Der Prophet Hesekiel (10)
Kapitel 10

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online: 15.01.2025, updated: 14.04.2025

Der Gotteswagen erscheint erneut

Vers 1

Kapitel 10 ist die Fortsetzung der Vision, deren erster Teil in Kapitel 9 aufgezeichnet ist. Der in Leinen gekleidete Mann, der das Schreibgerät an seiner Seite hatte, steht immer noch vor uns und ist der direkte Repräsentant Gottes im Gericht. Hesekiels Blick ist  nicht mehr auf das irdische Heiligtum gereichtet, sondern auf den Himmel darüber. Er sagt:

Hes 10,1: Und ich sah: Und siehe, auf der Ausdehnung, die über dem Haupt der Cherubim war, war es wie ein Saphirstein, wie das Aussehen der Gestalt eines Thrones, der über ihnen erschien.

Diese Vision ist so wunderbar und erhaben, dass unsere menschlichen Fähigkeiten wahrscheinlich zu gering sind, um sie vollständig zu verstehen und zu würdigen. Wie in Kapitel 1 sehen wir wir hier den Gotteswagen, in dem der HERR majestätisch durch das Universum fährt und alles nach dem Ratschluss seines eigenen Willens lenkt. Der Prophet blickte auf und sah am Firmament, das über dem Haupt der Cherubim war, einen Saphirstein, der wie ein Thron aussah. Es ist der Thron des moralischen Herrschers des Universums. Egal, wie verworren und verwirrend die Verhältnisse auf der Erde auch sein mögen,

Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl.[1]

Vers 2

Hes 10,2: Und er sprach zu dem in Leinen gekleideten Mann und sagte: Geh hinein zwischen den Räder-Wirbel unterhalb des Cherubs und fülle deine Hände mit Feuerkohlen von dem Raum zwischen den Cherubim, und streue sie über die Stadt hin. Und er ging vor meinen Augen hinein.

Auf seinen Befehl hin sah man den mit Leinen bekleideten Mann zwischen den sich drehenden Rädern unter den Cherubim hineingehen. Dort füllten sich seine Hände mit Feuerkohlen, die zwischen diesen prachtvollen Wesen lagen. Feuer sollte über die Stadt gestreut werden als Zeichen dafür, dass die Stunde des Gerichts gekommen war.

Eine ähnliche Situation finden wir am Anfang von Offenbarung 8, wo der Engelpriester am goldenen Altar steht und vor Gott den Rauch des Weihrauchs mit den Gebeten der auf der Erde leidenden Heiligen darbringt. Als Antwort auf diese Gebete nimmt der Engel das Räuchergefäß, füllt es mit dem Feuer des Altars und wirft es auf die Erde, um damit anzudeuten, dass die Gerichte Gottes über diese schuldige Welt ausgegossen werden sollen. Hier in Hesekiel 10 war Gottes Geduld erschöpft, denn das Volk Juda hatte bereits so lange gesündigt, das es keine Hoffnung mehr auf Umkehr gab. Die Stunde seines Untergangs war gekommen. Sie konnten nicht sehen, was am Himmel geschah; sie erkannten nicht, dass Feuerkohlen zwischen den Cherubim über die Stadt gestreut wurden; aber sie sollten bald die Bedeutung all dessen in all seinem Schrecken und seinem Grauen erkennen.

Verse 3-8

Hes 10,3-8: 3 Die Cherubim aber standen auf der rechten Seite des Hauses, als der Mann hineinging; und die Wolke erfüllte den inneren Vorhof. 4 Und die Herrlichkeit des HERRN hatte sich von dem Cherub auf die Schwelle des Hauses hin erhoben; und das Haus war von der Wolke erfüllt, und der Vorhof war voll von dem Glanz der Herrlichkeit des HERRN. 5 Und das Rauschen der Flügel der Cherubim wurde bis in den äußeren Vorhof gehört wie die Stimme Gottes, des Allmächtigen, wenn er redet. 6 Und es geschah, als er dem in Leinen gekleideten Mann gebot und sprach: Nimm Feuer zwischen dem Räder-Wirbel, zwischen den Cherubim weg, und er hineinging und an die Seite des Rades trat, 7 da streckte der Cherub seine Hand zwischen den Cherubim hervor, zum Feuer hin, das zwischen den Cherubim war, und hob es ab und gab es in die Hände dessen, der in Leinen gekleidet war; der nahm es und ging hinaus. 8 Und an den Cherubim erschien das Gebilde einer Menschenhand unter ihren Flügeln.

Wie der Prophet sah, standen die Cherubim an der rechten Seite des Hauses, als der Mann hineinging, und die Wolke – so wird uns gesagt – erfüllte den inneren Vorhof. Dann sah er die Herrlichkeit des HERRN von den Cherubim aufsteigen und über der Schwelle des Hauses stehen, das von der Wolke erfüllt war, und auch der Vorhof erstrahlte im Glanz der Herrlichkeit des HERRN.

Obwohl die Ohren der Sünder Judas taub waren, hörte man das Rauschen der Flügel der Cherubim bis in den äußeren Vorhof so wie die Stimme des allmächtigen Gottes, wenn Er spricht. Er befahl dem in Leinen gekleideten Mann, das Feuer zwischen den sich drehenden Rädern zwischen den Cherubim herauszunehmen – ein Befehl, der sofort befolgt wurde. Hände, die zuvor unter den Flügeln dieser Vollstrecker der göttlichen Herrschaft verborgen gewesen waren, streckten sich aus und nahmen das Feuer und legten es in die Hände dieses Mannes, der es empfing und hinausging. Es war die Form einer menschlichen Hand, die unter den Flügeln zu sehen war. Dies war ein Hinweis darauf, dass Gott sich herabließ, um die Hand seiner Geschöpfe zu ergreifen. Er hätte seine reiche Gnade über sie ausgegossen, wenn sie bereit gewesen wären, sie zu empfangen. Jetzt aber muss Er das Gericht vollstrecken.

Verse 9-14

Hes 10,9-14: 9 Und ich sah: Und siehe, vier Räder waren neben den Cherubim, je ein Rad neben je einem Cherub. Und das Aussehen der Räder war wie der Anblick eines Chrysolithsteins; 10 und ihr Aussehen: Die vier hatten dieselbe Gestalt, als wäre ein Rad inmitten eines Rades. 11 Wenn sie gingen, so gingen sie nach ihren vier Seiten hin: Sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen; denn zu dem Ort, wohin das Vorderteil gerichtet war, folgten sie ihm; sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen. 12 Und ihr ganzer Leib und ihr Rücken und ihre Hände und ihre Flügel und die Räder waren voller Augen ringsum; alle vier hatten ihre Räder. 13 Die Räder, sie wurden vor meinen Ohren „Wirbel“ genannt. 14 Und jedes hatte vier Angesichter; das Angesicht des Ersten war das Angesicht eines Cherubs, und das Angesicht des Zweiten das Angesicht eines Menschen, und des Dritten das Angesicht eines Löwen, und des Vierten das Angesicht eines Adlers.

Wir haben bereits in Hesekiel 1 gesehen, dass die Räder der Regierung eng mit den Cherubim verbunden sind. Es sind Räder in Rädern, denn die Ratschlüsse Gottes werden ausgeführt, auch wenn der Mensch sie nicht begreifen kann. Gerade zu der Zeit, als der HERR die Stadt, in die Er seinen Namen gesetzt hatte, zum Gericht besuchen musste, handelte Er in Verbindung mit seinem treuen Überrest so übermächtig, dass selbst der hochmütige heidnische Unterdrücker in seinem Herzen eine Last verspürte, ihnen Barmherzigkeit zu erweisen.

Nichts kann diese Räder der Regierung von dort ablenken, wohin das Haupt geschaut hat, das heißt an die Spitze des Wagens. Sie folgten ihm und drehten sich nicht, während sie fuhren. Der armselige Mensch versucht, sich Gott zu widersetzen, aber das wird nur dazu führen, dass er unter diesen mächtigen Rädern zermalmt wird. Keiner, der sich jemals gegen Gott verhärtet hat, hat Erfolg gehabt. Dennoch stellen diese Räder nicht bloß ein willkürliches Schicksal dar, sondern die Räder selbst waren voller Augen – Augen, die von Einsicht sprechen; die Augen des HERRN, die an jedem Ort das Böse und das Gute erblicken [Spr 15,3]. Denn das Gericht Gottes entspricht der Wahrheit. Seine Regierung ist nicht willkürlich: Er wird dem Menschen nicht mehr zumessen, als er verdient. 

Es wurde bereits in dem Kommentar zu Kapitel 1 auf die Bedeutung der vier Gesichter der Cherubim hingewiesen. Wir brauchen daher hier nicht weiter darauf einzugehen.

Verse 15-17

Hes 10,15-17: 15 Und die Cherubim hoben sich empor. Das war das lebendige Wesen, das ich am Fluss Kebar gesehen hatte. 16 Und wenn die Cherubim gingen, gingen die Räder neben ihnen her; und wenn die Cherubim ihre Flügel erhoben, um sich von der Erde emporzuheben, so wandten sich die Räder auch nicht von ihrer Seite. 17 Wenn sie stehen blieben, blieben auch sie stehen; und wenn sie sich emporhoben, hoben sie sich mit ihnen empor; denn der Geist des lebendigen Wesens war in ihnen.

Hesekiel verbindet diese Vision des lebendigen Wesens ausdrücklich mit der Vision, die er zuvor am Fluss Kebar gesehen hatte. Erneut betont er, dass die Räder unter der direkten Kontrolle der Cherubim standen. Wenn sie ihre Flügel erhoben, um sich von der Erde zu erheben, so wandten sich die Räder nicht von ihrer Seite; wenn die Cherubim standen, standen die Räder still; und wenn sie sich in den Himmel erhoben, so hoben sich die Räder mit ihnen, denn der Geist des einen war in dem anderen.

Verse 18-19

Hes 10,18-19: 18 Und die Herrlichkeit des HERRN begab sich von der Schwelle des Hauses weg und stellte sich über die Cherubim. 19 Und die Cherubim erhoben ihre Flügel und hoben sich vor meinen Augen von der Erde empor, als sie sich wegbegaben; und die Räder waren neben ihnen. Und sie stellten sich an den Eingang des östlichen Tores des Hauses des HERRN, und die Herrlichkeit des Gottes Israels war oben über ihnen.

Die Herrlichkeit der Schechina trat über der Schwelle des Hauses hervor und erhob sich zum Himmel, bis sie über den Cherubim stand; dann fuhr sie wie auf einem göttlichen Wagen majestätisch durch das Universum, durchquerte die Tür des Osttores des Hauses Gottes und schien eine Zeitlang über diesem Eingang zu schweben. Es war, als ob der HERR sein Heiligtum nicht verlassen wollte. Er verweilte noch immer an dem Ort, an den Er seinen Namen gesetzt hatte, aber es gab keine Anzeichen von Buße seitens des Volkes, und so sollte die Herrlichkeit in kurzer Zeit zum Himmel aufsteigen und nicht mehr gesehen werden, bis der Herr Jesus Christus auf dieser Erde erschien.

Verse 20-22

Hes 10,20-22: 20 Das war das lebendige Wesen, das ich unter dem Gott Israels am Fluss Kebar gesehen hatte; und ich erkannte, dass es Cherubim waren. 21 Jeder hatte vier Angesichter, und jeder hatte vier Flügel, und das Gebilde von Menschenhänden war unter ihren Flügeln. 22 Und was die Gestalt ihrer Angesichter betrifft, so waren es die Angesichter, die ich am Fluss Kebar gesehen hatte, ihr Aussehen und sie selbst. Sie gingen jeder gerade vor sich hin.

Wieder verbindet der Prophet die Vision mit dem lebendigen Wesen, das er am Fluss Kebar gesehen hat. Bemerkenswert ist, dass das lebendige Wesen unter dem Gott Israels steht. Gott selbst ist unsichtbar. Seine Eigenschaften zeigen sich in den Cherubim. Der Psalmist sagt: „Gerechtigkeit und Gericht sind die Grundfeste deines Thrones“ (Ps 89,15). Diese Eigenschaften werden in den Engelsgestalten veranschaulicht.

Wie ernst ist die Wiederholung der Worte aus Hesekiel 1,9: „Sie gingen jeder gerade vor sich hin.“ Es ist töricht, zu glauben, menschliche Macht könne den Willen Gottes vereiteln!


Originaltitel: „Chapter 10: The Divine Chariot reappears
in Expository Notes on Ezekiel, 1949. 
Quelle: www.bibletruthpublishers.com

Übersetzung: Samuel Ackermann

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Anmerkungen

[1] Aus dem Lied „Befiehl du deine Wege“ von Paul Gerhardt (1607–1676).


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