Gesetzlichkeit und ihre Folgen
1. Samuel 14,24-35

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 30.05.2001, aktualisiert: 17.11.2022

Leitverse: 1. Samuel 14,24-35

Anmerkung der Redaktion
Der Vortrag von W.J. Ouweneel über 1. Samuel 14 behandelt im Anfang die Glaubenstat des Jonathan, der mit seinem Waffenträger zusammen zwar lediglich zwanzig Mann der Philister erschlägt, aber dadurch eine mächtige Verwirrung bei den Philistern auslöst. Auch Saul ist erst etwas verwirrt, weil er nicht wusste, dass sein Sohn Jonathan die Ursache der Verwirrung war. Saul nutzt dann jedoch diese Gelegenheit aus, kämpft gegen die Philister, aber er gibt auch ein dummes Gebot: „Verflucht sei der Mann, der Speise essen wird bis zum Abend …“ An dieser Stelle des Vortrags setzen wir nun ein:

Ein dummes Gebot

Wir haben es hier mit dem ersten Schwur Sauls zu tun:

1Sam 14,24.25: Die Männer von Israel waren aber sehr angestrengt an jenem Tage; und Saul beschwor das Volk und sprach: Verflucht sei der Mann, der Speise essen wird bis zum Abend, und bis ich mich an meinen Feinden gerächt habe! Und das ganze Volk kostete keine Speise.

Hören wir hier nicht die Sprache des Unglaubens? Erinnern wir uns an das, was Jonathan gesagt hatte: „Der HERR hat sie in die Hand Israels gegeben“, aber der König spricht weder über „den HERRN“ noch über „Israel“. „Ich“, sagte hingegen Saul, „mich“, sagte er, und „meine Feinde“ sagte er. Nein, wir werden vergeblich nach Spuren von Glauben bei Saul suchen: „Und das ganze Volk kostete keine Speise.“

1Sam 14,26: Und das ganze Volk kam in den Wald, und Honig war auf der Fläche des Feldes. Und als das Volk in den Wald kam: siehe da, ein Strom von Honig; aber niemand brachte seine Hand zu seinem Munde, denn das Volk fürchtete den Schwur.

Wieder solch ein schwieriger Vers, ich hoffe, Sie entschuldigen mich, dass ich ab und zu auf den Grundtext eingehen muss, es ist ja eine schwierige Sache, eine Bibel zu übersetzen, und es gibt Ausdrücke, die manchmal sehr schwierig auch von den Übersetzern zu verstehen sind, und manchmal hilft da etwas Licht von anderer Seite. Dies ist der einzige Grund, hier Klarheit in der Schrift zu finden, dass ich ab und zu Bezug nehmen muss auf die Übersetzung, die allerdings eine ganz vorzügliche ist. Aber das Wort „Wald“ muss hier wohl falsch übersetzt worden sein, wahrscheinlich muss hier stehen (es geht schon aus der Anmerkung die Verlegenheit der Übersetzer hervor) „Bienenkörbe“ oder auch „Honigwaben“; vielleicht sollte der Text heißen: „Das ganze Land war voll Bienenkörbe oder Honigwaben: siehe da, ein Strom von Honig …“

Der Charakter der Gesetzlichkeit

1Sam 14,27: Jonathan aber hatte es nicht gehört, als sein Vater das Volk beschwor; und er streckte das Ende seines Stabes aus, der in seiner Hand war, und tauchte ihn in den Honigseim und brachte seine Hand wieder zu seinem Munde, und seine Augen wurden hell.

Welch eine Versuchung, durch die Torheit des Königs! Das Volk, hinter den Philistern her, kam in ein Gebiet voll von Bienenkörben, es war ja ein Land fließend von Milch und Honig, und hier sehen wir das auch buchstäblich erfüllt. Der Honig war so reichlich vorhanden, dass der Honig wirklich floss wie ein Strom, und das Volk war müde und ermattet. Das lesen wir hier zweimal in Vers 28 und Vers 31, zweimal „ermattet“. Und das Volk sah diesen Honig, und wir wissen, wie der Zucker sehr schnell neue Energie geben würde. Wir sehen das auch bei Jonathan, der das Gebot seines Vaters – „zum Glück“ würden wir menschlich sagen – nicht gehört hatte. Jonathan nahm etwas von diesem Honig, brachte es zu seinen Mund: „Er streckte das Ende seines Stabes aus, der in seiner Hand war, und tauchte ihn in den Honigseim und brachte seine Hand wieder zu seinem Munde, und seine Augen wurden hell.“ Natürlich! Das ist ja ganz klar, der Zucker brachte sofort neue Energie ins Blut hinein! Welch eine Torheit war doch das Gebot Sauls!? Was ist nun der Charakter der Torheit Sauls? Es ist Gesetzlichkeit! Gesetzlichkeit bringt immer Gebote über das Volk Gottes, wodurch das Volk Gottes gelähmt wird. Es ist eine Gesetzlichkeit, wodurch sich die Kraft Gottes nicht verwirklichen kann.

Gesetzlichkeit und Weltlichkeit sind immer zwei Gefahren, zwischen denen wir hindurchzugehen haben. Der Galater- und Kolosserbrief nennen allerdings Gesetzlichkeit auch eine Art Weltlichkeit. Das wollen gesetzliche Menschen natürlich nie hören, aber das sagt wohl die Schrift im Kolosser- und Galaterbrief. Gesetzlichkeit ist eine ganz besondere Form der Weltlichkeit. Wir sehen hier bei Saul, dass er dem Volk Gebote auflegte, wodurch ihre Kraft eigentlich zugrunde ging, sie wurden ermattet. Ja, das ist wieder der Unterschied zwischen Jonathan und Saul: Der Glaube Jonathans bringt Errettung, der Unglaube Sauls bringt Ermattung! Auch unter den Gläubigen heutzutage bringt Unglaube sehr viel Ermattung. Es ist Unglaube, wenn wir es nicht mehr mit dem Herrn wagen wollen, wenn wir nur noch auf unsere Schwachheiten sehen, wenn wir keinen Glauben mehr haben an die Kraft Gottes, wenn wir nur noch Gefahren auf dem Wege sehen, dann werden andere durch unsere Worte, vielleicht sogar durch unsere gesetzlichen Gebote ermattet, und die Kraft des Volkes verschwindet.

Manche Gläubige können nur über Gebote und Verbote reden, sie reden fast immer darüber, wenn sie mit ihren gesetzlichen Freunden zusammen sind. Dann reden sie immer darüber, wie das Volk Gottes ihre besonderen Gebote und Verbote nicht mehr hält, und solch eine Sprache bringt große Ermattung über das Volk Gottes. Und gesetzliche Menschen haben auch nie Raum in ihrem Denken für solche Glaubensinitiativen wie bei Jonathan im Anfang dieses Kapitels. Solche Glaubensinitiativen weichen immer von der geraden Linie (wie sie es nennen) ab: So tut man das nicht, das sind nicht die alten Pfade, das ist anders als sonst, das hat man nicht gerne. Und das ist genau das, was man hier sieht. Eine Glaubensinitiative ganz anders als das, was Saul machte, bringt den Sieg, und die arme Gesetzlichkeit Sauls bringt Ermattung über das Volk.

Jonathan hatte das Wort seines Vaters nicht gehört. Er sah den Strom von Honig, und er brauchte sich nicht des Schwures seines Vaters zu fürchten, denn er hatte ihn nicht gehört, und „er streckte das Ende seines Stabes aus, der in seiner Hand war, und tauchte ihn in den Honigseim“. Es ist wie bei dem Herrn Jesus in Psalm 110; als Er den Bach entlanggeht, da erfrischt Er sich aus dem Bach „im Vorübergehen“. So benutzen wir auch die Dinge dieser Erde, liebe Geschwister, der Honig spricht ja von der Süßigkeit der natürlichen Dinge, irdischer Dinge – passt auf, ich spreche nicht von weltlichen Dingen, sondern von irdischen Dingen! Gott gibt uns alle irdischen Segnungen zum Genießen. Zu der Gesetzlichkeit gehört auch, einander den Genuss der irdischen Dinge zu verbieten. Aber die Schrift tut das nie, im Gegenteil, sie sagt, dass es eine dämonische Lehre ist (1Tim 4,3 „verbieten, zu heiraten, und gebieten, sich von Speisen zu enthalten, die Gott geschaffen hat zur Annahme mit Danksagung für die, die glauben und die Wahrheit erkennen.“), diesen Genuss zu verbieten. Aber das ist nur die eine Seite, die andere Seite ist, dass wir es nicht übertreiben dürfen.

Der Charakter der Weltlichkeit

Manche beschäftigen sich nur noch mit irdischen Segnungen und stehen in großer geistlicher Gefahr. Paulus sagt uns in 1. Korinther 6: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist nützlich.“ Die Gläubigen stehen auch dort, wie auch immer, in der Gefahr, dass es auf der einen Seite solche gibt, die alles verbieten, und auf der anderen Seite solche, die sich zu viel mit den irdischen Segnungen beschäftigen. Hier sehen wir bei Jonathan auf ganz schöne Weise, wie wir den Genuss der irdischen Segnungen vonseiten Gottes haben dürfen wie „im Vorübergehen“. Es ist uns alles geschenkt worden, aber wir benutzen es „im Vorübergehen“, denn wir haben etwas Wichtigeres. Hätte Jonathan nur noch den Honig gesehen, dann hätte er sich gesetzt, und dann hätte er sich den Bauch „vollgeschlagen“, würden wir sagen, aber er tut das nicht. Sein Auge war auf den Kampf gerichtet, auf den Sieg! Wir haben es ja auch mit einem geistlichen Kampf zu tun. Es gibt Geschwister, die das Volk ermatten, indem sie den Genuss dieser irdischen Segnungen verbieten. Es gibt aber auch solche, die in dem Kampf nichts leisten, weil sie sich ruhig hinsetzen, um ausführlich diese irdischen Dingen zu genießen. Und beide haben unrecht. Liebe Geschwister, wie wichtig ist es, dieses zu lernen: die Torheit Sauls zu vermeiden und von Jonathan zu lernen, dass man diese Dingen genießen darf, aber wie „im Vorübergehen“. Und dann kommen sie sogar dem Kampf zugute, sind sie nützlich, bringen sie Nutzen, darf man sie auch dankbar als Segen aus der Hand Gottes annehmen. So genießen wir „im Vorübergehen“.

Auswirkungen der Gesetzlichkeit

1Sam 14,28: Und einer von dem Volk hob an und sprach: Dein Vater hat das Volk feierlich beschworen und gesagt: Verflucht sei der Mann, der heute Speise essen wird! Und so ist das Volk ermattet.

Also selbst zieht er schon die Schlussfolgerung von der Torheit Sauls, und Jonathan schämt sich nicht, das öffentlich auszusprechen. Wir würden das vielleicht nicht schätzen, wenn ein Sohn so über seinen Vater redet, aber auf der anderen Seite müssen wir sehen, wie empört Jonathan hier war über solch eine Dummheit, und darum stößt es sein Herz aus:

1Sam 14,29.30: Und Jonathan sprach: Mein Vater hat das Land in Trübsal gebracht; sehet doch, dass meine Augen hell geworden sind, weil ich ein wenig von diesem Honig gekostet habe. Was wäre es gewesen, wenn das Volk heute ungehindert von der Beute seiner Feinde gegessen hätte, die es gefunden hat! Denn wäre dann nicht die Niederlage der Philister groß gewesen?

Es war eine Niederlage, aber Jonathan sagt: Die Niederlage hätte viel größer sein können, wäre mein Vater nicht so gesetzlich gewesen. Ich glaube auch, dass heutzutage unser Segen viel größer sein würde, wenn manche unter uns weniger gesetzlich wären und manch andere unter uns weniger weltlich wären, denn Weltlichkeit ist es, wenn unser Genuss nur noch in den irdischen Dingen besteht. Von beiden Seiten stehen wir in der Gefahr, wenig Kraft zu entwickeln, und dadurch ist die Niederlage der Philister relativ klein.

Die eine Gefahr ist die Dummheit der Gesetzlichkeit. Die andere Gefahr ist, wenn Jonathan sich ruhig hingesetzt hätte und den Kampf vergessen hätte. Natürlich! Das wäre eine Weltlichkeit gewesen, die genauso gut verhindert hätte, dass die Niederlage der Philister groß geworden wäre. Eine große Niederlage bei den Philistern kann man erreichen, indem man die beiden Gefahren vermeidet.

1Sam 14,31: Sie schlugen die Philister an jenem Tage von Mikmas bis nach Ajjalon; und das Volk war sehr ermattet.

Aus der einen Sünde Sauls geht eine andere Sünde auf der Seite des Volkes hervor, denn endlich – endlich! – kam der Abend, der Schwur Sauls galt nur bis zum Abend, und endlich kam der Abend. Und was geschah bei dem ausgehungerten Volk, das ja sehr viel Energie verbraucht hatte, ohne zu essen? Dies geschah:

1Sam 14,32: Das Volk fiel über die Beute her und sie nahmen Kleinvieh und Rinder und Kälber und schlachteten sie auf die Erde hin; und das Volk aß mit dem Blut.

Ja, das sieht man oft, aus Gesetzlichkeit geht oft Ausschweifung hervor. Bei Eltern, die sehr gesetzlich sind, sieht man oft, dass, wenn die Kinder älter geworden sind, sie auf einmal alle Gebote ihrer Eltern über Bord werfen und dann in die Ausschweifung geraten. Die zwei Extremen grenzen sehr nah aneinander. Aus dem bösen Verbot Sauls geht diese Ausschweifung hervor, das Volk isst mit Begierde nach seinen Lüsten und isst sogar das Blut mit dem Fleisch.

1Sam 14,33.34: Und man berichtete es Saul und sprach: Siehe, das Volk sündigt gegen den HERRN, indem es mit dem Blute isst. Und er sprach: Ihr habt treulos gehandelt! Wälzet sofort einen großen Stein zu mir. Und Saul sprach: Zerstreuet euch unter das Volk und sprechet zu ihnen: Bringet her zu mir, ein jeder sein Rind und ein jeder seinen Kleinvieh, und schlachtet sie hier und esset; und sündigt nicht gegen den HERRN, indem ihr mit dem Blut esset.

Das war tatsächlich zum Beispiel nach 3. Mose 17 verboten. Und plötzlich haben wir es hier wieder mit dem frommen Saul zu tun, der sich um die Gebote Gottes kümmert, aber aufs Neue, was nützt solch eine Frömmigkeit? Saul hätte sagen sollen: Ich bin schuld daran, durch mein dummes Gebot fällt das Volk jetzt in diese Ausschweifung. Aber das sagt er nicht, er bleibt fromm und stellt jetzt sein eigenes Gebot, das dumm war, dem weisen Gebot Gottes gegenüber …

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