Entwicklungen in der sogenannten Brüderbewegung
Beobachtungen und Überlegungen eines besorgten Missionars

Philip Nunn

© philipnunn.com, Online începând de la: 04.02.2002, Actualizat: 24.10.2022

Leitvers: Maleachi 3,16

Mal 3,16: Da unterredeten sich miteinander, die den HERRN fürchteten, und der HERR merkte auf und hörte.

Einleitung

Nachdem wir acht Jahre lang versucht hatten, dem Herrn in Kolumbien zu dienen, kehrten wir im Dezember 2000 zu einem zwölfmonatigen Urlaub nach England zurück. Eine Anzahl von Brüdern zeigte Interesse an unseren Reisen in Europa in dem sich anschließenden Jahr. Wir hatten Gelegenheit, sieben Konferenzen und etwa fünfzig verschiedene Versammlungen zu besuchen, verstreut über England, Deutschland, Frankreich, Holland, Italien, Spanien und die Vereinigten Staaten. Wir hatten das Vorrecht, vielen liebenswürdigen Gläubigen zu begegnen und ihre warme Gastfreundschaft zu genießen. Sie alle befanden sich in „glücklicher geschwisterlicher Gemeinschaft“, als wir 1992 nach Kolumbien aufgebrochen waren. Nun sind Disharmonie, Misstrauen und sogar Spaltungen unter sie gekommen. Einige fragten: „Wo stehst du?“ Hier will ich nun versuchen, ehrlich zu beschreiben, was ich gesehen habe und was mir auf meinen Reisen berichtet worden ist. Alles stützt sich klar auf Gläubige und die besuchten Versammlungen, doch ist der Querschnitt umfassend genug, um ein angemessenes, objektives derzeitiges Bild abzugeben. Ich lasse einige Überlegungen, unsere persönlichen Sorgen und einige Anregungen folgen.

Wir übernehmen die volle Verantwortung für irgendwelche sachlichen Irrtümer. Wenn solche vorkommen sollten, so sind sie nicht beabsichtigt, und ich wäre glücklich, sie zu berichtigen. Wir setzen Vertrautheit mit den Teilen der Schrift voraus, die sich auf die behandelten Fragen beziehen, deshalb fehlen Stellenhinweise. Unsere Absicht ist, zu informieren und an unseren persönlich empfundenen Sorgen teilhaben zu lassen in der Hoffnung, eine gesunde Diskussion anzustoßen und unter Führung des Herrn zu mutigem Handeln anzuspornen.

A: Persönlicher Hintergrund

Der Vater meines englischen Großvaters schloss sich im Osten Londons in den späteren 1800er Jahren der Brüderbewegung an. Die Tunbridge-Wells-Spaltung in den frühen 1900er Jahren trennte seine fünf Söhne. Mein Großvater ging mit den Kelly-Versammlungen in der Wiedervereinigung 1938. Einer seiner Brüder blieb in der Tunbridge-Wells-Versammlung in Essex, die anderen drei Brüder verließen die Brüderbewegung vor vielen Jahren. Zu meiner Überraschung klagen die Tunbridge-Wells-Brüder „unsere“ Versammlungsgruppe heute noch an, dass sie die „Einheit des Leibes Christi“ verleugne, da wir einen Versammlungsbeschluss verwarfen (den unsere Vorväter als fragwürdig ansahen) und bis heute noch nicht eigentlich bereut haben!

Meine Eltern, Peter Nunn (England) und Anne Marie Wilts (Holland), fühlten eine Berufung vom Herrn, ihr Leben dem missionarischen Werk in Südamerika zu widmen. Als Familie verließen wir England 1967, lernten für ein Jahr Spanisch in Costa Rica. Ich wuchs hier in Kolumbien auf. Hier übergab ich auch dem Herrn mein Leben und begann, Ihm in der Kinderarbeit und in Jugendgruppen zu dienen. Im Alter von 17 Jahren verließ ich mein Zuhause in Kolumbien, um in England zu studieren. Das Einleben war nicht leicht. Die Sprache meiner Gemeinschaft mit dem Herrn war Spanisch, nun versuchte ich, für mich persönlich auf Englisch zu beten. Ich fand es besonders schwierig, mich an die King-James-Bibelübersetzung zu gewöhnen. Englische geistliche Lieder standen in starkem Gegensatz zu kolumbianischen Liedern. Irgendwie hatte ich die Erwartung an meine englischen Brüder in den Versammlungen, sie möchten dieselbe Begeisterung und Frische zeigen, wie ich sie in Kolumbien erlebt hatte. Wir Menschen sind meist kritisch und widerstrebend gegenüber Veränderungen, und im Alter von 18 und 19 Jahren fand ich mich sogar recht urteilsbereit über beobachtete oder gefühlte Unterschiede.

Brüder ohne geschichtliche Wahrnehmung

Es war bald nach meiner Ankunft in England, als ich entdeckte, dass ich zu den sogenannten „Brüdern“ gehörte. Bis dahin hatte ich mich einfach als Christ gesehen, der Versammlungen nach Art des Neuen Testaments besuchte, von denen jede gesunde biblische Prinzipien praktizierte. Als Kind hatte ich mit meinen Eltern mehrmals Europa und Nordamerika bereist, und wir hatten Versammlungen besucht. Aber selbst damals fielen uns Kindern Unterschiede zwischen Versammlungen auf, und wir sprachen darüber mit unseren Eltern. Manchmal mussten vor einer Abendpräsentation noch Dias herausgenommen werden, um nicht ein potentiell anstößiges Bild zu zeigen. Ich erinnere mich noch an die fesselnde Lektüre des Buches A Historical Sketch of the Brethren Movement[1] von H.A. Ironside. (Ich war so vertieft in das Buch, dass mir mein Koffer gestohlen wurde, der nahe bei mir stand, während ich mit der Untergrundbahn fuhr, um meinen Großvater im Osten Londons zu besuchen! – ein Erlebnis, das man nicht vergisst.) Eigenartig war für mich zu entdecken, dass zwischen den verschiedenen Netzwerken von Brüderversammlungen mannigfaltige Unterschiede bestanden, wobei jede Gruppe glaubte, dass sie die „echte“ Darstellung des einen Leibes Christi auf der Erde sei. In Kolumbien wird das Evangelium mit Begeisterung gepredigt, Gaben entfalten sich, Versammlungen werden gebildet, Probleme angesprochen, ohne dass man ausdrücklich Darby, Kelly oder die Geschichte der Brüder heranzieht. Wir fördern das, was der Herr uns in einfacher Weise gegeben hat: Wir sagen, wir sind eine Versammlung der wahren Gläubigen am Ort, die die Schrift festhalten und lehren, und zwar als einzige Basis von Autorität. Wir genießen das Vertrauen und damit die freie Gemeinschaft einer Anzahl (derzeit etwa sechzig) von Versammlungen im ganzen Land. Nützlich sind der Austausch auf Konferenzen, Jugendlagern, evangelistischen Einsätzen, Schulungsprogrammen usw.

Vielleicht war es die Frische der frühen Brüder, die meine Einbildungskraft beflügelte: der Auszug von Gläubigen aus strengen mechanisch-hierarchischen kirchlichen Strukturen hin zu der Freiheit eines Zusammenkommens, einfach geschart um unseren teuren Herrn Jesus. Ihre Bewegung weg von Formenwesen, menschlich gemachten Traditionen und Gewohnheiten hin zu der herrlichen Freiheit des Geistes Gottes. Sie scheinen die Schriften studiert zu haben mit einem Gefühl der Erwartung, ja der Spannung und des Staunens, was für neues Licht der Herr erwählen möge, um sein Wort zu beleuchten. Ihre Entdeckungen tauschten sie ungezwungen aus auf Konferenzen und in Zeitschriften, indem sie einander berichtigten und im weiteren Verlauf anglichen. Man kann nur fragen: Wo sind diese Freiheit und diese Frische geblieben?

Wir sind immer unterschiedlich gewesen

In jenen Tagen kam mir ein klärender Gedanke in den Sinn: Unsere weltweite Gemeinschaft der Brüderversammlungen ist in Lehre, Form und Praxis niemals einheitlich gewesen. Jede Versammlung hat einen gewissen Charakter angenommen nach den Familien, die sie bildeten oder die später zu ihr stießen. Versammlungen, die mit vielen ehemaligen Quäkern, Anglikanern oder Baptisten anfingen, behielten manche Ursprungsmerkmale. Versammlungen, die sich in Deutschland oder in der Schweiz bildeten, indem sich frühere Lutheraner wieder gruppierten, brachten in ihre neuen Versammlungen ihre Art geistlichen Lebens und ganz klar einige ihrer alten Gewohnheiten. Das erklärt unsere widersprüchliche Einstellung zur Taufe. Dieselbe Erscheinung kann man hier in Kolumbien beobachten bei der Bildung von neuen Versammlungen aus hauptsächlich früheren Katholiken. Unter keinen Umständen werden beispielsweise Versammlungen hier die Kindertaufe anerkennen. Sie sähen darin eine Verbindung mit der verdorbenen katholischen Kirche, die sie ausdrücklich hinter sich gelassen haben (dies ist die Lehre). Die vielfache Übersetzung und Verbreitung von Büchern der Brüder, zusammen mit Konferenzen und der Erarbeitung gemeinsamer Liederbücher, haben eine gewisse Annäherung gefördert, aber tief empfundene Differenzen verlieren sich nicht so bald. Das erklärt, warum mein Großvater, Harm Wilts, viele Jahre lang ein vollzeitlicher Arbeiter unter den Versammlungen weltweit, mehrmals von einigen deutschen Brüdern besucht wurde, die ihm mit ziemlich strengen Worten nahelegten, die Arbeit in Jugendlagern zu beenden, die er in Holland förderte. Es überrascht nicht, Unterschiede auszumachen (manche sind bedeutsam, andere werden tief empfunden), wenn man zwischen Versammlungen unterwegs ist oder, noch auffallender, zwischen Gebieten verschiedener Sprache.

Universitätszeit in London

Zwischen 1981 und 1985 erwarb ich einen akademischen Abschluss in Mathematik und einen Mastertitel in Statistik am Imperial College London. Das Leben in den Brüderversammlungen musste ich nach meiner Erfahrung nach und nach nüchterner betrachten. Selten versäumte ich einen Sonntag in einer der Londoner Versammlungen (Upminster, Portobello, Oake Room, Sutton) und pflegte häufig in einer dieser Versammlungen am Sonntagabend zu predigen. Doch während der Woche fand ich Anschluss an eine christliche Gruppe an der Universität, den „Navigatoren“. In den vier Jahren, die ich mit ihr verbunden war, gewann mein persönliches Leben als Christ wieder an Disziplin; und ich erlebte es wieder als eine Freude, meinen Glauben nach außen zu bezeugen, führte Mitstudenten zu Christus und verhalf ihnen zu Wachstum in Jüngerschaftsgruppen. Bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten reiste ich mit Bruder Grant Steidl (ein Diener des Herrn unter den Versammlungen in den USA) zu einer Konferenz. Ich erfuhr, dass er auch unter den „Navigators“ in den USA arbeitete. Er ließ mich um die Krise in seinem Leben wissen, als er fühlte, er müsse wählen zwischen der Arbeit unter den Navigatoren und dem Dienst in der Versammlung. Wir verfügen einfach nicht über die Kraft und die Zeit, um beidem angemessen zu genügen.

Irgendwie fielen mir einige Bücher von Watchman Nee in die Hände. Der Herr benutzte sie, mich für eine neue Sicht zur Schlüsselrolle der Kirche in den Plänen Gottes zu begeistern (Ich werde meine Versammlung bauen). Evangelistische Verkündigung und Jüngerschaft sind wichtig, aber Gottes Strategie der Ausbreitung vollzieht sich durch Wachstum und ständige Bildung neuer Versammlungen. Für mich war die Zukunft klar. Eine neue Sicht trieb mich an und nicht die Furcht vor Verunreinigung. Ich dankte den Navigator-Freunden für die guten Jahre und richtete meine Energie auf die Versammlungen im Londoner Bereich.

Vorbereitung für den missionarischen Dienst

Nach der Promovierung arbeitete ich drei Jahre als Statistiker für die britische Regierung. Während dieser Zeit begegnete ich Anneke Lemkes aus Alphen (Holland) und heiratete sie. Nachdem wir einen Ruf zu missionarischem Werk „irgendwo“ vernahmen, schien es uns unerlässlich, uns so gut wie möglich vorzubereiten. Natürlich gehört aktives Versammlungsleben zu den besten Vorbereitungen. Wir folgten dem Beispiel von Geschwistern wie Schwester Heleen Voorhoeve (noch in Ägypten) und Bruder Cor Bruins (war in Ägypten, dann im Libanon, jetzt in Großbritannien) und belegten ein Studienjahr in einem Seminar in Toronto (Kanada). 1988 verließen wir England. Beachte: In jenen Tagen war man frei, das zu tun. Es war ein interessantes Jahr fortschreitender Ausbildung, ernster Studien der Grundlagen des Griechischen, systematischer Theologie, der alttestamentlichen Propheten und mehr. Auch eine Zeit, in der wir christliche Gemeinschaft genossen, vornehmlich in den Versammlungen von Mississauga und Willowdale. In nordamerikanischen Versammlungen ergaben sich Differenzen, historisch gegeben aus dem Zusammenkommen von Emigranten aus Holland, Deutschland, Ägypten, Italien und anderen Ländern, die ihre Besonderheiten mitbrachten.

Wir kehrten für weitere drei Jahre nach England zurück. Ich arbeitete als Statistiker in der Handelsabteilung einer großen Elektrogesellschaft. Der Herr schenkte uns die beiden ersten Kinder. Ermuntert von zwei „Gideon“-Brüdern in unserer Versammlung, schlossen Anneke und ich uns für ein Jahr den Gideons an. Wir empfanden es als eine Aufforderung, und auch war es eine Freude, Bibeln in Schulen und Krankenhäusern im Süden Londons zu bringen. Viele Male sind wir auch hier in Kolumbien der Gideonbund-Strategie gefolgt, „Gute-Saat“-Kalender zu verteilen. 1992 legte unsere Versammlung es uns auf, dem Herrn vollzeitlich zu dienen, und wir brachen auf nach Pereira in Kolumbien. Der Rat und die Unterstützung vieler Gläubiger, die Interesse zeigten, war uns wertvoll, aber nie fühlten wir uns unter der Aufsicht einer zentralen Körperschaft. So weit wir es am besten vermochten, wünschten wir, dem Herrn zu dienen und von Ihm geführt zu werden.

Eine Enttäuschung und eine gute Lektion

Wir hatten ein gutes Gehalt, als wir in London arbeiteten, doch in Kolumbien erlebten wir während der ersten ein oder zwei Jahre finanziell enge Durchgänge. Meine Frage war diese: Wieso konnte der Herr uns in England durch eine weltliche Gesellschaft reichlichen und sicheren finanziellen Rückhalt geben und jetzt eine solche Ungewissheit vonseiten des Volkes des Herrn? Wir lernten es so anzunehmen, und die Lage verbesserte sich. Als wir dahinterstanden, lernten wir eine wichtige Lektion: Die Elektrogesellschaft gab mir vorhersehbare finanzielle Sicherheit, aber im Austausch dafür war sie mein Chef. Die Gesellschaft kontrollierte meine Arbeitsstunden. Vielleicht ist die Unvorhersehbarkeit beim Warten auf den Herrn in geldlicher Hinsicht der Preis, den der Diener des Herrn zahlen muss, um für sich selbst von möglicher Kontrolle und dem Druck irgendwelcher Geber Abstand zu gewinnen. Es ist mir aufgegangen, dass Geld einen traurigen, aber wirkungsvollen Weg bedeutet, das Werk des Herrn zu beeinflussen. Es ist gesagt worden, dass „das Werk des Herrn, wenn es im Weg des Herrn geschieht, niemals der Unterstützung des Herrn ermangelt“. Wenn das wahr ist, lieber Mitarbeiter, dann lass uns nie die Autorität des Herrn und seine Führung in unserem Leben um finanzieller Sicherheit willen aufs Spiel setzen.

B: Ein Blick auf „unsere“ Versammlungen gegen Ende 2001

Unser weltweites Netzwerk von Versammlungen, von Historikern bezogen auf die KLCG-Gruppe (Kelly-Lowe-Continental-Glanton), kann gegenwärtig, wie ich vorschlage, in fünf unterschiedliche Typen oder Kategorien aufgegliedert werden:

(1) Der „Wir-müssen-allein-bleiben“-Typ

Es handelt sich gewöhnlich um Familien oder kleine Gruppen von Familien, die sich von allen früheren Kontakten zurückgezogen haben und für sich allein zu Hause bleiben oder in kleinem Netzwerk (Verband) (z.B. die Den-Helder-Gruppe). Einige haben das Vertrauen zu allen bekannten Christen verloren, andere sind einfach verwirrt. Einige brechen Brot allein, andere nur, wenn sie eine „vertrauenswürdige Versammlung“ in einer anderen Stadt oder einem anderen Land besuchen; wiederum andere tun auch das nicht. Ich vermute, einige sind in Verlegenheit und betrachten ihre Stellung als vorübergehend, indem sie darauf warten, dass der Staub sich setzt, um zu erkennen, welcher Versammlung oder welchem Netzwerk von Versammlungen sie sich nach dem Willen des Herrn anschließen sollen. Dieser Typ stellt eine Minderheit dar.

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ

Diese lieben Gläubigen sind überzeugt, dass sie an der Wahrheit festhalten, wie sie von den frühen Brüdern entdeckt und praktiziert worden ist. Sie fühlen, dass diese alten Pfade (wie sie sie verstehen) „dem Angriff neuer Lehren“ ausgesetzt sind und es jetzt an der Zeit ist, die „brüderliche Gemeinschaft“ zu säubern. Sie empfehlen, sich von all jenen Gläubigen zurückzuziehen oder zu trennen, die nicht gegen die „neuen Lehren“ klar „Stellung beziehen“. Dies ist für alle Betroffenen ein schmerzlicher Prozess. Die Schlüsselfiguren (maßgebliche Brüder) reisen viel und schreiben viel. Sie haben die Kühnheit, von Versammlungen, die sich „erklärt“ haben, Listen aufzustellen und zirkulieren zu lassen und dann andere zu ermutigen, nur aus diesen Versammlungen Gläubige zu empfangen. Solche werden besonders von besorgten Brüdern der Dillenburger Gegend in Deutschland stark unterstützt und finanziert. Sie beanspruchen, „ausgeglichene Mitte“ zu sein. In Nordamerika braucht eine Versammlung nur schriftlich zu erklären: „Wir wünschen weder zur Rechten noch zur Linken abzuweichen“, um dieser Gruppe zugerechnet zu werden.

(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ

Diese lieben Gläubigen sind überzeugt, dass sie an der Wahrheit festhalten, wie sie von den frühen Brüdern entdeckt und praktiziert worden ist. Sie fühlen, dass diese alten Pfade (wie sie sie verstehen) von zwei Seiten angegriffen werden: von wirkungsstarken Brüdern, die versuchen, auf alle Versammlungen einen Druck zu engem, gesetzlichem Verhalten auszuüben, und durch andere Brüder, die versuchen, die besonderen Merkmale unserer Versammlungen aufzugeben. Gewöhnlich sind das friedliche Versammlungen. Nur wenige eröffnen einen Briefwechsel, widerstehen aber dem Druck, Briefe zu unterzeichnen, Erklärungen und Stellungnahmen abzugeben, die ihrer Ansicht nach biblisch nicht gerechtfertigt sind. Äußerlich scheinen viele dieser Versammlungen mit dem Versammlungstyp (2) eigentlich identisch zu sein. Einige (nicht alle) dieser Versammlungen vollziehen geringfügige Veränderungen, zum Beispiel bei der zeitlichen Festlegung der Zusammenkünfte, oder sie erlauben den Gebrauch verschiedener Bibelübersetzungen in den Zusammenkommen, lockern strenge Vorschriften in der Kleidung oder der Länge der Haare, lassen die allgemeine Verurteilung von Radio und Fernsehen fallen. Einige (nicht alle) dieser Versammlungen, die ein Zusammensitzen von Männern und Frauen nicht zuließen, erlauben es jetzt bei Familien. Vielleicht könnten wir diese Veränderungen den Gewohnheiten zuordnen, sie berühren nicht die wirkliche Substanz.

(4) Der „Realität-um-jeden-Preis“-Typ

Gleich den übrigen sind diese Versammlungen von besorgten Gläubigen. Sie sind betroffen von unserer zunehmenden Isolierung von der normalen Gesellschaft und von der schwachen Darstellung des göttlichen Lebens Christi unter uns. Auch sie sind überzeugt, dass Gott wirklich unter den frühen Brüdern war, dass aber die Bewegung ihre scharfen Umrisse verloren hat. Christus baut noch seine Kirche (nach Reife und Anzahl), doch unsere Versammlungen in Europa und Nordamerika unterlagen seit mehr als einem Jahrhundert (von wenigen Ausnahmen abgesehen) einem ständigen Niedergang. Unsere periodischen internen Streitigkeiten und starren Traditionen machen es uns sehr schwer, frühere Lebendigkeit zurückzugewinnen. Einige dieser Versammlungen schätzen und bewahren noch ihre Wurzeln aus der Brüderbewegung, andere haben ihr Interesse an historischen Brüderverbindungen verloren. Es ist ihr Hauptanliegen, eine lebendige christliche Gemeinschaft zu werden, die Gott benutzen kann, um in die reale heutige Welt hineinzuwirken.

(5) Der „Wir-haben-genug-davon“-Typ

Es ist traurig für unsere Versammlungen überall, dass viele nun einmal genug haben von Jahren der Spannungen und heftigen Kritiksucht, der Briefe und Anklagen (wir Brüder können manchmal überaus hart sein!). Nicht viele haben die moralische, geistige und physische Kraft, sich am Herrn zu erfreuen und unter solchen Bedingungen geistlich frisch zu bleiben. Ohne Rücksicht darauf, wer zu tadeln ist, besteht die Tatsache, dass viele andere christliche Gemeinden durch die Gegenwart vieler Familien bereichert werden, die unter uns glückliche christliche Gemeinschaft genossen. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass zumindest in der Englisch sprechenden Welt seit 150 Jahren dieses ständige Ausbluten durch das Weggehen verletzter Gläubiger unser Vermächtnis geworden ist.

Geographische Verteilung

Zum Nutzen für solche, die reisen, und weil eine Anzahl von Brüdern Interesse an einer globalen Übersicht bekundete, bringe ich hier einige grobe Verteilangaben. Ich hoffe, dass sich niemand an diese Aufteilung gebunden fühlt. Sie ist nur beschreibend. Die Angaben beruhen auf Unterredungen mit ernsten örtlichen Brüdern, und ich betrachte sie im Ernst als ein angenähertes Spiegelbild der Lage, wie sie war, als ich diese Gebiete während des zweiten Halbjahrs 2001 bereiste.

(1) Der „Wir-müssen-allein-bleiben“-Typ
Die meisten Länder haben einige von diesem Typ. Von ihrer Existenz hörte ich in England, Holland, Frankreich und Deutschland.

(5) Der „Wir-haben-genug-davon“-Typ
Vielleicht haben alle Länder neuerlich traurige Geschichten von diesem Typ. Persönlich hörten wir Berichte in Holland, USA und Kanada, England und der Schweiz.

Großbritannien:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 1/3
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 2/3

Die britische Situation wird noch komplizierter durch die Frage der „ewigen Sohnschaft“. Ich hörte von einer Anzahl schädigender, unkorrekter Gerüchte darüber. Unumstritten ist in britischen Versammlungen: (1) dass Christus ewig der Sohn des ewigen Vaters ist, entspricht der natürlichen Schriftauslegung (das zu leugnen ist ein Irrtum); (2) der Irrtum besteht nicht im Leugnen der Präexistenz oder der Gottheit Christi; und (3) alle britischen Versammlungen sagen, dass sie die ewige Sohnschaft festhalten und nicht zulassen würden, dass jemand das Gegenteil lehre. Einige englische Versammlungen stimmen nicht darin überein (und dies ist nicht neu), ob sie einen Gläubigen empfangen oder nicht, der nicht ausdrücklich bestätigen kann, das „Christus in der vergangenen Ewigkeit der Sohn Gottes war“, mit der Begründung, dass die Schrift es nicht eindeutig feststelle.

Ostdeutschland:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 1/4
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 3/4

Westdeutschland:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 7/10
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 2/10
(4) Der „Realität-um-jeden-Preis“-Typ: 1/10

Französische Schweiz:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 2/3
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 1/3

Deutsche Schweiz:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 2/3
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 1/3

Frankreich:

(1) und (2) Der „Wir-müssen-allein-bleiben“-Typ und der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 1/3
(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ: 2/3

Der Versuch, die Annahme einiger unweiser Versammlungsbeschlüsse zu erzwingen, war die Ursache zu einer Polarisierung der französischen Versammlungen. Es wurde mir berichtet, dass sich etwa zehn Versammlungen hinter einen sehr engen „Positionsbrief“ stellten, dass aber die meisten dem Druck widerstanden, eine fragwürdige Entscheidung anzuerkennen und sich ihr anzuschließen. Einige Versammlungen haben sich gespalten.

USA und Kanada:

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ: 9/10
(3) und (4) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ und der „Realität-um-jeden-Preis“-Typ: 1/10

Von vielen amerikanischen Brüdern, die ich kenne, würde ich erwarten, dass sie natürlicherweise am meisten in Typ (3) passten. Ich finde es seltsam, wenn sie in Europa ausschließlich mit Typ (2) in Gemeinschaft sind. Ich vermute, dass der „Lake-Geneva-Report“ (Typ (4)-Diskussionspapier) die meisten Versammlungen erschreckt hat, so dass sie einer drohenden Aufforderung nachkamen und Stellung bezogen. Typ (2) wurde dabei als Mittelweg dargestellt, so dass er die meisten Versammlungen miteinander verband.

Holland:

Ausgehend davon, das viele Versammlungen sich gespalten haben, fand ich es besonders schwierig herauszufinden, was vor sich geht. Ich schätze, es besteht eine breite gleichmäßige Verteilung zwischen den Typen (2), (3) und (4). Die Angabe mag hier ungenau sein.

Italien:

Einige der führenden Brüder unterzeichneten 2001 eine Stellungnahme, die sie unter Typ (2) verbindet. Von der Praxis her (z.B. erfreuliche Lagerarbeit, Freiheit zur Mitarbeit im Gideonbund, Schwestern schneiden ihr Haar) würde ich eher annehmen, dass sie natürlicherweise mehr dem Typ (3) entsprechen.

Spanien:

Die kleinen Versammlungen hier werden durch Typ (2) von Deutschland und der französischen Schweiz her beherrscht (Besuche, Gelder). Französische Brüder vom Typ (3), die Spanien zu besuchen pflegten und, wie ich empfand, dort sehr geschätzt waren, sind gebeten worden, sich draußen zu halten. Die Spanier haben sich dem Typ (2) verbunden.

C: Trends und ernste Sorgen

Wenn ich nachdenke und über diese Situation bete, sehe ich nicht einfach Recht und Unrecht, es ist keine leichte Wahl. Wir möchten deshalb nicht zu Gericht sitzen über euch oder irgendeinen lieben Gläubigen, der gewählt hat, dazu getrieben wurde oder, ohne selbst etwas zu tun, in einen bestimmten Versammlungstyp geriet. Obgleich ich unsere Art und Weise, mit diesen Problemen umzugehen, vielfach inkonsequent, manipulierend, politisch und manchmal auch grausam und heuchlerisch finde, möchte ich keinen teuren Bruder in Christus mit Tadel belegen (der Herr selbst wird zur rechten Zeit aussondern). Doch fühle ich eine Last der Verantwortung, einige schadenstiftende und gefährliche Trends freizulegen. Wenn da, wo ihr euch versammelt, keine dieser Trends spürbar sind, lobt den Herrn und haltet eure Augen offen. Wenn ihr nicht zustimmt, mag es euch nicht länger bekümmern, legt dieses Papier einfach beiseite. Die Zeit wird sprechen. Falls ihr indessen wahrnehmt, was ich tue, und einige meiner Sorgen mitfühlt, lasst uns sein Angesicht suchen und seine Ermutigung, um zu widerstehen und, wenn möglich, ungesunde Trends umzukehren.

Ernste Sorgen zu Typ-(2)-Versammlungen

In diesen Versammlungen sind sehr warmherzige, liebenswürdige und gastfreundliche Gläubige. Großzügig unterstützen sie das Werk des Herrn im eigenen Land wie auch draußen. Sie halten zusammen und helfen einander. Sie sind aufrichtig in dem, was sie der Schrift gemäß verstehen, mit großer Liebe zu Detailarbeit und Ordnung. Einmal überzeugt, dass ein Weg biblisch ist, zeigen sie Festigkeit, den „Grundsatz“ durchzuführen. Sie schrecken nicht zurück, selbst bei der Weigerung, das Brot mit gottesfürchtigen Gliedern der eigenen Familien zu brechen, die sich nicht frei fühlen, Briefe zu unterzeichnen, ziehen sich von lebenslangen Mitarbeitern und aus Freundschaften zurück oder spalten anderweitig glückliche junge Gemeinschaften auf Missionsfeldern und dergleichen. Ich bin überzeugt, dass diese lieben Brüder den Schmerz genau empfinden, den ihr Verhalten anderen zufügt. Doch das Blut, das sie gleichsam um sich herum fließen sehen, scheint sie keineswegs aufzuhalten, um noch einmal ihre Grundsätze zu überprüfen, ob ihr Verständnis und dessen Umsetzen in die Tat nicht ein Unrecht sein könnte. Das Vorgehen anzuzweifeln, bedeutet, ihnen Schwäche zu zeigen, es an Überzeugung fehlen zu lassen, Menschen mehr zu lieben als Gott. In der Treue zu ihren „Grundsätzen“ knirschen sie mit ihren Zähnen und machen weiter.

Bei ihrem starken Wunsch, Ordnung zu halten und mögliche Verunreinigungen zu vermeiden, fürchte ich, die „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Haltung wird zunehmend enger und hat sich klar von dem entfernt, was die meisten von uns unter „Alter Weg“ verstanden. Diese Gemeinschaft nähert sich gefährlich dem Gebaren einer Sekte. Überdenke die folgenden kürzlichen Entwicklungen:

  • Trends zur Zentralverwaltung

    • Konferenzen: Früher waren unsere Konferenzen offen für alle, die die Schrift liebten. Konferenzen wie die in Dillenburg in Deutschland verlangen jetzt von den Versammlungen, eine Namenliste zu senden. Einige der Organisatoren von Konferenzen fordern jetzt Gläubige auf, „Stellung zu beziehen“, um bei der Konferenz willkommen zu sein.

    • Finanzen: Ein erschreckend hoher Anteil der Gelder, die inländische Arbeiter, Missionare, Konferenzen, geistliche Dienste unterstützen, wird in Deutschland von einem Komitee verwaltet. Ob diese kleine Gruppe es wahrnimmt oder nicht, weltweit beeinflusst sie Versammlungen, indem Gelder zugestellt oder zurückgehalten werden.

    • Missionsfeld: Nach allgemeiner Praxis hatten neue Missionare drei Bedingungen zu erfüllen: 1. eine Berufung des Herrn, 2. die Unterstützung ihrer Heimatversammlung, 3. ein willkommener Empfang von der Versammlung auf dem Missionsfeld (wenn dort eine war). Jetzt wird in einigen Bereichen zusätzlich die Zustimmung eines Komitees verlangt, eines Komitees, das in einigen Fällen auch den Diener anzuweisen wünscht, wohin er ihres Erachtens gehen soll (wenn überhaupt irgendwohin).

  • Die neue Funktion von Adressenlisten

    • Vor einem Eintrag werden Antworten verlangt. 
      Wir Brüder sind immer gegen die Idee der Mitgliederliste einer Versammlung oder einer offiziellen Liste von Gliederversammlungen gewesen. Ich liebe die Formulierung einer Auflistung unserer amerikanischen Brüder: „Liste von Versammlungen und einzelnen Christen“. Sie gibt einige Versammlungen an (eine Gruppe von einzelnen Gläubigen, nicht eine formale Autorität), die die Verfasser kennen und zu empfehlen sich frei fühlen. Im Grundsatz ist jeder einzelne Christ oder jede einzelne Versammlung frei, eine eigene Liste von Freunden oder Versammlungen anzubieten. Eine Liste ist so vertrauenswürdig wie ihr Verfasser. Jede Liste ist nützlich für solche, die die Verfasser kennen und ihnen vertrauen. Neuerlich sind schriftliche Antworten von möglicherweise einzufügenden Versammlungen verlangt worden. So ist das Verfahren, eine Liste zu erstellen, benutzt worden, einen Kreis der Gemeinschaft festzulegen und nicht einfach zu beschreiben wie in der Vergangenheit. Dies ist für mich eine neue Entwicklung.

    • Verlust der örtlichen Freiheit, unter Christus Besucher zu empfangen: 
      Obgleich wir beanspruchen, einige Versammlungen aufzulisten, und diese Listen nicht offiziell sein sollen, sind sie in der Praxis für die meisten offiziell geworden. Versammlungen sind jetzt ängstlich, gottesfürchtige Besucher aus nicht aufgelisteten Versammlungen zu empfangen. Der Verlust der Freiheit, zu praktizieren, was amerikanische Brüder „gelegentliche Gemeinschaft“ nennen, ist eine traurige, ungesunde, verengende Entwicklung. Einige unserer Versammlungen sind schon immer an dieser Stelle hart gewesen. Aber viele haben bis vor kurzem sich frei gefühlt, gottgemäß zu unterscheiden.

  • Zusammenarbeit mit Christen aus nicht aufgelisteten Versammlungen, die jetzt als verunreinigt angesehen werden

    Als einzelne Gläubige haben wir unterschiedliche Gewissen. Das wird immer so sein. Einige mit einem weiteren Herzen fühlen sich frei vor dem Herrn, Dinge zu tun, derer sich andere Gläubige vorzugsweise enthalten. Einige Versammlungen haben das immer wohlwollend gebilligt, und in gewissem Maß wird in den meisten Ländern zwischen Versammlungen Toleranz geübt, und diese Freiheit ist international ausdrücklich respektiert worden. Jetzt ordnen einige der die „Stellung“ festlegenden Briefe alle Formen von Kontakten oder Zusammenarbeit mit Gläubigen aus nicht listenmäßig erfassten Versammlungen als verunreinigend ein. Sind wir sicher, darauf bestehen zu müssen, dass alle Brüder bereuen und sich trennen müssen von Mitarbeit im oder Verbindungen zum Gideonbund, den Wycliff-Bibelübersetzern, der New-Tribes-Mission, Begegnungen mit Christen auf Schulen, Universitäten und bei der Arbeit und dergleichen? Dies ist eine neue Entwicklung.

  • Der Versuch, unsere übrigen Differenzen zuzudecken

    Bei dem Wunsch, Versammlungen und einzelne Christen anzuhalten, ihre „Stellung“ zu einer oder zwei Fragen anzugeben, scheinen wir zu vergessen, dass wir viele andere ernste Unterschiede in unserer Mitte haben. Was hat denn unsere Versammlungen über viele Jahre zusammengehalten? Unsere Zusammengehörigkeit war stärker als die einer Adressenliste. Einige gemeinsame Liederbücher haben dazu beigetragen. Eines ist jedenfalls sicher: Es bestand nie lehrmäßige Übereinstimmung. Einige Glaubensgemeinschaften haben sich wegen der Taufe gespalten. Wir erlauben, wie es scheint, jedem Bruder, sie nach eigenem Verständnis zu sehen und zu praktizieren. Historiker wissen, dass die frühen führenden Brüder Spaltungen dadurch vermieden, dass sie über diesen Punkt schwiegen – ein Kompromiss, den wir von ihnen geerbt haben. Einige Versammlungen schließen Schwestern vom Tisch des Herrn aus, die ihr Haar abgeschnitten haben oder die nicht versprechen können, es nie abzuschneiden (beachte: dies ist eine Zulassungsfrage!). Einige sind vom Dienst in der Versammlung ausgeschlossen, wenn ein Fernseher in ihrer Wohnung entdeckt wurde. Andere raten zur Mäßigung und machen hieraus kein Problem. Einige Versammlungen sind streng in der Kleidervorschrift, bei Männern wie bei Frauen. Andere sehen das lockerer. Wir sind unterschiedlich im Umgang mit Scheidung und Wiederheirat. Wir denken nicht einheitlich über den Gebrauch von Musikinstrumenten, Videos, Filmen, Schauspiel oder andere evangelistische Hilfsmittel. Wir denken verschieden über Dämonen, einige meinen, dass sie heute nicht mehr aktiv sind! Einige Versammlungen gestatten den mäßigen Genuss von Alkohol und Rauchen, andere weisen solche, die das tun, zurück. Einige sind der Ansicht, dass der Zehnte mit der Versammlung nichts zu tun habe, andere regen an, ihn zu beachten, andere sehen darüber hinweg. Einige Versammlungen fühlen sich befleckt durch einen Gläubigen, der mit seiner Familie zu Hause Weihnachten feiert. Einige Versammlungen hatten sogar einen Weihnachtsbaum in ihrem Versammlungsraum. Solche unter euch, die oft reisen, haben wahrscheinlich eine Anzahl dieser Dinge erlebt und wissen, dass diese Unterschiede wirklich vorhanden sind. Sind Verbundenheit und Harmonie zwischen unseren Versammlungen dadurch gestützt worden, dass wir diese Dinge verbargen? Müssen wir dafür kämpfen, Unterschiede zu beseitigen? Obgleich einige dieser Differenzen unangenehm sind, sie zu verbergen, könnte Intoleranz entstehen lassen.

    Vielleicht ahnen solche, die gegenwärtig anführen, um ein „Sich-Zurückziehen“ durchzudrücken, dass, wenn eine Stellungnahme zu einigen unserer deutlich empfundenen Unterschiede gefordert wird, wir allen Ernstes weltweit zersplittert würden. Wird eine weitere Welle der „Verengung“ kommen, wenn die gegenwärtige Einstellung einmal verhärtet ist? Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir ersucht werden, unser Verhältnis zu einer anderen Angelegenheit darzulegen, und so ein weiteres Schisma erleben?

  • Begrenzte Weitergabe von Information

    Wir sahen es immer so, dass Brüder für den Herrn arbeiteten und nicht für irgendeine besondere Benennung oder Untergruppe. Briefe und Berichte über dieses Werk fanden unbehinderte Verbreitung unter solchen Geschwistern, die für das Werk des Herrn zu beten wünschten. Das ändert sich, und ich sehe es mit Sorge. Einige wünschen, dass Missionsnachrichten nur in gewissen Zeitschriften gebracht werden sollten. Kürzlich wurden wir gefragt, warum einer unserer Briefe in einer Zeitschrift erschienen sei, die außerhalb der Typ-(2)-Versammlungen erarbeitet und verbreitet wird. In vergangener Zeit haben wir umlaufenden Briefen und Artikeln nie eine Beschränkung auferlegt. Solange der Sinn unserer Schriften nicht verändert ist, warum kann sie irgendein interessierter Gläubiger nicht lesen, dadurch ermuntert werden und dafür beten? Unsere Sicht als Brüder war immer, für den Herrn zu arbeiten und von Ihm in finanzieller Unterstützung abhängig zu sein. Der Diener des Herrn sollte Gelder zurückweisen, wenn ihre Geber ihn zu beaufsichtigen wünschen, das heißt zwischen ihm und dem Herrn zu stehen. Ich denke, die meisten von uns, wenn nicht alle, stimmen dem noch zu. Kürzlich bin ich jedoch gefragt worden, ob ich finanzielle Gaben von den Versammlungen X und Y empfangen hätte. Dahinter stand die Ansicht, dass wir Missionare nur Gaben von Typ-(2)-Versammlungen annehmen sollten und von außenstehenden Einzelpersonen, aber nicht von nicht in der Liste angegebenen Versammlungen. Das ist mir neu, und ich halte es für ungesund.

Ernste Sorgen zu Typ-(3)-Versammlungen

Gerechterweise muss gesagt werden, dass die Brüder und Schwestern der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ-(3)-Versammlungen eine tiefe Wertschätzung der Wahrheiten bewahren, die von den frühen Brüdern wiederentdeckt wurden. Sie halten entschieden an der einen Einheit des Leibes Christi fest, sie anerkennen alle Versammlungsbeschlüsse, die Gottes Siegel anzeigen. Sie schätzen Gemeinschaft zwischen Versammlungen und suchen einander zu stützen. Indem sie gemäßigt sind, möchten sie keine kostbare Wahrheit preisgeben noch über ihre Gewissen hinaus verengt sein. Wir Menschen neigen dazu, extrem zu sein, darum ist diese schwierige gemäßigte Ausgeglichenheit zu respektieren.

  • Die Gefahr, auf von Menschen gemachten Traditionen zu beharren

    Wir alle finden es schwierig, eine Veränderung anzunehmen, sei es ein neues Nahrungsmittel oder eine neue Haarmode. Veränderungen im wirksamen Ablauf unserer Zusammenkünfte als Versammlung berühren uns empfindlich, seien es einfache Dinge wie eine Veränderung der Sitzordnung, der Zeit einer Zusammenkunft oder der Gebrauch eines neuen Liederbuches. Brüder in Typ-(3)-Versammlungen sind unter viel Kritik geraten und angeklagt worden, zu „liberal“ zu sein, zu „offen“, zu „unabhängig“, zu „schwach in Überzeugungen“ und anderes mehr. Das ist schmerzhaft und hat einige Versammlungen veranlasst, sich zu wandeln und Typ-(4)-Versammlungen zu werden. Die entgegengesetzte Gefahr, wie ich es sehe, ist ein Versuch, zu zeigen, dass wir an dem „alten Weg“ festhalten und nicht „liberal“ sind; wir halten fest an den äußerlichen, von Menschen gemachten Traditionen, die zu den alten Wegen gehören. Wie ein lieber Schweizer Bruder in einer Typ-(2)-Versammlung mir während eines letztjährigen Besuches erklärte: Wenn wir erlauben, dass Brüder und Schwestern zusammen sitzen in den Zusammenkünften, wird das der Anfang von den „neuen Lehren“ sein, es würde nach seinen Worten „der Kopf des Kamels“ sein. Diese übertriebene Furcht vor Veränderungen findet sich offensichtlich auch in vielen Typ-(3)-Versammlungen. Die meisten menschlichen Traditionen haben edle Ursprünge, aber wenn man nach Ablauf ihres „Mindesthaltbarkeitsdatums“ noch darauf besteht, verlieren wir für Außenstehende zunehmend an Anziehung und enttäuschen auch die nächste Generation in unserer Mitte.

  • Die Gefahr einer Lähmung durch Furcht

    Viele liebe Gläubige in diesen Versammlungen wissen nicht, ob andere sie als „in“ (drinnen) oder „out“ (draußen) ansehen. Die Furcht davor, die Gemeinschaft (geschwisterliche Beziehungen) zu verlieren oder sich zu verunreinigen oder vielleicht noch mehr Probleme zu verursachen, bedingt, dass manch einer an Feiertagen einer Zusammenkunft fernbleibt oder Wochenendbesuche vermeidet. In einigen Gegenden sind Besuche zwischen Versammlungen, die so ermunternd sein können, so selten geworden wie nie zuvor. Menschenfurcht bewirkt Lähmung, sie trennt Geschwister, die sich der Gemeinschaft erfreuen sollten. Sogar der Apostel Petrus glitt hier einmal aus. Wenn sich das nicht ändert, wird zunehmende Vereinsamung einsetzen.

  • Die Gefahr, in passiver Weise Führerschaft zu verletzen

    Die Spannungen und Anklagen unter sonst gottesfürchtigen älteren Brüdern haben Wertschätzung und Achtung untergraben, die wir unseren führenden Brüdern innerhalb der Versammlungen entgegenbrachten. Es ist jetzt schwerer, „verlässliche Berichte“ für bare Münze zu nehmen. Es ist nun schwieriger, zu führen, zu motivieren, anzuspornen. Ebenso ist es schwieriger, mit gutem Gewissen zu folgen. Führerschaft in Typ-(2)-Versammlungen tritt geschlossen auf und bewahrt relativ guten Mut. Im Gegensatz dazu ist Führerschaft in Typ-(3)-Versammlungen stark verletzt durch Anklagen und den Abbruch lebenslanger Freundschaften. Energiereserven scheinen geschwächt, zusammen mit wenig offensichtlicher Begeisterung, nach neuen, vom Herrn gegebenen Visionen auszuschauen und neue günstige Gelegenheiten zu ergreifen. Wenn die führenden Brüder es nicht anstreben, zusammenzustehen, einander zu ermutigen und den Willen des Herrn für kommende Tage zu suchen, so fürchte ich, dass eine sich hinziehende Erstarrung einen allmählichen Tod herbeiführen wird.

Ernste Sorgen zu Typ-(4)-Versammlungen

Man kann nicht anders, als den eifrigen Wunsch der Brüder in „Realität-um-jeden-Preis“-Typ-Versammlungen zu bewundern. Unter einer guten Führung hat dieser Typ das Potential, vom Herrn gebraucht zu werden, die nächste Generation zu inspirieren (beleben). Er spiegelt wahrscheinlich die Haltung der frühen Brüder wieder, die willig waren, jeden Preis zu zahlen, um wirklich und radikal biblisch zu sein und verschieden von allen bestehenden religiösen Strukturen. Meine Sorge ist, dass einige wohl in Gefahr sein mögen, „das Kind mit dem Bad auszuschütten“, das heißt, dass wichtige nützliche, wertvolle biblische Merkmale, von den frühen Brüdern wiederentdeckt, vergessen oder absichtlich beiseitegesetzt werden.

  • Die Gefahr, Modeströmungen zu folgen

    Es ist kein Geheimnis, dass die christliche Welt und die evangelikale im Besonderen durch Modeströmungen geht. Zeitweise diente eine gewisse Art und Weise dazu, christliches Leben als das eines Soldaten mit Zucht, Ordnung, Tapferkeit usw. zu verstehen. Aus dieser Ära stammt die Formation der „Heilsarmee“, und wir haben eine Anzahl Lieder geerbt, wie „Vorwärts, Christi Streiter“. Während des letzten Jahrhunderts lag der Schwerpunkt stark auf dem Heiligen Geist. Einige Jahrzehnte lang wurde Heiligkeit sehr betont, bekannt gemacht durch die Heiligkeitsbewegung. Vor ein oder zwei Jahrzehnten war „Macht“ die Mode, machtvolle Evangeliumsverkündigung, kraftvolle Lobeserhebungen, vollmächtiger Dienst. Die meisten Modeströmungen überbetonen ein oder zwei Lehren oder Aspekte des christlichen Lebens. Gewöhnlich ist diese Überbetonung eine Reaktion auf Erscheinungen, die der Korrektur bedurften. Es mögen wohl zu bejahende Elemente in einigen Strömungen sein, aber wir müssen widerstehen, wenn der Trend uns mitreißen will.

    Die Riesenkirche ist nun in Mode. Übergroße Kirchen erfordern berufsmäßige Teams, um den Erwartungen der Zuhörer gerecht zu werden. Echte gemeinschaftliche Beteiligung geht in der Regel zurück. Dies ist ein ungesunder Trend. Eine Theorie geht um, dass, wenn alle Kirchen einer Stadt sich vereinigten, dann solche Städte für Christus umgestaltet werden würden. Als ich in London weilte, sah ich ein beliebtes Video, betitelt „Umwandlungen“, in dem [die Stadt] Cali (Kolumbien) benutzt wurde, diesen Punkt zu „beweisen“. Ich zweifle nicht, dass Christus Menschenleben, Familien und Städte umzuwandeln vermag. Der Herr tat es mit Ninive. Er kann es wiederum tun. Zweifellos wirkt Gott in Cali, aber es ist noch eine der gefährlichsten Städte in Kolumbien. Mir wurde berichtet, dass es dort zwischen diesen großen Kirchen häufig ein „Schafe-Stehlen“ gibt (besonders talentierte und musikalische Schafe). Üben wir etwas gesunden Skeptizismus! Gleicherweise sind jene „verlässlichen Berichte“ manchmal gar nicht so verlässlich; dergleichen kann auch draußen geschehen! Nicht jedes Modell, das zum Datum passt, ist verlässlich für Voraussagen. Nicht alles ist Gold, was in der christlichen Welt glänzt!

    Letztes Jahr belegte ich einige Kurse am Spurgeon’s College im Süden Londons. Das College selbst ist eine Ausbildungsschule für Pfarrer in baptistischen Kirchen. Zu meiner Überraschung war unter zehn Studenten eine Schwester, die sich zur Pastorin in Baptisten-Kirchen ausbilden ließ. Ich kann mich nicht erinnern, dass dies vor fünfzehn Jahren bei den Baptisten allgemein so gewesen wäre. Nicht alle baptistischen Kirchen billigen dies. Heute gibt es einen Trend in der Christenheit, Männern und Frauen in der Kirche die gleichen Rollen zuzuweisen. Die anglikanische Kirche, Versammlungen Gottes und viele andere Gruppen fördern Schwestern, um Führungsstellen in der Kirche einzunehmen. Aus dem, was ich lese, entnehme ich, dass praktizierende Homosexuelle zunehmend in kirchlichen Diensten angenommen werden. Wenn wir die Sichtweise der Belehrung des Apostels Paulus als „kulturbedingt“ einfach abtun, öffnen wir die Tür zu subjektiver Auswahl. Meine teuren Brüder und Schwestern, seht ihr die Gefahr?

  • Die Gefahr bei dem Versuch, beliebt zu sein

    Meine persönliche Ansicht ist die, dass Typ-(4)-Versammlungen aufgrund eines Mangels eine Tendenz haben, moralisch lockere und ichbezogene Personen anzuziehen. Das sind die Gläubigen, denen an biblischen Einsichten nicht so sehr gelegen ist, solange „Ich kann ich sein“ gilt, es geht ja, wir haben eine gute Zeit. Diese lieben Gläubigen machen es schwieriger, solche Versammlungen zu führen, da sie manchmal eine einflussreiche Minderheit darstellen.

    Gewiss, die meisten sind nicht so! Die Gefahr kann bestehen, dass man um jeden Preis eine Auseinandersetzung vermeidet. Manche fühlen, dass sie unter dem „Druck“ einer harten und bisweilen dogmatischen Führerschaft gelitten haben, und möchten jetzt eine neue Freiheit genießen. Manche scheinen irrigerweise zu denken, die Versammlung sei eine Demokratie. Wesentliche Beschäftigung dieser Versammlungen ist zu reagieren: Es war uns nicht erlaubt, eine Gitarre zu benutzen, also machen wir es jetzt. Wir durften nicht andere Lieder singen, so wollen wir das jetzt tun. – Veränderungen sollten eingeführt werden, wenn sie überzeugend sind, sie sollten einen Sinn haben, das heißt, dass wir das dem Herrn Wohlgefällige tun. Nützliche Veränderungen können falsche Beweggründe haben, und das stiftet Schaden. Es kann eine Kultur befördern, wo man meint, die Versammlung sei zu unserem Wohlergehen da und nicht so sehr um seiner Verherrlichung willen.

  • Die Gefahr der Auflösung infolge Vereinsamung

    Wenn Überdruss aufkommt bei allen Nachrichten und der Aufforderung, Probleme anderer Versammlungen zu beurteilen, und das sogar in anderen Ländern, ziehen einige es vor, zu anderen Versammlungen auf Abstand zu gehen. Das zeigt sich in geringem Interesse an Konferenzen, an Lagerarbeit, an neuen Briefen und Zeitschriften. Es sei denn, eine Versammlung sei groß und hat viele Gaben und Familien, sonst fehlt es an mannigfaltigem Dienst, an Freundschaften und an Gemeinschaft, was zu einem Gefühl, isoliert zu sein, führt. Junge Familien und die Jugend werden dann bald ausschauen im Umfeld nach eigenen Lagern, Seminaren und Gelegenheiten zur Mission. Der begabte Bruder wird einen weiteren Bereich seines Dienstes suchen, und das mag wohl das Ende der kleinen vereinsamten Versammlung herbeiführen.

  • Die Gefahr der Auflösung wegen mangelnder Identität

    Einige dieser Versammlungen sind in Gefahr, sich von den Wurzeln der Brüderbewegung zu entfernen, so weitgehend, dass sie sie völlig verleugnen. Dies zusammen mit dem Wunsch bei einigen, derzeitige „erfolgreiche“ evangelikale Gruppen nachzuahmen, mag sehr wohl zu einer Auflösung führen, wenn noch ein paar Jahre vergehen.

D: Einige Ideen und Anregungen

Da ich die meiste Zeit meines Lebens im Missionsdienst verbracht habe, weiß ich sehr wohl, dass es leichter ist, Fehler zu entdecken und zu kritisieren, als zu fördern und zur Auferbauung beizutragen. Ich sehe die offenkundige Hand Gottes, die um seiner Herrlichkeit willen unter Gläubigen wirkt, die Dinge tun, denen ich persönlich nicht zustimme. Für mich ist deutlich zu sehen, dass das Leben des Christus und seine Macht in geistlichem Dienst sich kundtut durch unvollkommene Christen und unvollkommene Versammlungen. Wenn unser teurer Herr nur Vollkommenheit segnen würde, könnte Er keinen von uns je gebrauchen! Ich schlage vor, dass wir auch bei drängendem Eifer nicht versuchen, ein etwaiges goldenes Zeitalter unserer vergangenen Geschichte (wenn ein solches denn nach unserer Annahme in Form und Lehre ein vollkommenes war) wiederaufleben zu lassen, sondern dass wir uns selbst in einen Stand bringen, um nützliche und kraftvolle Werkzeuge in seiner Hand heute zu sein, sowohl einzeln als gemeinsam. Mose diente seiner Generation, Luther der seinen, Darby der seinen, du und ich sind berufen, unserer Generation zu dienen. Wir können uns nicht hinter vergangener Herrlichkeit und alten Büchern verstecken. Dem stimmen wir vermutlich alle zu. Hier nun einige persönliche Anregungen:

(1) Der „Wir-müssen-allein-bleiben“-Typ

Da habe ich wenig zu sagen. Ich wüsste nicht, dass ich irgendeine Versammlung dieses Typs letztes Jahr besucht hätte. Wenn du jüngere Kinder hast, isoliere dich schon um ihretwillen nicht mehr, als unumgänglich ist. Vermeide sorgfältig einen überkritischen Geist, der es dir selbst schon sehr schwierig macht, dich glücklich in eine Versammlung einzufügen, die von zukünftigen Menschen gebildet wird.

(2) Der „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ

Vielleicht darf es mir erlaubt sein, die folgenden Anregungen an Führende und Geführte in diesem Versammlungstyp zu richten.

  • Bring deine Sorgen zum Ausdruck

    Die meisten Sekten werden allmählich so. Es vollziehen sich Serien kleiner Veränderungen, jede ist zu geringfügig, um Aufhebens davon zu machen. Nach und nach werden persönliche Freiheiten ausgemerzt, eine zentrale Autorität wird gestärkt, ungesunde Verfahren werden eingeführt. Äußere deine Meinung, jedoch in liebenswürdiger, aber fester Form. Für eine Versammlung ist es nicht normal, aber möglich, zu einem falschen Beschluss zu kommen. Du hast vor Gott die Pflicht, deine Stimme zu erheben. Widerstehe dem Druck, Briefe zu unterschreiben, die dein Gewissen belasten. Wenn du es getan hast, hab den Mut, deine überdachte Ansicht auch öffentlich bekannt zu machen. Ein klares Gewissen ist unerlässlich für eine glückliche Gemeinschaft mit dem Herrn.

  • Fördere Harmonie und Duldsamkeit

    Vielleicht könnten wir uns selbst erziehen durch Missionsberichte, Zeitschriften, inländische und internationale Konferenzen, um einander auch mit unseren unterschiedlichen Ansichten anzunehmen. Vielleicht könnten wir öffentlich darüber im Licht der Schrift sprechen, ohne einander anzuklagen, jedoch die wirkliche Grundlage unserer Einheit (Eintracht) zu betonen. In einigen Versammlungen ist Händeklatschen während des Singens kulturgebundenes Gegenstück zu vierstimmigem Gesang nach Melodien von Bach und Beethoven. Wir brauchen unsere Weisen andern nicht aufzuzwingen. Könnte es sein, dass beides dem Herrn wohlgefällig ist?

  • Versammlungslisten

    Wenn du dem wirklich zustimmst, dass diese Listen „auf keinen Fall offiziell“ sind, bestehe darauf, dass deine Versammlung sie auch praktischerweise nicht als offiziell handhabt. Listen sind nützlich, aber wir werden Christus Rechenschaft ablegen und nicht denen, die die Listen aufgestellt haben, hinsichtlich derer, die wir aufnehmen oder zurückweisen.

  • Komitees zur Verwaltung der Gelder

    Ein einziges Brüderkomitee zur Verteilung der Gelder, die von vielen Versammlungen eingesammelt werden (oder allen Versammlungen eines Landes), ist sehr leistungsfähig. Aber es ist gefährlich, weil unverhältnismäßig Einfluss und Handlungsvollmacht in die Hände von ein paar Brüdern gelegt sind. War das nicht eine Angelegenheit, derentwegen frühe Brüder sich trennten? Auf die Gefahr hin, dass die Leistung ein wenig zurückgeht, schlage ich die Bildung mehrerer Geldsammelstellen in einem Land vor, von denen jede für eine große Versammlung oder einige kleine zuständig ist, und jede legt klar dar, welche Vorhaben sie unterstützt, indem sie die Verantwortlichkeit der Brüder, die geben, erhöht. Besser ist noch, dem Beispiel unserer amerikanischen (The Fund For Christian Service: FFCS) und holländischen (Nehemia Fund) Brüder zu folgen. Sie handeln als Verteilstellen für Gaben an einzelne Gläubige und an Versammlungen. Dies ermuntert Einzelne und Versammlungen, die Berichte zu lesen und sorgfältig zu erwägen, wohin etwas zu geben der Herr sie leitet, statt dass sie es automatisch in die „schwarze Schachtel“ des nationalen Missionswerks tun. Die Leistung wird davon abhängen, inwieweit die örtlichen Gläubigen von der Führung des Herrn abhängig sind. Vielleicht könnten wir dieses Risiko auf uns nehmen.

  • Bedachtsame Rede

    Die lieben Brüder, du und ich mögen im Augenblick nicht einer Meinung sein, wir sind aber noch sehr wohl Teil seines Leibes. Indem wir die lehrhafte Bedeutung einiger unserer Unterschiede überziehen und unsere Brüder mit harten Worten anklagen, verletzen wir den Leib und auf die Weise Christus selbst. Paulus hätte Barnabas anklagen können, dass er zu liberal sei, zu lasch im Werk des Herrn, Familienbeziehung sei ihm wichtiger als die Achtung vor der Heiligkeit der Dinge des Herrn. Er hätte ihn beschuldigen können, das Werk Gottes zu beflecken dadurch, dass er den unzuverlässigen Johannes Markus überhaupt mitnahm. Paulus hätte Barnabas anklagen können, es mangle ihm an Unterwürfigkeit, er sei unwillig, den ihm geziemenden Platz im Leib Christi einzunehmen. Briefe hätten an die Gläubigen geschrieben werden können, um mitzuteilen, dass Barnabas offensichtlich unabhängig sei und die Einheit des Leibes des Christus verleugne. Barnabas hätte Paulus leichthin beschuldigen können, gesetzlich zu sein und die Leitung des Heiligen Geistes an sich zu reißen, usw. Vielleicht wurden einige dieser Anklagen ausgesprochen; wir wissen ja, dass eine „Erbitterung“ entstand und das Missionsteam sich aufspaltete. Aber nichts wird davon berichtet, dass einer dem anderen die Gemeinschaft entzog, und es gibt keine Hinweise, dass Druck auf alle Gläubigen ausgeübt worden wäre, den Vorfall zu beurteilen und eine Wahl zwischen Paulus und Barnabas zu treffen. Klar ist, dass aus irgendeinem Fehler oder einer Differenz ein „grundlegender“ Gegensatz gemacht werden kann. Wir werden Rechenschaft geben müssen wegen der Worte, die wir sprechen, die wir schreiben, die wir unterzeichnen. Verschaffen wir uns Gewissheit, dass unsere Gewehre auf den wirklichen Feind gerichtet sind.

  • Gespräche aufrechterhalten

    Suche Gelegenheiten zu offenen und freundschaftlichen Aussprachen mit unseren Brüdern außerhalb unseres eigenen Versammlungstyps. Eben durch diese offenen und vertraulichen Gespräche kann der Herr uns helfen, Ausgewogenheit zu suchen und zu behalten. Widersprechende Stimmen unterdrücken oder ausschließen erzeugt ein falsches Gefühl für Frieden. Sogar die Sekte der Zeugen Jehovas genießt diese Art internationaler Harmonie. Doch gottgemäß ist sie nicht. Auch die frühe Kirche hatte ihre gesunden und manchmal auch scharfen Auseinandersetzungen. Lasst uns Diskussionen und Austausch nicht scheuen.

(3) Der „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ

Wenn du dich in einer dieser Versammlungen befindest, magst du finden, dass einige der vorstehenden Anregungen zu Typ (2) ebenso anwendbar sind. Ich möchte jedoch einen Aufruf an alle Typ-(3)-Versammlungen hinzufügen, besonders an ihre Führerschaft:

  • Richte deine Gedanken darauf, zu handeln

    Nach meinem Gefühl sind einige dieser Versammlungen in einer Krise. Dringend gefragt ist visionäre Führerschaft, um das viele Reden über Versammlungsspannungen und Ungerechtigkeiten zu beenden und erneut Freude am Herrn zu gewinnen, Türen zu suchen, die der Herr von neuem öffnet, junge Leute und Familien anzuspornen, ihre Begabungen zu entfalten und sie auf schöpferische und biblische Weise zu gebrauchen sowohl in den Versammlungen als in der verlorenen Welt.

  • Gemeinschaftliche Beziehungen wieder auffrischen

    Es ist notwendig, jede Furcht vor Abweisung zu überwinden und wieder einmal zu Besuchen zwischen den Versammlungen zu ermuntern. Die Zeit ist gekommen, dass Gaben der Belehrung oder der Verkündigung des Evangeliums (Alt und Jung) uneingeschränkt ausgeübt werden zwischen den Versammlungen, um Wertschätzung der Versammlung als solcher, praktische Frömmigkeit und schärfere Wahrnehmung und wechselseitige Begegnungen mit der verlorenen Welt draußen anzufachen. Ladet begabte Brüder zu eurer Versammlung ein. Beratet euch mit ihnen, um Seminare, Arbeitstreffen, Ein-Tages-Konferenzen in eurem Bereich zu vereinbaren. Schafft Gelegenheiten für sie, zum Segen zu sein. Sammelt Informationen und ermuntert die örtlichen Gläubigen, aus näherliegenden oder internationalen Konferenzen Nutzen zu ziehen.

  • Zeitgemäßer Stil in Belehrung und Unterweisung

    Ich glaube, das, was die heutige und kommende Generation anzieht und inspiriert, ist nicht „Wahrheit und Lehre“, sondern „Realität“ – ein glaubwürdiges und radikales christliches Leben. Natürlich gehen Wahrheit und Realität (Wirklichkeit) Hand in Hand, aber ohne offenkundige Wirklichkeit wird es kein Interesse an der Wahrheit geben. Gerade die frühen Brüder hatten Realität, und das war eine Sensation. Wir haben sie in unseren Wurzeln. Lasst uns unsere Lehrer und Schreiber ermutigen und freimachen, den anziehenden Versammlungsmerkmalen in kulturell annehmbaren Formen Ausdruck zu geben. Verlasst euch nicht ausschließlich darauf, gute alte Bücher zu verteilen. Ich fürchte, dass der Neudruck der alten Bücher der Brüder aufs Ganze gesehen nur einer Minderheit willkommen ist, besonders Lesern mit akademischer Bildung, historischen Interessen, Lesern mit einseitiger Veranlagung. Wir müssen aber jeden erreichen! In einigen Kreisen richtet man das Augenmerk übertrieben auf alttestamentliche Vorbilder, Gleichnisse, Schatten und Bilder. Wir erwecken geradezu den Eindruck, die Bibel sei ein verschlüsseltes Buch. Gewiss, die Bibel enthält symbolische Darstellungen und Vorbilder, aber wir machen zu viel daraus. Die klare und praxisbezogene Darbietung des Wortes Gottes ist überzeugend, herausfordernd und machtvoll.

  • Bleiben wir der Bibel und der Praxis verpflichtet

    Viele der gegenwärtigen Enttäuschungen und der Ablehnung einiger der Wurzeln der Brüderbewegung haben wahrscheinlich ihre Ursache hauptsächlich in der Abweisung unserer äußeren Formen, Widersprüchlichkeiten und fremd anmutenden Traditionen. Wir lehren mehrheitliche Führerschaft, doch viele Versammlungen sind jahrelang von einem oder zwei „Diotrephes“ gelenkt worden. Wir lehren, dass es unter Christus keine höhere Autorität als die der Versammlung gibt, doch viele Versammlungen sind gelähmt aus Furcht vor Kritik eines im Werk des Herrn arbeitenden Bruders oder einer Nachbarversammlung. Wir lehren, dass jeder Gläubige wenigstens eine Gabe hat und er sie zur Auferbauung des Leibes gebrauchen sollte, doch nur einige wenige Führer wenden viel Zeit und Kraft dafür auf, Gläubigen zu helfen, dass sie ihre Begabung erkennen und entfalten, indem sie ihnen Gelegenheiten zu dienen verschaffen. Die wirksamste Weise, zu begeistern und solche drinnen wie draußen zu beeinflussen, ist ein glückliches, gesundes und gedeihliches Versammlungsleben.

  • Ermuntert unsere Schwestern

    Die meisten christlichen Versammlungen haben mehr Schwestern als Brüder. Das ist zum Teil so, weil Frauen länger leben als Männer, aber ich glaube auch, es reflektiert die Tatsache, dass Frauen geistlicherweise mehr wahrnehmen als Männer. Ich habe hier in Kolumbien seit 1992 am Evangelium gedient, und bei der Bildung neuer Versammlungen kamen auf jeden interessierten Mann gewöhnlich drei oder mehr interessierte Frauen. Wir müssen unseren vielfach begabten Schwestern helfen, Bereiche zu finden, wo sie dienen können über den Haushalt hinaus und Kinderarbeit, Lokale putzen und Butterbrote bereiten für Gemeinschaftstreffen (jedes gebührend belohnt, wenn es für den Herrn getan wird). Es gibt so viel mehr, was sie innerhalb der Grenzen der Schrift tun können. Zum Beispiel zu Hause, im Gefängnis und bei evangelistischen Besuchen im Krankenhaus. Streckt die Hand aus nach Asylsuchenden. Verfasst Lieder, Artikel, Bücher und Traktate. Wirkt mit dem Evangelium auf örtliche Schulen ein. Führt Programme zur Jüngerschaft durch. Und vieles mehr! Wir sollten sie anspornen, erfinderisch zu sein!

  • Schafft eine Wiederbelebung oder tretet ab

    Ich schreibe dies und bin dabei bedrückt. Aber ich glaube, es ist wahr. Für einige mag es für eine Veränderung zu spät sein, aber wenn Versammlungen nicht eine Reform in beglückender, überzeugender und biblischer Weise annehmen, sieht die Zukunft düster aus. Während wir entschieden festhalten, was die Schrift klar darlegt, müssen die im 19. und 20. Jahrhundert von Menschen gemachten Traditionen angepasst oder durch kulturell einfühlsame äußere Formen ersetzt werden. An dieser Stelle brauchen wir die Mitarbeit von Gläubigen, die sich kürzlich bekehrt haben (falls verfügbar), und Familien mit Kindern, die wahrscheinlich mehr Kontakt zur aktuellen Lebensweise (Kultur) haben. Sie können ein Schlüssel sein und der Versammlung zur rechten Einstellung verhelfen, um unsere Generation in ihrer kulturellen Prägung zu erreichen. Das ist, worum wir uns hier täglich auf dem Missionsfeld bemühen. Wir wünschen in Kolumbien keine Nachbildung von Versammlungen nach britischem, deutschem oder holländischem Muster. Wir halten fest und lehren denselben lehrhaften Kerngehalt in einer kulturell annehmbaren Verpackung. Wir möchten darauf hinwirken, dass Versammlungen nach echtem kolumbianischen Stil entstehen, usw. Wir möchten, dass solche, die zu uns kommen, sich in der Versammlung wohl fühlen, sei es durch die Art der Musik, der Sprache, der Kleidung, der Sitzordnung, der Raumausschmückung, der Unterweisung, usw. Es wäre doch sehr schade, wenn unsere „seltsamen Formen“ es Nichtchristen erschwerten, zu Christus zu kommen und in unseren Versammlungen glücklich zu bleiben und zu wachsen. Der Apostel Paulus versuchte aus gutem Grund, allen alles zu sein. Er widerstand der strengen jüdischen Lobby, die dem christlichen Weg wiederum jüdische Elemente hinzufügten und es dadurch den Heiden schwermachten, zu Christus zu kommen.

(4) Der „Realität-um-jeden Preis“-Typ

Ohne Zweifel bewirkte Gott im frühen 19. Jahrhundert eine interessante Bewegung mit dem Beginn der heute sogenannten Brüderbewegung (es war nicht die erste Bewegung, die Gott bewirkte, es ist auch nicht die letzte, aber es war wirklich eine). Ziemlich viele dieser wiedergefundenen Lehren haben nun außerhalb der Brüdergemeinschaft ihren Einfluss ausgeübt, ja sind in einigen Fällen aufgesogen worden. Viele Pastoren arbeiten nicht länger im „Ein-Mann-Dienst“; die Teilnahme von „Nicht-Beruflichen“ wird gefördert; mehrheitliche Führerschaft wird von vielen anerkannt; Aufgeschlossenheit für den Leib Christi über Denominationen hinweg verbreitet sich; eine Entwicklung ist da, die dem Heiligen Geist mehr Freiheit einräumt in christlichen Zusammenkünften; eine vielfache Verwendung des Dispensationsmodells ist zu beobachten (noch immer sehr stark vertreten in evangelikalen Kreisen Nordamerikas), usw. Wie haben wir Einfluss ausgeübt? Zum Teil durch Literatur und durch offene Konferenzen, zum Teil durch großmütige Brüder, die gesunde Initiativen außerhalb der Brüderversammlungen finanzieren, zum Teil durch so viele Gläubige, die die Brüderbewegung verlassen und viele ihrer Lehren mit sich nehmen. Vielleicht könnten wir fragen: Haben wir noch etwas, wofür zu kämpfen sich lohnt? Haben wir noch ein Unterscheidungsmerkmal, dem wir gerecht werden und das so wertvoll ist, um es draußen anzubieten? Ich glaube, das haben wir.

Wenn du selbst dich in einer dieser Versammlungen befindest, so kann ich dich vielleicht ermutigen, abseits der zuvor umrissenen Gefahren klar zu steuern. Du magst sehr wohl finden, dass einige der an die Typen (2) und (3) gegebenen Empfehlungen auch auf deine Situation durchaus anwendbar sind.

(5) Der „Wir-haben-genug-davon“-Typ

Wenn du uns schon verlassen hast (und wenn du jemals diesen Brief liest!), könnte ich dich vielleicht bitten, uns zu vergeben, dass wir dir und deiner Familie Schmerz bereitet haben durch einige unserer (nicht biblischen) Traditionen, unsere richtende Gesinnung, unsere inneren Streitigkeiten. Löse dich bitte aus der Versuchung, bittere Erinnerungen zu nähren. Sie richten nichts Gutes aus. Rufe die glücklichen Zeiten der Gemeinschaft zurück, die Lagerfreizeiten, die Konferenzen, einige der guten Lehren, die wir gemeinsam haben. Denke nicht zynisch über christliche Gemeinschaft. Noch baut Christus seine Kirche. Leiste einen aktiven Beitrag. Falls dir das bisher niemand gesagt hat, danke ich dir für deinen Beitrag zur Brüderbewegung. Mit unseren vielen „Warzen“ hat der Herr uns dennoch benutzt zum Segen des Volkes, ob zu Hause oder auf den Missionsfeldern. Vergiss nicht, dass deine Arbeit im Herrn unter Brüdern nicht vergeblich gewesen ist.

Falls du fühlst, dass du auf dem Weg nach draußen bist, aber die Versammlung noch nicht eigentlich verlassen hast, mag der Herr vielleicht etwas in diesem Aufsatz benutzen, das dir behilflich ist, eine neue Sicht zurückzugewinnen, wie Versammlungsleben sein kann. Ich bete dafür, dass etwas dich anspornen mag, mit anderen zusammen für eine gesunde und schriftgemäße Entwicklung deiner Heimatversammlung zu arbeiten.

E: Punkte, die es wert sind, überdacht und erörtert zu werden

Wir Brüder werden von einigen als der arroganteste und spaltungsanfälligste Kreis von Gläubigen auf Erden eingeordnet. Warum geben wir manchmal einen solchen Eindruck ab? Bevor ich heiratete, richteten mein Bruder und ich in einem alten Haus, in dem wir wohnen wollten, eine neue Küche ein. Da es unsere erste Küche war, folgten wir sorgfältig den gesammelten Anweisungen. Wenn etwas nicht gut aussah, hielten wir an, studierten erneut den Plan und diskutierten zusammen. Wenn wir schlossen, etwas falsch gemacht zu haben, versuchten wir zu korrigieren. Wenn man die mehr als 150 Jahre lange Geschichte der Brüder überblickt, kann man nicht anders empfinden, als dass da etwas ernsthaft falschgelaufen ist. Unsere Ehen haben ihre Probleme, aber der Herr hat vorgesehen, dass wir zusammenbleiben. Warum sehen wir nicht vor zusammenzubleiben? Im Ganzen gesehen lässt sich zutreffend sagen, dass wir alle Gott fürchten, Christus und die Schriften innig lieben, eifrig sind, vor allem dem Herrn zu gefallen. Wenn ich es so sagen darf, wir Brüder sind wirklich ein recht freundliches und nettes Völkchen. Warum teilen wir uns wieder und wieder? Warum verletzen wir einander so oft? Entsprechen wiederholte Spaltungen im Gefüge dem göttlichen Plan, um die Heiligkeit des Hauses zu beschützen? Gibt es keinen anderen Weg?

Einige sagen, unser Problem ist, dass einige schwierige führende Brüder sich so fleischlich verhalten. Ich möchte dem nicht zustimmen. Zweifellos gibt es da fleischliches Verhalten, und das erschwert unsere Probleme. Aber auch wenn die Heiligen hundertprozentig nicht fleischlich wären, scheint unsere Theologie wiederholte Spaltungen zu verlangen. Wenn du mir den Ausdruck erlaubst, so ist unser Problem zuerst einmal nicht die „Hardware“, sondern ein Lehrmäßiges der „Software“. Was offenbar und beobachtet wurde, lässt ein Virus vermuten, das alle paar Jahrzehnte zu einer Spaltung zwingt. Irgendeine Versammlung fasst irgendwo einen unvernünftigen Beschluss oder sucht sich einen unserer Streitpunkte aus, erklärt ihn für „überlebenswichtig“ und zwingt dann Versammlungen überall dazu, „Stellung“ zu nehmen. Wir spalten uns in zwei oder drei grob übereinstimmende Versammlungsnetzwerke. Nach der Spaltung leckt jede neue Gruppe ihre Wunden, und später preist sie dann den Herrn für Frieden und Harmonie, die wir dann ohne jene schwierigen und weniger frommen Brüder genießen. Aber das historische Zeugnis zeigt, dass der Friede nicht lange währt. Wenn wir diesen Spaltpilz in unserer Software nicht identifizieren und ausmerzen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir uns alle wieder aufs Neue spalten. Warum nicht? Könnte es denn möglich sein, dass wir einige der göttlichen Anweisungen für die Versammlung missdeuten? Hier besteht Bedarf, dass einige Punkte ganz neu erforscht und erörtert werden, örtlich und auch darüber hinaus.

Autorität

Es ist klar, dass Christus Autorität übertragen hat: in der Familie, in der Versammlung und in der Gesellschaft im Großen. Allgemein anerkannt wird, dass Christus das Haupt der Versammlung ist, dem wir alle uns zu unterwerfen haben. Dies ist einfach, wenn wir alle zustimmen. Hat jeder Bruder und jede Schwester etwas zu sagen? Nur die Brüder? Nur einige wenige Brüder? Wie erkennen wir, welche Brüder? Erreicht jede Versammlung immer Einigkeit? Ist Übereinstimmung der einzige Weg, um zu wissen, dass wir das Urteil Christi über diesen Punkt haben? Ist das richtig, wenn eine oder zwei Stimmen einen Versammlungsbeschluss blockieren? Wie sollen wir verfahren, wenn dies geschieht? Welche Rolle spielen Außenstehende? Gibt es irgendeine menschliche Autorität (ein Bruder oder eine Gruppe von Brüdern) über der örtlichen Versammlung? Hier lohnt es sich, das Thema biblische Führerschaft innerhalb der Versammlung eingehend zu untersuchen.

Versammlungsbeschlüsse

Normalerweise lassen wir gelten, dass eine Versammlung bei einem Beschluss für die ganze Kirche (oder den Leib des Christus) handelt. Was eine Versammlung entscheidet (bindet), ist auch im Himmel gebunden. Deshalb geht es jeden Gläubigen an allen Orten an. Mit diesem Mechanismus, so sagen wir, vermeiden wir einerseits Unabhängigkeit von Versammlungen und andererseits menschliche Hierarchien. Solange wie Beschlüsse, die den Versammlungen zugestellt werden, das Siegel Christi tragen, werden sie glücklicherweise von allen angenommen. Das Verfahren läuft gut. Wenn allerdings die ernste Sorge aufkommt, ein Beschluss sei zu Unrecht gefasst worden, dann beginnt dieses Verfahren unerwünschte Folgen zu zeitigen. Kann eine Versammlung einen unrechten Beschluss im Himmel binden? Sicherlich nicht. Selbst nicht zeitweise. Wenn die Versammlung sich starrköpfig verhält, markiert das den Beginn einer Spaltung.

Vielleicht können wir die Frage stellen: Was ist wesentlich bei einem Versammlungsbeschluss? Was macht den Beschluss einer Versammlung zu einem eigentlichen Versammlungsbeschluss? Ist es der Umstand, dass alle (oder mindestens die führenden Brüder) zusammen zustimmen? Oder ist es die Tatsache, dass sie einen unterzeichneten Brief versenden? Oder muss es gelten, dass ein Versammlungsbeschluss nur in dem Maße gilt, wie er Christi Sinn entspricht? Matthäus 18,18 bezieht sich auf das Binden auf der Erde und im Himmel. Matthäus 18,19 erklärt, dass der Vater im Himmel tun wird, worin zwei Gläubige übereinstimmen hier unten. Wird der Vater wirklich eine Sache tun, in der zwei von uns übereinkommen? Ganz sicher setzt sowohl das Binden auf der Erde (Mt 18,18) als das Gebet (Mt 18,19) Einklang mit der Absicht Gottes voraus. Wenn wir nicht in dem Willen Gottes stehen, sind das Gebet und der Versammlungsbeschluss leere Worte. Der Vater fühlt sich daran nicht gebunden noch sollte dies irgendeines seiner Kinder tun.

Brüder in Typ-(2)-Versammlungen sind vorwiegend der Ansicht, dass Versammlungsbeschlüsse unverzüglich weltweit binden und dass diese Bindung bleibt, bis die betreffende Versammlung (den Beschluss) zurückzieht oder aus der Gemeinschaft hinausgetan wird. Das mag Monate oder sogar Jahre dauern. Typ-(3)-Versammlungen sagen ja, alle Versammlungsbeschlüsse sind bindend, wenn die Absicht Christi darin erkennbar ist. Die große Mehrheit der Beschlüsse hat diesen Charakter. Im Kern sind diese Einstellungen nahe beieinander, ihr Unterschied liegt in praktischen Verfahren. Aber wir haben so viel Gewicht auf diese Verfahren gelegt, dass Entfremdung aufgekommen ist und sogar kenntnisreiche Brüder und gute Freunde wie Darby und Kelly in den späten 1800er Jahren getrennt worden sind.

Noch etwas anderes ist mir rätselhaft: Wenn eine Versammlung einer Schwester die Gemeinschaft verweigert, weil sie ihr Haar abgeschnitten hat, wird ein solcher Beschluss im Himmel bestätigt und bindet er alle und überall? Wenn diese Schwester eine Versammlung in den USA oder in Italien besucht, werden wir eine ernsthafte Unstimmigkeit haben, weil man sie dort gern empfängt. Oder sind einige Versammlungsbeschlüsse in Fragen der Ordnung und der Zulassung nur von örtlicher oder gebietsweiser Bedeutung?

Wenn eine Versammlung in Europa beschließt, einen Gläubigen aufzunehmen, und dabei seine katholische Taufe als eine gültige Taufe anerkennt, ist dann jener Beschluss für alle Versammlungen überall bindend? Wenn ein solcher Bruder käme und besuchte Kolumbien, sagt, würden die Versammlungen hier frei sein in der Wahl, ob sie es als korrekt empfinden, ihn zuzulassen oder nicht? Ist es in Ordnung, einen Bruder zuzulassen, der eine Irrlehre vertritt (zumindest, wenn die aufnehmende Versammlung von der Irrlehre überzeugt ist), wenn der Bruder zusagt, sie nicht zu lehren?

Die Einheit des Leibes des Christus

Wir Brüder neigen sehr dazu, mit dem Finger auf andere Brüdergemeinschaften zu zeigen und sie zu beschuldigen, die Einheit des Leibes Christi zu leugnen. Wir können besonders unerbittlich sein, wenn solche, die uns am nächsten stehen, es abschlagen, sich durch einen unserer Briefe oder Beschlüsse nicht gebunden zu fühlen. Der Bruder meines Großvaters hatte seit 1938 Gemeinschaft mit lieben Gläubigen in der Tunbridge-Wells-Gruppe. Sogar noch heute klagen sie uns KLCG-Brüder an, die Einheit des Leibes Christi zu verleugnen, weil unsere Vorväter einen Beschluss verwarfen, der in der Tunbridge-Wells-Versammlung in den frühen 1900er Jahren gefasst wurde (nach ihrer Meinung haben wir nicht eigentlich bereut). Ist es möglich, einen unweisen Versammlungsbeschluss zurückzuweisen und dennoch fest zu der Wahrheit von der Einheit des Leibes des Christus zu stehen?

Neutestamentliche Schriftstellen, die den Leib des Christus betreffen, beziehen sich auf die Sammlung einzelner Christen und deren Beziehung untereinander. Jeder einzelne Gläubige hat eine besondere Gabe, eine Verpflichtung und seinen Platz im Leib Christi. Die Bildersprache vom „Leib“ hat anscheinend nichts mit Handlungen zwischen verschiedenen Versammlungen zu tun und noch viel weniger mit solchen zwischen Gruppen oder Konfessionen. Zwischen den Versammlungen besteht Unabhängigkeit, doch der Herr als das Haupt lenkt jeden einzelnen Gläubigen. Die Beziehungen zwischen verschiedenen Versammlungen passen besser zum Bild vom Haus Gottes. Christus ist Herr über sein Haus, und Er bestimmt die Ordnung darin. Wenn ein einzelner Gläubiger oder eine Versammlung es vorzieht, einen gottgemäßen Beschluss, den eine andere Versammlung gefasst hat, zurückzuweisen, sollten sie nicht wegen Leugnung der Einheit des Leibes des Christus beschuldigt werden, wohl aber wegen der Ablehnung gottgemäßer Ordnung im Haus Gottes. Kelly sah sich gezwungen, den Beschluss einer Versammlung nicht anzunehmen. Es erscheint mir unvernünftig, ihm vorzuwerfen, die Einheit des Leibes des Christus preisgegeben zu haben. Unsere Vorväter sahen sich aufgrund der Beweislage gezwungen, den Beschluss von Tunbridge Wells abzuweisen. Besteht ein biblischer Mechanismus, durch den wir einen örtlichen Beschluss abweisen und dennoch darüber nicht auseinanderbrechen?

Verbindung (Umgang) und Verunreinigung

Verfahren und Anleitungen im Bereich der Versammlungen, die auf den alttestamentlichen Unterweisungen beruhen, die der jüdischen Nation über Verunreinigung gegeben waren, haben unter uns viel Kummer verursacht. Bekannt sind die Schmerzen, die Trennungen, die Widersprüchlichkeiten, die Absonderung, die die Folgen waren. Ich vermute, dass unsere Auslegungen es wahrlich verdienen, sorgfältig überprüft zu werden. Man kann nicht anders als zutiefst fühlen, dass hier etwas ernstlich falsch ist, wenn man einen Schritt zurückgeht und auf die Wirkungen dieser Art von Anwendung sieht.

Lasst uns eines unter vielen möglichen Beispielen aufgreifen. Letztes Jahr traf ich unsere liebe alte australische Schwester Miss Beryl Harris in der Schweiz. Sie ist eine altgediente Missionarin, die sich über ein halbes Jahrhundert dem Werk des Herrn unter unseren Versammlungen in Zaire widmete. Sie ist nicht bereit, einen die „Stellung“ festlegenden Brief gegen ihr Gewissen zu unterzeichnen. Die Brüder in dieser Gegend der Schweiz, die sie herzlich lieben und sie während vieler Jahre unterstützt haben, unterrichteten sie, dass sie mit ihnen am Tisch des Herrn nicht teilhaben könne. Sie zuzulassen würde gegen ihr Gewissen sein. Sie ist jetzt nach Afrika zurückgekehrt. Ich frage mich, wie sie empfinden mag in ihrem vorgerückten und verletzlichen Alter. Wie sieht der Herr dies? Ist sie wirklich „böse“? Könnte sie wohl unsere lieben Schweizer Brüder beschmutzen? Haben wir es wirklich nötig, sie so zu behandeln? Ihr werdet bemerken, dass sie auch von der US-„Versammlungsliste“ gestrichen worden ist. Ich bezweifle aufrichtig, dass unser himmlischer Vater sie ausgeschlossen hat. Offensichtlich sieht Er die Dinge anders. So behandelt Er seine Kinder und Diener nicht. Du und ich wissen, dass wir, obschon mit Herzschmerzen, noch immer einander ausschließen! Das hat mit unserem Verständnis über Verunreinigung zu tun.

Das eingängige Motto „Verbindung mit Bösem verunreinigt“ finden wir in der Schrift nicht. In sich selbst ist das kein Problem. Es geht darum, wie wir dies interpretieren und anwenden, woraus sich ein so unterschiedliches und manchmal sektenhaftes, ja überspanntes Verhalten unter uns ergibt. Die drei folgenden Teilbereiche verdienen jeder für sich sorgfältige Aufmerksamkeit:

  • Böses

    Wir beziehen uns auf moralisch und lehrmäßig Böses. Aber was genau sollten wir als böse einordnen? Das Neue Testament bietet ein paar Beispiele, aber wir haben die Liste beträchtlich erweitert. Ist ein lehrmäßiger Irrtum über die Taufe böse? Ist es böse, eine Schwester, die ihr Haar abgeschnitten hat, vom Tisch des Herrn auszuschließen? Ist es böse, sie zuzulassen? Ist eine Versammlung böse oder verunreinigt, wenn sie bei einigen Zusammenkünften Musikinstrumente gebraucht? Ist ungerechtfertigte Verleumdung moralisch Böses? Ist eine Verdrehung der Wahrheit moralisch Böses? In der Praxis können wir der Tatsache nicht ausweichen, dass es unter uns eine Menge Subjektivität über diesen Gegenstand gibt.

  • Verunreinigungen

    Unsere Gemeinschaft mit dem Herrn ist dauerhaft, aber doch verletzlich. Eine geringfügige, verborgene Sünde, eine ungute, verbitterte Haltung, ein beschmutztes Gewissen, ein unversöhnlicher Geist rauben dem zartfühlenden Christen sehr schnell die Freude der Gemeinschaft mit Ihm und den Mitgeschwistern. Verunreinigung und Unreinheit finden sich im Alten Testament hauptsächlich im Zusammenhang mit Hygiene, medizinischen und physikalischen Gegebenheiten. Eine ganze Reihe zweckmäßiger Anweisungen sollte genau befolgt werden (keine Gnade oder persönliche Subjektivität war zulässig), um das Volk Israel vor Pocken, Diphtherie, Cholera und dergleichen zu schützen. Eine verunreinigte Person war ein Überträger oder ein möglicher Überträger einer ansteckenden Krankheit. Welche Umstände einen Juden verunreinigten, war klar beschrieben. Wann ist ein neutestamentlich Gläubiger verunreinigt? Verunreinigen einige Sünden und andere nicht? Verunreinigen alle Irrtümer (Irrlehren)? Wenn nicht alle, wie sollen wir bestimmen, welche Sünden und welche Irrtümer es tun oder nicht tun? Kann ein Christ jahrelang verunreinigt sein, ohne es zu wissen? Wird er dadurch verunreinigt, dass er bestimmte Dinge tut oder sagt?

  • Verbindungen mit

    Diese, wie auch der Begriff „böse“, erlauben in unseren Kreisen eine betont subjektive Betrachtungsweise. Für den Juden, der die Anleitungen empfing, war die Sache ganz klar: Es handelte sich um physikalisch nahe Dinge, die berührt werden konnten. Wenn wir typologisch mit diesen einfühlsamen jüdischen Vorschriften umgehen und versuchen, aus ihnen Verfahren herzuleiten, die wir auf das Alltagsleben der neutestamentlichen Kirche anwenden, bleibt uns die Aufgabe, die geistliche Ausdeutung „physikalischer Nähe und Berührung“ festzulegen. Wiederum wird das subjektiv sein. Einige in unserer Gemeinschaft versuchen, es wörtlich zu nehmen, und tun ihr Bestes, nie einen Besuch zu machen, ein Haus zu betreten oder mit irgendjemand aus einer nicht listenmäßig erfassten Versammlung freundschaftlich zu verkehren (sie erlauben es natürlich in möglichen besonderen Fällen, zum Beispiel wenn es sich um ein nahestehendes Familienglied handelt oder wenn ein Bruder aus einer nicht aufgelisteten Versammlung sehr krank ist, usw., aber wenn sie es tun, folgen sie einer persönlichen Beurteilung, was den Juden nicht erlaubt war). Die Taylor-Brüder illustrieren die wörtliche physikalische Anwendung in anschaulichen Bildern. Andere in unserer Gemeinschaft verstehen es so, dass Verunreinigung durch Verbindung nur geschieht, wenn der Vorgang öffentlich ist. Sie fühlen sich frei, Freundschaften mit Brüdern abseits der Listen zu unterhalten. Finanziell unterstützen einige deren christliche Arbeit, einige wagen sogar gemeinsame Familienfreizeiten (Ferien, Urlaub), aber sie würden nie in Betracht ziehen, gemeinsam öffentlich zu predigen, Bibeln zu verteilen oder sich irgendeiner anderen christlichen Tätigkeit anzuschließen, wobei die Welt meinen könnte, wir gehörten „zusammen“. Andere unter uns haben es so, dass die zu vermeidende Gemeinschaft die des Brotbrechens ist. Sie verstehen, dass dadurch möglicherweise der Tisch des Herrn verunreinigt werden kann. Solche arbeiten mit „Gideon“-Geschwistern zusammen, besuchen ein christliches Konzert, laden einen Freund zu einem in der Stadt bekannten evangelistischen Feldzug ein und dergleichen. Andere sagen, dass es nicht verunreinigen würde, einen Besucher aus einer nicht aufgelisteten Versammlung unter Sorgfalt zum Tisch des Herrn zuzulassen, dass aber eine nicht aufgelistete Versammlung zu besuchen, verunreinigen könnte. Bis etwa zur Mitte der 1990er-Jahre wurden alle diese Ansichten von verschiedenen Versammlungen in verschiedenen Teilen der Welt bei „glücklicher Gemeinschaft“ unter uns praktiziert.

  • Verunreinigungen in Kettenreaktion

    Dann ist da die Frage einer Kettenreaktion durch Verbindung. Wir nehmen den großen psychologischen Schaden wahr, den diese Lehre in einer Gemeinschaft verursachen kann. Einige sagen, dass nur die verunreinigte Person die böse Person ist. Ihre Freunde und Mitgläubigen werden nur verunreinigt, wenn sie ebenso böse werden, das heißt, wenn sie die böse Lehre, die Praxis ihrer bösen Moral annehmen oder sie noch ausdrücklich zu dem Bösen ermutigen oder sich ihr auf dem bösen Weg anschließen. Andere lassen bei einer Verbindung zwei Ebenen der Verunreinigung gelten: erstens die böse Person selbst und zweitens solche, die sich in irgendeiner Weise mit dem ersten Bösen identifizieren, oder solche, die es versäumen, öffentlich dagegen Stellung zu nehmen.

Die alttestamentliche Lehre über Verunreinigung ist jedoch weit radikaler als dies. Weil jede verunreinigte Person ein Überträger (oder möglicher Überträger) einer Infektion oder einer ansteckenden Krankheit ist, werden solche, die sie berühren, „Risiko“-Fälle, und solche, die eine „Risiko“-Person berühren, werden selbst „Risiko“-Fälle. Aus durchaus logischen Gründen kann die Verunreinigungskette nicht auf ein oder zwei Übertragungen begrenzt werden. Sie hat kein Ende. Wenn wir nicht ein streng geschlossenes und kontrolliertes Netzwerk haben (gleich den Tayloristen), kann das praktisch nicht durchgeführt werden. Brauchen wir das? Wollen uns einige dahin bringen? Was aber noch wichtiger ist: Sind wir wirklich so sicher, dass ein solches Verfahren gottgemäß ist, um auf die Versammlung des lebendigen Gottes angewandt zu werden? Die Auslegung von Vorbildern, Schatten und Gleichnissen ist immer gefährlich gewesen und auch etwas subjektiv. Könnte es möglich sein, dass einige der alttestamentlichen Anweisungen zum ausschließlichen Gebrauch für die jüdische Nation gegeben worden sind? Kann nur ihre Anwendung auf die Kirche die Tatsache rechtfertigen, dass sie in der Schrift enthalten sind? Wenn die Versammlung ein Geheimnis ist, das uns im Neuen Testament offenbart wird, finden wir dann nicht vielleicht im Neuen Testament den ganzen Willen Gottes für ein glückliches, schriftgemäßes und gesundes Versammlungsleben? Die alttestamentlichen Texte würden dann als Illustrationen oder Gleichnisse der neutestamentlichen Wahrheit von der Versammlung benutzt werden, aber nicht als deren Grundlage.

E: Schluss

Der Ausdruck „Alter Weg“ ist nicht sehr nützlich, weil er nicht genau definiert ist. Er bedeutet verschiedenes für verschiedene Brüder. Frühe Brüder (Darby eingeschlossen) veränderten sich während des 19. Jahrhunderts. Auf welches Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts sollte sich „alter Weg“ beziehen? Unsere weltweite Brüdergemeinschaft ist niemals in Lehre, Format (Struktur, Aufbau) und Praxis übereinstimmend gewesen, deshalb bedeutet „alter Weg“ einem Teil von Versammlungen etwas anderes als anderen Teilen. Es würde hilfreich sein, wenn wir dem zustimmten, dass „alter Weg“ sich auf die frühe Kirche im Neuen Testament bezieht. Das würde uns den Segen der Objektivität einbringen und uns ein Ziel vor Augen stellen, für das zu kämpfen sich lohnt.

Klar ist, dass unsere weltweite Gemeinschaft von Brüderversammlungen sich wandelt. Wir alle verändern uns. Weil unser Band stark war und wohl gebündelt, sind wir in der Lage, ein vernünftiges Maß von Unterschiedlichkeit unter uns zu ertragen. Wir räumen dem persönlichen Gewissen eine gewisses Maß von Freiheit ein. Wir lassen kulturelle und einige lehrmäßige Abweichungen zu. Wir billigen Freundschaften und verschiedene Grade von Mitarbeit mit Gläubigen außerhalb unserer Kreise. Das bedeutet einen Wandel.

Ich empfinde tief die Furcht, dass ein ziemlich großer Teil von Versammlungen, in denen sich viele angenehme und fromme Gläubige befinden, auf die ich mich in diesem Aufsatz als den „Alter-Weg-gib-an-wo-du-stehst“-Typ bezog, auf das Verhalten einer Sekte zugehen. In einigen Teilen der Welt sind die Versammlungen schon sehr eng geworden. Neu ist der Drang, sicherzustellen, dass alle Versammlungen so werden. Viele Gläubige empfinden diesen verengenden Wandel, fühlen sich aber kraftlos, etwas dagegen zu tun.

Ferner beobachte ich, dass der andere beträchtliche Teil von Versammlungen, dem viele nette und gottesfürchtige Gläubige angehören – in diesem Aufsatz beschrieben als „Alter-Weg-gemäßigter“-Typ –, auf einen allmählichen Tod zugehen. Solange unser gnädiger Herr Jesus Christus das Haupt seiner Versammlung bleibt, besteht noch Hoffnung. Ich fühle jedoch, dass ein Wandel in unserem Denken notwendig ist: Wir müssen willig werden, einige unserer bequemen, aber hinderlichen menschlichen Traditionen abzulegen; willig werden, mehr nach draußen zu schauen, uns dringlicher (aggressiver) um Verlorene mit dem Evangelium des Christus zu bemühen; willig werden, neue Weg zu erforschen, um die alten Wahrheiten darzubieten.

Ein dritter Typ von Versammlungen, zu denen viele liebe und fromme Gläubige gehören – in diesem Aufsatz unter dem „Realität-um-jeden-Preis“-Typ erfasst –, steht in der Gefahr der Auflösung. Wenn nicht das uns Eigentümliche wiederentdeckt und in anziehender Weise dargeboten wird, wenn nicht biblische Grundsätze zum Versammlungsleben aufrechterhalten und in die Tat umgesetzt werden, wird die neue Generation sie niemals kennenlernen, und solche Versammlungen werden sich nach und nach den heutigen evangelikalen Trends anpassen. Zur gewissen Zeit werden sie keinen Grund mehr sehen, noch zu bestehen, und werden abtreten. Viele gottesfürchtige Männer und Frauen stehen dort draußen. In der heutigen Christenheit gibt es auch viel Pragmatismus (Orientierung am Nützlichen). Lasst uns nicht vergessen, dass der Herr uns etwas gegeben hat, was wert ist, dass wir es miteinander teilen.

Es wäre unrealistisch, wollte ich erwarten, dass du (ihr) mit allem übereinstimmst, was ich in diesem Aufsatz geschrieben habe. Aber wenn der Herr etwas benutzt hat, um deine Aufmerksamkeit zu gewinnen, möchte ich dich ermuntern, deine Sorgen mit anderen Mitgläubigen zu teilen. Diskutiert über einige dieser Fragen in aufbauender Weise zu Hause, in euren Versammlungen, vielleicht sogar auf örtlichen Konferenzen. Lasst uns den Herrn fragen, was Er mit uns und durch uns tun will in dieser unserer Generation. Vielleicht wird der Herr noch Erbarmen mit uns haben.

„Da unterredeten sich miteinander, die den HERRN fürchteten, und der HERR merkte auf und hörte“ (Mal 3,16).

Philip Nunn
Apdo Aereo 122
Armenia, Quindio, Colombia
E-Mail: philipnunn@netxox.com.co
8. März 2002


Originaltitel: „Observations and Reflections of a Concerned Missionary“
auf www.philipnunn.com 
Deutsche Übersetzung unter dem Titel: „Beobachtungen und Überlegungen eines besorgten Missionars“

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Die amerikanische Originalausgabe A Historical Sketch of the Brethren Movement erschien 1942 bei Loizeaux Brothers. Die deutsche Übersetzung erschien 2018 unter dem Titel Die Brüderbewegung – ein historischer Abriss bei CLV.


Nota redacţiei:

Redacţia SoundWords este răspunzătoare pentru publicarea articolului de mai sus. Aceasta nu înseamnă că neapărat ea este de acord cu toate celelalte gânduri ale autorului publicate (desigur cu excepţia articolelor publicate de redacţie) şi doreşte să atragă atenţia, să se ţină seama de toate gândurile şi practicile autorului, pe care el le face cunoscut în alte locuri. „Cercetaţi toate lucrurile, şi păstraţi ce este bun” (1 Tesaloniceni 5.21).

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