Der Prophet Haggai (2)
Kapitel 2

Henry Allen Ironside

© SoundWords, online seit: 23.05.2019, aktualisiert: 12.04.2022

Sei stark

Verse 1.2

Hag 2,1.2: 1 Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai, indem er sprach: 2 Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich:

Der Wiederaufbau des lange vernachlässigten Hauses des HERRN lief noch nicht ganz einen Monat, als das Wort des HERRN ein zweites Mal durch den Propheten Haggai erging. Dieses Mal war es keine Zurechtweisung, sondern eine aufmunternde und ermutigende Botschaft, sowohl an die Führer als auch an das Volk. Gott freut sich darüber, die Herzen derer, die Ihn ehren wollen, zu trösten und zu befestigen, egal, wie schwach und arm sie sein mögen.

Drei Fragen werden aufgeworfen:

Vers 3

Hag 2,3: Wer ist unter euch übriggeblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen?

Aus Esra 3,12 wissen wir, dass unter dem wiederhergestellten Überrest alte Menschen waren, die noch das frühere Haus gesehen hatten und die bitterlich weinten, als sie die frühere Herrlichkeit mit der Ärmlichkeit des jetzigen Hauses zwischen den Trümmern verglichen. Und wir wissen, dass die Fröhlichkeit der Jüngeren (die gerade von Babylon frei geworden waren und ihr Leben lang nur Götzendienst und Unterdrückung gekannt hatten) beinahe von dem Lärm des Weinens übertönt wurde.

Verse 4.5

Hag 2,4.5: 4 Und nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen. 5 Das Wort, das ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist bestehen in eurer Mitte: Fürchtet euch nicht!

Nun versichert Gott ihnen, dass die Zukunft noch herrlichere Dinge vorhält, als die Vergangenheit jemals gekannt hatte, und diese Hoffnung ist die Grundlage für die Ermutigung: „Seid stark, … denn ich bin mit euch …, und mein Geist [besteht] in eurer Mitte: Fürchtet euch nicht!“

Ruin und Zerstörung mögen eingetreten sein, Trennung und Zerstreuung mögen sich breitgemacht haben, aber diejenigen, die sich zurück um den Mittelpunkt des HERRN versammeln, haben die Freude, auf der Grundlage seines eigenen Wortes zu wissen, dass Er in ihrer Mitte ist und dass sein Geist in ihrer Mitte besteht. So mögen sie stark sein und sich nicht fürchten.

In ähnlicher Weise ist die Zusicherung, die der Versammlung in Philadelphia im letzten Buch der Bibel gegeben wurde. Die Heiligen mögen nur „eine kleine Kraft“ haben, aber sein Wort und sein Name und Er selber, der Heilige und Wahrhaftige, sind in ihrer Mitte. Trennung und Streit können diese Tatsache nicht ändern noch kann irgendeine bestimmte Gruppe von Gläubigen dies für sich allein beanspruchen und andere davon ausschließen, als ob sie allein „der Überrest“ seien. „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in [oder zu] meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Dadurch kann jede kleine Gruppe von Heiligen, die sich moralisch auf dem Boden des Überrestes zur Zeit Haggais bewegt, getröstet werden.

Sie hatten nicht nur die Gegenwart des HERRN im Geist um sich, sondern auch sein Kommen in Person war ihre Hoffnung. In dieser Hoffnung konnten ihre Herzen über ihre unangenehmen Umstände erhoben werden, während sie auf die zukünftige Herrlichkeit warteten. In „einer kleinen Weile“ würden die Himmel und Erde, das Meer und das trockene Land gemeinsam mit allen Nationen erschüttert werden durch die Macht des HERRN, und „das Ersehnte aller Nationen wird kommen, und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR der Heerscharen“.

Verse 6.7

Hag 2,6.7: 6 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Noch einmal, eine kurze Zeit ist es, da werde ich den Himmel erschüttern und die Erde und das Meer und das Trockene. 7 Und ich werde alle Nationen erschüttern; und das Ersehnte aller Nationen wird kommen, und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR der Heerscharen.

Dieser Langersehnte ist niemand anders als unser Herr Jesus Christus. Er kam einst in Gnade, nur um zurückgewiesen zu werden. Er wird wiederkommen, um die Herrlichkeit zu erlangen, die die alten Propheten vorhergesehen haben. Zu diesem Haus (wenn auch renoviert und erweitert durch Herodes) kam Er nur, um unerkannt zu bleiben und hinausgeworfen zu werden. Zu dem Haus, das in den letzten Tagen wiederaufgebaut wird, wird Er kommen, um das Königtum zu nehmen und in Gerechtigkeit zu regieren.

Verse 8.9

Hag 2,8.9: 8 Mein ist das Silber und mein das Gold, spricht der HERR der Heerscharen. 9 Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen.

Der Überrest mag zu arm sein, um den wiederaufgebauten Tempel zu verzieren, aber sein ist das Silber und Gold. Nichts soll die Darstellung seiner Herrlichkeit behindern, wenn die festgesetzte Zeit gekommen ist: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen.“ Die Ausdrucksweise der King-James-Version – „die Herrlichkeit dieses letzten/späteren Hauses“ – ist missverständlich, und Ausleger interpretieren es in der Regel so, dass der wiederaufgebaute Tempel, geheiligt durch die persönliche Gegenwart des Sohnes Gottes, so viel größer sei als der Salomos, ungeachtet der Pracht des einen und der Ärmlichkeit des anderen. Einige Leute haben angenommen, die architektonische Schönheit des Tempels nach Herodes’ Verschönerungen habe sogar die des „sehr großen Hauses“ (1Chr 22,5), das vom weisen König gebaut wurde, übertroffen. Aber das war keineswegs der Fall.

Zu der ersten Interpretation kann es keine wirklichen Einwände geben. Es ist wunderschön und wahr in sich selbst, aber es scheint nicht das zu sein, was wirklich vermittelt werden soll. „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses“ bezieht sich zweifelsfrei auf die tausendjährige Pracht des Tempels, der in Hesekiel 40–48 beschrieben wird. Menschen mögen über die Tempel oder Häuser Gottes sprechen. Er spricht von dem Tempel oder dem Haus. Ob nun das Gebäude gemeint ist, das von Salomo errichtet worden war oder von Serubbabel oder von Herodes, oder ob es das Gebäude ist, das vom ungläubigen Juda in der Drangsal gebaut wird, oder der tausendjährige Tempel – alle werden „das Haus“ oder „der Tempel“ Gottes genannt. In Gottes Augen ist es eins. In diesem alten Tempel drückte jeder noch so kleine Teil seine Herrlichkeit aus. Zu diesem Tempel kam Er in Gnade, nur um abgewiesen zu werden. Und doch wird in diesem Tempel soll der Mensch der Sünde sitzen [2Thes 2,3]. Dieser Tempel wird gereinigt und zum Mittelpunkt der irdischen Anbetung und Danksagung im Tausendjährige Reich werden. In der gegenwärtigen Zeit, der Epoche des Geheimnisses [Eph 3,1-6],  hat Gott kein materielles Gebäude, um darin zu wohnen. Die Gläubigen in ihrer Gesamtheit, durch die komplette Epoche der Gemeinde hindurch, wachsen zu einem heiligen Tempel im Herrn. Alle Heiligen auf der Erde bilden zu einer bestimmten Zeit das Haus Gottes, zusammengesetzt aus lebendigen Steinen, die zu dem lebendigen Stein gekommen sind. Die Prophetie beschäftigt sich nicht mit diesem geistlichen Gebäude. Dabei geht es um die Erde und irdische Dinge.

Verse 10-14

Hag 2,10-14: 10 Am Vierundzwanzigsten des neunten Monats, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an den Propheten Haggai, indem er sprach: 11 So spricht der HERR der Heerscharen: Frage doch die Priester über das Gesetz und sprich: 12 Siehe, wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Gewandes trägt und mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgendeine Speise berührt, wird es heilig werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Nein. 13 Und Haggai sprach: Wenn ein wegen einer Leiche Verunreinigter dies alles berührt, wird es unrein werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Es wird unrein werden. 14 Da antwortete Haggai und sprach: So ist dieses Volk und so diese Nation vor mir, spricht der HERR, und so ist alles Tun ihrer Hände; und was sie dort darbringen, ist unrein.

In den Versen 10-14 wird eine andere Linie der Wahrheit hineingebracht. Der Übergang von dem, was wir betrachtet haben, scheint äußerst abrupt, aber zweifellos hat der Zustand des Volkes es verlangt. Als Antwort auf eine Frage Haggais beteuern die Priester: „Wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Gewandes trägt“, würden andere Lebensmittel dadurch nicht geheiligt werden. Auf der anderen Seite bezeugen sie die ernste Tatsache, dass jemand, der durch eine Leiche unrein ist, alles verunreinigt, was er berührt. Das war der Zustand des Volkes. Sie waren alle betroffen, und alles, was sie taten, war unrein vor Gott. Aber das war nur wieder eine Gelegenheit für Gottes Gnade. Trotz ihrer Unreinheit nahm Gott sie auf und segnete sie. Jedoch erinnerte Er sie daran, dass alles von seinem eigenen Herzen kam, unabhängig von ihrem eigenen niedrigen Zustand. Auch wenn sie beschmutzt waren: Wenn sie zu Gott umkehrten und sich in Unterordnung vor Ihm beugten, konnte Er sich stark erzeigen für ihre Bedürfnisse.

Verse 15-19

Hag 2,15-19: 15 Und nun richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts, ehe Stein auf Stein gelegt wurde am Tempel des HERRN! 16 Bevor dies geschah: Kam man zu einem Garbenhaufen von zwanzig Maß, so wurden es zehn; kam man zum Fass, um fünfzig Eimer zu schöpfen, so wurden es zwanzig. 17 Ich schlug euch mit Kornbrand und mit Vergilben, und mit Hagel alle Arbeit eurer Hände; und ihr kehrtet nicht zu mir um, spricht der HERR. 18 Richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts; vom vierundzwanzigsten Tag des neunten Monats an, von dem Tag an, als der Tempel des HERRN gegründet wurde, richtet euer Herz darauf! 19 Ist noch die Saat auf dem Speicher? Ja, sogar der Weinstock und der Feigenbaum und der Granatbaum und der Olivenbaum haben nichts getragen. Von diesem Tag an will ich segnen.

In den Versen 15 bis 19 stellt Er ihren vorherigen Zustand, als sie unbeteiligt gegenüber seinem Haus waren, dem jetzigen gegenüber, seitdem sie in Übereinstimmung mit seinem Wort arbeiteten. Vorher war Armut, Kornbrand und Moder ihr Teil; nun hat Er „von dem Tag an, als der Tempel des HERRN gegründet wurde“, Vermehrung und Fülle gegeben. So hatte Er schon lange zuvor erklärt: „Die, die mich ehren, werde ich ehren, und die, die mich verachten, werden gering geachtet werden“ (1Sam 2,30).

Wir dürfen sicher sein, dass diejenigen, die die Ansprüche Gottes an erste Stelle setzen, niemals die Verlierer sein werden. „Von diesem Tag an will ich segnen“ – das ist eine Verheißung für alle, die das Böse verurteilen und sich danach ausstrecken, in der Wahrheit zu wandeln.

Verse 20-23

Hag 2,20-23: 20 Und das Wort des HERRN erging zum zweiten Mal an Haggai, am Vierundzwanzigsten des Monats, indem er sprach: 21 Rede zu Serubbabel, dem Statthalter von Juda, und sprich: Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern. 22 Und ich werde den Thron der Königreiche umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen vernichten; und ich werde die Streitwagen umstürzen und die, die darauf fahren; und die Pferde und ihre Reiter sollen hinfallen, jeder durchs Schwert des anderen. 23 An jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn Schealtiels, meinen Knecht, spricht der HERR, und werde dich wie einen Siegelring machen. Denn ich habe dich erwählt, spricht der HERR der Heerscharen.

Das Kapitel schließt mit einer weiteren Botschaft, die am gleichen Tag gegeben wird. Sie ist allein an Serubbabel gerichtet, den ungekrönten Sohn Davids, der zum Statthalter von Juda erwählt wurde. Der HERR kündigt ihm an, dass Er den Himmel und die Erde erschüttern wird und dass schlussendlich alle Königreiche der Nationen umgestürzt werden. Gleichzeitig versichert Er ihm, dass er als ein Siegel vor ihm bestehen soll, „denn ich habe dich erwählt, spricht der HERR der Heerscharen“.

Aus den Lenden von Serubbabel wird „der Fürst“ hervorgehen, der der irdische Vertreter des „großen Davidssohnes“ zu sein scheint (der ebenfalls in direkter Abstammung von diesem niedriggesinnten Spross des Königs David kam), an dem Tag, an dem alle Nationen die Pracht der „letzten Herrlichkeit dieses Hauses“ ausrufen.

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Originaltitel: „Notes on the Prophecy of Haggai“
aus Notes on the Minor Prophets, 1909

Übersetzung: Katharina Bühne

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