geben und Brandopfer (2Mo 20,24). Das Brandopfer, das völlig auf dem Altar verzehrt wurde und von dem niemand essen konnte, symbolisiert, dass der Herr Jesus in seinem Tod zum völligen Wohlgefallen Gottes war und Gottes Forderungen ganz erfüllt hat. Weil also der Herr Jesus als Brandopfer Gott vollkommen verherrlicht hat, kann Gott Menschen jetzt unabhängig vom Gesetz segnen.

  2. Dann sehen wir zweitens den hebräischen Knecht (2Mo 21,2-6). Wenn es vorher zunächst um die Vollkommenheit des Opfers ging, dann geht es jetzt um die Vollkommenheit des Dienstes und wie auch diese weit über das Gesetz hinausgeht. Das Gesetz forderte sechs Jahre Dienst; danach könnte der Knecht frei ausgehen: Er braucht nur sechs Jahre zu dienen. Das Gesetz hätte den Herrn Jesus nicht im Dienst halten können, denn Er hat voll und ganz allen Forderungen des Gesetzes entsprochen. Doch seine Liebe geht darüber hinaus und beweist sich im Tod.

  3. Das dritte Vorbild vom Tod des Herrn finden wir im Zusammenhang mit der Magd im folgenden Abschnitt (2Mo 21,7-11). Sie ist ein Bild von Israel, das seinem Herrn nicht gefallen und in jeder Prüfung versagt hat. Die Magd durfte nicht so einfach gehen. Doch dann lesen wir etwas von Lösegeld (2Mo 21,8). Und wir wissen, wer das Lösegeld bezahlt hat und wo es bezahlt wurde: vom Herrn Jesus auf dem Kreuz auf Golgatha. Doch es geht noch weiter: Aus der Magd wird eine Tochter (2Mo 21,9), weil der Herr sie mit seinem Sohn verbindet. Welch eine Gnade für Israel: Alles verdorben und doch wird das Lösegeld gezahlt und sie wird die Frau des Sohnes! Dann ist im nächsten Vers noch von einer anderen Frau die Rede (2Mo 21,10). Wenn der Herr Jesus noch eine Beziehung zu seiner Versammlung als seine himmlische Braut haben wird, dann wird das jedoch nichts von dem Anteil Israels, seiner irdischen Braut, wegnehmen.

  4. Das vierte Bild vom Totschläger aus Versehen (2Mo 21,12.13) ist ebenfalls bewegend: In Vers 12 sehen wir, dass Israel nicht nur das Gesetz gebrochen – nämlich das Gebot, nicht zu töten (2Mo 20,13) – und so Gottes Missfallen auf sich gezogen hatte (2Mo 21,8), sondern sie hatten auch eine furchtbare Blutschuld auf sich geladen. Jetzt sehen wir, dass Gott auch dafür Vorsorge getroffen hatte: Der Totschläger durfte in eine Zufluchtsstadt fliehen, wenn er die Tat aus Unwissenheit begangen hatte. Und das Wunderbare ist, dass Gott den Juden den Mord an Christus als Unwissenheit zurechnet, wie Petrus sagt: „Ich weiß, dass ihr es in Unwissenheit getan habt, wie auch eure Herrscher“ (Apg 3,13). Was für eine Antwort der Gnade auf die Fürsprache des Herrn am Kreuz! „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34).

So zeigen uns diese vier Bilder, direkt nachdem die Zehn Gebote gegeben worden waren, was Gott eigentlich im Sinn hatte: Er wollte seinem Volk nahe sein, Er wollte es bei sich haben, und Er würde durch den Tod des Herrn Jesus jedes Problem lösen und sein Volk unendlich segnen.

Freiheit nach vollbrachtem Dienst

Wir wollen jetzt unseren Abschnitt Vers für Vers betrachten.

2Mo 21,2: Wenn du einen hebräischen Knecht kaufst, soll er sechs Jahre dienen, und im siebten soll er frei ausgehen, umsonst.

Ein Hebräer hatte einen seiner Volksgenossen als Knecht erworben. Wer einen Knecht kauft, erhofft sich von ihm wohl hauptsächlich eines: nämlich dass dieser ihm dient und die Arbeiten ausführt, die ihm aufgetragen werden. Sehr erschreckend ist die Tatsache, dass es im erlösten Gottes Volk überhaupt solche gab, die sich als Knechte verkaufen mussten, um überleben zu können. Da mochten Schulden sein, die auf normalem Weg nicht zu begleichen waren, so dass die einzige Möglichkeit, um die Schulden zu begleichen, war, sich selbst mit seiner Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und die eigene Freiheit und Selbständigkeit aufzugeben.

Wir hatten bereits kurz die Beweggründe des „Herrn“, einen Knecht zu erwerben, angesprochen: Sein Ziel war es, dass jemand da war, der seinen Willen erfüllte und die von ihm angedachte Arbeit verrichtete. So ist es auch der Wille Gottes, dass da solche wären, die in jeder Situation Ihm gehorchen und seinen Willen ausführen. Nur war in den tausenden Jahren der Menschheitsgeschichte nicht ein einziges Mal ein solcher Knecht zu finden. Und so „kaufte“ Gott sich einen Mann „von dessen Jugend an“ (Sach 13,5b), damit dieser Ihm als vollkommener Knecht dienen möge.

Nach dem Gesetz war der Dienst eines Knechtes zeitlich klar begrenzt. Es handelte sich um ein Dienstverhältnis mit einer Länge von maximal sechs Jahren. So war es auch bei unserem Herrn. Der Umfang und die Dauer seines Dienstes standen von Anfang an fest. Seine Aufgaben waren festgelegt und ein Ende war abzusehen. Und als Knecht tat Er während dieser Zeit alles, was sein Auftrag beinhaltete.

Nachdem der Knecht seinen Dienst erfüllt hatte, sollte er im siebten Jahr in die Freiheit entlassen werden. Dabei sollte sein Herr ihn nicht leer fortschicken, sondern ihm Geschenke mitgeben (5Mo 15,12-14), damit der Knecht in der Lage wäre, sich eine eigene, neue Existenz aufzubauen. Alles, was ihm vor seiner Knechtschaft gehört hatte (besonders wird hier seine Frau erwähnt), sollte er mitnehmen. „Umsonst“ – das heißt, ohne sich freikaufen zu müssen, ohne Kaution zu hinterlegen, ohne einen Verlust seinerseits – sollte er ziehen dürfen. Nichts sollte ihn halten. Nichts sollte ihm seine Freiheit nehmen oder verderben können.

Mit diesem Gedanken wollen wir uns einen Moment beschäftigen. Wir wollen ja weiterhin die Frage beantworten, was die Anweisungen des Textes denn mit unserem Herrn zu tun haben.

Völlig frei sein, keine Verpflichtungen haben, nicht zu etwas gezwungen werden können, nicht gehorsam sein müssen, eigene Entscheidungen treffen dürfen – all das war der Zustand des Knechtes nach seiner Entlassung.

Genau hier haben wir die Parallele zu unserem Herrn Jesus Christus:

Nachdem der Herr Jesus hier auf der Erde etwas mehr als dreißig Jahre gelebt und gedient hatte, war Er frei auszuziehen, ohne sterben zu müssen. Der Herr hatte sowohl als Kind als auch als Jugendlicher und auch in seinem Leben als erwachsener Mann vollkommen gedient. Ob im Verborgenen oder in der Öffentlichkeit, immer hatte Er den Willen seines Herrn (des Vaters) vollkommen ausgeführt. Er war einzigartig vor allen Menschen, denn nie hatte Er sich etwas zuschulden kommen lassen, keiner konnte Ihn einer Sünde überführen. Auch hatte Er, im Gegensatz zu allen anderen Menschen, die Sünde nicht in sich. So war Er vollkommen frei, um nach dem vollbrachten Dienst zu seinem Vater zurückzukehren und das zu besitzen, was Er schon vor Grundlegung der Welt besessen hatte. Niemand konnte Ihn halten, keiner hatte ein Anrecht auf Ihn – noch nicht einmal der Tod! Was für einen herrlichen Herrn haben wir! Wie vollkommen ist Er! Wie großartig ist Er in sich selbst!

Interessant ist, dass die Fußnote in der Elberfelder Übersetzung (Edition CSV) zu 2. Mose 21,3 sagt, dass hier für „allein“ wörtlich steht: „mit seinem Leib“. Wenn der Herr Jesus also „nicht allein ausgehen“ wollte, dann heißt es wörtlich: Er wollte nicht „mit seinem Leib“, ausgehen. Das heißt: Entweder Er ging so, wie Er war, „mit seinem Leib“ frei aus oder Er konnte Gemeinschaft mit seiner Frau haben. – Das erinnert uns an die rührende Szene im Obersaal, wo der Herr Jesus als Vermächtnis das Brot gibt und sagt: „Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird“ (Lk 22,19). Der Herr hätte mit seinem vollkommenen Körper direkt zu Gott gehen können; aber Er wollte nicht mit seinem Leib ausgehen, Er wollte diesen wunderbaren Leib, in dem Er Gott 33 Jahre lang verherrlicht hatte, für uns geben, für dich und für mich, um mit uns Gemeinschaft haben zu können.

Überhaupt verbinden sich die Worte des Herrn im Obersaal auf erstaunliche Weise mit unserem aktuellen Text. Wir werden das nachfolgend noch an einigen Stellen sehen.

Freiheit um jeden Preis?

2Mo 21,3.4: 3 Wenn er allein gekommen ist, soll er allein ausgehen; wenn er der Ehemann einer Frau war, soll seine Frau mit ihm ausgehen. 4 Wenn sein Herr ihm eine Frau gegeben und sie ihm Söhne oder Töchter geboren hat, so sollen die Frau und ihre Kinder ihrem Herrn gehören, und er soll allein ausgehen.

Der Knecht war also am Ende der sechs Dienstjahre frei und keiner durfte ihn dieser Freiheit berauben. Gab es nun wirklich nichts, was den jetzt freien Knecht halten konnte?

In Vers 4 lesen wir von einem Sonderfall: War der Knecht allein gekommen und hatte er dann im Verlauf der sechs Jahre von seinem Herrn eine Frau bekommen, so sollte diese Frau auch nach seiner Freilassung weiterhin dem Herrn gehören. Der Knecht hätte also alleine gehen und seine Frau und seine Kinder zurücklassen müssen. Eigentlich konnte man als hebräischer Sklave die sechs Jahre lang nur hoffen, bloß nicht verheiratet zu werden.

Was für eine schreckliche Situation! Musste das denn sein? Gab es keinen anderen Weg, dass er zwar frei, aber allein war? Es gab wohl einen Weg (2Mo 21,5.6), aber verbesserte der die Situation?

In welcher Zerrissenheit befand sich der Knecht jetzt erst. Schon Monate vor der eigentlichen Freilassung werden seine Gedanken um diese eine Entscheidung gekreist sein: „Was soll ich tun?“ Sollte er sich für seine eigene (wohlverdiente) Freiheit entscheiden? Sollte er wirklich für immer Diener bleiben und dafür auch noch Schmerzen auf sich nehmen (2Mo 21,6)? Wollte er seinem Herrn weiter dienen? Wenn der Herr freundlich war, vielleicht; aber was, wenn er ein bösartiger Mann war? Konnte er denn die Frau alleine lassen, die er über die Jahre liebgewonnen hatte?

Am Ende dieser schweren Überlegungen steht die wunderschöne Aussage am Anfang von Vers 5: „Wenn aber der Knecht etwa sagt …“ Das Wörtchen „etwa“ bringt die Besonderheit der Entscheidung erst richtig zur Geltung. Was auf dieser Welt konnte einen Menschen dazu bewegen, das aufzugeben, wonach er sich die letzten sechs Jahre gesehnt hatte? Was konnte einen Knecht dazu treiben, zu echter Freiheit nein zu sagen?

Nur eine Sache konnte den Knecht zu einer solchen Entscheidung bewegen – wahre Liebe. Gab es auch nichts Äußeres, das den Knecht halten konnte/durfte, so waren doch die Gefühle seines Herzens stark genug, ihn zu einer solch weitreichenden Entscheidung zu bewegen.

Wie wunderbar sprechen diese Gedanken von unserem Herrn Jesus! Er, der Eine, der wirklich frei war, entschied sich, zu leiden und ewig Knecht zu sein. Die Worte aus dem Philipperbrief passen sehr genau in diese Situation: „Da [Jesus Christus] in Gestalt Gottes war, achtete er es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an“ (Phil 2,6.7). Warum tat Er das? Die Antwort kann nur sein: „Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder“ (2Mo 21,5).

„Ich liebe meinen Herrn“

2Mo 21,5: Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn …

Der erste Beweggrund für den Knecht, sich auf ewig zum Dienst zu verpflichten, sollte die Liebe zu seinem Herrn sein. Das ist bemerkenswert. Wir würden vielleicht gedacht haben, dass die Liebe zu seiner Frau das stärkste Argument darstellte. Dieser Teilsatz lässt eines deutlich werden: Das Gebot wurde nicht nur gegeben, weil es eine Anweisung sein sollte, wie das Volk Israel handeln sollte – dass sie nämlich Gott, ihren Herrn, lieben sollen –, sondern es wurde mit viel tieferen Gedanken geschrieben. Wie viele Knechte wird es wohl in den über tausend Jahren unter dem Gesetz gegeben haben, die ihren irdischen Herrn so sehr liebten, dass sie ihm freiwillig für immer dienen wollten? Wir können wohl davon ausgehen, dass es keinen gab, oder wenn doch, dann nur sehr, sehr wenige. Aber können wir uns vorstellen, dass jemandes Liebe zu seinem Herrn größer war als die Liebe zu seiner Frau? In der Aussage des Knechtes kommt ja zuallererst die Liebe zu seinem Herrn zum Ausdruck: „Ich liebe meinen Herrn.“ Wenn Menschen diesen ganzen Abschnitt, nämlich dieses Gebot bezüglich des hebräischen Knechtes, geschrieben hätten, dann hätten sie die Reihenfolge sicher nicht so gewählt. Dann hätte es geheißen: „Ich liebe meine Frau und meine Kinder und meinen Herrn.“

Daraus wird eines deutlich: Das Gebot ist im Hinblick auf einen besonderen Menschen geschrieben worden, einen Menschen, bei dem die Liebe zu seinem Herrn wirklich an erster Stelle kam. Die Anweisung wurde uns (bzw. damals den Israeliten) im Hinblick auf unseren Herrn Jesus gegeben, damit wir in der Lage sind, sein Handeln, sein Entscheiden ein bisschen besser zu verstehen. Denn diese Reihenfolge beschreibt sehr treffend, was den Herrn Jesus dazu trieb, nicht frei ausgehen zu wollen. Wir reden oft und gern von der Liebe des Herrn zu uns Menschen – und das sicherlich auch aus gutem Grund –, aber für den Herrn nahm etwas anderes den ersten Platz ein: Die Liebe zu seinem Gott und Vater war es zuallererst, die Ihn dazu brachte, sich für immer zum Dienst zu verpflichten. Wir spüren etwas von dieser Liebe des Sohnes zum Vater, wenn Er, als Er in die Welt kommt, spricht: „Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun“ (Heb 10,7).

Wie bewegend, zu sehen, dass der Sohn den Vater so liebte, dass Er sein eigenes Wohlbefinden in den Hintergrund stellte und dass Er auf diese Erde kam, litt und starb, um den Willen seines Vaters völlig auszuführen. Wieder können wir hierbei an die Worte des Herrn im Obersaal denken, als Er sagt, dass Gott jetzt verherrlicht ist (Joh 13,31). Ein weiterer Vers aus dem Johannesevangelium bringt so die Liebe des Herrn zu seinem Vater zum Ausdruck. Johannes 14 passt an dieser Stelle genau auf das Bild des hebräischen Knechtes: „Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir; aber damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und so tue, wie der Vater mir geboten hat“ (Joh 14,30.31). Unserem Herrn Jesus gebührt dafür alle Ehre!

„Ich liebe meine Frau“

2Mo 21,5: Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe … meine Frau …

Es fällt uns sicherlich nicht schwer, eine Entsprechung für diese „Frau“ zu finden. Zunächst können wir an Jerusalem denken, die irdische Braut Christi. Auch sie wird die Zeichen der Liebe Christi zu ihr einmal sehen, denn wenn sie fragen werden: „Was sind das für Wunden in deinen Händen?, so wird er sagen: Es sind die Wunden, womit ich geschlagen worden bin im Haus derer, die mich lieben. Schwert, erwache gegen meinen Hirten und gegen den Mann, der mein Genosse ist!, spricht der HERR der Heerscharen“ (Sach 13,6.7).

Aber es gibt noch eine andere Entsprechung für diese „Frau“: In Epheser 5 lesen wir einen Vers, der sehr klare Parallelen zu unserem aktuellen Text enthält: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25).

Einige Leser werden jetzt vielleicht anmerken, dass diese Parallele doch nicht ganz so eindeutig sei. Und tatsächlich kommt das Bild aus 2. Mose an dieser Stelle an seine Grenzen, denn bei uns war es nicht so wie mit der Frau des Knechtes damals, die ja demselben Herrn gehörte wie der Knecht selbst: Wir als einzelne Gläubige dienten nicht dem gleichen Herrn wie unser Bräutigam, sondern der Sünde; wir waren Sklaven Satans. Im Gegensatz zu der Schilderung in 2. Mose 21 war für unseren Herrn also noch gar keine Frau in dem Sinne vorhanden: Sie (nämlich die Versammlung) existierte ja noch nicht. Sie war in den Gedanken Gottes da, und auch unser Herr hatte sie vor Augen. Zum Zeitpunkt seiner Hingabe aber war sie verstreut und weit entfernt von Ihm. Unser Herr musste uns als Gläubige zunächst von der Knechtschaft eines anderen Herrn freikaufen, damit wir Diener seines Gottes werden konnten, und als solche bilden alle Gläubigen nun seine Versammlung, seine Braut. Christus liebt seine Frau, die Versammlung, mit einer solchen Liebe, dass diese Liebe Ihn dahin brachte, sich völlig für sie hinzugeben. Wie großartig erfüllt sich das alttestamentliche Schattenbild in diesem Vers. Wie groß die Liebe des Herrn zu seiner Versammlung ist, sehen wir an dem Preis, den Er bezahlt hat, um für immer mit ihr Gemeinschaft haben zu können.

Der Knecht im zweiten Buch Mose musste sich das Ohr durchbohren lassen; unser Herr gab sich völlig hin. Das Ohr steht dabei hier sinnbildlich für eine zentrale Eigenschaft eines guten Knechtes: Die Ohren sind zum Hören da. Aufnahmefähigkeit über die Ohren ist Voraussetzung für Gehorsam. Ein Knecht, der taub ist, ist nur halb so nützlich. Noch schlimmer sind solche, die zwar Ohren haben, aber nicht hören (vgl. Hes 12,2). Ließ ein Knecht sich das Ohr durchbohren, so war für alle sichtbar, dass er dieses Organ des Gehorsams für immer der Macht eines anderen unterstellt hatte.

Bei unserem Herrn steht das Ohr noch für einen tieferen Sinn als bei den Menschen im Allgemeinen. Wir lesen in Psalm 40, dass dem Herrn Ohren bereitet wurden, in der Septuaginta (griech. Übersetzung des AT) wird an derselben Stelle davon gesprochen, dass dem Herrn ein Leib bereitet wurde. Aus der Septuaginta zitiert im Übrigen auch der Schreiber des Hebräerbriefes in Kapitel 10 (Heb 10,5). Was macht diese Verbindung deutlich? Eines der kennzeichnendsten Dinge in der Menschwerdung (Fleischwerdung) unseres Herrn Jesus war, dass Er Ohren hatte, das heißt, dass Er von nun an gehorsam sein konnte, wollte und musste. Das war vorher in seiner Gottheit nie der Fall gewesen. Doch nach seiner Menschwerdung „lernte er Gehorsam“ (Heb 5,8). Es ist schon sehr bedeutsam, dass der Schreiber des Hebräerbriefs wie gesagt aus der Septuaginta und nicht aus dem hebräischen Text zitiert. Er bestätigt damit die Bedeutung von Psalm 40, dass es dort um die Menschwerdung Christi geht, und zeigt gleichzeitig, dass der Gehorsam Christi als Mensch eine so überragende Rolle für Gott spielt, dass sein Leib in Psalm 40 auf das Ohr reduziert wird. Was war es wohl für Gott, endlich einen Menschen zu sehen, der Gottes Willen tat?

Der Herr war darin vollkommen – im Gegensatz zu all jenen, die seit jeher zum Gehorsam verpflichtet waren, nämlich wir als Geschöpfe. Ja, der Herr Jesus sagt prophetisch im Propheten Jesaja, dass Er sich jeden Morgen das Ohr öffnen ließ, um vollkommen auf das zu hören, was der HERR Ihm auftragen würde (Jes 50,4b). Er folgte den Anweisungen und war nicht widerspenstig, sogar dann nicht, als Er geschlagen wurde und man Ihm seine Barthaare ausriss (ausraufte), Ihn an seinem Bart zog (Jes 50,5.6).

Wir sehen also, dass der Gehorsam des Herrn eine ganz besondere Qualität und das Symbol der „Ohren“ bei Ihm eine besonders weitreichende Bedeutung hat.

Alle drei Bibelstellen, die von dem Ohr sprechen, zeigen uns die drei Stationen im Leben des Herrn Jesus als Mensch: seine Menschwerdung in Psalm 40, seinen Wandel in Gehorsam über dieser Erde in Jesaja 50 und sein Leiden des Todes und seine Dienste danach bis in die Ewigkeit, wie wir in 2. Mose 21 noch sehen werden.

Dass der Herr dem Knecht das Ohr durchbohrt, deutet an, dass Gott die Hingabe Christi an den ewigen Dienst angenommen hat. Es war eine Freude für Gott, dass Christus sich selbst dazu hingeben hat, ja nach Gottes Willen. Jetzt trägt der Herr Jesus für immer in seiner eigenen Person sinnbildlich das Zeichen seines Pfandes zum ewigen Dienst – das Loch in seinem Ohr. In alle Ewigkeit werden die Spuren an seinem Leib sichtbar sein, die sein Tod mit sich gebracht hat. Er machte die Jünger nach seiner Auferstehung auf die Male in seinen Händen, seinen Füßen und seiner Seite aufmerksam. Sie sollten diese Male betrachten, so wie auch die Frau und die Kinder das Ohr des Knechtes betrachtet haben werden, als er ihnen das Zeichen seiner Liebe zeigte. Und wenn wir in der Offenbarung von der Zukunft lesen, von der Situation im Himmel, dann sehen wir ein Lamm „wie geschlachtet“ (Off 5,6). Also werden wir auch dort die Zeichen an seinem Leib sehen, die Zeichen, die von der Größe der Liebe Zeugnis geben, mit der Er uns geliebt hat.

In Jesaja 53,5 lesen wir: „Um unserer Übertretungen willen war er verwundet [oder: durchbohrt], um unserer Ungerechtigkeit willen zerschlagen.“ Der Knecht damals musste „vor die Richter gebracht“ werden (2Mo 21,6); unser Herr erschien, mit unseren Missetaten beladen, vor dem einzig wahren und vollkommen gerechten Richter. Wie unendlich groß ist die Liebe des Herrn Jesus zu uns! Für solche Hingabe gebührt Ihm alle Ehre.

Der Wunsch des Knechtes war, bei seiner Frau sein zu können. Er wollte lieber für immer auf seine Freiheit verzichten, als ohne sie sein zu müssen. Der Herr Jesus drückt diesen Gedanken selbst so aus, wenn Er sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,24). Der Tod war nötig, damit frohe Gemeinschaft möglich war, und wir konnten, ebenso wenig wie die Frau des Knechtes, nichts dazu beitragen. Es lag einzig und allein in der Macht des Knechtes, Gemeinschaft zu schaffen oder auf ebendiese Gemeinschaft zu verzichten.

So wie der Knecht sich damals aus Liebe dazu entschloss, seinem Herrn zu „dienen auf ewig“ (2Mo 21,6), so dient auch unser Herr für ewig. Im Moment tut Er das, indem Er sich auf verschiedene Weise für uns verwendet (als Hoherpriester nach Heb 4,14.15, als Sachwalter nach 1Joh 2,1). Außerdem will Er auch seinen Jüngern heute noch jeden Tag die Füße waschen, damit wir die himmlische Gemeinschaft erleben können (Joh 13). Auch in dieser Hinsicht finden wir also wieder einen Zusammenhang mit den Geschehnissen im Obersaal.

Und selbst an dem Tag, wenn wir durch seine Gnade das Ziel erreicht haben, will unser Herr uns weiterhin dienen. Wir finden das so rührend in Lukas 12 vorgestellt. Dort sagt der Herr Jesus selbst: „Glückselig jene Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend finden wird! Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich umgürten und sie sich zu Tisch legen lassen und wird hinzutreten und sie bedienen“ (Lk 12,37). Wie groß ist unser Herr, wie vollkommen ist Er, der ewige Diener; wie ausdauernd und hingebungsvoll führt Er seine Aufgabe aus, und wie entschieden steht Er zu seiner Entscheidung!

Einen letzten Gedanken noch zu der „Frau“. Wir lesen: „Wenn sein Herr ihm eine Frau gegeben … hat …“ (2Mo 21,4). Wir haben schon gesehen, dass der „Herr“ in unserem Bibelabschnitt ein Bild für Gott den Vater ist. Wie großartig ist auch hier die Entsprechung im Neuen Testament: Im Herzen des Vaters war es vor Grundlegung der Welt, Menschen zu erretten, die dem Sohn als „Frau“ gehören sollen (s. Eph 1,4.22; 5,22.23). Gott der Vater wollte nicht, dass der verherrlichte Mensch Jesus Christus „allein“ bliebe; Er wollte Ihm eine Frau geben, die Ihm entspricht. Wie erhaben sind diese Gedanken. Der Herr Jesus selbst bringt es mehrfach zum Ausdruck, dass die Gläubigen Ihm vom Vater gegeben sind (Joh 17,6.9.10.24). Wer kann das fassen, dass der Sohn solches Gefallen an dieser bereiteten Frau hat, dass Er bereit war, sich ganz für sie zu geben? Lasst uns beten, dass unsere Herzen diese Liebe, die Zuneigung, diese Hingabe mehr und mehr verstehen.

„Ich liebe meine Kinder“

2Mo 21,5: Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe … meine Kinder …

Aber wir lesen auch, dass der hebräische Knecht seine Kinder liebt. Es ist zwar klar, dass wir nicht die Kinder des Herrn Jesus sind. Aber es wird doch in diesem Bild deutlich, dass der Herr Jesus nicht nur zu seiner Braut eine Beziehung hat. In der Braut sehen wir die Gesamtheit aller Gläubigen, in den Kindern hingegen, dass der Herr auch eine persönliche Beziehung zu uns als Einzelpersonen hat. Da gehen wir in der großen Masse derer, die zur Braut des Herrn gehören, nicht unter.

So wie der Knecht damals zu jedem einzelnen Kind eine besondere Beziehung der Liebe hatte, so hat der Herr Jesus auch zu jedem Einzelnen von uns eine persönliche Beziehung der Liebe, nicht nur zu seiner Versammlung im Ganzen. Paulus wusste, dass „der Christus die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Doch wie sehr bewegte ihn der Gedanke, dass der Herr ihn persönlich liebte: „Der Sohn Gottes hat mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben“ (Gal 2,20). Diese Tatsache können wir in den „Kindern“ des hebräischen Knechtes vorgeschattet sehen. Auch wenn wir wissen, wie groß der Wert der Versammlung als Braut Christi ist, so ist es doch ebenso wertvoll, wenn wir mit Margret Birkenfeld auch singen können: „Für mich gingst du nach Golgatha, für mich hast du dich lassen schlagen, für mich ertrugst du Spott und Hohn…, für mich warst du von Gott verlassen.“

Den Gedanken, dass der Herr den einzelnen Gläubigen gesehen hat und liebt, finden wir in Johannes 13 in der Begebenheit im Obersaal wieder. Johannes erklärt, dass der Herr wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus der Welt zu dem Vater hinzugehen: „Indem er die Seinen liebte, liebte er sie bis ans Ende“ (Joh 13,1). Der Herr füllt wirklich alle Feinheiten dieses alttestamentlichen Bildes völlig aus.

An dieser Stelle möchte ich noch kurz auf eine bewegende Tatsache aufmerksam machen: Wie unglaublich groß ist es, dass der ewige Gott sich uns in solchen Bildern mitteilt, die wir verstehen können: seine Gedanken, die weit höher sind als unsere Gedanken, sowie seine Empfindungen und Beweggründe, die wir wegen der Erhabenheit Gottes nicht im Geringsten nachvollziehen oder nachempfinden können! Damit wir etwas von Gottes Gedanken und von den Beweggründen unseres herrlichen Herrn begreifen, ja nachempfinden können, verwendet der ewige Gott Bilder aus dem Leben von uns Menschen. Er schildert sie so, dass wir uns ohne große Probleme mit unserem begrenzten Verstand und unserem begrenzten Empfindungsvermögen in die Situation hineinversetzen und mitfühlen können. Der Unendliche, Unergründliche findet Bilder, damit wir erbärmliche, beschränkte Menschen an seinen Empfindungen teilhaben, ja einen Blick in sein Herz werfen können.

Wie groß ist sein Erbarmen, wie weit neigt Er sich herab, wie groß muss seine Liebe sein!

Warum der Text von dem Herrn Jesus spricht

In diesem Abschnitt möchte ich noch einmal besonders darauf eingehen, warum ich der Überzeugung bin, unser Abschnitt aus 2. Mose 21 ein Hinweis auf unseren Herrn Jesus ist.

Dabei möchte ich eines besonders deutlich hervorheben: Dass ein Bild an einigen Stellen nicht bis ins letzte Detail mit der Erfüllung übereinstimmt, darf uns nicht dazu verleiten, zu sagen, dieser ganze Abschnitt spreche nicht von unserem Herrn Jesus Christus. Dafür einige Gründe:

  1. Der gesamte Abschnitt passt ohne jegliches Verdrehen oder Umdeuten auf die Person unseres Herrn und auf sein erstes Kommen auf diese Erde – außer dass für unseren Herrn die Frau in dem Sinne noch nicht vorhanden war, wie wir bereits oben gesehen haben. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass viele Bilder im AT aus dem Lebensalltag kommen und auch zunächst für das Leben der Menschen damals relevant waren.
  2. Wie oben bereits angedeutet, wäre eine bloße Anwendung auf das praktische Leben des Volkes Israel allerdings sehr kurz gegriffen (vgl. das Kapitel „Ich liebe meinen Herrn“) und entspräche nicht dem sonstigen Charakter der Schrift.
  3. Dieser dritte Punkt ist aus meiner Sicht der, der am deutlichsten dafür spricht, dass wir den Abschnitt als ein herrliches Bild auf unseren Herrn sehen dürfen.

Fast alle Bilder im Alten Testament (die Opfer; das Opfer Davids nach der Volkszählung usw.) beschäftigen sich mit einem bestimmten Aspekt des Opfers unseres Herrn Jesus Christus, seines Lebens oder seiner Eigenschaften und Beweggründe. Es gibt in der ganzen Welt kein Bild, das umfassend genug wäre, um den herrlichen Dienst, das herrliche Werk und das großartige Wesen unseres Herrn angemessen zu beschreiben. Deswegen bedient Gott sich verschiedener Bilder, in denen Er immer andere Schwerpunkte setzt, damit wir jeweils einen bestimmten Aspekt im Zusammenhang mit Wesen, Wirken und Sterben unseres Herrn bestaunen können. So haben wir in unserem Bibelabschnitt beispielsweise deutlich den Schwerpunkt auf der freiwilligen Hingabe aus Liebe gesehen, während in 2. Samuel 24 zum Ausdruck kommt, dass der Herr uns vertreten hat und sich dazu unsere Sünden anrechnen ließ.

Wie im zweiten Abschnitt („Der Kontext des Abschnittes“) beschrieben, macht auch der Kontext sehr deutlich, dass es in diesem Abschnitt um unseren Herrn Jesus geht.

Insofern wäre es ein gravierender Verlust, wenn wir alttestamentliche Bilder sofort fallenlassen, weil ein bestimmter Punkt scheinbar nicht dazu passt. Wir würden uns damit selbst der Mittel berauben, die Gott uns gegeben hat, damit wir Stück für Stück das umfassende Werk unseres Herrn Jesus Christus verstehen. Es ist ja gerade Gottes Interesse, dass wir mit Ihm gemeinsam über den Herrn staunen. Es wäre übrigens ein Leichtes, in jedem Vorbild, egal wo, etwas zu finden, was scheinbar nicht passt. Auch in den Gleichnissen gibt es Elemente, die nicht zu übertragen sind. (Nehmen wir als Beispiel das Gleichnis vom ungerechten Verwalter: Wir sollen nun bestimmt nicht lernen, ungerecht zu sein und Geld unseres Arbeitgebers zu veruntreuen!)

Die Reaktion der „Frau“

Auch wenn allein die Betrachtung unseres Herrn Jesus Christus in diesem Bild Nahrung genug für die Seele wäre, so wollen wir doch noch einige praktische Anwendungen für unser Glaubensleben aus diesem alttestamentlichen Abschnitt ziehen.

Wir lesen im zweiten Buch Mose nichts von der Reaktion der Frau. Aber wir können doch davon ausgehen (und wir hoffen es außerdem), dass die Frau sich über diesen Liebesbeweis ihres Mannes zutiefst gefreut hat. Brachte diese Liebestat doch unverkennbar zum Ausdruck, wie wertvoll sie ihrem Mann war. Die einzig angebrachte Reaktion auf solche Hingabe konnte nur innige Wiederliebe und freudiger Gehorsam sein, um den zu ehren und zu erfreuen, der sich so nach ihr gesehnt hatte. Wie wird die Frau versucht haben, ihrem Mann jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und ihn so schnell wie möglich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auszuführen.

Die Übertragung auf unser Leben als Christen und als Versammlung fällt nicht sehr schwer. Was könnte angebrachter sein, als dass wir nun unsererseits unsere Liebe zu unserem Herrn durch Hingabe und Gehorsam zum Ausdruck bringen? Bringen wir es denn über das Herz, den zu verletzen, der alles gab, was Er hatte, um uns als seine „Frau“ zu besitzen? Ist es unser oberstes Ziel, Ihm gehorsam zu sein und seinen Willen ohne Kompromisse zu leben? Wie sieht es damit in meinem, in deinem Leben aus? Es ist beschämend, festzustellen, dass es uns viel zu oft eine Last ist, unseren herrlichen Erlöser durch unser Handeln zu erfreuen.

In einem Lied heißt es: „Nun machen unsre Jubelchöre die Größe deiner Liebe kund.“ Oft denke ich: Wenn die Liebe des Herrn wirklich nur so groß wäre, wie es unsere Jubelchöre (nicht nur die gesungenen, sondern auch die gelebten) zeigen, dann wäre das armselig. – Wie sehr haben wir es nötig, die Liebe „unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus“ (Tit 2,13) anzuschauen, unser Herz für sie zu öffnen und sie in uns wirken zu lassen!

Liebe Geschwister, lasst uns neu den Einen mit ganzem Herzen und ganzer Hingabe lieben, der sich so sehr nach Gemeinschaft mit uns gesehnt hat, dass Er seine eigene Freiheit dafür aufgab.


Note from the editors:

The SoundWords editorial team is responsible for the publication of the above article. It does not necessarily agree with all expressed thoughts of the author (except of course articles of the editorial staff) nor would it like to refer to all thoughts and practices, which the author represents elsewhere. “But examine all things, hold fast the good” (1Thes 5:21).—See also „On our own account ...

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