Der Brief des Paulus an die Epheser (3)
Kapitel 3

Stanley Bruce Anstey

© SoundWords, online: 15.03.2023, updated: 14.01.2024

DER WEG GOTTES, DAS GEHEIMNIS DURCH DEN APOSTEL PAULUS BEKANNTZUMACHEN

In diesem Kapitel gibt es einen wichtigen Exkurs zwischen der lehrmäßigen Wahrheit des Briefes (Eph 1–2) und den praktischen Ermahnungen (Eph 4–6). Hier bekräftigt der Apostel seine Autorität, „das Geheimnis des Christus“ zu lehren. Paulus wusste, dass die Juden einige ernsthafte Missverständnisse über das, was er lehrte, haben würden. Deshalb wendet er sich in einem Einschub der Wahrheit des Geheimnisses ausführlicher zu. Zudem erklärt Paulus den einzigartigen Charakter seines Auftrags, dieses Geheimnis den Gläubigen zu bringen. Sein Ziel war es, einige Missverständnisse auszuräumen, die die Juden naturgemäß mit seiner Lehre haben würden.

Bisher hat Paulus in seinem Brief von dem Neuen gesprochen, das Gott bei der Bildung der Versammlung tat, in der es keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt (Eph 2,14-16). Er hat auch gelehrt, dass diejenigen, die an dieser neuen Sache teilhaben, vor Gott eine höhere Stellung haben als die Gläubigen des Alten Testamentes: Sie sind an Christi Platz vor Gott (Eph 1,4-6). Verständlicherweise würden diese Dinge für die Juden ein Stolperstein sein. Ihre Gedanken und Gefühle waren von den alttestamentlichen Schriften geprägt, die verheißen hatten, dass ihr Messias auf der Erde über Israel herrschen und die heidnischen Völker unter sich haben würde. Was Paulus lehrte, schien alles außer Kraft zu setzen, was die alttestamentlichen Schriften vorhergesagt hatten. Für sie war es unvorstellbar, dass Gott etwas aufheben würde, was Er aufgebaut und lange Zeit gutgeheißen hatte. Außerdem hörte es sich so an, als spräche Paulus abfällig über die Großen des Alten Testamentes: Abraham, Isaak und Jakob usw. Wie könnten die Heiden einen höheren Platz vor Gott einnehmen als Abraham? Und wenn das alles wahr wäre – was wäre dann mit den Verheißungen? Waren sie null und nichtig? Für das jüdische Denken, das von jüdischen Hoffnungen durchdrungen war, schien es, als wäre Paulus ein Abtrünniger, der Dinge lehrte, die eindeutig im Widerspruch zum Wort Gottes standen.

Die Aufhebung des Unterschieds zwischen Juden und Heiden in der Gemeinde (Gal 3,28; 6,15; Kol 3,11) war zu viel für den jüdischen Gläubigen. Es war den Juden besonders verhasst, weil es sie mit den Heiden auf dieselbe Stufe stellte. Dies berührte ihren Nationalstolz. Infolgedessen wurden sie zu den Hauptgegnern von Paulus bei seiner Verkündigung des Geheimnisses. Es war, als ob sie zu Paulus sagten: „Wenn du weiter lehrst, dass die Heiden einen besseren Platz im Himmel haben werden als Abraham, Isaak und Jakob, werden wir dich töten!“ Ihrer Meinung nach war jemand, der zu den Heiden geht und solche Dinge verkündet, nicht würdig, am Leben zu bleiben (Apg 22,21.22). Die Juden erreichten genau das, indem sie die Römer gegen Paulus aufhetzten, die ihn schließlich töteten. Hätte er ein Evangelium gepredigt, das den Heiden einen geringeren Platz im Segen einräumt als den Juden, wäre er nicht so heftig angegriffen worden.

Die Juden mussten verstehen, dass die Lehren von Paulus in keiner Weise die Verheißungen Gottes für Israel in Frage stellten, wenn ihr Messias in der kommenden Welt regieren würde. Gott hat Israel nicht vergessen und wird sich wieder mit ihnen befassen, um sie gemäß den Verheißungen des Alten Testamentes in den Segen zu bringen. Was Paulus lehrte, setzte diese Hoffnung nicht im Geringsten außer Kraft. Er lehrte, dass Gott in der Zwischenzeit Gläubige aus den Juden und Heiden herausrief, um ihnen einen besonderen, himmlischen Segen und eine besondere Bestimmung mit Christus in der Gemeinde zu geben, wenn Christus an einem kommenden Tag regiert. Der Schlüssel zu diesem Geheimnis liegt darin, zu verstehen, dass Gott die Verheißungen an Israel nicht durch die Berufung der Kirche ersetzt – dies ist eine Irrlehre, die „Ersatztheologie“ genannt wird. Er führt auch nicht gleichzeitig die Berufung der Gemeinde zur himmlischen Herrlichkeit und die Berufung Israels zum tausendjährigen Segen auf der Erde ein. Israels Berufung ruht gegenwärtig, weil das Volk seinen Messias verworfen hat, während die himmlische Berufung der Kirche ihren Lauf nimmt (Röm 11). Dies machte eine weitere Erklärung erforderlich, daher dieser Exkurs.

Die Autorität von Paulus für das Lehren der Wahrheit des Geheimnisses (V. 1-5)

Verse 1-5

Eph 3,1-5: 1 Deshalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen – 2 (wenn ihr nämlich gehört habt von der Verwaltung der Gnade Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, 3 dass mir durch Offenbarung das Geheimnis kundgetan worden ist – wie ich es zuvor in kurzem beschrieben habe, 4 woran ihr beim Lesen mein Verständnis in dem Geheimnis des Christus wahrnehmen könnt –, 5 das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden ist, wie es jetzt offenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist: …

Das Kapitel beginnt damit, dass Paulus von dem Preis spricht, den er gezahlt hat, um den Heiden die Wahrheit über „das Geheimnis“ zu bringen. Die unmittelbare Auswirkung seines Dienstes brachte ihn in die Kritik der religiösen Welt, was dazu führte, dass er ins Gefängnis geworfen wurde. Obwohl er gefesselt war, bezeichnete er sich nicht als Gefangener Neros (des römischen Kaisers), sondern als „der Gefangene Christi Jesu“. Darin drückt sich eine bewusste Würde und ein Verständnis für die Bedeutung der von ihm verkündeten Lehren aus und dass das Leiden, das er auf sich nahm, unvermeidlich war.

In einem Einschub (Eph 3,2-21) erklärt Paulus, woher er die Wahrheit des Geheimnisses hat – Gott selbst hatte sie ihm „durch Offenbarung“ gegeben (Eph 3,3). Darin lag seine Autorität, sie zu lehren. Der Einwand, den die Juden gegen die Lehre des Paulus hatten, war, dass er keine biblischen Quellen anführen konnte. Und sie hatten völlig Recht! Die Wahrheit des Geheimnisses stand nicht in den alttestamentlichen Schriften; sie war eine ganz neue Offenbarung Gottes. Sie war „in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgetan worden“ (Eph 3,5), sondern „in Gott verborgen“ (Eph 3,9; Röm 16,25; Kol 1,26). Es wurde erst jetzt „offenbart“. Wenn die Juden dies logisch betrachteten, hätten sie keine Schwierigkeiten mit dieser Erklärung haben dürfen, denn Mose konnte ebenfalls keine Schrift für die Offenbarungen vorlegen, die Gott ihm gab, als er den alten Bund einführte, der die Grundlage für alles bildete, was sie glaubten. Es war auch etwas Neues, als Mose den Israeliten den Bund gab.

Die Tatsache, dass diese Wahrheit „seinen heiligen Aposteln und Propheten im Geist“ offenbart wurde, zeigt, dass es sich nicht um eine private Auslegung von Paulus handelte – auch anderen Aposteln und Propheten waren diese Offenbarungen gegeben worden (Eph 3,5). Es wurde ihnen zwar offenbart, aber nicht von ihnen verkündet. Es war der besondere Auftrag von Paulus, diese himmlische Wahrheit zu verkünden. Er ist der einzige Schreiber des Neuen Testamentes, durch den Gott sie bekannt gemacht hat.

Der einzigartige Charakter des Segens, den das Evangelium der Gnade Gottes darstellt (V. 6)

Vers 6

Eph 3,6: … dass die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium, …

Paulus fährt fort zu erklären, dass das, was Gott gegenwärtig durch die Berufung des Evangeliums tut, sich völlig von dem unterscheidet, was die alttestamentlichen Propheten über die Heiden verkündet haben. In Vers 6 erwähnt er drei einzigartige Dinge, die die gegenwärtige Berufung Gottes in der Gnade durch das Evangelium kennzeichnen:

  1. Erstens heißt es in Vers 6, „dass die aus den Nationen Miterben seien“. Diese gegenwärtige Berufung Gottes durch das Evangelium ist nicht die massenhafte Heranführung der heidnischen Nationen an Jahwe, wie im Alten Testament angekündigt, wodurch sie einen Platz im Königreich des Messias unter Israel erhalten würden (Sach 2,15; 8,22.23; Jes 11,10; 14,1; 56,3-7; 60,1-5; Ps 22,28; 47,9; 72,10.11). Das ist eine äußere Bekehrung der heidnischen Nationen, wenn sie Christus in seiner Königsherrlichkeit sehen. Aus Furcht vor dem Gericht werden sie sich Israels Gott anschließen; es wird nicht unbedingt ein Werk des Glaubens in ihren Herzen sein (Ps 18,44-47; 66,1-3; 68,28-31; Jes 60,14), obwohl sehr viele davon echt sein werden (Off 7,9.10). Was Paulus jedoch ankündigte, war eine besondere Berufung bestimmter Gläubiger aus den Nationen, die Gott dazu vorherbestimmt hat, einen Platz mit Christus in seinem Leib zu teilen. Es war „die Bekehrung derer aus den Nationen“ (Apg 15,3); es war nicht die Bekehrung der Nationen als Ganzes, die in der Zukunft geschehen wird. Im gegenwärtigen Ruf des Evangeliums sucht Gott die Nationen auf, um „aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu nehmen“ (Apg 15,14). Zu demselben Zweck nimmt er auch bestimmte gläubige Juden aus ihrem früheren Platz in der Nation Israel heraus. Paulus war ein Beispiel dafür. Der Herr sagte zu ihm: „indem ich dich herausnehme aus dem Volk {Israel}“ (Apg 26,17).

    Juden und Heiden sind als unterschiedliche Einheiten auch heute noch auf der Erde, wenn der Ruf des Evangeliums ergeht, und sie werden auch am kommenden Tag noch existieren. Aber jetzt gibt es noch eine dritte Einheit: „die Versammlung Gottes“ (1Kor 10,32). Diese ist von den beiden anderen getrennt und sollte nicht mit ihnen verwechselt werden. Daher ruft Gott in dieser gegenwärtigen Gnadenzeit gläubige Juden und Heiden aus ihren früheren Positionen heraus und formt sie zu etwas Neuem in der Gemeinde. Die eigentliche Bedeutung des Wortes Versammlung/Kirche (griech. ecclesia) ist: „die Herausgerufenen“. Es drückt sehr treffend diese besondere Berufung durch das heutige Evangelium aus. Die Gläubigen aus den Juden und den Heiden haben im Voraus geglaubt (Eph 1,12.13) auf den Tag, an dem ein Überrest Israels und die Heidenvölker zu Gott gebracht werden.

  2. Zweitens weist Vers 6 darauf hin, dass die Gläubigen aus den Heiden „Miteinverleibte“ sind mit denen, die aus den Juden kommen. Das Geheimnis offenbart, dass Juden und Heiden, die an das Evangelium glauben, zu einem einzigen lebendigen Organismus (einem gemeinsamen Leib) geformt werden, der zum Wohlgefallen Gottes funktioniert und in dem das Leben und die Eigenschaften von Gottes eigenem Sohn offenbart werden. Dieser „eine Leib“ ist das Ergebnis des Geistes Gottes, der in diesen Gläubigen wohnt und sie mit Christus, dem Haupt im Himmel, verbindet (1Kor 12,13). Der geheimnisvolle Leib Christi ist etwas völlig Neues, das Gott geschaffen hat und das nirgendwo im Alten Testament zu finden ist. Christus wird über Israel und die heidnischen Völker herrschen (Ps 93,1; Jes 32,1), aber nirgends wird gesagt, dass Er über die Gemeinde, die sein Leib ist, herrscht.

  3. Drittens ist diese Gruppe ausgewählter Juden und Heiden „Mitteilhaber seiner Verheißung in Christus Jesus“. Diese Verheißung hat nichts mit der Verheißung zu tun, die den Vätern in alttestamentlicher Zeit gegeben wurde. Diese Verheißung steht in keinem Zusammenhang mit den Verheißungen an die Patriarchen in alttestamentlicher Zeit. Die Verheißungen, die Abraham, Isaak und Jakob erhielten, wurden ihnen zu ihren Lebzeiten gegeben. Hingegen wurde die Verheißung des „ewigen Lebens“ „vor ewigen Zeiten“ gegeben (Tit 1,2). „Ewiges Leben“ ist eindeutig ein Segen des Neuen Testamentes[1], der eine bewusste Beziehung zum Vater und zum Sohn (Joh 17,3) und die Innewohnung des Heiligen Geist beinhaltet (Joh 4,14). Die Gläubigen im Alten Testament wussten nichts von einer Beziehung zwischen Vater und Sohn innerhalb der Gottheit. Sie freuten sich nur darauf, für immer auf der Erde unter der Herrschaft des Messias zu leben (Ps 8,1-9 u.a.); auch hatten sie nicht die Innewohnung des Heiligen Geistes. Das ewige Leben wurde zum ersten Mal gesehen, als Christus in die Welt kam und dieses offenbarte; vorher war es „bei dem Vater“ im Himmel (1Joh 1,2).

Aus diesen drei Dingen ersehen wir, dass die Lehren des Paulus etwas ganz anderes waren als die Verheißungen, die den Vätern gegeben worden waren. Es handelte sich nicht um eine Art Erfüllung der alttestamentlichen Prophezeiungen – ein Irrtum der reformierten „Bundestheologie“. Wie bereits erwähnt, kamen diese himmlischen Dinge nicht in Konflikt mit Gottes Plan, Israel auf der Erde zu segnen und die Heiden während der Herrschaft ihres Messias unter sich zu haben. Die Bekehrung der Heiden in der Masse wird an einem kommenden Tag stattfinden, aber die Bekehrung derer, die aus den Heiden kommen [Apg 15,3.14], geschieht heute durch den Ruf des Evangeliums.

Wenn es in Vers 6 heißt, dass diese Dinge, die im Geheimnis über die Versammlung offenbart werden, uns „durch das Evangelium“ gehören, lernen wir, dass die Wahrheit des Evangeliums und die Wahrheit der Gemeinde miteinander verbunden sind. Alle Arbeit am Evangelium sollte mit Blick auf die Gemeinde durchgeführt werden. Im Evangelium stellen wir Christus, den Erlöser, dar; wenn wir die Wahrheit über die Gemeinde lehren, stellen wir Christus, den Mittelpunkt, vor. Beide sind eng miteinander verbunden. Gott will, dass ein Mensch, wenn er gerettet ist, danach in der Gemeinde so funktioniert, wie Gott ihn eingesetzt hat.

Die großen Steine, die für den Bau des Tempels herbeigeschafft wurden (1Kön 5), wurden nicht nur an dem Ort abgebaut, an dem sie gefunden worden waren, sondern sie wurden auch an den Ort des Tempels gebracht und in das Haus eingebaut (1Kön 6). Die Steine aus der Grube zu holen, war kein Selbstzweck. In ähnlicher Weise sind die lebendigen Steine, aus denen Gottes Haus heute besteht, zu dem Zweck gerettet worden, in seinem Haus zu seiner Ehre zu wirken. Später in diesem Brief spricht Paulus erneut von diesem Zusammenhang (Eph 4,11-16). Die „Evangelisten“ sollten mit den „Hirten und Lehrern“ zusammenarbeiten „für die Auferbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4,12). Wenn wir wollen, dass Seelen gerettet werden, ohne zu sehen, dass sie an ihrem Platz im Leib funktionieren, verfehlen wir Gottes Ziel für sie. Der Zweck des Evangeliums besteht darin, das Material heranzubringen, aus dem die Gemeinde bestehen soll.

Die Verantwortung von Paulus, das Geheimnis kundzutun (V. 7-13)

Verse 7.8

Eph 3,7.8: … 7 dessen Diener ich geworden bin nach der Gabe der Gnade Gottes, die mir gegeben ist nach der Wirksamkeit seiner Kraft. 8 Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, den Nationen den unergründlichen Reichtum des Christus zu verkündigen …

Das Wissen um diese wunderbaren Dinge und die Erkenntnis, dass Gott ihn auserwählt hatte, um sie den Gläubigen mitzuteilen, machte Paulus nicht stolz. Ganz im Gegenteil, es demütigte ihn. Er sah sich selbst als den „allergeringsten von allen Heiligen“. Das zeigt die richtige Wirkung, die die Wahrheit auf uns haben sollte: Sie sollte den Stolz aus uns vertreiben! Wir wagen zu behaupten, dass Gott [gerade] solch einen Menschen gebrauchen kann; und genau das tat Gott mit Paulus.

Da Paulus diese besonderen Offenbarungen über das Geheimnis erhalten hatte, war es seine Aufgabe, diese Dinge bekannt zu machen. Er begnügte sich nicht damit, es persönlich zu wissen; er wollte, dass es jeder erfährt. Er hatte einen zweifachen Auftrag:

  • erstens, „den Nationen den unergründlichen Reichtum des Christus zu verkündigen“ und
  • zweitens, „alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei“ (Eph 3,8.9).

Siehe auch Römer 16,25 und Kolosser 1,23-28. Paulus hatte also einen Predigt- und einen Lehrauftrag vom Herrn (1Tim 2,7; 2Tim 1,11).

  • Der „unergründliche Reichtum des Christus“ bezieht sich auf die vielen individuellen Segnungen, die wir in Christus haben. Bevor sie offenbart wurden, waren sie für den Menschen „unergründlich“ (1Kor 2,9; 1Pet 1,11.12).
  • Das „Geheimnis“ offenbart die gemeinschaftliche Wahrheit der Versammlung, die der Leib und die Braut Christi ist.

Die zwei Verwaltungen Christi im Epheserbrief

Vers 9

Eph 3,9: … und alle zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott, der alle Dinge geschaffen hat; …

In Vers 9 geht es um die zweite der beiden Verwaltungen Christi im Epheserbrief. Die erste ist eine zukünftige Verwaltung in der kommenden Welt (Eph 1,10); die zweite ist eine gegenwärtige Verwaltung des Geheimnisses. Als Haupt der Versammlung und Hauptverantwortlicher leitet Er gegenwärtig die Aktivitäten im Hinblick auf ihren Aufbau. Der Herr sagte: „Ich werde meine Versammlung bauen“ (Mt 16,18). Wie Salomo den Tempel mit Hilfe seiner Arbeiter baute, so baut Christus durch den Geist die Gemeinde, und die Glieder seines Leibes sind mit der Arbeit beschäftigt. Er sendet seine Evangelisten in die Arbeit des Evangeliums aus, um das Material (gläubige Juden und Heiden) hereinzubringen, und Er benutzt seine Hirten und Lehrer, um diese Neubekehrten im heiligen Glauben zu erbauen.

Die große Last des Paulus war es, „alle {Menschen; siehe engl. KJV-Übersetzung} zu erleuchten, welches die Verwaltung des Geheimnisses sei“, damit sie sich mit dem, was Gott in dieser Zeit tut, in Einklang bringen können. Dies würde die praktische Ordnung und das Funktionieren der Versammlung auf der Erde einschließen. Das Wort „Menschen“ in Vers 9 (in der engl. KJV-Übersetzung) steht nicht im griechischen Originaltext und macht die Aussage des Paulus in diesem Vers zu eng.

Vers 10

Eph 3,10: … damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes, …

Die Erleuchtung über diese Dinge erstreckt sich auf die gesamte Schöpfung – einschließlich der Engelwesen, wie Vers 10 zeigt. Diese erhabenen Geistwesen haben so etwas noch nie gesehen. Sie haben miterlebt, wie die Schöpfung vor ihren Augen emporstieg und sich ausdehnte. Sie haben die Wege Gottes in anderen Zeitaltern gesehen und sein Handeln mit den Menschen in Bezug auf Regierung, Vorsehung und Barmherzigkeit beobachtet, aber dies ist etwas völlig Neues für sie. Sie lernen nicht nur von der Gnade Gottes in der Berufung der Kirche, sondern sie lernen durch sorgfältige Beobachtung von denen in der Kirche, die vom Geist Gottes und dem Wort Gottes geleitet werden, wenn sie sich zur Anbetung und zum Dienst versammeln (1Kor 11,10; 1Pet 1,12).

Verse 11-13

Eph 3,11-13: … 11 nach dem ewigen Vorsatz, den er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn; 12 in welchem wir die Freimütigkeit haben und den Zugang in Zuversicht durch den Glauben an ihn. 13 Deshalb bitte ich, nicht mutlos zu werden durch meine Drangsale für euch, die eure Ehre sind.

Paulus geht hier nicht auf die Einzelheiten der praktischen Ordnung der Versammlung ein (diese finden sich in 1. und 2. Korinther, 1. Timotheus und Titus), sondern er fährt damit fort, uns zu sagen, dass es Gottes „Vorsatz“ ist, dass alle „die mannigfaltige Weisheit Gottes“ (Eph 3,10) durch diese gegenwärtige Verwaltung Christi kennenlernen sollen. Leider hat die Kirche als Ganzes dies nicht verstanden und bewegt sich nicht unter der Leitung des Hauptes. Infolgedessen tun viele Christen im Dienst des Herrn Dinge, die nicht mit der praktischen Verwirklichung der Wahrheit des Geheimnisses übereinstimmen. Dennoch wird durch Gottes überragende Macht der große und „ewige Vorsatz“ Gottes „in Christus Jesus, unserem Herrn“ verwirklicht.

Das Gebet des Paulus, dass die Gläubigen das Herz des Segensgebers erkennen und von seiner Fülle erfüllt werden (V. 14-21)

Es ist Gottes Absicht, dass die Wahrheit des Geheimnisses eine praktische Auswirkung auf unser Leben haben soll, wie die Ermahnungen in den Kapiteln 4 bis 6 zeigen. Bevor wir jedoch ermahnt werden, dieser großen Berufung würdig zu leben (Eph 4,1), betet der Apostel ein zweites Mal für die Versammlung.

Verse 14.15

Eph 3,14.15: 14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, 15 von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird, …

Er wusste, dass die Ausübung dieser großen Wahrheit auf großen Widerstand des Feindes stoßen würde (Kol 1,27-29), und erinnert uns erneut daran, dass das Leben im Licht dieser Wahrheit den Menschen in Schmach und Leid bringen wird (Eph 3,13). Aus diesem Grund beugte er „seine Knie“ im Gebet zum „Vater unseres Herrn Jesus Christus“, damit die Herrlichkeit und Liebe Christi und die Fülle Gottes durch seinen Geist in den Gläubigen geformt würden. Das Ziel ist hier, dass dieses Gefäß fähig ist, die Herrlichkeit Christi zu zeigen, nicht nur in der kommenden Welt, sondern auch jetzt in dieser Welt. Indem er hinzufügt: „von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird“, verwendet Paulus den weitestmöglichen Ausdruck, der alle gesegneten Geschöpfe Gottes umfasst. Dazu gehören die Gläubigen des Alten Testamentes, die Christen, die Gläubigen des Tausendjährigen Reiches (Juden und Heiden), die Säuglinge, die noch nicht das Alter des Verstandes erreicht haben, die auserwählten Engel usw. Es ist bezeichnend, dass unter all jenen Paulus für diejenigen betet, die an dem besonderen Ort, an dem sich das Geheimnis entfaltet, gesegnet wurden.

Vers 16

Eph 3,16: … damit er euch gebe, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen; …

  1. Diese Stärkung zielt darauf ab, dass die Heiligen befähigt werden, nach der gegenwärtigen Verwaltung zu wandeln. Es ist keine äußere Kraft, die er für uns erbittet, sondern eine Kraft im „inneren Menschen“ (der Seele), die die Person festhält, die das Zentrum aller Ratschlüsse Gottes ist.

Vers 17a

Eph 3,17a: … dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne …

  1. Das große Ziel der Stärkung der Seele auf diese Weise ist, dass Christus den Ihm gebührenden Platz am Sitz unserer Zuneigung einnimmt. Das erste Gebet hatte damit zu tun, dass wir unseren Platz in Christus verstehen, während dieses zweite Gebet damit zu tun hat, dass Christus in uns wohnt. Derjenige, der der Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes ist, sollte der Mittelpunkt all unserer Gedanken und Gefühle sein. Wenn Christus im Zentrum unseres moralischen Wesens wohnt, wird Er die inneren Quellen, die Gedanken und das Verlangen unseres Herzens kontrollieren.

Verse 17b-19a

Eph 3,17b-19a: … 17b  indem ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid, 18 damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei, 19 und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, …

  1. Wenn Christus den Ihm gebührenden Platz in unserer Zuneigung einnimmt, führt das dazu, dass wir in seiner Liebe verwurzelt und gegründet sind, und das bewirkt eine Vergrößerung unserer Empfänglichkeit für göttliche Dinge. Das ist so, weil wir durch unsere Zuneigung begreifen. Je mehr wir uns an seiner Liebe erfreuen, desto größer wird unsere Empfänglichkeit für göttliche Dinge. Das Wort „begreifen“ ist nicht die beste Übersetzung (siehe engl. KJV-Übersetzung). Comp bedeutet im Lateinischen, etwas zu begreifen, indem man es umschließt. Das können wir kaum tun, wenn es um die Dinge Gottes geht, denn wir erkennen jetzt nur „stückweise“ (1Kor 13,9). Es sollte heißen: „erfassen“, das heißt eine Sache in die Hand nehmen, ohne sie unbedingt ganz zu begreifen.

    Die „Breite und Länge“ usw. bezieht sich nicht auf die Liebe Christi (wie viele denken), denn die Liebe Christi hat weder Länge noch Breite. Sie ist unermesslich. Er spricht von der Breite und Länge des gewaltigen Umfangs der Herrlichkeit Gottes, die in Christus ihren Mittelpunkt hat. Nachdem er uns in die Unendlichkeit der Herrlichkeit Gottes eingeführt hat, bringt er uns zu einem bekannten Mittelpunkt zurück: „die Liebe Christi“. Obwohl wir sie kennen, können wir ihr Ausmaß nicht ergründen – sie „übersteigt die Erkenntnis“.

    Beachte: „Liebe“ übertrifft „Erkenntnis“. Gottes Wille in Bezug auf Christus und die Gemeinde, der im Geheimnis offenbart wurde, ist Erkenntnis; aber es gibt etwas, was dies übertrifft: die Liebe, die es geplant hat! Wenn wir diese Dinge begreifen oder, besser gesagt, wenn sie uns ergreifen, werden wir bereit sein, die Wahrheit zu praktizieren, wie wir sie in Kapitel 4 finden.

Vers 19b

Eph 3,19b: … damit ihr erfüllt sein mögt zu der ganzen Fülle Gottes.

  1. Das großartige Ergebnis all dessen ist, dass wir von Gottes Fülle erfüllt sein werden. Dies ist nicht die Fülle der Gottheit; es wäre Gotteslästerung, zu denken, dass wir mit der Gottheit erfüllt werden könnten. Die Gottheit liegt jenseits der Erkenntnis der Geschöpfe und existiert in einem unzugänglichen Licht, das weder jetzt noch am Tag des Tausendjährigen Reiches zum Vorschein kommen wird. Hier geht es um das, was in der Versammlung zum Zweck der Darstellung gebildet wird. Es ist alles, was Gott in seinem Charakter ist. Im Kolosserbrief füllt und wohnt die Fülle Gottes in Christus, aber hier wünscht der Apostel, dass sie uns erfüllt! Nur von Christus wird gesagt, dass die ganze Fülle Gottes in Ihm wohnt (Kol 1,19; 2,9), aber es ist zumindest für uns möglich, von „der ganzen Fülle Gottes“ erfüllt zu werden. Ein Kind kann seinen Eimer an den Rand des Ozeans bringen und ihn füllen. Es könnte sagen, dass sein Eimer voll vom Ozean ist, aber es könnte nicht sagen, dass es den Ozean in seinem Eimer hat. So ist es auch bei uns, wenn es um die Fülle Gottes geht.

Verse 20.21

Eph 3,20.21: 20 Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als was wir erbitten oder erdenken, nach der Kraft, die in uns wirkt, 21 ihm sei die Herrlichkeit in der Versammlung in Christus Jesus auf alle Geschlechter des Zeitalters der Zeitalter hin! Amen.)

Damit sind wir auf dem Höhepunkt des Briefes angelangt; der Geist kann uns nicht höher führen. Paulus endet passenderweise mit einer Lobpreisung. Das Erfülltsein von der Fülle Gottes führt uns zur Anbetung und bereitet uns darauf vor, den Ermahnungen in den folgenden Kapiteln zu folgen. Wie David, als er Gott pries und sagte: „Aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ (1Chr 29,14), erkannte Paulus, dass all diese Dinge ihren Ursprung im Herzen Gottes haben, und es ist nur angemessen, dass sie in Form von Lob und Preis zu Ihm zurückkehren.

Er spricht davon, dass Gott „über alles hinaus zu tun vermag“, was wir jemals „erbitten oder erdenken“ könnten, um seinen allweisen Ratschluss zu verwirklichen, seinen Sohn durch die Versammlung öffentlich zu verherrlichen. Einige denken fälschlicherweise, dass sich dies auf die Erhörung unserer Gebetsanliegen durch Gott bezieht. Es ist sicherlich wahr, dass Gott unsere Gebete auf bessere Weise erhören kann und dies auch tut, als wir oft erbitten, aber das ist nicht das, wovon der Apostel hier spricht. Er sagt, dass, wenn Gott uns gebeten hätte, das Beste zu wählen, was uns je passieren könnte, es uns nie in den Sinn gekommen wäre, um etwas so Gesegnetes zu bitten oder an so etwas überhaupt zu denken. Also ergriff Gott die Initiative und plante alles, bevor die Welt begann. Und Er tat dies alles zu seinem eigenen Wohlgefallen und zu unserem großen Segen.

In Gottes ew’gem Ratschluss
bevor die Welt gemacht,
bevor der Grund gelegt ward,
aus nichts die Welt entstand;
da plant’ Gott für uns Segen,
erwählt’ uns in dem Sohn,
dass wir in Ihm verwandelt,
wenn wir den Lauf vollbracht.
[2]

Alles, was Gott sich vorgenommen hat, wird sich erfüllen „nach der Kraft, die in uns wirkt“. Im ersten Gebet spricht der Apostel von Gottes Kraft, die für uns wirkt, aber in diesem zweiten Gebet spricht er von Gottes Kraft, die in uns wirkt. Das liegt daran, dass die Betonung hier auf Gottes Werk liegt, die Befähigung in denen zu formen, die dieses besondere Gefäß des Zeugnisses bilden sollen.

Daher sehen wir in diesem Kapitel, dass der Dienst des Apostels aus Predigen, Lehren und Beten für die Gläubigen bestand. In ähnlicher Weise sollte auf unsere Predigt und Lehre das Gebet folgen, damit die Dinge, die wir vorgetragen haben, in den Herzen des Volkes Gottes verwirklicht werden.

Einige Unterschiede zwischen den Gebeten in Kapitel 1 und 3

  • Das Gebet in Kapitel 1 richtet sich an „den Gott unseres Herrn Jesus Christus“, das Gebet in Kapitel 3 an „den Vater unseres Herrn Jesus Christus“.
  • Das Gebet in Kapitel 1 ist, dass wir den Plan kennen, den Gott für die Offenbarung seines Sohnes in der kommenden Welt gefasst hat; das Gebet in Kapitel 3 ist, dass wir das Herz des Planers kennen.
  • Das Gebet in Kapitel 1 bezieht sich auf unseren Platz in Christus; das Gebet in Kapitel 3 bezieht sich darauf, dass Christus einen Platz in uns hat.
  • Das Gebet in Kapitel 1 spricht von der Kraft Gottes an uns; das Gebet in Kapitel 3 spricht von der Kraft Gottes in uns.

Der Reichtum Gottes, wie er im Epheserbrief dargestellt wird

  • Der Reichtum seiner Gnade (Eph 1,7) unterstreicht, wie weit Gott herabgestiegen ist, um uns zu retten.
  • Der Reichtum an Barmherzigkeit (Eph 2,4) unterstreicht die Tiefe des Mitgefühls des Herzens Gottes.
  • Der überragende Reichtum seiner Gnade (Eph 2,7) betont die Entfaltung seiner Gnade uns gegenüber vor der Welt.
  • Der unergründliche Reichtum Christi (Eph 3,8) hebt die vielen besonderen Segnungen hervor, die wir in Christus haben.
  • Der Reichtum seiner Herrlichkeit (Eph 3,16) unterstreicht die Größe der Herrlichkeit, die Christus, den großen Segensspender des Universums, umgibt.

Zusammenfassung der Kapitel 1 bis 3

Kapitel 1: Die Offenbarung von Gottes ewigem Plan für Christus und die Versammlung. Es offenbart Gottes endgültigen Plan, seinen Sohn in der kommenden Welt in zwei Sphären (im Himmel und auf der Erde) zu verherrlichen, und zwar durch ein besonders geformtes Gefäß des Zeugnisses: die Versammlung, die sein Leib und seine Braut ist.

Kapitel 2: Gottes Wirken in der Zeit der Berufung und Bildung dieses Gefäßes des Zeugnisses im Hinblick auf den kommenden Tag der Offenbarung. Jedes Hindernis auf dem Weg zu seinem Ziel wird durch seine Liebe, seine Macht und seine Gnade überwunden.

Kapitel 3: Die Verantwortung des Paulus bei der Verkündigung der Wahrheit des Geheimnisses, die in seiner Predigt, seiner Lehre und seinem Gebet für die Heiligen zum Ausdruck kommt.


Originaltitel: „God’s Way of Making Known the Mystery by the Apostle Paul: Ephesians 3“
aus The Epistle of Paul to the Ephesians. The Purpose of the Ages

Übersetzung: Stephan Isenberg

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Anmerkungen

[1] Vom ewigen Leben wird auch im Alten Testament berichtet (z.B. Ps 133), aber nicht in der Qualität, in der wir es in dem Herrn Jesus kennen dürfen (vgl. Joh 17,3; 1Joh 1,1-4).

[2] Anm. d. Red.: Übersetzung (GN) aus dem Lied „In deep eternal counsel“ von George West Frazer (1830–1896): In deep, eternal counsel, | before the world was made, | before its deep foundations | on nothingness were laid; | God purposed us for blessing, | and chose us in His Son, | to Him to be conformed, | when here our course was run.


Note from the editors:

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