Besonderheiten im Text der Heiligen Schrift – Er liebte die Seinen bis ans Ende
agapao – idios – telos

Christian Briem

© CSV, online: 07.03.2006, updated: 28.06.2023

Leitvers: Johannes 13,1

Joh 13,1: Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.

Erst im Johannesevangelium hören wir von der Liebe Jesu zu den Seinen, zuerst in Johannes 11,5 und dann hier, wo wir eine bemerkenswerte Tiefe des Ausdrucks und Tragweite der Bedeutung finden. Vorher lesen wir überhaupt nur ein einziges Mal, dass „Jesus liebte“, und da handelt es sich um den reichen Jüngling und um eine besondere Art Liebe: um die Liebe des Schöpfers zu seinem Geschöpf (Mk 10,21). Hier aber, in Johannes 13, gilt die Liebe des Herrn den „Seinen“, die Er hier in der Welt zurücklässt.

Für „Seinen“ steht im Grundtext ein Eigenschaftswort (idios = „sein, eigen“), das aber mit Artikel als Hauptwort gebraucht wird. Diese Konstruktion von idios – mit Artikel, aber ohne zusätzliches Hauptwort – drückt, wie Beispiele aus der weltlichen Literatur jener Tage (Papyri) zeigen, eine innige Beziehung (normalerweise unter nahen Verwandten) aus. Oh, zu „den Seinen“ gehören zu dürfen! Es sind die, die Er in Johannes 10 „meine Schafe“ nennt und für die Er als der gute Hirte sein Leben ließ; es sind die, die Ihm sein Vater „aus der Welt gegeben“ hat (Joh 17,6), damit Er ihnen ewiges Leben gebe (Joh 17,2). Welch eine Innigkeit der Beziehungen! Wir gehören Ihm nicht nur, sind nicht nur sein Eigentum, sondern wir besitzen durch die Gnade seine eigene Natur, sein eigenes Leben, und das ist noch weit mehr, als in eine hohe Stellung gebracht zu werden.

Als Nächstes möchten wir uns kurz mit der Verbform beschäftigen, in der an dieser Stelle seine Liebe ausgedrückt wird: Er liebte (griechisch: agapao, das Wort für die göttliche Liebe) sie. Dieselben Worte (aber nicht dieselbe Zeitform) finden wir, wenn wir von der Liebe Jesu zu den Geschwistern in Bethanien („Jesus aber liebte …“) und wenn wir fünfmal von dem „Jünger“ hören, „den Jesus liebte“. In all diesen zuletzt genannten Stellen steht das Imperfekt, das eine Fortdauer in der Vergangenheit anzeigt: Jesus liebte sie beständig, anhaltend. Wie kostbar muss für den Jünger, der „in dem Schoß Jesu lag“, diese fortdauernde Liebe des Herrn gewesen sein, dass er sie unter der Inspiration des Heiligen Geistes mit dem Imperfekt beschreibt! Er genoss die Beständigkeit dieser Liebe, die unabhängig von der eigenen Beantwortung, ja von eigenem Versagen war. – Umso bedeutsamer ist es nun, dass er in Johannes 13,1 eine andere Verbform (Aorist) benutzt, die die Handlung oder das Geschehen als ein einziges Ganzes darstellt, ohne die Zeit zu betrachten, die es zu seiner Vollendung benötigt. Redet das Imperfekt also von Fortdauer, so legt diese Verbform nicht auf die Zeit, sondern auf die Handlung, auf die Tatsache als solche den Nachdruck. Oh, die Liebe unseres teuren Herrn ist eine zeitlich unbegrenzte Tatsache! Wo immer wir den Zeitpunkt hinsetzen mögen: Er liebte die Seinen, Er hatte sie geliebt, und Er wird sie immer lieben.

Das führt uns direkt zum dritten und letzten Punkt unserer kurzen Betrachtung. Er liebte sie „bis ans Ende“. Der griechische Ausdruck eis telos hat einen doppelten Sinn. Zum einen ist es eine Zeitbestimmung und bedeutet „bis zuletzt, bis ans Ende“, zum anderen kann es eine Gradbestimmung sein, und dann bedeutet es „gänzlich, bis zum Äußersten“. Für beide Bedeutungen haben wir Beispiele in der Schrift. Die zeitliche Bedeutung liegt zum Beispiel in Matthäus 10,22 und 24,13 vor: „Wer ausharrt bis ans Ende …“ Dagegen haben wir in Lukas 18,5 und in 2. Thessalonicher 2,16 die andere Bedeutung von eis telos. In Lukas 18 wird damit das beständige Kommen der Witwe und das völlige Zermürbtwerden des ungerechten Richters beschrieben. Was nun unseren Vers in Johannes 13 angeht, so glauben wir, dass hier eis telos über eine rein zeitliche Bedeutung hinausgeht: Er liebte die Seinen „durch und durch, bis zum Äußersten“. Gibt es etwas, was uns glücklicher machen und mehr zur Anbetung leiten kann als diese seine Liebe, die vor nichts haltmachte? Gott sei Dank!, von dieser Liebe kann uns nichts scheiden, gar nichts – nicht einmal der Tod.

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Aus Ermunterung und Ermahnung
Dieser Artikel und viele andere sind auch erschienen in dem Buch Antworten auf Fragen zu biblischen Themen
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