Gottes Souveränität bei der Erlösung des Menschen (Anhang 5)
Gottes Souveränität und die Erlösung von Säuglingen und Kleinkindern

Roy A. Huebner

© SoundWords, online: 09.08.2014, updated: 01.11.2023

Ein geliebter Bruder in dem Herrn hat diesbezüglich einige Fragen gestellt, und es ist vielleicht für viele hilfreich, diese Fragen klar beantwortet zu sehen. Da ich nicht daran zweifle, dass die Schrift die Antwort liefert, behandle ich diese Fragen ein wenig detaillierter als üblich. Er fragt:

Umfasst so eine Aussage wie die in Johannes 3,3 („Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“) nicht die gesamte menschliche Rasse, Kinder nicht ausgenommen? Könnte „Solcher ist das Reich Gottes“ [Mk 10,14] ein Einwand dagegen sein, „jemand“ auch auf Kinder zu beziehen? Ich kann kaum eine Grundlage dafür sehen, dass Kinder gerettet werden, bloß weil Jesus für die Welt starb und sie keine Übertretungen begangen haben. Ich nehme an, dass diese Vorstellung ein Überbleibsel der alten Doktrin ist, Jesus habe „die adamitische Übertretung hinweggetan“. Ich sehe nicht, dass die Schrift es so aussagt.

Um nun den letzteren Punkt zuerst zu betrachten: Es ist klar, dass, wenn wir die Schrift nehmen, diejenigen, die keine Sünde begangen haben, auf jeden Fall am Tag des Gerichts nicht ins Gericht kommen können. Die Menschen werden nicht wegen des Besitzes einer bösen Natur gerichtet, sondern „nach ihrem Tun“ [Ps 28,4]. Und die Menschen sind sich des Unterschieds zwischen diesen beiden Dingen sowie ihrer Verantwortung diesbezüglich wohl bewusst. Sie erkennen leicht an, dass sie Sünder sind, und berufen sich sogar auf ihre Natur als Entschuldigung für Sünde; aber alle fühlen nichtsdestoweniger die Scham und die Schuld, diese oder jene Sünde im Besonderen begangen zu haben. Sie haben diesbezüglich ein Gefühl der Verantwortung, dass sie es nämlich nicht hätten tun müssen, gleichgültig, wie schlecht ihre Natur ist.

Die Rechenschaft, die vor dem Richterstuhl abzulegen ist, könnte also nie von einem Kleinkind abgelegt werden. Auch wird es nicht bloß für seine böse Natur verdammt werden oder für Adams Sünde, die nicht seine eigen Sünde war und auch niemals als seine eigene Sünde bezeichnet wird.

Dennoch bleibt es wahr, dass ein Wesen mit einer bösen Natur nicht in den Himmel eingehen oder (wenn das möglich wäre) dort die Gegenwart Gottes genießen kann. Zweifellos muss auch der jüngste Säugling wiedergeboren werden, genau wie jeder andere Mensch. Die einzige Frage kann daher sein: Gibt es von der Schrift her eine Sicherheit, dass dies bei jedem Kleinkind, das als solches stirbt, der Fall ist?

Nun sind die Worte unseres Herrn „Solcher ist das Reich Gottes“ bereits zitiert worden und sie sind uns vertraut. Hier wiederum wird vermutlich mehr als eine Frage aufgeworfen: Erstens vielleicht: Was genau ist das Reich Gottes? Und zweitens: Wie weit tragen uns die Worte „Solcher gehört“?

Nun verstehe ich es so, dass eine häufige Fehlerquelle darin liegt, dass die verschiedenen Aspekte dieses Reiches in der Gegenwart und in der Zukunft verwechselt werden. Die Gleichnisse von Matthäus und Markus lehren uns, dass das Reich Gottes bzw. das Himmelreich jetzt in der Zeit der Abwesenheit des Herrn die Gesamtheit dessen umfasst, was wir gewöhnlich die Christenheit nennen. In diese kommen tatsächlich auch böse Menschen hinein. Aber wenn der Herr kommt, wird Er aus seinem Reich alles entfernen, was Anstoß erregt, und alle, die Unrecht tun; und für das dann folgende Reich (immer noch das Reich Gottes) gelten allein die Worte des Herrn zu Nikodemus. Die Worte „aus Wasser und Geist geboren“ [in Joh 3,5] beziehen sich auf die Verheißung Gottes im Buch Hesekiel, reines „Wasser“ über Israel zu sprengen und seinen „Geist“ in sie zu geben zur Vorbereitung ihres Eintritts in das Reich Gottes in den Tagen des Tausendjährigen Reiches (Hes 35, insbesondere Hes 35,25-27). Unser Herr sagt (Joh 3,12), dass Er hier von dem „Irdischen“ gesprochen habe. Selbstverständlich gilt dies genauso für diejenigen, die das himmlische Erbteil jenes Reiches erben sollen.

Aber wenn Er in Markus 10,14 sagt: „Solcher ist das Reich Gottes“, so besteht keine Notwendigkeit, genau zu definieren, ob Er von dem gegenwärtigen oder von dem zukünftigen Reich spricht. Es ist offensichtlich, dass, wenn sie nach der Meinung des Herrn im gegenwärtigen Reich sein konnten, es gar nicht anders sein könnte, als dass sie auch im zukünftigen Reich sein würden. Auf dieser Grundlage, nämlich dass Er seine gnädige Absicht ihnen gegenüber zeigt, nimmt Er sie in seine Arme und segnet sie. Könnte Er sie segnen und in sein Reich hier stellen, sie aber aus seinem Reich der Herrlichkeit ausschließen?

Ganz sicher nicht; denn in dem Fall, dass jemand ausgeschlossen wird, gibt Er ihrem widerspenstigen Willen die Schuld dafür. Er möchte, dass alle Menschen gerettet werden. Wo nun also kein widerspenstiger Wille vorauszusetzen ist, wird Gottes Wille da scheitern? Erstreckt sich das „alle Menschen“ aus 1. Timotheus 2,4 nicht bis hin zu den Worten des Herrn in Johannes 3,3?

Wenn jemand Fragen bezüglich „solcher“ aufwirft und da Beschränkungen aufrichten möchte – wenn er sagt, der Herr spreche nur von Leuten, die Kindern ähneln, dann kann ich nur fragen: Warum sagte Er dann: „Lasst die Kinder [konkrete Kinder, die bei Jesus waren] zu mir kommen, wehrt ihnen nicht, denn solcher ist …“ [Mk 10,14]? Warum segnete Er sie? Und wo sonst wird „solche“ auf eine derartige Weise gebraucht, dass es die Dinge oder Personen ausschließt, die den Vergleich bilden? Es scheint fast ein wenig kindisch zu fragen: Sind nicht kleine Kinder „solche wie“ kleine Kinder?

Was nun die Lehre betrifft, Jesus habe „die adamitische Übertretung hinweggetan“, so können wir etwas Besseres sagen, denn mit Johannes kennen wir Ihn als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“. Nicht die Sünden [Plural] der Welt, wie einige denken; das ist nicht wahr; sondern die Sünde [Singular] als ein Hindernis für Gott, irgendjemand irgendwo aufzunehmen und zu segnen. Es gibt kein Hindernis für die Segnung irgendeines Menschen außer seinem eigenen Willen. Und dies ist schließlich der entscheidende Punkt für mich, wo die Wahrheit und der Charakter Gottes betroffen zu sein scheinen, wenn wir ihn aufrechterhalten. Wenn der Sohn des Menschen gekommen ist, „zu suchen und zu erretten, was verloren ist“ [Lk 19,10], und die kleinen Kinder „verloren“ sind, doch ohne eine Barriere ihres Willens, die ihre Erlösung hindern könnte – könnte es dann auf Gottes Seite an seinem Willen fehlen, sie zu erretten?[1]


„Appendix 5: God’s Sovereignty and the Salvation of Infants“
aus God’s Sovereignty and Glory in the Election and Salvation of Lost Men
Present Truth Publishers, Jackson, 2003

Übersetzung: S. Bauer

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Anmerkungen

[1] Helps by the Way, Bd. 1, 1873, S. 160–163. 


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