Neue Lieder in der Gemeinde
Müssen wir christliche Lieder beurteilen?

Herbert Briem

© H. Briem, online: 05.04.2022, updated: 21.08.2025

Anmerkung der Redaktion:
Wir möchten bei dieser Gelegenheit auf das Buch Anbetung im 21. Jahrhundert hinweisen, in dem einige Themen dieses Artikels weiter ausgearbeitet werden.

1 | Das Lob Gottes im Lied

Ohne Lieder und Gesang können wir uns das Lob Gottes nicht vorstellen. Das erste Loblied, das wir in der Bibel finden, ist das „Lied der Errettung“ in 2. Mose 15,1-19, das die Kinder Israel sangen, weil Jahwe, ihr Gott, sie von der Heeresmacht der Ägypter errettet hatte. Auch heute noch wirkt Gott durch sein Wort und seinen Geist an den Herzen der Menschen. Wer sich als Sünder erkennt und dem Evangelium glaubt, erlebt das Wunder der persönlichen Errettung. Wer diese Rettung durch den Herrn Jesus Christus erfahren hat, möchte Ihm auch danken und Ihn mit „neuen Liedern“ loben und anbeten (Ps 40,4; 144,9).

Im Alten und im Neuen Testament werden wir dazu aufgefordert, Gott „neue Lieder zu singen“, Ihm zu „lobsingen“ und Ihm zu „spielen“ (Ps 33,3; 98,1; 149,1; 1Kor 14,15; Eph 5,19; Kol 3,16; Heb 2,12; Jak 5,13b). Neben dem Lob Gottes dient das Singen von Lobliedern auch der persönlichen und gegenseitigen Auferbauung im Glauben. Sowohl im persönlichen Umfeld als auch in der Gemeinde soll das Lob Gottes im Lied erklingen. Gott wünscht ein vielfältiges Lob von seinen Kindern. Das kommt besonders im Epheser- und im Kolosserbrief zum Ausdruck:

  • Eph 5,18-20: Werdet mit dem Geist erfüllt, redend zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, singend und spielend dem Herrn in eurem Herzen, danksagend allezeit für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus.

  • Kol 3,16: Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade.

Es werden drei Arten von Liedern erwähnt: Psalmen (psalmos), Loblieder (hymnos = Hymnen) und geistliche Lieder (odais pneumatikais = geistliche Oden).

  • Psalmen sind uns aus dem Alten Testament bekannt. Sie wurden meistens unter Begleitung eines Harfeninstruments gesungen (z.B. bei David) und konnten sehr verschiedene Inhalte haben: neben dem Lob Gottes auch die persönlichen Erfahrungen mit Gott. Vielleicht wurden in den frühen Gemeinden neben Psalmen aus dem Alten Testament auch neue christliche Psalmen gedichtet und gesungen.

  • Bei christlichen Hymnen geht es vor allem um den Lobpreis der großen Taten Gottes: sein Handeln, sein Erlösungswerk, die Leiden Jesu am Kreuz, sein Erbarmen mit uns usw.

  • Geistliche Oden haben wohl einen ähnlichen Charakter wie Hymnen. Vielleicht steht bei ihnen mehr das Wesen Gottes selbst, soweit es uns offenbart ist, im Vordergrund. Es geht dann um Gottes Erhabenheit, Weisheit, Allmacht, Liebe usw.

Wie der nachfolgend zitierte Vers aus dem ersten Korintherbrief zeigt, soll unser Gesang auch mit geistlichem Verständnis („mit dem Verstand“) erfolgen, das heißt, die Textinhalte der Lieder müssen mit der Lehre der Bibel übereinstimmen, um zum Lob Gottes geeignet zu sein:

  • 1Kor 14,15: Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, ich will aber auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, ich will aber auch lobsingen mit dem Verstand.

2 | Neue Lieder

Neue geistliche Lieder sind besonders in Erweckungszeiten entstanden. Auch in der Zukunft und in der Ewigkeit wird es noch „neue Lieder“ geben (vgl. Jes 42,10; Off 5,9; 14,3). Auch wenn wir in den westlichen Ländern augenblicklich keine große Erweckung erleben, so besteht doch das Bedürfnis, Gott in der Sprache unserer Zeit mit neuen Liedern zu loben und anzubeten. Um diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen, werden ältere Liederbücher überarbeitet und ergänzt und neue Liederbücher für Gemeinden und junge Menschen herausgegeben. Das ist grundsätzlich erfreulich. Allerdings sollte auch auf die Qualität der Lieder geachtet werden. Leider ist gute Qualität durchaus nicht selbstverständlich. Es werden heute viele Lobpreislieder getextet, die inhaltlich flach sind und in einem Umfeld entstehen, das von Popmusikstilen und/oder charismatischem Gedankengut beeinflusst ist. In den vergangenen Jahren sind eine Reihe neuer Liederbücher erschienen, die auch Lieder enthalten, die nicht der „gesunden Lehre“ der Schrift entsprechen. Von daher entsteht das Bedürfnis und die Notwendigkeit, christliche Lieder zu beurteilen.

3 | Wie können Lieder beurteilt werden?

Es fragt sich nun, welche Kriterien angelegt werden sollten, um zu beurteilen, ob christliche Lieder für den Gebrauch in der Gemeinde geeignet sind.

Zunächst muss man sich darüber klar sein, dass ein Lied aus drei verschiedenen Komponenten besteht: Text, Melodie und (mehrstimmiger) Notensatz einschließlich des Rhythmus. Die drei müssen jeweils für sich bewertet werden. So kann es sein, dass ein Lied mit schöner Melodie und Notensatz einen von der biblischen Lehre her mangelhaften Text hat. Auch das Umgekehrte ist möglich: ein guter Text und eine schlecht gemachte Musik. Andererseits kommt es auch vor, dass eine an sich schöne Melodie (im Sopran) mit einem komplizierten Notensatz oder Rhythmus versehen ist, wodurch die Begleitung der anderen Stimmen (Alt, Tenor oder Bass) im Gemeindegesang erschwert wird.

Für ein gutes Lied müssen an alle drei Komponenten gewisse Anforderungen gestellt werden:

  • Sie sollen harmonieren und die Gedanken des Liedtextes in der Musik möglichst treffend zum Ausdruck bringen.

  • Die zu einem geistlichen Lied passende Musik soll den Text unterstreichen, ihn auslegen, somit eine „Predigt in Tönen“[1] sein, die Sänger und Hörer innerlich anspricht.

  • Durch die Musik kann etwas ausgedrückt werden, was noch über den Text hinausgeht und die Aussage vertieft. Das kann man besonders bei der Musik von J.S. Bach und bei anderen alten Komponisten geistlicher Musik beobachten.

Um gute christliche Lieder zu komponieren, ist neben einem entsprechenden Musiktalent auch eine gute Kenntnis der gesunden Lehre notwendig, um biblische Lehre in passender Form dichterisch zum Ausdruck zu bringen. Daran mangelt es offensichtlich manchen zeitgenössischen Liedermachern. Aber auch bei alten Liedern, zum Beispiel bei manchen Kirchenliedern, lassen sich im Text lehrmäßige Defizite feststellen. Deswegen wurden in der „Brüderbewegung“ alte Lieder für den Gemeindegebrauch manchmal gekürzt und teilweise umgedichtet, um einige Formulierungen mehr an die Aussagen der Schrift anzupassen. So können sie auch in heutigen Gemeinden verwendet werden. Bei aller Hochachtung vor alten, gottesfürchtigen Liederdichtern ist das nach unserer Auffassung erlaubt, ja sogar geboten,[2] wenn man der Lehre der Bibel den ersten Platz einräumt. Ihr zuerst gehört unser Respekt.

Musik im Allgemeinen und die in christlichen Liedern verwendete Musik sind ein weites Feld. Hier sind wir alle leicht geneigt, nach unseren Vorlieben und unserem persönlichen Musikgeschmack zu urteilen, und der kann sehr unterschiedlich sein. Er ist unter anderem abhängig von unserer Herkunft und musikalischen Bildung. Ist ein Lied schlecht, weil es mir nicht gefällt, weil es zu alt oder zu modern ist? Die Stilrichtung ist nicht allein für den Gebrauch in der Gemeinde entscheidend; es kommt vielmehr auf die Art und Kombination der verwendeten Musikbausteine an. Sind zum Beispiel zu viele Synkopen[3] vorhanden; sind sie an geeigneten Stellen?

Eine weitgehend objektive Beurteilung von Musik, die sich für geistliche Lieder eignet, ist durchaus möglich. Das haben unter anderem die Arbeiten von Adolf Graul[4] und Matthias Steup[5] aufgezeigt. Allerdings sind dazu eine entsprechende musikalische Bildung und die Beachtung bestimmter Grundsätze notwendig. Adolf Graul hat dazu auch eine CD mit Musikbeispielen herausgegeben.

Bei der Prüfung, welche Lieder für den Gemeindegebrauch geeignet sind, kann man sich folgende Fragen vorlegen:

  • Stimmt der Text mit Gottes Wort überein? Sind die Gedanken biblisch nüchtern? Zu häufigen Problemen siehe Abschnitt 7.
  • Die Melodie sollte sich nicht in einem nur kleinen Tonraum bewegen und nicht viele Wiederholungen beinhalten. Das senkt den kognitiven Verarbeitungsanspruch der Hörer und wirkt einschläfernd, im Extremfall sogar trancefördernd.

  • Der Rhythmus sollte für den Gemeindegesang nicht zu schwierig sein, nicht zu viele Synkopen enthalten und vor allem keine starre Taktrhythmik fördern.

  • Der Notensatz sollte ebenfalls nicht zu schwer sein und auf den Stimmumfang normaler Sänger in der Gemeinde Rücksicht nehmen. Er sollte sich im Bereich vom hohen E im Sopran bis zum tiefen G im Bass bewegen. Tonlagen darüber und darunter sind eher etwas für ausgebildete Sänger.

4 | Instrumentalbegleitung von Liedern in der Gemeinde

Soll man den Gesang in der Gemeinde mit Instrumenten begleiten? Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen. Im Alten Testament wurde der Gesang häufig mit Instrumenten begleitet, zum Beispiel in den Psalmen. Im Neuen Testament wird dies nur an einer Stelle indirekt erwähnt (Eph 5,19). Offensichtlich möchte Gott in der neutestamentlichen Gemeinde sein Lob in erster Linie aus unserem Mund hören. Das schließt nach dem Urteil des Verfassers eine Begleitung, zum Beispiel mit einem Klavier, nicht aus. Wir haben sicher die Freiheit dazu, auch Instrumente zu benutzen, wenn sie den Gesang nicht dominieren. Allerdings berichten manche auch von der Erfahrung, dass eine ständige Unterstützung des Gesangs mit Instrumenten auf die Dauer den Gemeindegesang schwächt, besonders was die Mehrstimmigkeit angeht.

4.1 | Welche Ziele könnte eine solche Begleitung haben?

  • Geschwistern, die neu in der Gemeinde sind, das Erlernen der Lieder zu erleichtern 
    Viele Menschen sind es heute nicht mehr gewohnt zu singen oder kennen die Gemeindelieder nicht. Eine Begleitung, evtl. mit Hervorhebung der ersten Stimme, ist eine große Hilfe und Motivation zum Mitsingen.

  • Förderung des mehrstimmigen Gesanges 
    Die meisten Lieder werden in vielen Gemeinden weitgehend einstimmig gesungen. Es wäre schön, wenn durch eine geeignete Klavierbegleitung auch die anderen Stimmen, besonders die der Männer (Tenor und Bass), aktiviert werden könnten. Das gelingt auf diese Weise sicher nur begrenzt und ist von der musikalischen Begabung und der Fähigkeit abhängig, Noten zu lesen.

  • Einbeziehung von unbekannten und neuen Liedern
    Das erweitert den aktiven Liedschatz der Gemeinde und ermöglicht, auch andere zur Situation passende Lieder vorzuschlagen. Davon profitieren in erster Linie die Anbetungsstunden. Für neue, noch wenig bekannte Lieder ist eine Begleitung unumgänglich, falls sie nicht separat eingeübt wurden.

  • Hilfe beim Anstimmen
    mit der richtigen Tonhöhe, richtigem Melodieverlauf und im richtigen Rhythmus, den Noten entsprechend.

4.2 | Wie könnte die Begleitung aussehen?

In „Brüdergemeinden“ braucht man keinen „Lobpreisleiter“ mit einer Musikgruppe. Alle Brüder sind aufgerufen, passende Lieder vorzuschlagen, die dann gemeinsam gesungen werden. Dazu ist eine gute Kenntnis des Inhalts der Lieder erforderlich sowie geistliches Verständnis für das, was gerade passend ist.

  • Es sollte nicht zu schnell gespielt werden. Die Begleitung sollte auch nicht im „Holzhackermodus“ (strenge Taktrhythmik) geschehen, sondern sich der Aussage des Textes anpassen und auf den Gesang der Gemeinde Rücksicht nehmen (Atemrhythmik, Pausen zwischen den Strophen).

  • Die Spontaneität beim Vorschlagen und Singen von Liedern darf nicht leiden. Das kann dann der Fall sein, wenn die Abhängigkeit vom Instrument zu groß wird oder es zu lange dauert, bis der Gesang beginnt, bzw. das Vorspiel zu lang ist.

Auch wenn der Gemeindegesang mit Instrumenten begleitet wird, darf der Charakter der Anbetung nicht darunter leiden. Die Instrumentenbegleitung hat eine dienende Funktion; sie soll auf keinen Fall den „Lobpreis“ bestimmen wie bei den Charismatikern. Wie bei allen Diensten für den Herrn Jesus ist auch für den musikalischen Dienst eine geistliche Haltung erforderlich; Begabung allein reicht nicht aus.

5 | Christliche Popmusik

Leider findet durch manche Lieder mit einem ausgeprägten Taktrhythmus die christliche Popmusik Eingang in die Gemeinden. In einigen Fällen hat das zum Einsatz von Schlagzeug in Jugend- und/oder Gemeindezusammenkünften geführt. Gott hat in den letzten fünfundzwanzig Jahren durch kompetente Leute Aufklärung im Bereich geistlicher Musik geschenkt. Wir kommen nicht daran vorbei, das zur Kenntnis zu nehmen. Wir erinnern an Brüder wie Ernst Trachsel-Pauli[6], Martin Heide[7], Roger Liebi[8], Rudolf Gerhard[9], Walter Kohli[10], Dan Lucarini[11], Adolf Graul[12], Matthias Steup[13], Georg Walter[14] und andere.

Taktrhythmisch[15] statt atemrhythmisch ausgerichtete Musikstile und Lieder charismatischer Herkunft dringen heute auf breiter Front in evangelikale Gemeinden ein, leider auch in „Brüdergemeinden“. Diesem Trend wollen wir uns nicht anschließen. Es sollte nicht um die Frage gehen: Was kann man gerade noch tolerieren?, sondern: Was ist zur Ehre des Herrn? Was spricht das Gemüt an und ist eventuell in der Lage, geistliche Empfindungen wachzurufen? Schlagzeug, starke Taktrhythmik und große Lautstärke der Begleitinstrumente sprechen den Körper an und stehen in Widerspruch mit der Aufnahme der geistlichen Textbotschaft. Auf dieser Ebene will Gott nicht mit uns geistlich kommunizieren (Adolf Graul). Solche Musik steht dem Wirken des Geistes Gottes entgegen und ist geistlichem Wachstum und dem christlichen Glauben abträglich.

6 | Wie verhält es sich mit sogenannten „charismatischen Liedern“?

Manche Christen lehnen „charismatische Lieder“ ab und möchten sie am liebsten aus Liederbüchern streichen oder wollen sie nicht mitsingen. Jedoch muss man hinterfragen: Was ist überhaupt ein „charismatisches Lied“? Woran kann man das festmachen, wovon hängt die Beurteilung ab? Wird dieses Urteil damit begründet, dass sich das Lied in einem Liederbuch findet, das der charismatischen Bewegung nahesteht? Oder weil der Textdichter und/oder Komponist wahrscheinlich ein Charismatiker ist? Wie sicher weiß man, dass er charismatische Lehren vertritt?

Man sollte daher vorsichtig sein und lieber von „Liedern charismatischer Herkunft“ sprechen. Im Internet finden sich dazu entsprechende Listen. Solche Aufstellungen können eine sinnvolle erste Hilfe sein, entbinden aber nicht davon, im konkreten Fall den Liedtext sorgfältig anhand der Heiligen Schrift zu prüfen. Außerdem kann keine Liste maßgebend oder vollständig sein, da sich die christliche Musikszene ständig ändert. Man muss auch wissen, dass Gedanken, wie sie für die charismatische Bewegung typisch sind, sich in ähnlicher Form häufig auch in anderen modernen Liedern finden, deren Verfasser nachweislich keine Charismatiker sind.

Letztlich müssen für die Beurteilung sachliche Gründe ausschlaggebend sein: Enthält der Liedtext Aussagen, die für die charismatische Bewegung typisch sind, oder werden Musikbausteine mit vielen Wiederholungen verwendet, mit denen seelische Hochgefühle erzeugt werden? Manche Kritiker sind leider nicht gewillt oder nicht in der Lage, nach sachlichen Kriterien zu urteilen.

Auf der anderen Seite muss man leider feststellen, dass Lieder der charismatischen Bewegung wie ein breiter Strom sind, der in immer mehr Gemeinden und Liederbücher Eingang findet. Von dort kommen heute viele neue Lieder auf uns zu, die musikalisch attraktiv erscheinen und besonders jungen Leuten gefallen. Sie lassen sich häufig musikalisch Popstilen zuordnen und enthalten manchmal falsche Aussagen, die im ersten Augenblick nicht auffallen. Erst eine genauere Prüfung der Texte offenbart die Defizite. Dabei ist außerdem zu bedenken, dass solche Lieder meist von einem anderen Geist geprägt und daher verführerisch sind.

Was ist also zu tun? Nach Überzeugung des Verfassers sollten die Lieder, die unter der Jugend oder in der Gemeinde gesungen werden sollen, von den in der Gemeinde verantwortlichen Brüdern anhand sachlicher Kriterien geprüft werden, und es sollte eine Entscheidung getroffen werden. Einige Grundsätze dazu wurden bereits in Abschnitt 3 dargelegt. Was die Texte angeht, ist vor allem die Frage zu klären, ob sie mit der Lehre der Bibel in Übereinstimmung sind. Bei der Untersuchung von Liedtexten charismatischer Herkunft hat sich gezeigt, dass sie deutlich häufiger als andere Lieder falsche Gedanken enthalten. Das liegt unter anderem auch daran, dass die Texte öfter schwärmerische oder unnüchterne Züge tragen.

7 | Lehrmäßige Probleme bei Texten moderner Lieder

Leider ist ein großer Teil der modernen Lieder auch inhaltlich flach und/oder weist lehrmäßige Fehler auf. Das wird allerdings oft nur deutlich, wenn man die Lieder Zeile für Zeile sorgfältig im Zusammenhang liest und sich fragt, ob die darin geäußerten Gedanken mit dem Buchstaben und dem Geist der Schrift und unserer Stellung als Christen übereinstimmen. Das setzt aber eine gute Vertrautheit mit der Lehre des Neuen Testaments voraus, was leider nicht so selbstverständlich ist. Daher werden manche Defizite nicht bemerkt, von der schönen Melodie verdeckt oder verharmlost.

Die folgenden Probleme finden sich besonders häufig bei Liedern charismatischer Herkunft, aber auch bei anderen Liedern. Die folgende Liste zählt einige Beispiele auf.

  1. Vielfach stehen der Mensch (das Ich) und seine Befindlichkeiten im Mittelpunkt der Lieder und nicht Gott oder Christus, sein Handeln und sein Erlösungswerk.

  2. Subjektive Erfahrungen des Menschen spielen eine große Rolle und sind häufig im Widerspruch mit der Stellung eines in Christus gerechtfertigten Gläubigen. Bei manchen Liedern wird nicht recht deutlich, ob die Aussagen im Text von einem Wiedergeborenen oder von einem nur religiösen Menschen gemacht wurden.[16]

  3. Wahre Anbetung geschieht immer vom Menschen zu Gott hin. Dazu sind nur erlöste Christen imstande, die von neuem geboren sind und den Heiligen Geist besitzen.

  4. Bei Liedern charismatischer Herkunft sucht man Lob und Dank für die vollkommene Stellung des Gläubigen in Christus im Allgemeinen vergeblich.

  5. Im Text einiger Lieder lässt man Gott in der Ich-Form direkt zum Menschen sprechen. Das ist nach unserem Urteil unehrerbietig und sollte der Bibel vorbehalten bleiben.

  6. Wenn in einem Lied Gott häufig als „Herr“ angeredet wird, wird oft nicht deutlich, wer gemeint ist. Ist es der Gott des Alten Testaments (Herr = Jahwe), ist es der Herr Jesus oder ist es der Vater? Dann kommt es zu unklaren Aussagen über die Personen der Gottheit. Christen stehen nur über den Herrn Jesus mit Gott, dem Vater, in Beziehung.

  7. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Personen der Gottheit öfters ausgetauscht werden. Man weiß dann nicht: Geht es jetzt um den Vater oder um den Sohn? Das kann zum Beispiel dazu führen, dass im Textzusammenhang nicht Jesus als Mensch, sondern Gott am Kreuz gestorben ist.

  8. Typisch für Lobpreislieder ist auch ein Durcheinander von Namen, Titeln und Eigenschaften Gottes ohne klare Gedankenführung und sachlichen Zusammenhang.

  9. Häufig wird der Vater als Schöpfer und König angesprochen, oder es wird der Eindruck erzeugt, als wäre das zukünftige herrliche Königreich des Herrn Jesus schon gekommen. Das trifft besonders auf Lieder zu, in denen vom König oder vom Königreich die Rede ist. Das weckt eine unnüchterne Erwartungshaltung von der Gegenwart und der Herrschaft Gottes hier und heute. Die sogenannte „Kingdom-Language“ ist eine Folge der schwarmgeistigen Irrlehre der Charismatiker, die das Reich Gottes durch ihre Aktionen jetzt schon herbeiführen wollen.

  10. Wenn es um den König und das Reich Gottes geht, ist oft unklar, ob das gegenwärtige (verborgene) oder das zukünftige (sichtbare) Tausendjährige Reich gemeint sind. Beides wird gleichgesetzt. Oder es wird Jesus als „mein König“ angebetet, was für uns als Christen unpassend ist. Der Herr Jesus ist nicht unser König, sondern wird einmal der König Israels sein.

  11. Ohne Bedenken werden Stellen aus dem Alten Testament unmittelbar auf die Gemeinde bezogen. Ein Verständnis über den Unterschied zwischen Israel und der Gemeinde und die verschiedenen Epochen der Heilsgeschichte sucht man dann vergeblich. Dadurch entsteht große Verwirrung und die besonderen christlichen Segnungen kommen nicht mehr zum Ausdruck.

  12. Die Wiederkunft Christi und das Anbrechen seiner Herrschaft wird manchmal mit dem Endgericht am „Jüngsten Tag“ in Verbindung gebracht. Daher ist die Entrückung der Gemeinde vor der Drangsal in Liedern charismatischer Herkunft kein Thema.

  13. Typisch für charismatische Lobpreislieder sind viele Wiederholungen, mit denen die seelische Stimmung gesteigert werden soll. Der Textinhalt rückt dann leicht in den Hintergrund, und der Sänger steht in Gefahr, seine Emotionen mit geistlichen Empfindungen zu verwechseln.

8 | Liedbeispiele

Um das Gesagte zu veranschaulichen, werden im Nachfolgenden aus einigen neueren Liederbüchern jeweils einige Beispiele angeführt und der Text anhand der Bibel bewertet. Wer die genannten Liederbücher zur Verfügung hat, der kann die unten gegebenen Beurteilungen selbst nachprüfen.

8.1 | Ich will dir danken (Hänssler)

Lied 4: „Himmlischer Vater, wir beten dich an“

Originaltitel: „Heavenly father, I appreciate You“, Text und Melodie: unbekannt; Übersetzung ins Deutsche: unbekannt; Strophe 3: Gerhardt Ziegler

In der ersten Strophe heißt es: „Himmlischer Vater, wir beten dich an“, in der zweiten: „Teurer Jesus, wir beten dich an“; am Ende der beiden Strophen wird diese Aussage wiederholt. In der Mitte beider Strophen ist noch von „loben und preisen“ die Rede. Das Wort „anbeten“ häufig zu wiederholen, ist noch keine Anbetung. Wahre Anbetung kann es nur dort geben, wo das Herz von dem Herrn Jesus und von Gott erfüllt ist. Dann haben wir auch Gedanken über die Größe, Liebe und Gnade unseres Herrn und unsere große Errettung. Das können wir dann auch mit Worten zum Ausdruck bringen. In der dritten Strophe wird der Heilige Geist als „Geist der Kraft“ angeredet, der uns „beleben“ und „mit Freude erfüllen“ soll. Wir lesen aber nirgends in der Bibel, dass wir den Heiligen Geist anreden und etwas von Ihm erbitten sollen. Ähnlich verhält es sich mit dem folgenden Lied:

Lied 8: „Vater, ich lieb dich“

Originaltitel: „Father, we love You (Glorify Thy Name)“, Text und Melodie: Donna Adkins (1976); Deutsch: Gitta Leuschner (Jugend mit einer Mission; 1988)

Bei diesem Lied sind die Texte aller drei Strophen gleich, außer der Anrede im jeweiligen Strophenanfang. Einmal wird der Vater, dann Jesus, dann der Heilige Geist angesprochen. Der Text selbst besteht hauptsächlich aus der vierfachen Wiederholung der Aussage: „Herrlich sei dein Name“. Ein typisches Lobpreislied mit wenig konkretem Gedankeninhalt; siehe Punkt 13 der Liste.

Lied 359: „Bald schon kann es sein, dass wir Gott als König sehn“

Originaltitel: „Soon and very soon“, Text und Melodie: Edward Andraé Crouch (1971); Deutsch: Stephan Möller

Dieses Lied thematisiert die Wiederkunft Gottes als König. Es ist aber der verherrlichte Menschensohn Jesus Christus, der als König wiederkommt. Die Wiederkunft Jesu als König ist allerdings nicht die Erwartung der Christen, sondern die des gläubigen Überrests Israels nach der Drangsalszeit. Die christliche Gemeinde erwartet den Herrn Jesus als Bräutigam zur Entrückung seiner Gemeinde. Vergleiche Punkt 11 der Liste.

8.2 | Glaubenslieder 1 (R.Brockhaus)

Lied 545: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth“

Originaltext: „Holy, holy, holy is the Lord of hosts“, Text (nach Jes 6,3) und Musik: Nolene Prince (1976); Deutsch: Gitta Leuschner (Jugend mit einer Mission)

Hier wird im Lied ein Name Gottes aus dem Alten Testament verwendet (Jahwe der Heerscharen, Luther: HERR Zebaoth). So sprechen wir Gott heute nicht mehr an, weil wir jetzt durch Jesus Christus einen direkten Zugang zu Gott als unserem Vater haben. Das ändert nichts an seiner Heiligkeit (1Pet 1,16). Der Text aus Jesaja 6,3 bezieht sich auf das Tausendjährige Reich; dann werden alle Länder voll der Ehre Gottes sein (wird dreimal wiederholt). Das ist heute noch nicht der Fall und wird auch nicht durch die Gemeinde herbeigeführt. Ein typisches charismatisches Lied; vergleiche Punkt 11 und Punkt 13 der Liste.

8.3 | Neue Glaubenslieder 2015 (CV Dillenburg)

Lied 10: „Vater, deine Liebe“

Originaltitel: „Father God I wonder (I will sing Your praises)“, Text und Musik: Ian Smale (1984); Deutsch: Helga König

Das Lied beginnt in der ersten Zeile mit dem Vater und fährt in der zweiten Zeile mit „Herr“ (Jesus?) fort. Dann geht es weiter mit: „Du machst mich zu deinem Kind.“ Wer macht mich zu wessen Kind? Der Vater oder der „Herr“? Dann heißt es, dass der Vater immer bei mir ist. Das lesen wir so nicht in der Schrift; dagegen hat der Herr Jesus in Matthäus 28,20 verheißen, immer bei uns zu sein. In der vierten und fünften Zeile wird der Vater wieder mit „Herr“ angeredet und gesagt, Er wäre König. Ein Hauptproblem bei diesem Lied – wie bei vielen anderen modernen Liedern – ist der häufige Wechsel zwischen „Vater“ und „Herr“, wodurch die Klarheit der Gedanken verlorengeht. Siehe Punkt 6 der Liste.

Lied 57: „Du bist würdig“ (vgl. auch Lied 520 in Glaubenslieder 1)

Originaltitel: „Thou art worthy“, Text (nach Off 4,10-11) und Musik: Pauline Michael Mills (1963); Deutsch: Reinhold Scharnowski (Str. 3)

Gegenüber Lied 520 sind hier im Refrain Verbesserungen vorgenommen worden. Dennoch bleiben erhebliche Ungereimtheiten, wenn man den Refrain im Zusammenhang mit den Strophentexten liest. In der zweiten Strophe wird gesagt, dass Gott das Lamm ist, das für uns geschlachtet wurde und uns dem Vater erkauft hat. Das stimmt nicht: Gott wurde nicht für uns geschlachtet, sondern der Menschensohn Jesus Christus (1Kor 5,7); Er wurde zum Lamm, das geschlachtet wurde (Off 5,6.9.12) und uns für Gott (nicht nur für den Vater) erkauft hat. Der dreieine Gott ist nicht das Lamm, aber das Lamm (Jesus) ist auch Gott. Auch in der dritten Strophe findet sich im Zusammenhang mit dem Refrain die Aussage, dass der Tod Gottes uns Leben gebracht hat. Das stimmt so nicht. Auch bei diesem Lied entstehen die Probleme unter anderem durch den dauernden Wechsel zwischen „Gott“ und „Herr“. Siehe Punkt 6 und Punkt 7 der Liste.

Lied 88: „Komm, jetzt ist die Zeit, wir beten an“

Originaltitel: „Come, now is the time to worship“, Text und Musik: Brian Doerksen (1998); Deutsch: Daniel Jacobi, Guido Baltes

Das Lied ruft Menschen auf, Gott das Herz zu geben und so zu kommen, wie sie sind, um vor Gott anzubeten. Geht das so einfach? Als Begründung dafür wird ein Teil aus Philipper 2,10-11 zitiert. Gott ist ein heiliger Gott; und deshalb ist nur derjenige, der wiedergeboren ist und sich gereinigt hat, überhaupt in der Lage, Gott anzubeten. In Philipper 2 ist übrigens nicht von Anbetung die Rede, sondern davon, dass sich alle Knie beugen werden und alle Menschen einmal Jesus Christus als Herrn anerkennen müssen. Das Lied geht vollkommen am Bibeltext vorbei; siehe Punkt 2 und Punkt 3 der Liste.

8.4 | Loben (CLV Bielefeld)

Lied 60: „El Shaddai“

Englischer Originaltitel: „El Shaddai“ (1982), Text (nach 1Mo 17,1-7): Michael Card, Musik: John Thompson; Deutsch: Barbara Werner (1982)

Ein Lied, das für unsere Heilszeit einfach nicht passend ist. Wir kennen Gott (El) nicht nur als den Allmächtigen (El-Shaddai) wie Abraham (1Mo 17,1; 2Mo 6,3) oder als den Höchsten (El-Eljon) wie Melchisedek (1Mo 14,18-22) und Israel (Ps 57,3; 78,35) oder als Herr (Adonai), auch nicht als Jahwe, sondern wir besitzen in Jesus Christus die viel weiter gehende Offenbarung in Christus, dem Sohn Gottes (Heb 1). Das ist für unser Lob als Christen maßgebend. Wenn wir Gott loben und anbeten wollen, dann „in Geist und Wahrheit“ (Joh 4,23), das heißt durch den Geist gewirkt und in Übereinstimmung mit der Wahrheit, die Gott in der jeweiligen Zeitepoche über sich selbst offenbart hat. Das ist bei diesem Lied nicht der Fall. Der Text lässt darauf schließen, dass die Epochen der Heilsgeschichte nicht klar unterschieden werden. Vergleiche Punkt 8 und Punkt 11 der Liste.

Lied 102: „Von ganzem Herzen will ich dir danken“

Text (nach Ps 138): Lothar Gassmann (1986), Musik: Hans-Werner Scharnowski (1986)

Dieses Lied stammt zwar nicht aus dem charismatischen Umfeld, ähnliche Gedanken sind aber unverkennbar. Wir beten nicht vor dem Tempel an (womöglich im Vorhof wie Israel), sondern wir selbst sind der Tempel (2Kor 6,16; Eph 2,19-22) und haben als Priester (1Pet 2,5.9) Zugang zum Allerheiligsten (Heb 10,19). Der Liedtext schildert die Stellung der AT-Gläubigen im Tausendjährigen Reich. Dann werden auch alle Herrscher der Erde Jahwe preisen. Siehe Punkt 11 der Liste.

Lied 305: „Keiner weiß, wann“

Originaltitel: „Once you were here“ (1976), Text und Musik: Chris Kyle, David Alistar Stewart; Deutsch: Manfred Siebald (1979)

Bei diesem Lied hat es den Anschein, dass den Verfassern die Entrückung unbekannt ist. Besonders die zweite und die dritte Strophe beschreiben eine Ankunft des Herrn, wo Er für Gute und Böse, Beter und Feinde gleichzeitig erscheint. Ist hier das Gemeindezeitalter gemeint? Außerdem: Was soll die letzte Zeile in der dritten Strophe bedeuten: „Du hast immer schon bei uns auf Erden gelebt“? Das Lied lässt die Unterscheidung der Heilszeiten vermissen. Siehe Punkt 12 der Liste.

8.5 | Einklang (CLV Bielefeld)

Lied 97: „Herbei, o ihr Gläubigen“

Originaltitel: „Adeste, fideles“, Text: John Francis Wade (1751), Musik: unbekannt; Deutsch: Friedrich Heinrich Ranke (1823)

Dieses Lied ist ein bekanntes altes Advents- und Weihnachtslied aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die deutsche Übersetzung des lateinischen Originals („Adeste fideles“) hat als Refrain (bei vier Strophen) den dreimaligen Aufruf zur Anbetung des Königs. Dass die Weisen aus dem Morgenland in Bethlehem das Jesuskind als König anbeten wollten, entsprach ganz der damaligen Situation, denn Jesus war mit dem Anspruch des Messias, des Königs Israels, in diese Welt gekommen. Wie wir wissen, wurde Er verworfen und Er trat seine Herrschaft über Israel und die Welt damals nicht an. Auch die Jünger redeten Ihn nicht als König an. Als Gläubige der Gemeinde stehen wir jetzt in einer viel engeren Beziehung zu Ihm: Er ist unser Herr und Bräutigam (2Kor 11,2; Mt 25) und wir sind sein Leib (Röm 12,5; 1Kor 12,12-13; Eph 1,22-23). Wir beten Ihn als Sohn Gottes und als unseren Retter an. Auch in den Briefen geht aus keiner Stelle hervor, dass wir Ihn als König anbeten sollen. Seine Herrschaft ist zukünftig und wird erst im Tausendjährigen Reich Realität werden. Als seine himmlische Braut und Frau werden wir dann mit Ihm herrschen (Off 21,9b). Ihn jetzt als König anzubeten, ist unpassend und zeigt eigentlich, dass wir weder unsere wahre Beziehung zu Christus verstanden haben noch die Zeit, in der wir leben und wo Christus als König verworfen ist. Die Anbetung des Herrn Jesus als König findet sich auch in vielen Liedern charismatischer Herkunft. Siehe Punkt 10 der Liste.

Lied 276: „Ich bin der Weg“

Text und Musik: Simon Georg (2015)

In diesem an sich schönen Lied, das vielleicht für evangelistische Zwecke geeignet ist, gibt es ein Problem: Die Sänger versetzen sich in die Rolle des Herrn Jesus, indem sie von Ihm in der Ich-Form zu den Zuhörern bzw. zu sich selbst reden. Das wird besonders deutlich in der letzten Strophe, wo es heißt: „Ich bin der Sohn Gottes. Glaubst du mir? Ich bin dein Schöpfer. … Bin Jesus Christus. Wer bist du?“ Das ist nach Meinung des Verfassers unehrerbietig und sollte der Bibel vorbehalten werden. Dort redet Gott direkt zu den Menschen. Wir können die Bibelworte nur als Zitate vor die Menschen bringen. Siehe Punkt 5 der Liste.

8.6 | Seht unsern Gott (Evangelium21, 3L-Verlag)

Es sollen nun noch zwei Lieder charismatischer Herkunft aus diesem Liederbuch vorgestellt werden. Dazu wird der ganze Text wiedergegeben, so dass der Leser sich sofort ein Bild machen kann.

Lied 24: „Dir gebührt die Ehre“

Originaltitel: „Vi vill gi dig ära“, Text (nach Ps 40,6) und Musik: Eva-Lena Hellmark (1992); Deutsch: unbekannt

Dir gebührt die Ehre und Anbetung.
Wir erheben unsre Hände, wir erheben Deinen Namʼ.
Dir gebührt die Ehre und Anbetung.
Wir erheben unsre Hände, wir erheben Deinen Namʼ.

Denn du bist groß, Du tust große Wunder, groß,
niemand anders ist wie Du, niemand anders ist wie Du.
Denn Du bist groß, Du tust große Wunder, groß,
niemand anders ist wie Du, niemand anders ist wie Du.

Denn Du bist groß.

Wer wird hier überhaupt angeredet: Gott oder der Vater oder der Sohn? Das bleibt offen. Wenn Gott gemeint ist, dann wird nur erwähnt, dass Er groß ist, große Wunder tut und niemand so ist wie Er. Das stimmt zwar, ist aber als Liedaussage äußerst dürftig. Die Melodie ist anspruchslos, die Wiederholungen und das Erheben der Hände sorgen mit der passenden musikalischen Begleitung für seelische Stimulation. Von wahrer Anbetung in Geist und Wahrheit kann hier nicht die Rede sein. Siehe Punkt 13 der Liste.

Lied 102: „Sei gnädig, o Herr“

Originaltitel: „Have Mercy on me“, Text und Melodie: Pat Sczebel & Dale Bischof (2011); Deutsch: Frank und Norma Huck

1. Ich bin ein Sünder, Du bist heilig, Herr.
Und meine Sünde trennt mich von Dir.
Sie fordert Strafe, ich weiß es, Herr.
Dein Wort verlangt es, Du bist gerecht.

Wer kann bestehʼn, wenn Du ihm vorhältst seine Schuld?
Ich bin verlorʼn! Ich brauch Vergebung vor Dir, Gott!
Sei gnädig, o Herr, sei gnädig mit mir.
Ein Herz, das sich in Demut beugt, weist Du nicht zurück.
Sei gnädig, o Herr, sei gnädig mit mir,
weil Du, Gott, barmherzig bist.

2. Vater der Gnade, Du gabst den Sohn.
Er schuf Versöhnung, trug meiner Sünde Lohn.
Was Du, Herr, forderst, hat Jesus erfüllt.
Aus reiner Gnade, nicht mein Verdienst.

Wer kann bestehʼn, wenn Du ihm vorhältst seine Schuld?
Ich bin verlorʼn! Ich brauch Vergebung vor Dir, Gott!
Sei gnädig, o Herr, sei gnädig mit mir.
Ein Herz, das sich in Demut beugt, weist Du nicht zurück.
Sei gnädig, o Herr, sei gnädig mit mir,
weil Du, Gott, barmherzig bist.

Bei diesem Liedtext fragt man sich: Von wem ist in diesem Lied eigentlich die Rede und wer soll so etwas singen? Wenn es ein verlorener Sünder ist (Strophe 1 und Strophe 2 in der Mitte), so wird solch ein Mensch sicher Gott keine Lieder singen. Dann sollte er Buße tun, seine Sünden bekennen und die Vergebung Gottes annehmen. Immerhin weiß der Sänger, dass Gott gnädig und barmherzig ist und seinen Sohn zu Vergebung der Sünde gesandt hat. Hat er noch nicht erkannt, dass er, wenn er mit Gott versöhnt ist, kein Sünder mehr ist, sondern ein Heiliger und Geliebter? Vergleiche Römer 1,7 und Kolosser 3,12. Soll das Lied evangelistischen Zwecken dienen? Jedenfalls ist die Botschaft unklar und die Stellung eines Gläubigen in Christus ebenso. Siehe Punkt 2 und Punkt 4 der Liste.

9 | Zusammenfassung

Wie wir gesehen haben, gibt es leider bei vielen modernen Liedern lehrmäßige Probleme. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung der Liedtexte unbedingt erforderlich, besonders, wenn sie in der Gemeinde gesungen werden sollen. Lieder sind „gesungene Theologie“. Durch Lieder mit eingängigen Melodien, aber mangelhaften Texten können leicht verkehrte Gedanken und falsche Lehren unterschwellig in der Gemeinde verbreitet werden und Fuß fassen. Auch eine Beurteilung von Melodie, Rhythmus und Notensatz ist wünschenswert. Dazu bedarf es allerdings fundierter musikalischer Sachkenntnis, damit nicht Vorurteile zum Maßstab erhoben werden.

Viele Lieder charismatischer Herkunft sind für die Anbetung Gottes in Geist und Wahrheit (Joh 4,23-24) nicht geeignet. Es besteht ein großer Gegensatz zu den Liedern, die nach der Reformation in Zeiten geistlicher Erweckung des 18. und 19. Jahrhunderts und in der „Brüderbewegung“ entstanden sind. Andererseits haben aber auch viele gute neue Lieder geistlichen Tiefgang und entsprechen der biblischen Lehre. Beispiele für solche Lieder, die in den letzten zwanzig Jahren entstanden sind, finden sich zum Beispiel in den Liederbüchern Geistliche Lieder (CSV, Hückeswagen 2013) und Einklang (CLV, Bielefeld 2018) sowie in anderen Liederbüchern, die hier nicht genannt sind.

Besondere Anerkennung verdient das musikalische Schaffen von Margret Birkenfeld (1926–2019). Ihr war es ein großes Anliegen, gute Lieder mit einer geistlichen Botschaft zu schreiben und zu komponieren. Sie hat viele Lieder für Kinder und Erwachsene, aber auch Motetten, Kantaten und Musicals geschrieben. Ihre Lieder gehen noch heute zu Herzen und haben bleibenden Wert.

Was die charismatische Bewegung angeht, so ist sie aus der Pfingstbewegung entstanden und teilt deren Irrlehren, zum Beispiel betreffs der „Geistestaufe als zweite Erfahrung“, dem Glauben an die Wiederbelebung von Zeichen und Wundern der Apostelzeit und an neue prophetische Botschaften. Die Pfingstbewegung war nicht von Gott[17] und wurde in der „Berliner Erklärung“ von 1909 eindeutig verurteilt. In ihr ist ein falscher Geist wirksam (vgl. 2Kor 11,13-15), der nicht von Gott stammt. Dieses Urteil trifft noch immer zu, zumindest was extreme Kreise dieser Bewegungen angeht.

Vor diesem Schwarmgeist müssen wir uns hüten, wenn wir nicht unter einen falschen Einfluss geraten wollen. Auch Lieder, die auf den ersten Blick gut erscheinen, können sich durch ihre Musik und/oder ihren Text unter der Jugend oder in der Gemeinde als „Trojanisches Pferd“ erweisen. Es können unnüchterne Entwicklungen in Gang gesetzt werden, die man später bedauert, die sich aber kaum mehr rückgängig machen lassen.

Große Teile der Evangelikalen (die Deutsche Evangelische Allianz) widersprechen heute der „Berliner Erklärung“ von 1909 und möchten mit der „Kasseler Erklärung“ von 1996 und der „Gemeinsamen Erklärung“ von 2009 des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbands dieses Urteil von damals aufheben oder relativieren. Es hat sich jedoch gezeigt, dass selbst gemäßigte Kreise der Pfingst- und charismatischen Bewegung die falschen Lehren weiterhin anerkennen oder dulden, auch wenn sie sie vielleicht nur selten praktizieren.

Der Verfasser hofft, dass diese Abhandlung dazu beiträgt, das geistliche Wahrnehmungsvermögen zu schärfen und Lieder gründlicher zu prüfen, bevor sie in die Gemeinde Eingang finden.

10 | Anhang

Die folgende Tabelle im Anhang wird manchen nicht gefallen, aber sie soll den wachsenden Einfluss von Liedern charismatischer Herkunft auf heutige evangelikale Liederbücher belegen. Der damit einhergehenden Gefahren müssen wir uns bewusst bleiben.

Lieder charismatischer Herkunft in einigen Liederbüchern

Erschienen

Liederbuch

Anzahl

Gesamt

Anteil [%]

1990/1993

Geistliche Lieder
(R.Brockhaus)

0

300

0,0

1991

Ich will dir danken
(Hänssler, Neuhausen-Stuttgart)

ca. 50

463

ca. 10,8

1993

Glaubenslieder 1
(R.Brockhaus)

18

596

3,0

2005

Glaubenslieder 2
(CV Dillenburg)

ca. 105

276

ca. 38,0

2007

Loben
(CLV Bielefeld)

ca. 43

365

ca. 11,8

2012

Geistliche Lieder
(CSV Hückeswagen)

0

254

0,0

2015

Glaubenslieder 2015
(CV Dillenburg)

ca. 136

565

ca. 24,1

2017

Seht unsern Gott
(Evangelium21 / 3L)

54

136

39,7

2018

Einklang
(CLV Bielefeld)

23

448

5,1

2022

Glorify Jugendliederbuch
(CLV Bielefeld)

75

257

29,2

2024

Ergänzungsheft zu Glaubenslieder
(CV Dillenburg)

13

29

44,8

2024

Glaubenslieder 2024
(CV Dillenburg)

ca. 149

594

ca. 25,1


Diese Tabelle wurde anhand der in Abschnitt 6 erwähnten Listen erstellt und ist mit Vorbehalt zu betrachten. Nicht alle in den Listen genannten Liederdichter sind Charismatiker. Auch müssen nicht alle diese Lieder per se schlecht sein. Es ist aber notwendig, die Texte genau zu prüfen, ob sie mit dem Wort Gottes übereinstimmen. Das gilt eigentlich für alle Lieder, unabhängig von ihrer Herkunft. Letztlich muss der Text darüber entscheiden, ob ein Lied für die Verwendung in der Gemeinde oder unter der Jugend geeignet ist oder nicht.

Herbert Briem
(Version 9, Oktober 2024)

Anmerkungen

[1] Aussage von Martin Luther, zitiert in M. Steup, Gute Musik, böse Musik? Eine Bewertung aus biblischer Sicht, Oerlinghausen: Betanien, 2017, S. 48.

[2] Vorausgesetzt, es besteht kein Konflikt mit Liedrechten.

[3] Eine Synkope ist eine rhythmische Verschiebung, so dass eine eigentlich unbetonte Note nun betont wird. Auf diese Weise können der Musik besondere Effekte hinzugefügt und Spannung auf- und abgebaut werden.

[4] Adolf Graul, Rock-, Pop- und Technomusik. Eine wissenschaftliche und biblische Untersuchung, Lottstetten: Mitternachtsruf, Bielefeld: Christliche Literaturverbreitung, 2010. Siehe auch seine Vorträge zum Thema Musik: https://load.dwgradio.net/de/speaker/show/214.

[5] Matthias Steup, Gute Musik! Böse Musik? Eine Bewertung aus biblischer Sicht, Augustdorf: Betanien, 2015.

[6] Ernst Trachsel-Pauli, Geistliche Musik – gibt es biblische Kriterien zur Beurteilung des geistlichen Liedgutes?, Frutigen: Trachsel, 31984.

[7] Martin Heide, Musik um jeden Preis?, Bielefeld: Christliche Literaturverbreitung, 1986, 1989.

[8] Roger Liebi, Rockmusik – Daten, Fakten, Hintergründe, Zürich: Beröa, 1988; CD „Faszination Musik“, Buchhandlung Bühne 2015.

[9] Rudolf Gerhard, Der Schritt zu weit. Christliche Rockmusik, Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft, 1989, 1990.

[10] Walter Kohli, Rockmusik und christliche Lebenshaltung, Genf: Das Haus der Bibel, 51991.

[11] Dan Lucarini, Worship bis zum Abwinken. Bekenntnisse eines ehemaligen Lobpreisleiters, Bielefeld: Betanien, 2002.

[12] Adolf Graul, Rock-, Pop- und Technomusik. Eine wissenschaftliche und biblische Untersuchung, Bielefeld: Christliche Literaturverbreitung, 2010.

[13] Matthias Steup, Gute Musik! Böse Musik? Eine Bewertung aus biblischer Sicht, Augustdorf: Betanien, 2015.

[14] Georg Walter, Lobpreis, Anbetung, Worship. Die Bibel und Musik, Wuppertal: Artos, 2017.

[15] Taktrhythmik bedeutet, dass der immer streng gleiche Taktschlag maschinenmäßig die ganze Musik bestimmt. Das ist unnatürlich und erlaubt keine Betonung einzelner Phrasen oder Verzögerungen, wie es einer natürlichen Atemrhythmik entspricht. Musikbeispiele dazu bei Adolf Graul und Roger Liebi.

[16] Bei charismatischer Musik scheint das auch keine große Rolle zu spielen, wie die Aussage auf folgender Webseite belegt: http://vineyard-anbetung.blogspot.de/2009/04/vineyard-worship-manifestov.html. Dort heißt es unter anderem:

Wir wollen eine nachhaltige Anbetungskultur prägen, die für unsere und die kommende Generation beständig die Tiefe und Weite der Anbetung weiter entwickelt. Tiefe in der Qualität der Begegnung mit Gott. Weite im Erreichen von Menschen innerhalb und außerhalb der Gemeinde. Wir wollen möglichst viele Menschen befähigen, einen Lebensstil der Anbetung zu führen und anderen [!] darin anzuleiten, ob auf der Bühne, in der Straße oder im Wohnzimmer. (Abgerufen am 16.5.2024)

[17] Georg Walter, Die Anfänge der Pfingstbewegung, Hünfeld: Christlicher Mediendienst, 22020.


Note from the editors:

The SoundWords editorial team is responsible for the publication of the above article. It does not necessarily agree with all expressed thoughts of the author (except of course articles of the editorial staff) nor would it like to refer to all thoughts and practices, which the author represents elsewhere. “But examine all things, hold fast the good” (1Thes 5:21).—See also „On our own account ...

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