Einleitung
Das Lukasevangelium stellt den Herrn Jesus Christus als den Sohn des Menschen dar, der in himmlischer Gnade unter den Menschen wirkt. Es ist eines der drei sogenannten „synoptischen“ Evangelien – Matthäus und Markus sind die beiden anderen. Sie werden so genannt, weil sie einen einfachen Überblick oder eine Zusammenfassung des Dienstes des Herrn geben, während das Johannesevangelium dies nicht tut. Abgesehen von den Kapiteln zwei, vier und sechs konzentriert sich Johannes ausschließlich auf die Ereignisse im Leben und Wirken des Herrn in Jerusalem.
Was das Lukasevangelium kennzeichnet, ist nicht die offizielle Herrlichkeit des Herrn als der Messias und der König Israels, wie ihn Matthäus in seinem Evangelium darstellt. Es stellt uns auch nicht – so wie Markus – die Herrlichkeit des Herrn als großer Prophet beziehungsweise Knecht vor Augen, den Gott in die Welt zu senden verheißen hatte. Ebenso wenig betont es die Eigenschaften der göttlichen Natur in Christus, dem Sohn Gottes, wie das Johannesevangelium. Es stellt uns vielmehr die moralische Herrlichkeit des Herrn als Sohn des Menschen vor Augen, das heißt die moralische Vollkommenheit seines Wandels und seiner Wege als Mensch.
Während Matthäus eine dispensationale Ordnung und Markus eine chronologische Ordnung hat, folgt Lukas einer moralischen Ordnung. Auch wenn es nicht immer so aussieht, schreibt er „der Reihe nach“ (Lk 1,3), indem er oft Dinge aus ihrer historischen Abfolge herausnimmt und sie in einer moralischen Ordnung zusammenfasst. Er tut dies, um uns bestimmte praktische Lehren aus dem Leben und Dienst des Herrn zu vermitteln.
Der Verfasser – Lukas
Lukas, „der geliebte Arzt“, wie ihn der Apostel Paulus nennt (Kol 4,14 „Es grüßt euch Lukas, der geliebte Arzt, und Demas.“), ist der göttlich inspirierte Verfasser dieses Evangeliums. Er ist der einzige nichtjüdische Verfasser der Bibel. Das geht aus seinem Namen hervor, der griechischen Ursprungs ist, und auch aus der Art und Weise, wie der Apostel Paulus in Kolosser 4 von ihm spricht. Indem Paulus die Grüße seiner Mitarbeiter an die Gläubigen in Kolossä weiterleitet, spricht er von zwei Gruppen von Gläubigen: von denen, die aus der Beschneidung (Juden) gerettet wurden, und von denen, die nicht aus der Beschneidung (Heiden) gerettet wurden (vgl. Eph 2,11 „Deshalb erinnert euch daran, dass ihr, einst die Nationen im Fleisch, die Vorhaut genannt werden von der so genannten Beschneidung, die im Fleisch mit Händen geschieht,“). Er zählte Lukas zur zweiten Gruppe.
Lukas steuert zwei lange Bücher zum Kanon der Heiligen Schrift bei: das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte. Diese beiden Bücher machen mehr als dreißig Prozent des Neuen Testamentes aus. Es ist nicht genau bekannt, wann Lukas diesen „Bericht“ (Apg 1,1) schrieb, aber als Paulus seinen ersten Timotheusbrief schrieb, bezeichnete er den Bericht des Lukas als Heilige Schrift und zitierte daraus (Lk 10,7 „In demselben Haus aber bleibt, und esst und trinkt, was sie euch anbieten; denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Geht nicht aus einem Haus in ein anderes.“; 1Tim 5,18 „Denn die Schrift sagt: „Du sollst dem Ochsen, der drischt, nicht das Maul verbinden“, und: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.““). Wir wissen nur, dass Lukas das Evangelium schrieb, bevor er die Apostelgeschichte verfasste (Apg 1,1 „Den ersten Bericht habe ich verfasst, o Theophilus, von allem, was Jesus anfing, sowohl zu tun als auch zu lehren,“).
Obwohl Lukas sehr gebildet (er war Arzt) und kultiviert war (er war ein Freund von Theophilus, einem Mann von hohem gesellschaftlichen Rang), war er ein wahrhaft demütiger Diener des Herrn. Er war ein so bescheidener Mann, dass er bei der Aufzeichnung der Ereignisse in der Apostelgeschichte – einem Werk, an dem er maßgeblich beteiligt war – nicht einmal seinen Namen erwähnte. Er spielt lediglich auf seine Anwesenheit zusammen mit dem Apostel Paulus an, indem er die Pronomen „wir“ und „uns“ verwendet. So war Lukas ein ideales Werkzeug für den Geist Gottes, um den Herrn Jesus in diesem Evangelium als „sanftmütig und von Herzen demütig“ darzustellen (Mt 11,29 „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen;“; 2Kor 10,1 „Ich selbst aber, Paulus, ermahne euch durch die Sanftmut und Milde des Christus, der ich unter euch anwesend zwar demütig, abwesend aber kühn euch gegenüber bin.“; Phil 2,8 „sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“).
Die Zusammenarbeit zwischen Lukas und Paulus begann in Troas, wo er sich der Missionsgruppe des Paulus anschloss, zu der auch Silas und Timotheus gehörten (Apg 16,10 „Als er aber das Gesicht gesehen hatte, suchten wir sogleich nach Mazedonien abzureisen, da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen.“). Die vier überquerten gemeinsam das Ägäische Meer und brachten das Evangelium zum ersten Mal nach Europa. Als in Philippi einige gerettet wurden, blieb Lukas bei ihnen zurück, um die neue Gemeinde dort zu gründen und zu hüten, während Paulus und die anderen weiterzogen (Apg 17,1: „sie“). Lukas und Paulus wurden dann für einige Zeit getrennt, fanden aber in Philippi wieder zueinander, woraufhin Lukas Paulus nach Jerusalem begleitete, wo Paulus in Gefangenschaft geriet (Apg 20,6 „wir aber segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir sieben Tage verweilten.“). Nachdem Paulus zwei Jahre lang in Cäsarea gefangen gehalten worden war, begleitete Lukas ihn auf seiner Reise nach Rom, die mit einem Schiffbruch endete (Apg 27). Nach zwei weiteren Jahren der Gefangenschaft in Rom (Apg 28,30 „Er aber blieb zwei ganze Jahre in seinem eigenen gemieteten Haus und nahm alle auf, die zu ihm kamen,“) wurde Paulus freigelassen und später ein zweites Mal gefangen genommen. Während andere den Apostel in seiner zweiten Gefangenschaft im Stich ließen, blieb Lukas ihm treu und blieb bis zum Ende bei ihm (2Tim 4,11 „Lukas ist allein bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst.“).
Der nichtjüdische Charakter des Buches
Lukas hatte sich als Nichtjude aus den heidnischen Nationen bekehrt und schrieb an einen bekehrten Nichtjuden (Theophilus). Aufgrund seiner Herkunft hatte er ein natürliches Interesse an seinen nichtjüdischen Mitmenschen und schrieb unter der Führung des Heiligen Geistes mit Blick auf sie. Das Buch hat daher einen nichtjüdischen Charakter. Indem Paulus das Leben und den Dienst des Herrn nachzeichnet, spielt er des Öfteren darauf an, dass Gottes Gnade in Christus über die Grenzen Israels hinausgehen und der heidnischen Welt Segen bringen würde. Damit zeigt er, dass die Gnade Gottes einfach zu groß ist, um sich auf ein bestimmtes Volk zu beschränken, sondern dass sie alle Völker erreichen wird. Der Herr Jesus war ausschließlich „ein Diener der Beschneidung“ (Röm 15,8) und ging daher in seinem Dienst nicht persönlich zu den Heiden (Mt 15,24 „Er aber antwortete und sprach: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.“). Es gibt jedoch im gesamten Evangelium Hinweise, die darauf schließen lassen, dass Gott, nachdem Christus durch seinen Tod Sühnung getan hatte und der Heilige Geist herabgesandt worden war, die Heiden erreichen würde, um sie zu segnen (Apg 13,46-49; 15,14; 18,6; 28,28 „(13:46) Und Paulus und Barnabas äußerten sich freimütig und sprachen: Zu euch musste notwendigerweise das Wort Gottes zuerst geredet werden; weil ihr es aber von euch stoßt und euch selbst des ewigen Lebens nicht für würdig erachtet, siehe, so wenden wir uns zu den Nationen. (13:47) Denn so hat uns der Herr geboten: „Ich habe dich zum Licht der Nationen gesetzt, damit du zum Heil seiest bis an das Ende der Erde.“ (13:48) Als aber die aus den Nationen es hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn; und es glaubten, so viele zum ewigen Leben bestimmt waren. (13:49) Das Wort des Herrn aber wurde durch die ganze Gegend verbreitet.“ „(15:14) Simon hat erzählt, wie zuerst Gott darauf gesehen hat, aus den Nationen ein Volk zu nehmen für seinen Namen.“ „(18:6) Als sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut komme auf euren Kopf! Ich bin rein; von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen.“ „(28:28) Es sei euch nun kund, dass dieses Heil Gottes den Nationen gesandt worden ist; sie werden auch hören.“).
Der nichtjüdische Charakter des Buches zeigt sich darin, dass Lukas aus der Septuaginta, einer griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, zitiert. Tatsächlich sagt dieses Evangelium wenig darüber, dass sich durch den Herrn Jesus alttestamentliche Prophezeiungen erfüllt hätten, denn die Heiden hätten im Allgemeinen diese Prophezeiungen nicht gekannt, weil ihnen die Schrift nicht ausdrücklich gegeben worden war (Röm 3,1-2 „(1) Was ist nun der Vorteil des Juden oder was der Nutzen der Beschneidung? (2) Viel, in jeder Hinsicht. Denn zuerst einmal sind ihnen die Aussprüche Gottes anvertraut worden.“; Eph 2,11-12 „(11) Deshalb erinnert euch daran, dass ihr, einst die Nationen im Fleisch, die Vorhaut genannt werden von der so genannten Beschneidung, die im Fleisch mit Händen geschieht, (12) dass ihr zu jener Zeit ohne Christus wart, entfremdet dem Bürgerrecht Israels, und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißung, keine Hoffnung habend, und ohne Gott in der Welt.“). Dies zeigt sich auch daran, dass Lukas sich die Zeit nimmt, seinen Leser (Theophilus) über die Lage bestimmter jüdischer Orte zu informieren, was für Juden, die mit diesen Orten im Land vertraut waren, nicht notwendig gewesen wäre (Lk 1,26; 4,31; 8,26; 21,37; 23,51; 24,13 „(1:26) Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt von Galiläa gesandt, mit Namen Nazareth,“ „(4:31) Und er kam nach Kapernaum hinab, einer Stadt in Galiläa, und lehrte sie an den Sabbaten.“ „(8:26) Und sie fuhren hin zu dem Land der Gadarener, das Galiläa gegenüberliegt.“ „(21:37) Er lehrte aber die Tage im Tempel, die Nächte aber ging er hinaus und übernachtete auf dem Berg, der Ölberg genannt wird.“ „(23:51) dieser hatte nicht eingewilligt in ihren Rat und in ihre Tat –, von Arimathia, einer Stadt der Juden, der das Reich Gottes erwartete,“ „(24:13) Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tag in ein Dorf, mit Namen Emmaus, sechzig Stadien von Jerusalem entfernt.“ usw.).
Lukas ist tatsächlich der einzige Evangelist, der Daten in seine Erzählung aufnimmt, die es uns ermöglichen, die heilige Geschichte mit der weltlichen Geschichte zu verbinden (Lk 1,5; 2,1-2; 3,1 „(1:5) Es war in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, ein gewisser Priester, mit Namen Zacharias, aus der Abteilung Abijas; und seine Frau war von den Töchtern Aarons, und ihr Name war Elisabeth.“ „(2:1) Es geschah aber in jenen Tagen, dass eine Verordnung vom Kaiser Augustus ausging, den ganzen Erdkreis einzuschreiben. (2:2) Die Einschreibung selbst geschah als erste, als Kyrenius Statthalter von Syrien war.“ „(3:1) Aber im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus aber Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis, und Lysanias Vierfürst von Abilene,“). Das ist etwas, das für Heiden von Bedeutung sein könnte, die eher die Weltgeschichte als die jüdische Geschichte kennen. Auch das Erscheinen des Engels Gabriel in der Erzählung (Lk 1,19.26 „Und der Engel antwortete und sprach zu ihm: Ich bin Gabriel, der vor Gott steht, und ich bin gesandt worden, zu dir zu reden und dir diese gute Botschaft zu verkündigen.“ „Im sechsten Monat aber wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt von Galiläa gesandt, mit Namen Nazareth,“) weist auf heidnische Dinge hin, denn er wird im Buch Daniel im Zusammenhang mit den Zeiten der Nationen erwähnt (Dan 8,16; 9,21 „(8:16) Und ich hörte eine Menschenstimme zwischen den Ufern des Ulai, die rief und sprach: Gabriel, gib diesem das Gesicht zu verstehen!“ „(9:21) während ich noch redete im Gebet, da kam der Mann Gabriel, den ich im Anfang, als ich ganz ermattet war, im Gesicht gesehen hatte, zu mir her zur Zeit des Abendopfers.“). Außerdem führt Lukas den Stammbaum des Herrn zurück bis zu Adam, dem Stammvater der gesamten Menschheit (Lk 3,23-38), und nicht bis zu Abraham wie Matthäus in seinem Evangelium (Mt 1,1-17). Daraus ergibt sich, dass Christus, der Retter der Welt, für das Heil der ganzen Welt gekommen ist, nicht nur für Abrahams Nachkommenschaft.
So stellt Lukas die frohe Botschaft von Christus als eine Botschaft dar, die für das Wohlergehen und die Erlösung des gesamten Menschengeschlechts entscheidend ist. Das macht sein Evangelium ideal für die Mission unter den Heiden.
Einige herausragende Merkmale im Lukasevangelium
Indem das Lukasevangelium den Herrn Jesus Christus als den vollkommenen Menschen unter den Menschen darstellt, vermittelt es die gute Nachricht in ganz gewöhnlichen Lebensumständen. Es enthält eine Reihe von häuslichen Tischszenen, in denen der Herr die Wahrheit in Gesprächen lehrt und illustriert. Daher wird es auch das „soziale“ Evangelium genannt. Diese wirklichkeitsnahen Szenen aus dem Alltagsleben geben uns Einblicke in das Leben des sanftmütigen und bescheidenen Erlösers, dessen Wege von Mitgefühl, Liebe und Anteilnahme erfüllt waren. Solche Szenen zeigen dem Leser eine Seite des Herrn Jesus, die sehr anziehend ist.
Frauen kommen in diesem Evangelium häufiger vor als in jedem anderen. Witwen werden besonders hervorgehoben. Man sieht sie, wie sie Offenbarungen empfangen, prophezeien, Lobgesänge anstimmen usw. Vielleicht soll damit die moralische Seite der Wahrheit hervorgehoben werden, zu der Frauen von Natur aus neigen.
Dieses Evangelium spricht besonders die Armen an, die mit den Erprobungen ihrer sozialen Stellung im Leben zu kämpfen haben. Viele der Lektionen basieren auf diesem gemeinsamen Kampf und vermitteln allen, die ebenfalls in so einer Lage sind, Hoffnung und Ermutigung. Gleichzeitig warnt es vor den Gefahren des Reichtums. So erwähnt es viele reiche Männer; aus diesen Berichten können wichtige moralische Lehren abgeleitet werden, die für alle gelten, nicht nur für die Reichen.
Dieses Evangelium ist auch durch zahlreiche Verweise auf den Himmel gekennzeichnet – vor allem in der zweiten Hälfte des Buches –, die den Übergang von der Erde zum Himmel verdeutlichen, der mit der Einführung des Christentums einherging. In diesem Zusammenhang ist das Wirken des Lukas eine Vorbereitung auf das Wirken des Paulus, in dem ein offener Himmel und ein verherrlichter Mensch zu sehen sind, der dort sitzt.
Das Gebet wird in diesem Evangelium mehrfach erwähnt und als die richtige Haltung des Menschen dargestellt, der ein abhängiges Geschöpf in Gottes Schöpfung ist (Lk 1,10.13 „Und die ganze Menge des Volkes war betend draußen zur Stunde des Räucheropfers.“ „Der Engel aber sprach zu ihm: Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Flehen ist erhört, und deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Johannes nennen.“ usw.). Das Gebet wird nicht nur durchgehend gelehrt und empfohlen, sondern auch im Leben des Herrn aufgezeigt. Als Mensch in seiner eigenen Schöpfung bringt der Herr auf Schritt und Tritt seine Abhängigkeit von Gott zum Ausdruck, wie es jeder Mensch tun sollte. Weit über ein Dutzend Mal wendet er sich im Gebet an Gott (Lk 3,21; 5,16; 6,12; 9,16.18.28-29; 10,21; 11,1; 22,17.19.32.41; 23,34.46; 24,30.50 „(3:21) Es geschah aber, als das ganze Volk getauft wurde und Jesus getauft war und betete, dass der Himmel aufgetan wurde“ „(5:16) Er aber zog sich zurück und war in den Wüsteneien und betete.“ „(6:12) Es geschah aber in diesen Tagen, dass er auf den Berg hinausging, um zu beten; und er verharrte die Nacht im Gebet zu Gott.“ „(9:16) Er nahm aber die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel und segnete sie; und er brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie sie der Volksmenge vorlegten.“ „(9:18) Und es geschah, als er für sich allein betete, dass die Jünger bei ihm waren; und er fragte sie und sprach: Wer sagen die Volksmengen, dass ich sei?“ „(9:28) Es geschah aber etwa acht Tage nach diesen Worten, dass er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den Berg stieg, um zu beten. (9:29) Und während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiß, strahlend.“ „(10:21) In derselben Stunde frohlockte er im Geist und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ „(11:1) Und es geschah, als er an einem gewissen Ort war und betete, da sprach, als er aufhörte, einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte.“ „(22:17) Und er nahm einen Kelch, dankte und sprach: Nehmt diesen und teilt ihn unter euch.“ „(22:19) Und er nahm Brot, dankte, brach und gab es ihnen und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird; dies tut zu meinem Gedächtnis!“ „(22:32) Ich aber habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre; und du, bist du einst umgekehrt, so stärke deine Brüder.“ „(22:41) Und er zog sich ungefähr einen Steinwurf weit von ihnen zurück und kniete nieder, betete“ „(23:34) Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Sie verteilten aber seine Kleider unter sich und warfen Lose darüber.“ „(23:46) Und Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist! Als er aber dies gesagt hatte, verschied er.“ „(24:30) Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch lag, dass er das Brot nahm und segnete; und als er es gebrochen hatte, reichte er es ihnen.“ „(24:50) Er führte sie aber hinaus bis nach Bethanien und hob seine Hände auf und segnete sie.“). Wie sehr unterscheidet sich dies vom Johannesevangelium, das den Herrn als Gott „offenbart im Fleisch“ betrachtet, der alle Eigenschaften der Gottheit besitzt und somit „Gott gleich“ ist (1Tim 3,16 „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der offenbart worden ist im Fleisch, ist gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“; Joh 5,18 „Darum nun suchten die Juden noch mehr, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen eigenen Vater nannte, sich selbst Gott gleichmachend.“). Indem Er betont, dass Er „Gott“ ist (Joh 1,1 „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“), betet Er im Johannesevangelium nicht – mit Ausnahme von Johannes 6,11 „Jesus nun nahm die Brote, und als er gedankt hatte, teilte er sie denen aus, die da lagerten; ebenso auch von den Fischen, so viel sie wollten.“, wo Er seinen Jüngern ein Vorbild gibt. Gebet bedeutet, dass ein Untergeordneter seine Abhängigkeit von einem Höhergestellten zum Ausdruck bringt und ihn um Hilfe und Führung bittet. Da der Herr bei Lukas als ein abhängiger Mensch dargestellt wird, ist es richtig und angemessen, dass Er betet, aber bei Johannes, wo Er als Gott dargestellt wird, hat Er keinen Höhergestellten. Er steht in ständiger Verbindung zu seinem Vater, spricht im gesamten Evangelium zu Ihm, aber das wird nicht als Gebet gesehen, sondern als Gemeinschaft zwischen göttlichen Personen. (In Johannes 17 heißt es mehrmals „bitten“, aber es sollte mit „verlangen“ übersetzt werden, denn als Gott hat Er jedes Recht, Dinge zu verlangen.)
Die moralische Schönheit in Christus, dem Sohn des Menschen
Das vielleicht herausragendste Merkmal im Lukasevangelium ist die Vollkommenheit der moralischen Wege des Herrn. Er wird auf jede nur erdenkliche Weise erprobt, wie ein gerechter Mensch geprüft und versucht werden könnte, und wird als vollkommen in all seinen Wegen gesehen.
Als Gott, der sich im Fleisch offenbart hat (1Tim 3,16 „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der offenbart worden ist im Fleisch, ist gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“), war der Herr Jesus der einzige Mensch, der das Recht hatte, sich selbst zu erhöhen; da Er aber in Menschengestalt gefunden wurde, erniedrigte Er sich selbst (Phil 2,8 „sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“). Er war sanftmütig und demütig (Mt 11,29 „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen;“) und ging unter die Menschen ohne Pomp und Prunk (Jes 53,2 „Und er ist wie ein Reis vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht; und als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir ihn begehrt hätten.“). Er verbrachte seine Zeit vor allem unter denen, die aus den einfachsten Verhältnissen stammten. Er war so demütig und bescheiden, dass eine Frau sich nichts dabei dachte, Ihn zu unterbrechen, während Er das Wort verkündete. Er antwortete ihr gnädig und tadelte sie nicht dafür (Lk 11,27 „Es geschah aber, als er dies sagte, dass eine gewisse Frau aus der Volksmenge ihre Stimme erhob und zu ihm sprach: Glückselig der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die du gesogen hast!“). Er war so bescheiden und unauffällig, dass Er unter den Jüngern nicht als ihr Meister auffiel. Als die Männer kamen, um Ihn zu verhaften, konnten sie Ihn unter den anderen nicht erkennen und mussten sie fragen, wer von ihnen der Anführer sei (Joh 18,3-5 „(3) Als nun Judas die Schar Soldaten und von den Hohenpriestern und Pharisäern Diener erhalten hatte, kommt er dahin mit Leuchten und Fackeln und Waffen. (4) Jesus nun, der alles wusste, was über ihn kommen würde, ging hinaus und sprach zu ihnen: Wen sucht ihr? (5) Sie antworteten ihm: Jesus, den Nazaräer. Jesus spricht zu ihnen: Ich bin es. Aber auch Judas, der ihn überlieferte, stand bei ihnen.“).
Sein ganzes Leben war geprägt von Gehorsam und Unterwerfung unter den Willen Gottes (Phil 2,8 „sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz.“; Heb 5,8 „obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte;“; Mt 11,25-26; 26,39 „(11:25) Zu jener Zeit hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. (11:26) Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ „(26:39) Und er ging ein wenig weiter und fiel auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“). Er lebte nach jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kam (Jes 50,4-7 „(4) Der Herr, HERR, hat mir eine Zunge der Belehrten gegeben, damit ich wisse, den Müden durch ein Wort aufzurichten. Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre wie solche, die belehrt werden. (5) Der Herr, HERR, hat mir das Ohr geöffnet, und ich bin nicht widerspenstig gewesen, bin nicht zurückgewichen. (6) Ich bot meinen Rücken den Schlagenden und meine Wangen den Raufenden, mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. (7) Aber der Herr, HERR, hilft mir; darum bin ich nicht zuschanden geworden, darum machte ich mein Angesicht wie einen Kieselstein und wusste, dass ich nicht würde beschämt werden.“; Mt 4,4 „Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben: „Nicht von Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.““). Er handelte nie, wenn Er nicht zuvor ein Wort von seinem Vater dazu erhalten hatte. Er tat nie etwas, um sich selbst zu gefallen (Röm 15,3 „Denn auch der Christus hat nicht sich selbst gefallen, sondern wie geschrieben steht: „Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.““), sondern Er lebte, um seinem Vater zu gefallen (Joh 8,29 „Und der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue.“). Das war von morgens bis abends das Ziel seines Lebens (Joh 4,34 „Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe.“).
Weil Gehorsam und Glück zusammengehören (Spr 29,18 „Wenn kein Gesicht da ist, wird ein Volk zügellos; aber glückselig ist es, wenn es das Gesetz hält.“; Joh 13,17 „Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut.“), war Er ein wahrhaft glücklicher Mensch. Er war ein Mensch der Freude, aber niemals leichtfertig oder albern. Seine Freude kam nicht von angenehmen Umständen (gutes Wetter usw.), sondern aus der Gemeinschaft mit seinem Vater (Joh 16,32 „Siehe, die Stunde kommt und ist gekommen, dass ihr zerstreut werdet, jeder in das Seine, und mich allein lasst; und ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.“).
Er war wirklich ein selbstloser Mensch. Er stellte die Interessen und Bedürfnisse der anderen vor seine eigenen. Er bemühte sich um das Wohl und Wohlergehen anderer und setzte Gottes Kraft frei ein, um ihre Bedürfnisse zu stillen, vollbrachte aber niemals ein Wunder für sich selbst, denn Er selbst litt Not, Hunger und Durst. Er war immer ansprechbar; sogar für Kinder hatte Er Zeit (Mt 19,13-15 „(13) Dann wurden Kinder zu ihm gebracht, damit er ihnen die Hände auflege und bete; die Jünger aber verwiesen es ihnen. (14) Jesus aber sprach: Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht, zu mir zu kommen, denn solcher ist das Reich der Himmel. (15) Und er legte ihnen die Hände auf und ging von dort weg.“). Er wies keinen einzigen Menschen ab, der nach Ihm suchte (Joh 6,37 „Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen;“). Die Vaterlosen und die Witwen fanden Erbarmen bei Ihm (Lk 7,12 „Als er sich aber dem Tor der Stadt näherte, siehe, da wurde ein Toter herausgetragen, der einzige Sohn seiner Mutter, und sie war eine Witwe; und eine zahlreiche Volksmenge aus der Stadt ging mit ihr.“).
Seine Rede war voller Gnade; so sehr, dass die Menschen sich über die Worte der Gnade wunderten, die aus seinem Mund kamen (Lk 4,22 „Und alle gaben ihm Zeugnis und verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen; und sie sprachen: Ist dieser nicht der Sohn Josephs?“). Er stritt nie und sagte nie ein Wort in einem falschem Ton (1Pet 2,22-23 „(22) der keine Sünde tat, noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, (23) der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet;“). Die Diener, die ausgesandt worden waren, um Ihn festzunehmen, mussten zugeben, dass sie noch nie einen Menschen so reden gehört hatten wie Ihn (Joh 7,46 „Die Diener antworteten: Niemals hat ein Mensch so geredet [wie dieser Mensch].“). Er sprach zu der Frau am Brunnen mit so wunderbarem Taktgefühl, dass Er sie von einem Leben in Sünde abbrachte (Joh 4).
Er gab nie mit seinen Fähigkeiten im Dienst an. Er hätte große Teile der Schrift wortwörtlich zitieren können, aber damit hätte Er die Aufmerksamkeit in falscher Weise auf sich gelenkt. Er benutzte das Wort Gottes nicht, um sein Wissen zu demonstrieren, sondern zitierte nur das, was in der jeweiligen Situation nötig war.
Er wehrte sich nie gegen persönliche Beleidigungen. Als seine Gegner Ihn beschimpften und sagten, Er sei ein Samariter, ließ Er es durchgehen, aber Er verteidigte die Herrlichkeit seiner Person in der Gottheit (Joh 8,48-49 „(48) Die Juden antworteten und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht zu Recht, dass du ein Samariter bist und einen Dämon hast? (49) Jesus antwortete: Ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr verunehrt mich.“).
Seine Heiligkeit machte Ihn in der Welt, die Er geschaffen hatte, zu einem völlig Fremden, weil sie durch die Sünde verunreinigt war (Joh 1,10 „Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht.“). Er war ein Mann der Schmerzen, aber niemals traurig und trübselig. Er trug die Sorgen der anderen auf dem Herzen und fühlte tief mit den Schwierigkeiten, die sie durchmachten (Jes 53,3-4 „(3) Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt; er war verachtet, und wir haben ihn für nichts geachtet. (4) Doch er hat unsere Leiden getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich geladen. Und wir, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt;“; Mt 8,16-17 „(16) Als es aber Abend geworden war, brachten sie viele Besessene zu ihm; und er trieb die Geister aus mit einem Wort, und er heilte alle Leidenden, (17) damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten.““). Als ein armer Aussätziger zu Ihm kam, wurde Er von Mitleid ergriffen, streckte seine Hand aus und berührte ihn (Mk 1,41 „Und innerlich bewegt streckte er seine Hand aus, rührte ihn an und spricht zu ihm: Ich will; werde gereinigt!“). Es war vielleicht das erste Mal seit Jahren, dass jemand diesen Mann berührte, denn der Kontakt mit einem Aussätzigen war verboten! Er tröstete Menschen, die trauerten, als der Tod ihre Familien heimsuchte (Mk 5,35-43; Lk 7,11-15 „(11) Und es geschah danach, dass er in eine Stadt ging, genannt Nain, und viele seiner Jünger und eine große Volksmenge gingen mit ihm. (12) Als er sich aber dem Tor der Stadt näherte, siehe, da wurde ein Toter herausgetragen, der einzige Sohn seiner Mutter, und sie war eine Witwe; und eine zahlreiche Volksmenge aus der Stadt ging mit ihr. (13) Und als der Herr sie sah, wurde er innerlich bewegt über sie und sprach zu ihr: Weine nicht! (14) Und er trat hinzu und rührte die Bahre an; die Träger aber blieben stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! (15) Und der Tote setzte sich auf und fing an zu reden; und er gab ihn seiner Mutter.“; Joh 11,17-46).
Er war treu. Er würde im Haus eines Pharisäers essen, aber nicht im Haus eines Sadduzäers, denn die Sadduzäer leugnen die Heilige Schrift und die Grundlagen des jüdischen Glaubens. Er hatte keine Gemeinschaft mit ihnen, sondern tadelte sie vielmehr wegen ihres Unglaubens (Mt 22,29 „Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Ihr irrt, indem ihr die Schriften nicht kennt noch die Kraft Gottes;“).
Sein ganzes Leben lang wurde Er von dem Volk, das Er liebte und segnen wollte, abgelehnt, doch Er beklagte sich nie darüber. Oft verbrachte Er die Nächte unter freiem Himmel, ohne einen Platz zu haben, wo Er sein Haupt hinlegen konnte (Mt 8,20 „Und Jesus spricht zu ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege.“). Als Er Jerusalem besuchte und das Volk im Tempel lehrte, dachte niemand daran, Ihn zu sich nach Hause einzuladen. So ging Er einfach auf den Ölberg und verbrachte dort die Nacht (Joh 7,53–8,1 „(7:53) Und sie gingen ein jeder in sein Haus. (8:1) Jesus aber ging an den Ölberg.“). Er wollte sich niemand aufdrängen, der Ihn nicht wollte. Als Er mit den beiden Jüngern nach Emmaus ging, tat Er, als wolle Er weitergehen, und wartete, bis sie Ihn nötigten, in ihr Haus zu kommen (Lk 24,28 „Und sie näherten sich dem Dorf, wohin sie gingen; und er stellte sich, als wolle er weitergehen.“).
Seine Jünger missverstanden Ihn und stellten Ihn oft falsch dar. Er korrigierte geduldig ihre Fehler und nahm ihr Versagen nie zum Anlass, sie zu demütigen. Anstatt sie mit ihren Fehlern zu beschäftigen, hob Er ihre Gedanken auf eine höhere Ebene der Gemeinschaft mit Ihm selbst. Kein Wunder, dass sie Ihn liebten!
Er veranschaulichte seine eigene Lehre auf vollkommene Weise – Gutes zu tun und zu leihen, ohne darauf zu hoffen, es wiederzubekommen (Lk 6,35 „Doch liebt eure Feinde, und tut Gutes, und leiht, ohne etwas zurückzuerhoffen, und euer Lohn wird groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.“). Es gab keinen einzigen Fall, in dem Er Anspruch auf die Person oder den Dienst derer erhob, die Er wiederhergestellt und befreit hatte. Er liebte, heilte und befreite viele Menschen, doch Er erwartete keine Gegenleistung, denn das Wesen der Gnade besteht darin, anderen Gutes zukommen zu lassen, und nicht darin, sich selbst zu bereichern. Bei jeder Gelegenheit zeigte Er, dass es seliger ist, zu geben als zu nehmen (Apg 20,35 „Ich habe euch in allem gezeigt, dass man, so arbeitend, sich der Schwachen annehmen und der Worte des Herrn Jesus gedenken müsse, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als Nehmen.“).
Er wollte von niemand Mitleid. In Gethsemane bat Er seine Jünger, mit Ihm zu wachen, doch nicht, für Ihn zu beten (Mt 26,40 „Und er kommt zu den Jüngern und findet sie schlafend; und er spricht zu Petrus: Also nicht eine Stunde vermochtet ihr mit mir zu wachen?“). Als seine Jünger Ihn im Garten im Stich ließen und nicht mit eine Stunde mit Ihm wachten, entschuldigte Er langmütig ihren Schlaf, indem Er sagte, dass ihr Geist zwar willig, aber das Fleisch schwach sei (Mt 26,41 „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt; der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach.“). Er entschuldigte ihre Schwachheit, aber nicht ihre Sünde. Auf dem Weg zum Kreuz sagte Er den Frauen, sie sollten nicht über Ihn weinen, sondern über sich selbst und ihre Kinder angesichts des Gerichts, das über die schuldige Stadt kommen würde (Lk 23,28 „Jesus wandte sich aber zu ihnen und sprach: Töchter Jerusalems, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder;“).
Als sie Ihn kreuzigten, bat Er noch um ihren Segen und rief seinen Vater an, ihnen zu vergeben (Lk 23,34 „Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Sie verteilten aber seine Kleider unter sich und warfen Lose darüber.“). Selbst als Er im Sterben lag, hatte Er noch Zeit für den Dieb, der am Rande der Verdammnis stand, und goss Öl und Wein aus den Vorräten Gottes ein, weil der Mann wirklich Buße tat (Lk 23,39-43 „(39) Einer aber der gehängten Übeltäter lästerte ihn und sagte: Bist du nicht der Christus? Rette dich selbst und uns! (40) Der andere aber antwortete und wies ihn zurecht und sprach: Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? (41) Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan. (42) Und er sprach zu Jesus: Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst! (43) Und er sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“).
Er war also im Leben und im Tod ein vollkommener Mensch, und Lukas hebt diese Seite der Person des Herrn hervor.
Auslegung und Anwendung des Lukasevangeliums
Da das Buch moralische und praktische Wahrheiten hervorhebt, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Lukas bei der Darstellung der guten Nachricht von Christus nicht die lehrmäßige Seite der Dinge hervorhebt, sondern sie oft in den Hintergrund rückt, um moralische Wahrheiten zu betonen. Zum Beispiel gibt Lukas im zwölften Kapitel die Lehre des Herrn über sein zweites Kommen wieder (Lk 12,35-40). Beim Studium dieses Abschnitts lassen sich Bibelleser oft vom Wesentlichen ablenken, indem sie herauszufinden versuchen, ob sich der Herr auf die Entrückung oder auf die Erscheinung bezieht, und deshalb verstehen sie oft den Sinn seiner Lehre nicht. Der Herr spricht hier die Notwendigkeit an, dass die Gläubigen in einem rechten moralischen Zustand sind, während sie auf sein Kommen warten, und deshalb spricht Lukas ganz allgemein von der Ankunft des Herrn, ohne sich auf einen der beiden Aspekte zu konzentrieren. Es ließen sich Dutzende von Beispielen anführen, um diese moralische Betonung gegenüber der lehrmäßigen Seite der Dinge zu verdeutlichen. Wenn wir dies bei der Lektüre des Lukasevangeliums berücksichtigen, werden wir den vollen Nutzen aus der Lehre ziehen.
Lukas betont den Dienst des Herrn auf der Ostseite des Jordan
Obwohl sich die vier Evangelisten in den Darstellungen des Lebens und des Dienstes des Herrn teilweise überschneiden, geht jeder von ihnen auf ein anderes Gebiet ein, wo Er im Land Israel wirkte. Matthäus konzentriert sich vor allem auf den Dienst des Herrn in Galiläa (Mt 4,12–15,20; 15,29–16,12; 17,22–18,35), während Markus zwar den Dienst des Herrn in Galiläa erwähnt, aber sein Wirken in den abgelegenen Gebieten um Galiläa herum ausweitet (Mk 6,1–9,27). Johannes hingegen konzentriert sich fast ausschließlich auf den Dienst des Herrn in Judäa. Lukas berichtet über den Dienst des Herrn in Galiläa, betont aber seinen Dienst auf dem Weg nach und von Peräa. Dabei handelt es sich um ein Gebiet auf der Ostseite des Jordan im südlichen Teil des Landes, das als „das Gebiet von Judäa, jenseits des Jordan“ bezeichnet wird (Mt 19,1 „Und es geschah, als Jesus diese Reden vollendet hatte, begab er sich weg von Galiläa und kam in das Gebiet von Judäa, jenseits des Jordan.“; Mk 10,1 „Und er machte sich von dort auf und kommt in das Gebiet von Judäa und von jenseits des Jordan. Und wieder kommen Volksmengen bei ihm zusammen, und wie er gewohnt war, lehrte er sie wiederum.“). Matthäus und Markus schreiben nur ein einziges Kapitel über diesen Dienst, während Lukas ihm nicht weniger als zehn Kapitel widmet (Lk 9,51–19,27)! Etwa die Hälfte des Stoffes im Lukasevangelium findet sich nicht in den anderen Evangelien! Das macht sein Evangelium einzigartig. Unnötig zu sagen, dass uns ohne das Evangelium des Lukas viel fehlen würde.
Aus The Gospel of Luke. The Operation of Heavenly Grace Among Men in the Person of the Lord Jesus Christ,
Hamer Bay: Christian Truth Publishing, 2022.
Übersetzung: Stephan Isenberg