Betrachtungen über den ersten Petrusbrief (1)
Kapitel 1

Hendrik Leendert Heijkoop

© EPV, online seit: 21.12.2005, aktualisiert: 29.04.2023

Leitverse: 1. Petrus 1

Einleitung

Wenn wir uns in der Versammlung umsehen, sehen wir Brüder und Schwestern, von denen wir nur den Namen kennen, und oft nicht einmal das. Wir sehen andere, die ab und zu in den Vordergrund treten, und Einzelne, die es regelmäßig tun. Glücklicherweise sehen wir, dass dasselbe auch unter den Augen des Herrn Jesus hier auf Erden geschah und Er es guthieß.

Von Thaddäus und Bartholomäus wissen wir nichts als die Namen. Judas und andere werden hin und wieder genannt. Jakobus, Johannes und Petrus stehen jedoch sehr im Vordergrund.

Wir erkennen auch andere Unterschiede. Wir sehen einen sehr bescheidenen Johannes, einen räsonierenden Thomas und einen impulsiven, sehr für die Gemeinschaft eintretenden Petrus.

Unter diesen drei im Vordergrund stehenden Jüngern nahm Petrus einen besonderen Platz ein. Er zeichnete sich durch seine Fehler und seine Zuneigung zum Herrn aus. Und der Vater und der Herr selbst gaben ihm einen ganz besonderen Platz. Der Vater offenbarte ihm den Fels, auf dem die Versammlung gebaut werden sollte, und der Herr gab ihm die Schlüssel des Reiches der Himmel (Mt 16). Am Ende sagt der Herr zu ihm, dass Satan begehrt, sie (alle Jünger) zu sichten wie den Weizen, aber dass Er für ihn (persönlich) gebeten habe. Er gibt ihm dabei den Auftrag, seine Brüder zu stärken, wenn er zurückgekehrt (oder bekehrt; das griechische Wort bedeutet beides) sei. Und wie bestätigt der Herr diesen Auftrag nach der Auferstehung (Lk 22,31-34; Joh 21,15-22)!

Hat Petrus diesen Auftrag ausgeführt? Die Apostelgeschichte zeigt, in welch hervorragender Weise er es getan hat! In Kapitel 1 offenbart er das Geheimnis von Psalm 109. In Kapitel 2 erklärt er die Bedeutung der Pfingsten, um seine Brüder zu stärken. In Kapitel 3 steht er voran gegen die jüdischen Verfolger. So geht es weiter bis Kapitel 12.

Die ewige Liebe des Herrn ist für alle die Seinen gleich. Aber daneben haben wir diese herrlichen Unterschiede. Beides zusammen nun bestimmt den Platz, den Er einem jeden gibt, damit sein Werk den von Ihm gewünschten Verlauf nimmt und Er das geben kann, was für jeden persönlich das Beste ist, wie Er in seiner Liebe und Weisheit es weiß.

Petrus war der Erste unter den Zwölfen. Die das leugnen, kämpfen auf unkundige Art für einen Teil der protestantischen Wahrheit. Solange die Apostelschaft in der Versammlung die Apostelschaft der zwölf war, war Petrus der Erste. Aber die zwölf, und Petrus mit ihnen, wichen einer weitergehenden Entfaltung der Ratschlüsse Gottes. Der Apostel des Fleisches macht dem Apostel der Herrlichkeit Platz (vgl. Joh 15,27; Apg 1,21.22; 10,36-39 mit 2Kor 5,16). Wir befinden uns unter der besonderen Apostelschaft des Apostels der Nationen (Gal 2,7-9), dessen Apostelschaft und Dienst von dem verherrlichten Menschen im Himmel ausging (Apg 9,3-5; 26,13-19; Eph 4,8-11).

In Johannes 21 wird uns der Dienst des Petrus vorgestellt. Er muss Christus nachfolgen und wird abgeschnitten werden, wie auch der Dienst des Herrn auf der Erde ein Ende fand. Mit ihm sollte das ganze jüdische Versammlungssystem abgeschnitten werden. Nach dem Tode des Petrus wurde Jerusalem zerstört. Damit hörte die Versammlung in Judäa praktisch auf zu bestehen.

Aber wie viel Mühe es Petrus kostete, sich von dem jüdischen Vorurteil zu befreien, sehen wir in Apostelgeschichte 10 und Galater 2,11-14. Selbst Paulus konnte sich in der Praxis nur schwer davon lösen, wie Apostelgeschichte 18,21; 21,20-26 beweist. Erst der Hebräerbrief rief die gläubigen Juden auf, außerhalb des Lagers zu gehen, das heißt das gesamte jüdische System zu verlassen.

Wie der Judaismus in die Versammlung (die Worte „Versammlung“, „Kirche“ und „Gemeinde“ sind nur verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Sache) eingedrungen ist, wissen wir. Nicht Paulus, der Apostel der Nationen, der Mann, der von Gott gebraucht wurde, um den wahren Charakter der Versammlung zu offenbaren, wurde als Haupt der Kirche aus den Nationen ausgerufen, sondern Petrus, der Apostel der Beschneidung. Das ist freilich kennzeichnend, wenn wir sehen, wie nahezu die gesamte Wahrheit, die Gott durch Paulus offenbart hat, verworfen oder verderbt wurde: nicht nur der himmlische Charakter der Versammlung, den uns der Brief an die Epheser vorstellt, und die Erwartung der Wiederkunft des Herrn für die Kirche, die wir im Thessalonicherbrief finden, sondern auch die göttliche Ordnung in der Versammlung, die in den Korintherbriefen so deutlich beschrieben wird, und selbst die Rechtfertigung aus Glauben, die uns der Römerbrief ausführlich lehrt.

Es ist jedoch wohl göttliche Ironie, dass gerade Petrus in diesem Brief zwei Grundsätzen der judaisierten Kirche den Todesstoß versetzt, nämlich dass die Wiedergeburt nicht durch die Taufe, sondern durch Gottes Wort geschieht, und dass jeder Gläubige Priester ist, es also keine besondere Klasse von „Geistlichen“ gibt (1Pet 1,22–2,4).

Petrus war der Apostel der Beschneidung (Gal 2,7-9). Schon darum kann man erwarten, dass der Brief an Gläubige aus den Juden gerichtet ist. Aber auch der Inhalt macht es ganz deutlich. Alles darin ist abgestimmt auf Juden, die das Wort Gottes und die darin enthaltene Messiaserwartung kannten. Es waren Juden, die mitten unter den Heiden wohnten und nun den Herrn Jesus als den Messias angenommen hatten. Sie waren in zweifacher Hinsicht Fremdlinge: als Juden im Blick auf die Nationen, aber nun auch als Christen im Blick auf ihr eigenes Volk.

Der Brief richtet sich also an die gleichen Empfänger, an die auch Jakobus schrieb, nur dass dieser an die zwölf Stämme, also an alle Israeliten schreibt, wobei er jedoch deutlich die Christen unterscheidet. Der Inhalt der beiden Briefe passt zu dieser Übereinstimmung und diesem Unterschied.

Wenn wir sehen, dass Gott Israel als Fremdling betrachtet, dann ist alles auf Erden in Unordnung. Das ist das Geheimnis des Jakobusbriefes. Die zwölf Stämme werden zu Nüchternheit und Geduld angespornt. Herrschte auf der Erde Ordnung, dann befänden sich die zwölf Stämme in ihrer Heimat. Nun herrscht aber große Unordnung, und deshalb müssen die Gläubigen auf Armut und Geduld vorbereitet sein; sie müssen auch auf den Himmel vorbereitet sein.

Jakobus sagt kein Wort von Erlösung, sondern er spricht nur von Gnade. Der allgemeine Charakter ist praktische Gerechtigkeit, die totale Vernichtung des Eigenwillens im Christen und die Verleugnung der Welt. Petrus geht weiter. Er spricht über Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: nicht über den Gehorsam gegenüber Christus, sondern über den Gehorsam Christi: den Gehorsam, den der Herr selbst in seinem Leben auf Erden offenbarte. Weiter wird die Erlösung durch das Werk des Herrn und die Wiedergeburt durch das Wort deutlich dargestellt.

Aber der Christ wird hier nicht wie im Epheserbrief gesehen als auferweckt mit Christus und versetzt in die himmlischen Örter. Petrus sieht ihn als Pilger auf der Erde, inmitten einer Welt, in der er ein Fremdling ist, wie es die zerstreuten Juden äußerlich immer gewesen waren und nun nach ihrer Bekehrung im verstärkten Maße, und zwar auch innerlich. Aber der Christ ist wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi, zu einem Erbteil, das in den Himmeln für ihn aufbewahrt wird, und er für das Erbteil (1Pet 1,3-5). Dies ist die Pilgerschaft in dem Charakter, den sie angenommen hat als Folge der Himmelfahrt und Verherrlichung des Herrn Jesu (1Pet 1,17; 2,11; 4,16; 5,10). Dieser Brief bringt daher wenig Lehre, aber viele Anweisungen für den Wandel.

Man kann den Gläubigen auch noch auf eine andere Weise sehen, nämlich als durch die Wüste nach der Herrlichkeit reisend. Diesen Gesichtspunkt finden wir zum Beispiel im Philipperbrief. In gewissem Sinn finden wir alle drei Stellungen in Psalm 84. Die Verse 1 bis 4 beschreiben die Herrlichkeit, von der der Glaube nun schon Besitz ergreift (Ps 84,1-4), die Verse 5 bis 8 den Weg durch die Wüste zur Herrlichkeit (Ps 84,5-8) und die Verse 9 bis 12 die Wüste, wie sie an und für sich ist (Ps 84,9-12).

Petrus spricht von der Versammlung nicht als von dem Leib des Christus, sondern in Übereinstimmung mit Matthäus 16 als von dem Haus (1Pet 2,5). Es war der besondere Dienst des Paulus, des Apostels der Nationen, das Geheimnis zu offenbaren, dass der verherrlichte Mensch im Himmel einen Leib auf der Erde hat (Eph 3,2-12). Darum spricht auch nur Paulus über die Entrückung der Versammlung. Petrus spricht nur über die Offenbarung des Herrn, mit Ausnahme des bemerkenswerten Gedankens in 2. Petrus 1,19b. Er schaut nicht danach aus, durch die Auferstehung bei Christo im Himmel zu sein, sondern danach dass Christus kommt, um hier auf der Erde zu erlösen.

Der Auftrag an die zwölf Apostel lautete, von einem auf Erden lebenden Messias zu zeugen (Joh 15,27). Darum musste derjenige, der den Platz des Judas einnehmen sollte, auch bei den Elfen gewesen sein, „von der Taufe Johannes’ bis zum Tage, da er (der Herr Jesus) von uns aufgenommen wurde“ (Apg 1,21-26). Siehe auch Hebräer 2,3. Daher finden wir im 1. Petrusbrief immer wieder das Leben des Herrn Jesus auf Erden als Vorbild für die Gläubigen.

Die Juden erwarteten den Messias. Solange die Decke auf ihren Herzen lag, sahen sie in den prophetischen Schriften jedoch nur seine Herrlichkeit. Er würde kommen, um sein Volk zu erlösen, indem Er die Feinde vernichtete. In den Evangelien sehen wir, wie der Herr Jesus seinen Jüngern vergeblich sagt, dass Er erst leiden und verworfen werden müsse, siehe zum Beispiel Matthäus 16,21-23. Erst als Er nach seiner Auferstehung ihnen das Verständnis öffnete, damit sie die Schriften verstanden, sahen sie, dass der Christus leiden und am dritten Tage aus den Toten auferstehen müsse (Lk 24,45-47).

In diesem Brief spricht Petrus über dies Leiden und über das Leiden der Christen als Folge ihrer Verbindung mit einem verworfenen Heiland. Der Brief behandelt die Zeit zwischen dem Leiden des Christus und den Herrlichkeiten danach (1Pet 1,11). Diese Herrlichkeiten werden kommen, wenn der Herr offenbart wird und wenn dadurch die völlige Errettung empfangen wird. Die Worte Leiden, leidend und Herrlichkeit können wir wohl die Schlüsselworte des Briefes nennen. Die ersten beiden kommen 15-mal vor, das letzte 10-mal.

In beiden Briefen legt Petrus zunächst das Fundament der Erlösung, und entfaltet dann die Grundsätze der Regierung Gottes, unter die die Juden gestellt waren. Der zweite Brief zeigt diese Regierung, wie sie im Hinblick auf die Bösen handelt, der erste im Hinblick auf die Gläubigen. Sie offenbart sich jedoch nicht genau so, wie die Gläubigen des Alten Testaments sie kannten, sondern so wie sie durch das Kommen des Messias und das Zustandebringen der Erlösung geworden ist. Darum besteht ein deutlicher Unterschied zu der Stellung Israels unter dem Gesetz. Es ist die Regierung des Vaters, und der Thron ist daher ein Thron der Gnade. Aber es bleibt wahr, dass Er ohne Ansehen der Person nach eines jeden Werk richtet (1Pet 1,17). Was den Charakter der Regierung betrifft, siehe 1. Petrus 3,10-12.

Denn obwohl der Vater und der Geist offenbart sind, wird im Allgemeinen von Gott in seiner Verbindung mit den Menschen als Schöpfer/Herrscher gesprochen und von Christus als dem Herrn. Er wird in diesem Brief nicht „Sohn“ genannt und auch nicht als solcher vorgestellt. Das steht in Übereinstimmung mit der Predigt des Petrus in Apostelgeschichte 2, wo er sagt, „dass Gott ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“.

Kurze Zusammenfassung des Gesagten:

  • Der Brief ist an den gläubigen Überrest aus den Juden geschrieben, das heißt an diejenigen aus dem als Ganzes gesehen ungläubigen Volk, die an den Herrn Jesus glaubten und wiedergeboren waren (1Pet 1,23).
  • Der Brief behandelt die Zeit zwischen der Verwerfung des Herrn (seinem Leiden) und seiner Herrlichkeit, das heißt seiner Wiederkunft auf die Erde.
  • Den Hauptinhalt des Briefes bildet die Regierung Gottes in dieser Zeit oder, besser gesagt, die Grundsätze dieser Regierung im Hinblick auf die Gläubigen.
  • Darum wird immer wieder der Herr Jesus in seinem Leben auf der Erde als Vorbild hingestellt; siehe zum Beispiel 1. Petrus 2,21; 3,17.18; 4,1.2.

Hieraus folgt jedoch, dass der Brief auch nach der Entrückung der Versammlung von großer Bedeutung sein wird für den dann auf der Erde befindlichen gläubigen Überrest der Juden. So steht er in Verbindung mit den Evangelien und vor allem auch mit den Psalmen, in denen wir den Überrest in der Zeit nach der Aufnahme der Versammlung finden, und sehr oft, vor allem im ersten Buch (Ps 1–41), Christus in Verbindung mit ihnen. Gerade auch in den Psalmen finden wir die Regierung Gottes so deutlich dargestellt.

Nichts in diesem Brief deutet darauf hin, wann Petrus ihn schrieb. Aber ziemlich allgemein wird angenommen, dass der Brief zwischen den Jahren 60 und 64 entstanden ist.

Als Einteilung können wir vielleicht nehmen:

  • 1. Petrus 1,1-21
  • 1. Petrus 1,22–2,10
  • 1. Petrus 2,11–3,9
  • 1. Petrus 3,10–4,6
  • 1. Petrus 4,7–5,14

Vers 1

1Pet 1,1: Petrus, Apostel Jesu Christi, (den) auserwählten Fremdlingen von (der) Zerstreuung in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien,

Petrus ist die griechische Form des Namens Kephas, den der Herr Simon gab, als dieser das erste Mal zu Ihm kam (Joh 1,42). Der Name bedeutet „Stein“, und zwar ein großer Felsblock (Mt 16,16-18), der jedoch von dem eigentlichen Fels (1Pet 2,4-7) abgetrennt ist.

Das Wort Apostel bedeutet „Gesandter“. Aber im Neuen Testament wird das Wort nur für einen gebraucht, der ausgesandt wird mit der Vollmacht des Auftraggebers, um in dessen Namen zu handeln. In Philipper 2,25, wo die holländischen [und deutschen] Übersetzungen gewöhnlich „Abgesandter“ haben, wird im Griechischen auch das Wort Apostel gebraucht. So ist es auch an zwei anderen Stellen (Joh 13,16; 2Kor 8,23). Barnabas wird zusammen mit Paulus „Apostel“ genannt (Apg 14,4.14), und auch in 1. Thessalonicher 2,6 schreibt Paulus in der Mehrzahl.

Man könnte hiernach vielleicht sagen, dass Jakobus auch ein Apostel war (Gal 1,19). Aber sonst werden nur die Zwölf, Matthias, der den Platz des Judas einnahm, und Paulus so genannt.

Die Schrift lässt keinen Zweifel darüber, dass ein eigentlicher Apostel durch den Herrn Jesus selbst eingesetzt war (Lk 6,13; Eph 4,11). Er musste auch den Herrn gesehen haben (1Kor 9,1), und seine Apostelschaft wurde vor den Menschen bewiesen durch die Zeichen, Wunder und mächtigen Taten, die er vollbrachte (2Kor 12,12).

Es ist bemerkenswert, dass das Wort „Apostel“ in jedem der Evangelien Matthäus (Mt 10,2), Markus (Mk 6,30) und Johannes (Joh 13,16) nur je einmal vorkommt. In den Briefen des Jakobus und Johannes kommt es überhaupt nicht vor, während es im Hebräerbrief nur auf den Herrn Jesus angewendet wird (Heb 3,1).

Nur Paulus und Petrus erwähnen ihre Apostelschaft im Anfang ihrer Briefe, und Paulus unterlässt auch das in den Briefen an die Philipper, Thessalonicher, Philemon und die Hebräer. Das zeigt, dass die Apostelschaft immer mit einer bestimmten Absicht erwähnt wird.

Der Herr hatte Paulus nicht zu den Juden gesandt, sondern zu den Nationen (Apg 22,21; 26,17). Die anderen Apostel und Jakobus erkannten das an, so wie sie anerkannten, dass Petrus die Apostelschaft der Beschneidung (der Juden) empfangen hatte (Gal 2,6-9). Darum erwähnen Paulus und Petrus ihre Apostelschaft, wenn sie als Apostel auftreten und ihre Autorität anwenden müssen.

Paulus war nie in Rom gewesen (Röm 1,10) und musste sich daher vorstellen als der berufene Apostel aller, die aus den Nationen waren (Röm 1,1-7). In Korinth wurde seine Apostelschaft angefochten, während er sie gerade mit großer Autorität ausüben musste, um die göttliche Ordnung wiederherzustellen (1Kor 9; 2Kor 12). In Galatien handelte es sich darum, dass die Wahrheit, die er besonders verkündigte, im Gegensatz stand zum Judaismus (Gal 1,8-12). In Ephesus offenbart er das Geheimnis der Versammlung, das nur ihm durch Offenbarung gegeben worden war (Eph 3,2-9). In Kolossä verkündigte er den „Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses … unter den Nationen, welches ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol 1,27). Timotheus und Titus gab er wichtige Aufträge, die er nur geben konnte, weil er Apostel war.

Die Briefe an die Philipper, die Thessalonicher und an Philemon haben eher brüderlichen als Autoritätscharakter, obwohl sie natürlich apostolische Autorität hatten. Und da Paulus nicht Apostel der Beschneidung war, konnte er nicht als solcher an die Hebräer schreiben; darüber hinaus wird da der Herr als alleiniger Apostel vorgestellt (Heb 3,1).

Das soeben Gesagte hat natürlich nichts mit der Autorität der Briefe für uns zu tun. Sie haben göttliche Autorität aufgrund der Inspiration (2Tim 3,16) ohne Rücksicht darauf, wen Gott als Schreiber gebrauchte. Aber für uns wirft es Licht auf die Eigenarten der verschiedenen Briefe und auch auf die Weisheit, mit der Gott alle Dinge behandelt. Bei den Briefen des Petrus wird das dadurch umso deutlicher, dass sie an gläubige Juden geschrieben sind, denn nur ihnen konnte er als Apostel schreiben, wie Paulus aus demselben Grunde an die gläubigen Hebräer nicht als solcher schreiben konnte.

Der Brief ist gerichtet an „die auserwählten Fremdlinge (der) Zerstreuung“. Das zeigt deutlich, wer sie waren.

Das griechische Wort für „Fremdlinge“ kommt nur hier und in 1. Petrus 2,11 und Hebräer 11,13 vor. Die Septuaginta hat es in 1. Mose 23,4 und Psalm 39,12. Es bedeutet, dass die Person für kurze Zeit in einem fremden Land wohnt. „Diaspora“ (= Zerstreuung) kommt nur in Johannes 7,35, Jakobus 1,1 und hier vor. Die Septuaginta (Altes Testament) gebraucht es, um die Zerstreuung Israels unter die Nationen als Folge des Gerichts Gottes anzugeben. Diese Bedeutung wird durch den Gebrauch im Neuen Testament bestätigt. Es war der allgemein gebrauchte Begriff, mit dem die Juden, die in die babylonische Gefangenschaft geführt und nicht zurückgekehrt waren, bezeichnet wurden. Jakobus gebraucht ihn in dieser Weise, wenn er an alle Juden außerhalb Palästinas schreibt (Jak 1,1).

Aber Petrus schreibt nicht an alle. Er beschränkt sich auf die „Auserwählten“ von diesen Fremdlingen der Zerstreuung, also auf diejenigen, die das Evangelium angenommen und dadurch gezeigt hatten, dass sie auserwählt waren (1Thes 1,4-6). Es war der wahre gläubige Überrest aus den Juden, aber nur der Teil, der in den genannten Gebieten wohnte.

Die genannten Provinzen bilden zusammen fast das ganze Kleinasien. Es war das Gebiet, wo der Apostel Paulus so viel gearbeitet hatte. Gerade das wird von vielen als Grund genommen, dass dieser Brief nicht an Gläubige aus den Juden, sondern an Gläubige aus den Nationen geschrieben sei. Sie sagen dann, „dass Lukas in der Apostelgeschichte den Eindruck erweckt, dass der Apostel Paulus in Kleinasien als Erster das Evangelium gepredigt oder auch Gemeinden gestiftet habe und dass er weder von dort vor der Wirksamkeit dieses Apostels vorhandenen Gemeinden noch von späteren, besonderen judenchristlichen Gemeinden spricht“.

Sie vergessen dabei, dass weder Petrus noch Johannes, Jakobus oder Judas an Gemeinden schreiben, sondern an Personen. Bei ihnen ist alles persönlich. Gewiss besitzen viele oder alle Christen die gleichen Begegnungen, aber sie werden in keinem dieser Briefe gesehen als mit Christus in seinem Leib vereinigt. Nur in den Briefen des Paulus werden die Christen so gesehen. Petrus schreibt an die jüdischen Gläubigen in den Gebieten, die zu den Versammlungen gehörten, die durch das Werk des Paulus entstanden waren, die aber persönlich unter die Apostelschaft des Petrus, des Apostels der Beschneidung fielen.

Als weitere Argumente dafür, dass der Brief nicht an jüdische Christen geschrieben sei, werden noch die Stellen 1. Petrus 1,14.18; 2,9.10; 3,6; 4,2-4 angeführt. Aber wenn wir diese Stellen aufmerksam lesen, sehen wir, dass sie nichts dergleichen aussagen, sondern teilweise sogar ausdrücklich das Gegenteil! Durften Juden, wenn sie zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren waren, denn wohl als Kinder des Gehorsams sich nach den vorigen Lüsten in ihrer Unwissenheit bilden? Oder waren sie etwa nicht unwissend gewesen (1Pet 1,14)? Hatten sie nicht einen eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel geführt (1Pet 1,18)? Aber warum spricht die Schrift denn gerade zu den Judenchristen über ein Gewissen, gereinigt von toten Werken (Heb 9,14)? Nennt nicht die Schrift auch das jüdische Leben unter dem Gesetz „geknechtet unter die Elemente der Welt“ (Gal 4,3; Kol 2,20)? Spricht der Herr Jesus nicht immer wieder über die Überlieferungen der Väter? Das kann sich nur auf Juden beziehen.

1. Petrus 2,9.10 sind Zitate aus dem Alten Testament, die ausdrücklich zu den Juden gesagt werden (2Mo 19,5.6; Hos 2,23)! Infolge des Unglaubens und der Verwerfung des Herrn war Israel beiseitegesetzt und Lo-Ammi und Lo-Ruchama geworden. Aber der Überrest, an den der Apostel schreibt, empfängt nun schon zum Voraus, was das Volk in Zukunft empfangen wird, wenn es glaubt (Röm 11,26-32). Dies wird in den folgenden Versen bestätigt, wo von ihrem Wandel „unter den Nationen“ die Rede ist, was gewiss nur von Juden gesagt werden kann!

Wie man 1. Petrus 3,6 als Beweis anführen kann, dass hier an Gläubige aus den Nationen geschrieben wird, kann ich nicht verstehen. Ebenso ist 1. Petrus 4,2-4 nicht nur kein Beweis dafür, sondern das Gegenteil. Die Angeredeten werden hier den „Nationen“ gegenübergestellt, und das kann nur für Juden gelten. Und wenn Petrus „wir“ sagt, würde er also auch zu den Nationen gehören, wie diejenigen, an die er schreibt!

Dass die Gläubigen aus den Nationen früher den Willen der Nationen taten, ist selbstverständlich, denn sie gehörten zu den Nationen. Aber für Juden war es eine Schande (1Pet 4,2-4). Aber wie früher ihre Väter neigten auch die zerstreuten Juden jener Zeit, fern von den wachsamen Augen in Palästina, dazu, auf den bösen Wegen der Nationen zu wandeln. Mit einem schlechten Gewissen wurde Gott und sein Gericht ausgeschlossen und sogar der Götzendienst übernommen. Sie wussten nun, dass sie nicht besser waren als die Nationen. Im Alten Testament geben uns die Propheten unzweideutig zu erkennen, wie tief der sittliche Zustand der Juden manchmal gesunken war.

Vers 2

1Pet 1,2: … (auserwählt) nach Vorkenntnis Gottes, (des) Vaters, durch Heiligung (des) Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!

In 1. Petrus 1,1 haben wir die irdische Stellung der Gläubigen, an die Petrus schreibt, gesehen, in Vers 2 sehen wir nun ihre geistliche. Wie ihre irdische im Gegensatz stand zu der normalen Stellung Israels, so auch ihre geistliche.

Israel war auserwählt worden von dem HERRN (5Mo 7,6), sie aber vom Vater. Israel war äußerlich geheiligt (abgesondert) von Ägypten durch das Rote Meer und von allen Völkern durch die Satzungen des HERRN, vor allem durch die Beschneidung (5Mo 7,3-15); sie waren es innerlich durch den Heiligen Geist. Israel war gekommen zum Gehorsam gegen das Gesetz (2Mo 24) und zu dem Blut von Stieren, das niemals Sünden wegnehmen konnte (Heb 10,4), sondern im Gegenteil nur eine Andeutung war von dem Urteil des Todes, das verbunden war mit ihrem Zustand als ein sündiges Volk unter dem Gesetz; sie waren gebracht zum Gehorsam Christi und zur Besprengung seines Blutes (Heb 12,24), das von aller Sünde reinigt (1Joh 1,7).

Was für eine wunderbare Tatsache ist es, auserwählt zu sein. Gott wusste, dass Israel den Herrn Jesus verwerfen würde und dass Er deshalb das Volk würde richten müssen. Aber Er hatte bestimmt, dass sie nicht von dem Urteil getroffen werden sollten (Apg 2,4). Auch sollte nicht nur eine Anzahl Personen gerettet werden, sondern Gott hatte jeden von ihnen persönlich gekannt und für jeden persönlich festgesetzt, dass er den Platz der Segnung empfangen sollte.

Als Israeliten wussten die Empfänger des Briefes, was Auserwählung war. Das Volk Israel als Ganzes war von dem HERRN auserwählt worden, um sein Volk hier auf der Erde zu sein (5Mo 7,6).

Das hatte nichts mit der Ewigkeit zu tun, sondern nur mit der Stellung hier auf der Erde. Es galt auch kollektiv, für das ganze Volk, und nicht für jede Person besonders. Aber jede Auserwählung spricht von einem Gnadenbeschluss des souveränen Gottes. Und jeder, der Gegenstand einer Auserwählung ist, kann Gott nur danken für seine Gnade.

Petrus schreibt von einer Auserwählung von Personen. Jede dieser Personen war persönlich ausgewählt, um Gegenstand dieser Auserwählung zu werden und in ein Verhältnis zu Gott zu kommen, das darin bestimmt wurde. Und was für ein Verhältnis war das? Israel war von dem HERRN auserwählt worden, und daher standen sie mit einem Gott, der sich als HERR, der Ewige, Unwandelbare offenbarte, in Verbindung. Aber Christen sind vom Vater auserwählt (Eph 1,5). Als Vater hat Gott sie auserwählt, und das bestimmt das Verhältnis, in dem sie zu Gott stehen. Sie sind Kinder (Röm 8,16), Söhne dessen, der sich Israel als HERR und Abraham, Isaak und Jakob als der Allmächtige offenbart hatte (2Mo 6,16). Welch eine wunderbare Stellung!

Was Petrus hier den Gläubigen aus der Beschneidung sagt, schreibt Paulus uns, den Gläubigen aus den Nationen: auserwählt in Christus vor Grundlegung der Welt, auf dass wir heilig und tadellos sein sollten vor Ihm in Liebe, zuvorbestimmt durch Jesus Christus zur Sohnschaft für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph 1,4.5).

  • Röm 8,29: Die er zuvorerkannt hat, die hat er auch zuvorbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.

Da haben wir unsere Auserwählung! Von Gott bestimmt, um vollkommen dem zu entsprechen, was Er, als Licht und Liebe, ist (1Joh 1,5; 4,8) – wir, von denen Gottes Wort sagt, dass nichts Gutes in uns war. Wir sind bestimmt, dem Bilde des Sohnes Gottes gleichförmig zu sein, in dem Gott all sein Wohlgefallen fand (Lk 3,22), der in der Schrift der Sohn seiner Liebe genannt wird (Eph 1,6; Kol 1,13), wir, die in den Augen eines heiligen und gerechten Gottes hassenswürdig waren. Wir sind zuvorbestimmt zu Kindern, Söhnen Gottes, und das nicht nur als Titel, sondern wirklich für Gottes eigenes Herz (Eph 1,5), so dass wir mit Freude und vollkommenem Vertrauen „Abba Vater“ sagen dürfen (Röm 8,15), wir, die nichtige Geschöpfe sind, aber obendrein Feinde Gottes waren und den Herrn Jesus gekreuzigt haben (Röm 5,6-10). Welch eine Gnade!

Petrus kannte den Vaternamen. Er hatte ihn gehört aus dem Mund des Herrn Jesus selbst. Zuerst in allgemeinem Sinn (Mt 5,6.7), auch als den Vater des Herrn Jesus (Mt 16,17). Er hatte gehört, wie der Herr zum Vater sagte, dass Er seinen Namen offenbart habe den Menschen, die der Vater Ihm aus der Welt gegeben hatte (Joh 17,6). Dann, als der Herr das wunderbare Werk vollbracht hatte, aufgrund dessen Gott sich den Menschen als Vater offenbaren konnte, hatte er die kostbare Botschaft gehört, die der Auferstandene der Maria Magdalena gab: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,18). So erhebt der Herr die Seinen in die Stellung und das Verhältnis zum Vater, die bislang nur Er eingenommen und genossen hatte. Es war nur und konnte nur sein aufgrund des wunderbaren Werkes, das der Herr am Kreuz vollbracht hat. Aber der Heilige Geist offenbarte sowohl Petrus als auch Paulus und durch sie auch uns, dass es in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters war. Ja, dass die Quelle alles dessen das Herz des Vaters war, der das alles schon vor Grundlegung der Welt für uns festgelegt hatte.

„Durch Heiligung (des) Geistes“

Im Hinblick auf die Art und Weise wie die Christenheit im Allgemeinen und auch die meisten Gläubigen das Wort „Heiligung“ verwenden, müssen wir erst Gottes Wort untersuchen, um zu erfahren, was dieses darunter versteht.

Gewöhnlich finden wir in den ersten Stellen, an denen ein Wort in der Bibel gebraucht wird, den Schlüssel zu seiner Bedeutung. Nun kommt „Heiligung“ zuerst in 1. Mose 2,3 und 2. Mose 13,2 vor. In der ersten Stelle steht, dass Gott den siebenten Tag segnete und heiligte, weil Er an diesem Tage geruht hatte von dem ganzen Werk der Schöpfung. Hier sehen wir deutlich, dass es sich um Absonderung handelt, und zwar Absonderung zu Gott hin. In 2. Mose 13,2 sagt Gott: „Heilige mir alles Erstgeborene, was irgend die Mutter bricht unter den Kindern Israel, an Menschen und an Vieh; es ist mein.“ Es ist also derselbe Gedanke.

Im Allgemeinen wird in der Christenheit Heiligung beschränkt auf das praktische Werk des Heiligen Geistes in den Seelen derer, die, obwohl sie wiedergeboren sind, gegen vieles zu kämpfen haben und jetzt durch die Kenntnis Christi Kraft finden in der Gnade des Heiligen Geistes gegen das eigene Böse. Aber die genannten Stellen machen vollkommen deutlich, dass Heiligung nicht Verbesserung einer gefallenen Menschheit bedeuten kann. Das bestätigte der Herr Jesus ausdrücklich, wenn Er sagt: „Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (Joh 17,19). In Ihm gab es nichts Böses, das unterworfen oder verbessert werden musste. In Gottes Wort bedeutet „Heiligung“ ausschließlich Absonderung zu Gott.

Wie weit diese Absonderung von Christen zu Gott geht, sehen wir am deutlichsten in den Worten des Herrn Jesus (Joh 17,17). Die Jünger waren durch ihren Glauben an den vom Volk verworfenen Messias sittlich abgesondert vom jüdischen Volk, das an sich schon auf das strengste von allen Völkern auf der Erde abgesondert war. Aber nun bittet der Herr den Vater noch, sie zu heiligen durch Wahrheit!

Er war nicht damit zufrieden, dass sie zu seiner Person hier auf der Erde hin abgesondert waren. Er wollte sie von allem Irdischen zum Himmel abgesondert haben. Darum heiligt Er sich für sie (Joh 17,19), das heißt, Er ging von der Erde zum Himmel und sondert sich so von allem Irdischen ab, damit die Jünger (und wir) so zu Ihm, dem Menschen im Himmel, abgesondert würden.

Das ist die christliche Stellung, denn es macht den Christen aus, dass er, obwohl er noch auf der Erde ist, himmlisch ist. Wie sollte er aber himmlisch werden können, wenn nicht durch die Offenbarung eines himmlischen Menschen, der sein Leben ist.

Das Mittel, durch das diese Heiligung zustande gebracht werden kann, ist „dein Wort“ (Joh 17,17), das Wort des Vaters, die Wahrheit (Joh 17,19). Das ist nicht das ganze Wort Gottes, sondern der Teil, der sich auf die Offenbarung des Vaters durch den Sohn gründet: das Neue Testament und vor allem die Briefe. Darin finden wir den Herrn Jesus als den verherrlichten Menschen im Himmel (Eph 1,20-23; 2Kor 3,18).

Manchmal spricht die Schrift über Heiligung als die praktische Tätigkeit, die Tag für Tag im Herzen eines Kindes Gottes stattfindet (1Thes 3,3.4; 1Thes 5,23; Heb 12,14). Außer diesen drei Stellen kenne ich jedoch keine, wo ausschließlich hierüber gesprochen wird. Meistens ist die grundlegende Heiligung am Anfang des christlichen Lebens gemeint, wenn auch manchmal die tägliche praktische Heiligung dabei nicht ausgeschlossen ist (Kol 17).

Hier bei Petrus handelt es sich um die grundlegende Heiligung, die jeden Gläubigen zu einem Heiligen macht; vergleiche die Anrede in den meisten Briefen. Es ist nicht die Wiedergeburt selbst, aber engstens damit verbunden. Der Heilige Geist bewirkt im Herzen eines Sünders das Bewusstwerden seines Zustandes. Das ist der Anfang seiner Absonderung von der Welt. Dann gibt der Geist ihm ein neues Leben, das die Welt nicht hat (Joh 3). Von dem Augenblick an ist er grundsätzlich abgesondert, geheiligt. Aber es geht noch weiter, durch die Offenbarung eines Gegenstandes, der das Herz zu sich zieht. Der Geist nimmt ihn aus dem Fleisch heraus (Röm 7,8), in dem er sich bisher befand, und versetzt ihn in eine neue Stellung: „Gehorsam und Blutbesprengung Jesu Christi“.

Der natürliche Mensch befindet sich in einer bestimmten Stellung, in bestimmten Verbindungen. Der Heilige Geist nimmt ihn jetzt und bringt ihn in eine ganz andere Stellung mit ganz anderen Verbindungen. Er nimmt ihn aus der Welt, die im Argen liegt, und bringt ihn zu Gott. „Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (1Joh 5,19).

Ein Bild davon sehen wir, wenn Mose das zweite Paar der steinernen Tafeln hauen muss (5Mo 10,1). Er muss sie aus dem Felsen heraushauen: Jetzt sind sie geheiligt, gelöst von ihrer alten Stellung und zu Gott gebracht. Aber danach schrieb Gott auf diese Tafeln (5Mo 10,2.4). Diese grundlegende Heiligung, über die Petrus schreibt, besagt also nicht, dass wir praktisch vollkommen sind oder jedenfalls ein gutes Stück auf dem Wege dorthin, sondern sie besagt, dass wir uns in einer völlig neuen Stellung befinden. Die Stellung wird dann näher beschrieben, wie Johannes es in aller Kürze ausdrückt: „Wir sind aus Gott.“

„Zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi“

Ohne Zweifel spielt der Apostel hier auf das Alte Testament an. Israel war gebracht worden zum Gehorsam gegen das Gesetz und zur Besprengung mit dem Blut junger Stiere (2Mo 24,18), das nicht von Versöhnung sprach, sondern von dem Gericht, das über jeden, der das Gesetz übertrat, hereinbrechen würde.

Wir sind gebracht worden zum Gehorsam Christi. Es ist nicht der Gehorsam gegenüber Christus, wie einige übersetzen, als ob für uns Christus die Stelle des Gesetzes eingenommen hätte. Es handelt sich hier um den Gehorsam Christi, den Gehorsam also, den Christus offenbarte, als Er hier auf der Erde war (Heb 10,7). Zugleich sind wir auch gebracht worden zur Blutbesprengung Christi. Besprengen ist nicht dasselbe wie vergießen. Dies Letzte bezieht sich auf das Werk des Herrn auf Golgatha selbst. Besprengung bezieht sich auf die Anwendung des Blutes auf uns, etwas, was also erst nach unserer Bekehrung stattgefunden hat. Der Gehorsam Jesu Christi hatte einen anderen Charakter als das, was die Menschen gewöhnlich unter Gehorsam verstehen. Wir nennen ein Kind gehorsam, wenn es unterlässt, was verboten ist, und tut, was befohlen wird, auch wenn es selbst gern anders möchte. Es hat einen eigenen Willen, der obendrein durch die Sünde verderbt ist.

Beim Herrn war das anders. Er wollte nichts anderes als den Willen des Vaters tun. Nie brauchte der Vater Ihm etwas zu verbieten. Der Herr tat nichts anderes als das, von dem Er wusste, dass der Vater es wollte. Allein der Wille des Vaters war für ihn Beweggrund zum Handeln. Die folgenden Stellen zeigen uns diesen wunderbaren Gehorsam:

  • Heb 10,7: Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun!

  • Mt 4,4: Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht.

  • Joh 4,34: Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbring.

  • Joh 8,29: Weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue.

  • Phil 2,8: Und in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam ward bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze.

Zu diesem Gehorsam sind wir gebracht, zu einem Gehorsam also, der keinen eigenen Willen kennt, der unterdrückt werden muss, sondern zu einem Gehorsam, der nur tut und tun will, was Gott ihm aufträgt (Joh 7,17).

Ist dies nicht ein noch viel schwereres Gesetz als das Gesetz vom Sinai, das von keinem Menschen erfüllt werden konnte? Ja, wenn es uns als Gesetz gegeben worden wäre. Wir haben jedoch gesehen, wie wir in diese Stellung gekommen sind, in der dieser Gehorsam herrscht: Der Heilige Geist hat uns dahin gebracht.

Wir alle gehörten von unserer Geburt an zu denen, von denen Gottes Wort sagt:

  • Röm 3,10-12: Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; da ist keiner, der verständig sei; da ist keiner, der Gott suche … da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer.

  • Eph 2,3: Indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten.

Aber Gott hatte uns in seinem Ratschluss für einen anderen Platz bestimmt. Der Heilige Geist begann in uns zu wirken, um uns zu heiligen, abzusondern von unserer alten Stellung und uns in die neue Stellung des Gehorsams zu versetzen. Er bewirkte in unserem Gewissen Erkenntnis unseres Zustandes und in unserer Seele das Verlangen, den Willen Gottes zu tun, was es auch koste. Das neue Leben, das Er uns in der Wiedergeburt gab (Joh 3; 10,28), will nicht sündigen und kann nicht sündigen, sondern will und kann nur tun, was Gottes Wille ist und Ihm wohlgefällig ist. Es ist das Leben des Herrn Jesus selbst (1Joh 5,11).

Er ist unser Leben (Kol 3,4). Sollte es sich nun in uns anders offenbaren als in seiner Quelle, dem Herrn selbst?

Gewiss, wir haben noch das Fleisch, auch wenn wir nicht mehr im Fleisch sind (Röm 7,5). „Wir alle straucheln oft“ (Jak 3,2). Aber dennoch kann Johannes schreiben: „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde“ (1Joh 3,9). Es steht nicht da, dass er nicht mehr sündigt! Leider tun wir alle das noch. Aber das Leben eines solchen ist nicht mehr vor Gott von der Sünde gekennzeichnet. Es handelt sich in unserem Vers (1Pet 1,2) und auch bei Johannes nicht um unseren Wandel, sondern um unsere Stellung. Wir sind im Licht und wandeln im Licht (1Joh 1,7). Gewiss sollen wir jetzt in Übereinstimmung mit dem Licht wandeln. Aber darüber wird nicht hier, sondern erst in den folgenden Versen gesprochen. Um in Übereinstimmung mit dem Licht wandeln zu können, muss ich erst ins Licht gebracht worden sein. Um praktisch heilig zu wandeln, praktisch mehr geheiligt werden zu können, muss ich erst heilig sein, aus der Stellung und dem Zustand, worin ich mich früher befand, zu Gott abgesondert sein.

Dieses Geheiligtsein zum Gehorsam Jesu Christi nun finden wir von dem ersten Augenblick an, wo ein Mensch wiedergeboren ist. Vor seiner Bekehrung war auch Saulus ein Sohn des Ungehorsams (Eph 2,2), trotz all seines Eifers für das Gesetz, der, wie er meinte, Eifer für Gott war. Aber als er den verherrlichten Herrn sah, erkannte er Ihn sogleich als Herrn an und fragte: „Was soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,10), obwohl er noch keinen Frieden mit Gott hatte und nicht mit dem Heiligen Geist versiegelt war.

Das finden wir auch hier. Die Blutbesprengung wird nach dem Gehorsam genannt, und wo Heiligung und Rechtfertigung in der Schrift zusammen genannt werden, geht die Heiligung der Rechtfertigung voraus (1Kor 6,11). Rechtfertigung (Röm 4,25) ist die glaubensmäßige Anwendung des Werkes des Herrn Jesus auf die Person, die im wahren schriftgemäßen Sinn schon geheiligt ist durch den Heiligen Geist. Der verlorene Sohn war bekehrt und wiedergeboren, als er aufstand, um zum Vater zu gehen, von dem sein Herz ihm sagte, dass er Speise hätte (Lk 15). Dass er aufstand, schied ihn von seiner Stellung in dem fremden Land. Aber doch hatte er auf der ganzen Reise und selbst noch in den Armen des Vaters seine Lumpen an und litt Hunger. Er war erst gerechtfertigt und hatte Frieden mit Gott, als er mit dem besten Kleid bekleidet und mit dem Ring an seinem Finger im Hause des Vaters war und feierte.

Der Geist Gottes bewirkt in der Seele das Verlangen, den Willen Gottes zu tun, koste es was es wolle, und zeugt dann von dem unermesslichen Wert, den das Werk des Herrn Jesus für Gott hat. Dann und auf diese Weise wird die Seele zur Blutbesprengung Jesu Christi gebracht. Aber wie die Person auserwählt war, ehe der Heilige Geist tatsächlich sein Wirken begann, so wirkte auch der Heilige Geist schon vor der Besprengung mit dem Blut Jesu Christi in ihr.

Natürlich ist auch die Heiligung gegründet auf das Werk des Herrn Jesus. Aber um diese Dinge zu verstehen, müssen wir deutlich die beiden Seiten dieses Werkes sehen: was das Werk für Gott war und was es für einen jeden von uns bedeutet. Durch die Sünde ist der Mensch ein Sünder geworden, der das gerechte Gericht Gottes über sich ergehen lassen muss. Viel schlimmer ist jedoch, dass der Mensch dadurch, dass er auf Satan gehört und sich von Gott abgewandt hat, Gott beleidigt und verunehrt hat. Der Herr Jesus hat am Kreuz für beide Seiten Vorsorge getroffen, wie es uns die beiden Böcke am großen Versöhnungstag (3Mo 16) so deutlich vor Augen stellen.

Der erste Bock war für Gott. Nachdem er geschlachtet war, wurde das Blut auf den Versöhnungsdeckel, den Thron Gottes, gesprengt, so dass Gott das Blut immer vor sich sah. So wurde der Thron Gottes ein Gnadenthron (Röm 3,25). Auf den zweiten Bock wurden die Sünden des Volkes geladen, und dann wurde er in die Wüste geführt. Natürlich sind beide Böcke zusammen ein Bild vom Herrn Jesus und seinem Werk am Kreuz.

Auf Golgatha hat der Herr Jesus die Sünden all der Seinen auf sich genommen und das Gericht Gottes darüber getragen. Aber während Er das tat, verherrlichte Er Gott auf eine Weise, wie es nie zuvor geschehen war. Er hing dort nur aus Gehorsam, und während Er dort von Gott verlassen wurde, weil das Schwert der Gerechtigkeit Gottes Ihn traf (Sach 13,7), offenbarte Er die ganze Heiligkeit, Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit Gottes. Und wenn Gott offenbart wird, wird Er verherrlicht, weil alles an Ihm herrlich ist. Nie hat der Vater mit größerem Wohlgefallen auf den Sohn geschaut als in dem Augenblick, da dieser um unserer Sünden willen von Ihm geschlagen wurde.

Aber der Herr vollbrachte das Werk als wahrhaftiger Mensch. Dadurch wurde Gott, der durch den Menschen verunehrt worden war, jetzt im Menschen aufs Höchste verherrlicht. Darum kann Er nun in Gerechtigkeit Menschen Gnade erweisen und sie segnen, obwohl diese Menschen persönlich versöhnt werden müssen (Röm 5,10; 2Kor 5,20), weil sie Feinde sind in ihrer Gesinnung und durch das Blut des Herrn von ihren Sünden gewaschen werden müssen (Off 1,5). Das Blut ist vor 2000 Jahren auf den Versöhnungsdeckel gesprengt worden. Aufgrund davon kann der Heilige Geist in den Herzen und Gewissen von Sündern wirken. Aber sie werden erst mit dem Blut besprengt, wenn sie mit ihren Sünden und ihrer Schuld zu Gott gehen, wenn sie also durch den Heiligen Geist an den Platz des Gehorsams und der Blutbesprengung Jesu Christi gebracht werden. Dann haben sie teil an dem ganzen Wert, den dies Blut für Gott hat dies Blut, das von aller Sünde reinigt (1Joh 1,7) und das auch das Gewissen reinigt (Heb 9,14).

Das war die Stellung der Fremdlinge der Zerstreuung, an die Petrus schrieb. Das ist auch unsere Stellung. Wir haben gesehen, wie der dreieinige Gott bemüht war, uns das zu geben und uns dahin zu bringen. Das Herz des Vaters ist die Quelle, der Heilige Geist der Ausführer der Ratschlüsse des Vaters, und der Sohn machte alles durch sein Werk auf Golgatha möglich und gab sich obendrein selbst als das Kennzeichnende, denn der Gehorsam und das Blut, die diesen Platz kennzeichnen, sind sein Leben und Sterben.

Wenn Bileam schon die Zelte und Wohnungen Israels pries, als er sie so sah, wie Gott sie sah (4Mo 24,5), was hätte er gesagt, wenn er unsere Stellung hätte sehen können, wie Petrus sie hier vorstellt? Und was sagen unsere Herzen davon?

In der Ewigkeit richtete der Vater sein Auge auf jeden von uns persönlich. In der Zeit, aber fast 2000 Jahre bevor wir geboren wurden, vollbrachte der Sohn das Werk am Kreuze für einen jeden von uns persönlich (Gal 2,20). Und als wir auf der Erde lebten, begann der Heilige Geist in einem jeden von uns zu wirken, um uns abzusondern von dem Platz, wo wir waren, von allem, womit wir in Verbindung standen, und uns an den Platz des Wohlgefallens Gottes zu bringen, wo alle die herrlichen Folgen des Werkes des Sohnes gefunden werden als Teil derer, die dort sind. Unendliche Liebe, wie reich machst du doch!

„Gnade und Friede sei euch vermehrt!“

Dies ist der bekannte Segenswunsch, den wir in fast allen Briefen des Apostels Paulus finden, nur setzt er gewöhnlich hinzu: von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Aber Petrus fügt wie Judas hinzu: „sei euch vermehrt“.

Gnade ist die Gesinnung in dem Herzen Gottes gegenüber uns, seinen Kindern. Wir stehen in seiner Gunst. Friede ist das Gefühl im Herzen, wenn es sich bewusst ist, in der Gunst Gottes zu stehen. Es ist Friede mit Gott (Röm 5,12), wenn wir gesehen haben, dass Gott selbst seinen Sohn für uns gegeben hat und nun betreffs unserer Sünden vollkommen befriedigt ist durch das Werk am Kreuz. Es ist der Friede Gottes (Phil 4,7), der Friede also, den Gott selbst genießt, wenn wir im Vertrauen auf Ihn alle unsere Anliegen vor Ihm kundwerden lassen.

Der Apostel wünscht, dass diese Gnade und dieser Friede uns vermehrt werden.

Vers 3

1Pet 1,3: Gepriesen (sei) der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch (die) Auferstehung Jesu Christi aus (den) Toten.

Das griechische Wort, das durch „gepriesen“ übersetzt ist, kommt im NT nur vor in Markus 14,61; Lukas 1,68; Römer 1,25; 9,5; 2. Korinther 1,3; 11,31; Epheser 1,3 und hier. Wie wir an diesen Stellen sehen können, wird es nur für Gott gebraucht. Auch im AT gebraucht die Septuaginta es fast ausschließlich in diesem Sinn. Neben der Bedeutung „loben, preisen“ gibt es auch die Preiswürdigkeit an: aufgrund dessen, was Gott an und für sich ist, und aufgrund seines Werkes.

Bei der Einsetzung des Abendmahls gebraucht der Herr ein verwandtes Wort (Mt 26,26; 1Kor 10,16), das jedoch auch in Bezug auf Menschen verwendet wird (Mt 25,34; vgl. z.B. Mk 11,9.10), wo in beiden Versen dasselbe Wort gebraucht wird.

Das Gefühl für das, was Gott für sie getan hat, erhebt das Herz des Apostels zu dem, der es getan hat. Er verherrlicht Gott, wie Paulus (Eph 1,3), im Blick auf die Größe der Segnungen der Errettung. So ebnet er den Weg für seine weiteren Erklärungen.

Die ersten zwölf Verse bilden die Grundlage des Briefes, denn danach beginnen die Ermahnungen. Aber die ersten beiden Verse bleiben der Ausgangspunkt, und immer wieder sehen wir die Verbindung zu ihnen. Wie in 1. Petrus 1,2 finden wir auch in den Versen 1. Petrus 3-12 den Vater (1Pet 1,3-5), den Geist (1Pet 1,10-12) und den Herrn (1Pet 1,6-9). Wie in Vers 2 ist auch hier der Vater die Quelle aller Segnungen, während unsere gegenwärtige Zeit in Verbindung mit dem Herrn vorgestellt wird. Auch hier ist der Geist das Mittel, durch das wir zu den Segnungen gelangt sind (1Pet 1,10-12). 1. Petrus 1,2 bringt uns aus der vergangenen Ewigkeit (Auserwählung) zu unserem jetzigen Platz. Die Verse 1. Petrus 1,3-12 bringen uns von der zukünftigen Ewigkeit (1Pet 1,4.5) zu unserem jetzigen Zustand (1Pet 1,6-9) und von da aus in die Vergangenheit (1Pet 1,10-12). Die Verse 1. Petrus 1,3-5 stellen uns Gott in seiner reichen Gnade vor, 1. Petrus 1,6-9 die Notwendigkeit und den Nutzen der Erprobung und Läuterung des Glaubens und Verse 1. Petrus 1,10-12 die Größe des Vorrechts der Heilsoffenbarung, die sie empfangen hatten über ihre Väter hinaus, ja sogar über die Propheten des AT hinaus.

Obwohl also eine enge Verbindung besteht, ist es doch nicht dasselbe. 1. Petrus 1,3-5 geben den in Vers 2 genannten Segnungen eine große Ausweitung. Dort sahen wir Gott als den Vater, hier als den Gott und Vater des Herrn Jesus Christus, dort Heiligung, hier Wiedergeburt, dort Blutbesprengung Jesu Christi, hier seine Auferstehung.

Sie sind wirklich in eine neue, wunderbare Verbindung gebracht worden. Sie kennen Gott nicht nur als den Allmächtigen, wie die Erzväter (1Mo 17,1), oder als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (2Mo 3,6) oder als HERRN wie Israel (2Mo 3,1-18), sondern als den Gott und Vater des Herrn Jesus. Das brachte sie (und uns) in die gleiche Stellung mit dem Herrn Jesus und in die gleiche Verbindung zu Gott (Joh 20,17; Joh 17,23). Der Gott des Herrn ist unser Gott und der Vater des Herrn ist unser Vater. Wie der Herr können auch wir jetzt sagen: „Abba Vater“. Als ewiger Sohn bleibt der Herr natürlich immer allein (Mt 11,27), und auch als auf der Erde geborener Sohn bleibt Er immer der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Röm 8,29). Aber doch schämt Er sich nicht, uns Brüder zu nennen (Heb 2,12). Können wir schweigen und nicht Gott loben und preisen, wenn wir hieran denken?

Aber Jesus Christus hat noch einen anderen Titel: Er ist auch Herr (Apg 2,36). Es ist nicht sein höchster Name, denn damit wird nicht seine ewige Stellung und seine persönliche Herrlichkeit angegeben. Es ist der Titel, den Er empfangen hat aufgrund seines Gehorsams bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz (Phil 2,5-11)! Schon jetzt hat Gott Ihn über alles erhoben (Eph 1,21.22). Bald werden alle Feinde vor Ihm knien und Ihn als Herrn anerkennen. Aber schon jetzt ist Er unser Herr.

Und was ist die Ursache all dieser Segnungen, sowohl von denen, die wir schon betrachtet haben, als auch derer, die noch erwähnt werden? Haben wir sie verdient? Es war nur seine große Barmherzigkeit. Wörtlich steht da: „viele“ Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist die Gesinnung, die entsteht, wenn die erbärmlichen Umstände des Gegenstandes der Barmherzigkeit gesehen werden. Wir waren verloren in Sünde und Schuld, hassenswürdig in Gottes Augen und Gott hassend. Das ewige Verderben war unsere Zukunft. So sah uns Gott, und seine Barmherzigkeit war so groß, dass Er uns nicht nur erlöste, sondern uns in eine Stellung des Segens versetzte, ja in eine Stellung unendlichen Segens.

Das griechische Wort für „wiedergeboren“ kommt im NT nur hier und in 1. Petrus 1,23 vor. Es ist natürlich dasselbe, was der Herr „von neuem geboren“ nennt (Joh 3,3). Es wird hier jedoch in einem etwas anderen Blickwinkel gesehen. Es bedeutet „zu neuem Leben erwecken“ durch die neu schöpfende Allmacht Gottes. Gott hat uns nicht zu sich gebracht, indem Er das, was schlecht in uns war, verbesserte, sondern indem Er neue Geschöpfe aus uns machte. Der alte Mensch kann nicht verbessert werden, denn er will nicht gehorchen (Röm 8,7). Darum gab Er uns neues Leben.

Für Israel war der Tod Christi, des Messias, durch ihre Hand das Ende aller Segnungen und jeder Hoffnung auf die Erfüllung der Verheißungen, die Gott den Vätern gegeben hatte. Die Juden konnten keine Ansprüche mehr stellen, denn sie hatten Ihn, in dem alle Verheißungen sich erfüllen sollten, verworfen und gekreuzigt. seine Auferstehung war daher eine Wiedergeburt zu einer lebendigen Hoffnung. Die Verheißungen irdischer Segnungen waren jetzt für sie wirklich vorbei. Aber nun war eine herrlichere Aussicht vor ihnen aufgegangen: ein himmlisches Erbteil, eine Hoffnung, bestätigt im Leben derjenigen Person, deren Tod ihrer irdischen Hoffnung ein Ende bereitet hatte. Ihr eigenes Leben aber, das sie in der Wiedergeburt empfangen hatten, konnte nicht endigen, bevor die Verheißungen erfüllt waren, wie bei den Erzvätern und all den Generationen nach ihnen (Heb 11,13; 11,39).

Wir befanden uns in einem Zustand von Sünde und Tod. Dahin stieg Christus für uns herab. Aber nachdem Er das Werk vollbracht hatte, stand Er auf aus den Toten. Er hatte das Werk vollbracht und kam jetzt, um das Erbe in Besitz zu nehmen. Satan, die bösen Geister, den Tod: Alles das hatte Christus besiegt. Seine Auferstehung hatte alles vernichtet, was zwischen Ihm und der Herrlichkeit war. Da ich durch seine Auferstehung wiedergeboren bin, steht auch nichts Trennendes mehr zwischen mir und dem unverweslichen Erbteil. Der Tod selbst ist so vollständig besiegt (Heb 2,15), dass es für uns nicht mehr nötig ist, zu sterben (1Kor 3,22). Wenn der Herr schnell genug kommt (wenn ich das sagen darf), wird keiner von uns sterben (1Kor 15,51). Müssen wir aber sterben, dann ist der Tod für uns der Bote, der uns aus der Wüste zum Herrn bringt. Abzuscheiden, um bei Christus zu sein, ist weit besser (Phil 1,23)! Auch unser Leib wird in jedem Fall verherrlicht werden (Phil 3,21). „Es sei … Leben oder Tod, es sei Gegenwärtiges oder Zukünftiges, alles ist euer“ (1Kor 3,22).

Als der ewige Sohn konnte der Herr immer das Leben geben (Joh 5,21), und Er hat es seit dem Sündenfall getan. Aber nach seiner Auferstehung gab Er als der letzte Adam allen, die an Ihn glaubten und glauben, Leben in Überfluss (1Kor 15,15); Er gab ihnen sein eigenes Auferstehungsleben (Joh 20,22). So kann gesagt werden, dass wir wiedergeboren sind durch (die) Auferstehung Jesu Christi aus (den) Toten. Es steht kein Geschlechtswort vor „Auferstehung“, das bedeutet, dass der Nachdruck nicht auf die geschichtliche Tatsache der Auferstehung gelegt wird, sondern auf den Auferstehungscharakter. Es ist auch keine allgemeine Auferstehung, sondern eine Auferstehung aus den Toten heraus; die anderen Toten bleiben in den Gräbern.

Es handelt sich hier nicht um unsere Auferstehung mit Christus (Eph 2,6), wovon der Jordan ein Bild ist, sondern um seine Auferstehung für uns (Röm 4,25), wovon das Rote Meer ein Bild ist. Das Rote Meer bedeutet: aus Ägypten hinausgehen und in die Wüste kommen; der Jordan bedeutet: die Wüste verlassen und in das Land kommen. Petrus sieht die Gläubigen in der Wüste, der Epheserbrief sieht sie im Land.

Diese Auferstehung zeigte ihnen einen Besitz in einer anderen Welt und zugleich auch die Kraft, die den Menschen dorthin bringt. Obgleich er dem Tode unterworfen war, kann er aufgrund des herrlichen Sieges des Heilands durch Auferstehung dort eintreten. Er wird in dieser Welt gesehen, aber frei von der Sklaverei, in der er sich bisher befand (Heb 2,15; Röm 8,2; Gal 5,17), und so ist die Welt für ihn eine Wüste. Gott leitet ihn hindurch zum himmlischen Kanaan, wie einst das irdische Volk nach dem irdischen Kanaan geführt wurde.

Vers 4

1Pet 1,4: … zu einem unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, (welches) in (den) Himmeln aufbewahrt (ist) für euch …

Das Erbteil in den Himmeln kann nicht verdorben werden wie das irdische Erbteil Kanaan (Ri 6,5.6), ebenso wenig kann es befleckt werden wie das Land, das durch die Sünden des Volkes (Jer 2,7; Ps 79,1) verunreinigt war, und es kann auch nicht verwelken.

Verwesen bezieht sich auf die Substanz, das Wesen des Erbteils, also auf den Charakter dessen, woraus es besteht. Beflecken steht in Verbindung mit der Reinheit und verwelken mit der Schönheit. Kein Feind, keine Sünde, keine Zeit, aber auch wir selbst können das Erbteil nicht angreifen oder in seinem Wert vermindern. Es wird im Himmel für uns aufbewahrt, außerhalb des Bereichs alles dessen, was ihm schaden könnte. Gott selbst bewahrt es für uns.

Aber gibt die Tatsache, dass wir die Vollkommenheit, Reinheit und Herrlichkeit dieses Erbteils nur mit verneinenden Worten beschreiben können, nicht ein schreckliches Zeugnis von der Unvollkommenheit, Unreinheit und dem Verfall der von der Sünde beherrschten Welt (Off 21,1.4; 21,22-27)?

Das durch „Erbteil“ übersetzte griechische Wort meint das Teil, das jemand aufgrund seiner Geburt oder als besondere Gabe erhält. Es ist also nicht wie im Deutschen, dass der Tod des Erblassers notwendig vorweggehen muss.

Petrus beschreibt nicht, woraus dies Erbteil besteht. Er will nur die Herzen der Gläubigen, und besonders derjenigen aus den Juden, von dieser Erde weg und auf den Himmel lenken, „wohin Jesus als Vorläufer für uns eingegangen ist“ (Heb 6,20), wie Paulus schreibt über „die Hoffnung, die für euch aufgehoben ist in den Himmeln“ (Kol 1,5), und „ich weiß, wem ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das … anvertraute Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (2Tim 1,12). Im Hebräerbrief und im Kolosserbrief stellt Paulus sich auch praktisch auf denselben Boden wie Petrus, also als Fremdling in der Wüste, und nicht wie im Epheserbrief, als jetzt schon in den Himmel versetzt (Eph 2,6). Nur geht er im Kolosserbrief dadurch weiter, dass er sagt, dass wir mit Christus gestorben und auferstanden sind (Kol 3,3; 2,12). Petrus geht nicht so sehr auf die Lehre als auf die Praxis ein, und er spricht also nie über ein „Der-Sünde-gestorben-Sein“ (Röm 6,2), sondern nur über „den Sünden abgestorben“ (1Pet 2,24).

Das Erbteil ist nicht der Garten Eden, der Adam anvertraut wurde (1Mo 2,8), oder die neue Erde, die Noah zum Bewohnen gegeben wurde (1Mo 9,1-17). Ebenso wenig ist es Kanaan, das Erbteil Israels (Jos 1). Es ist eine Welt von Licht und Freude, jenseits des Bereichs von Sünde und Tod. Es ist uns aufgrund des vollkommenen Werkes am Kreuz gegeben, in dem Gott vollkommene Befriedigung fand, das vollbracht wurde von dem, an dem Gott all sein Wohlgefallen fand.

Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Aber dann steht dort, dass die Erde wüst und leer war (wurde; 1Mo 1,1.2). Vom Himmel wird das nicht gesagt (Ps 115,3.16). Es scheint, dass Gott den Himmel bewahrte. Darum finden wir in Matthäus das Reich der Himmel: ein Reich auf der Erde, das vom Himmel regiert wird. Der Himmel ist der Ort, wohin der Herr Jesus bei seiner Himmelfahrt ging (Apg 3,19-21). Von dort kam der Heilige Geist, der das Evangelium hier auf der Erde verkündigte (1Pet 1,12). Dort nun wird das Erbteil aufbewahrt, und nicht nur das, sondern es wird für uns aufbewahrt. Wir sind die rechtmäßigen Erben, und Gott bewahrt es deshalb für uns.

Vers 5

1Pet 1,5: … die (ihr) durch [oder: in] Gottes Macht durch Glauben bewahrt werdet zu (der) Errettung, (die) bereit (ist), in (der) letzten Zeit offenbart zu werden,

Das Wort „bewahrt“ in Vers 5 ist ein anderes als das Wort „aufbewahrt“ in Vers 4. Letzteres bedeutet „weglegen, dafür sorgen, dass es nicht verlorengeht“. In Vers 5 ist es ein militärischer Ausdruck. Es bedeutet: „mit einer Wache bewachen oder einschließen“ (Gal 3,23). In diesem Wort liegt auch der Gedanke, dass diese Bewachung mit Wachsamkeit geschieht, wobei man den Gegenstand nicht aus den Augen verliert und das Auge auf das richtet, was abgewehrt oder verhindert werden soll. Diese Bewachung (Phil 4,7) kann sich sowohl auf Gefahr von außen beziehen als auch darauf, ein Entkommen zu verhindern (2Kor 11,32). Die Zeitform, in der das griechische Wort gebraucht wird, zeigt, dass es sich um eine dauernde Bewahrung oder Beschützung handelt. Das Wort kommt im NT nur hier und an den drei angeführten Stellen vor.

Was ist es nun, was uns bewahrt oder einschließt? Es ist Gottes Macht, die uns wie eine Mauer umgibt (Ps 125,2)! Wir werden in (s. Anm. Elb. Üb.) dieser Macht bewahrt. Das Wort „Macht“ weist hin auf die Stärke nach dem inneren Vermögen. Im Griechischen steht kein Geschlechtswort davor; das bedeutet, dass der Nachdruck nicht so sehr auf der Macht selbst als auf dem Charakter dieser Macht liegt. Es ist göttliche Macht!

Auch vor „Glauben“ steht kein Geschlechtswort. Wenn im NT über den Glauben gesprochen wird, dann sind damit die offenbarten Gedanken Gottes gemein (Jud 3,20), also dasjenige, was wir glauben sollen (2Tim 1,13), und dabei besonders, was Gott im Christentum offenbart hat (Gal 3,23-25). Wird über „Glauben“ (ohne Geschlechtswort) gesprochen, dann ist die geistliche Energie in uns gemeint, die glaubt (annimmt), was Gott offenbart hat. Diese Bedeutung liegt also auch hier in 1. Petrus 1,5 vor.

In 1. Petrus 1,4 sahen wir, dass das Erbe in den Himmeln für uns aufbewahrt wird. Das ist ein großer Trost; wir können es nicht verderben, wie Israel sein Erbteil verdorben hat. Auch der Feind kann es nicht antasten.

Aber wie steht es mit mir? Ich bin in einer Welt, in der der Herr Jesus um der Gerechtigkeit und des Namens Gottes willen gelitten hat (Lk 11,53; Joh 2,17; 3,14; 4,13). Dadurch, dass ich mit Ihm verbunden bin, ist das auch mein Los.

Satan ist der Fürst dieser Welt (Joh 12,31), und seine Macht und die Macht der Welt sind gegen mich (Joh 17,14). Es gibt Feindschaft, böse Listen und Versuchungen, Schwierigkeiten und Drangsale (Heb 2,18; Jak 1,14). Wie kann ich in einer solchen Welt, gegenüber solchen Feinden bestehen?

Außerdem ist der starke Bundesgenosse Satans und der Welt in mir selbst: Es ist mein eigenes Herz, das mich zur Welt und zur Sünde hinzieht (Kol 3,5).

Aber Gottes Wort sagt: „Ihr werdet auch bewahrt.“ Das Erbe wird für uns aufbewahrt, und wir werden für das Erbe bewahrt. Göttliche Macht umgibt uns und beschützt uns gegen alles. Es ist also keine Angelegenheit meines Ausharrens, sondern der Treue Gottes. Wenn ich sage: „Ich habe keine Kraft und keinen Mut standhaft zu bleiben“, sagt Gottes Wort: „Sie gehen nicht verloren ewiglich“ (Joh 10,28.30). Wenn ich mich vor der großen Macht von Satan und Welt fürchte, sagt der Herr: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben … niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,28-30).

Aber Gottes Macht beschützt uns nicht, indem sie sich öffentlich in Kraft offenbart. So hat Gott es für Israel in Ägypten getan (2Mo 14), und so wird Er es bald noch einmal tun für den armen, geprüften und verfolgten Überrest aus Juda, wenn er von seinen Feinden umringt ist (Zeph 3,12.20). Dann wird Er seine große Macht in der Vernichtung der Feinde zeigen und auf diese Weise seinen Überrest erretten und in sein Erbe einführen (Jes 63,16). Aber jetzt ist nicht die Zeit für das endgültige Gericht Gottes. Gott offenbart sich jetzt als der Heiland? Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden, und der darum alles erträgt (1Tim 2,4).

Gottes Macht wirkt nun durch Vorsehung und sittliche Mittel. Er wirkt in unserem Glauben, auf dass dieser nicht aufhöre (Lk 22,32). Er nimmt die Schwierigkeiten nicht weg, aber Er gibt Kraft, um in ihnen bestehen zu können (Joh 16,33). Die Gnade lenkt das Herz auf Gegenstände, die es in Gemeinschaft mit Gott und seinen Verheißungen bewahren (2Pet 1,3.4). Dadurch, dass das Herz mit der Kostbarkeit der himmlischen Dinge erfüllt wird, erlahmt das Vertrauen auf Gott nicht. Es schaut weg von den sichtbaren Dingen und bleibt auf diese Weise standhaft, „als sähe (es) den Unsichtbaren“ (Heb 11,25-27).

Aber dieser Zustand der Schwierigkeiten und Leiden wird nicht für immer dauern. Die Errettung, die Seligkeit, kommt. Das Wort „Errettung“ bedeutet Rettung aus einer schwierigen Situation, aus rettungslosem Untergang. Die beste Beschreibung dessen, was volle Errettung ist, finden wir vielleicht in den folgenden Worten: „… dass wir, gerettet aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen sollen in Frömmigkeit und Gerechtigkeit vor ihm alle unsere Tage“ (Lk 1,74.75). Errettet sein ist also nicht dasselbe wie wiedergeboren sein. Jemand kann Leben aus Gott haben und doch nicht errettet sein in der Bedeutung, die die Schrift mit Errettung verbindet. Darum wird, was die Stellung auf der Erde betrifft, die Errettung oft mit der Taufe verbunden (Mk 16,16; Apg 2,40.41; 1Pet 3,21).

Hinsichtlich der Bedeutung für die Ewigkeit finden wir drei Anwendungen:

  1. Was wir jetzt schon besitzen im Hinblick auf unser Verhältnis zu Gott: die Errettung unserer Seele (1Pet 1,9; Heb 10,39). Unsere Seele ist jetzt schon von der Macht Satans und der Sünde errettet, und nichts steht mehr zwischen einem heiligen und gerechten Gott und uns (Heb 2,10).
  2. Ein dauerndes Errettetwerden von dem Augenblick unserer Bekehrung bis zum Augenblick, wo wir in der Herrlichkeit sind (Heb 7,25; 1Pet 4,18). Von diesem Gesichtspunkt wird es im Hebräerbrief fast ausschließlich gesehen.
  3. Die vollkommene Errettung von Leib und Seele, wenn wir in die Herrlichkeit eingehen (Phil 3,20.21). Meistens hat „Errettung“ in der Schrift diese letzte Bedeutung (Röm 5,9.10; 8,24; 13,11; 1Kor 5,5).

Daneben könnten wir noch als vierte Bedeutung die Weise nennen, wie das Wort im Epheserbrief verwendet wird. Dort werden wir als mit Christus auferweckt und in Ihm in die himmlischen (Örter) versetzt gesehen (Eph 2,5.10). So betrachtet besitzen wir also schon das volle Heil, und deshalb wird dort gesagt, dass wir schon errettet sind.

Petrus spricht hier von der Errettung des Leibes, die uns zuteilwird, wenn der Herr kommt (Phil 3,21). Aber da das Thema des Petrus hier die Regierung Gottes und somit die Wege Gottes in dieser Welt ist, erwähnt er die Entrückung der Versammlung nicht (1Thes 4,15-17). Sie ist kein Akt der Regierung Gottes, sondern der Gnade und wird deshalb für die Welt unsichtbar sein (1Kor 15,51-54). Auch steht sie in Verbindung mit der Versammlung, und das ist nicht ein Thema des Petrus, sondern ausschließlich des Paulus (Eph 3,2-11). Johannes spricht über die Familie Gottes und daher über unseren Eingang in das Vaterhaus (Joh 14,1-3).

Ohne Zweifel umfasst die Errettung auch die himmlische Herrlichkeit; es ist die vollkommene Herrlichkeit, die wir empfangen werden. Das griechische Wort für „Errettung“, das Petrus gebraucht, ist in den meisten Fällen mit „Heil“ (Apg 4,12) übersetzt worden [in der Elb. Üb. auch z.T. mit „Seligkeit“, 2Thes 2,13; Heb 1,14; Anm. d. Übers.]. Aber da Petrus über die Wege Gottes mit dieser Welt spricht, erwähnt er nur die Offenbarung dieser Herrlichkeit in der Welt (Jud 14), das heißt also, wenn der Herr mit allen verherrlichten Heiligen vom Himmel auf die Erde kommen wird (2Thes 1,7-10). Nun, wir werden sicher alle dabei sein, denn wir werden zu dieser Errettung bewahrt.

Diese Errettung ist bereit, in (der) letzten Zeit offenbart zu werden. So steht auch der Herr bereit, Lebende und Tote zu richten (1Pet 4,5). Das bedeutet, dass Er vorher nichts mehr zu tun braucht. Er hat das Werk am Kreuz vollbracht und da den Grund für die Versöhnung aller Dinge mit Gott gelegt (Joh 1,29; Kol 1,19.20). Am Kreuz hat Er Satan und Welt besiegt und hat sich jetzt gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße (Heb 10,12-14; 1Kor 15,27). Er selbst ist verherrlicht, hat den Lohn für sein Werk empfangen (Eph 1,20-22; Phil 2,9-11) und kann also kommen, um seine Feinde zu richten (Lk 19,27) und um alle, für die Er am Kreuz gelitten hat, an den ganzen Folgen dieses Werkes teilhaben zu lassen (Joh 17,22-26; Jes 53,4-12). Wenn Er heute noch nicht kommt, dann ist es nur, weil Er nicht will, dass einer verlorengeht, sondern dass alle zur Bekehrung kommen (2Pet 3,9). Sobald der letzte Stein zum Tempel Gottes zugefügt ist (Eph 2,21; 1Pet 2,5), kommt Er. Welch ein kostbarer Gedanke für unser Herz!

Wie schon gesagt, spricht Petrus nur über die Tatsache, dass die Errettung hier auf der Erde offenbart werden wird. Er denkt an den Augenblick, wenn der verherrlichte Herr mit all den Seinen aus dem Himmel in Herrlichkeit auf die Erde kommen wird (2Thes 1,6-10). Er hat einen kleinen Vorgeschmack von diesem herrlichen Augenblick gehabt (Mt 17,15; Mk 9,18; Lk 9,28-35), als er auf dem Berg der Verklärung den Herrn in Gesellschaft von Mose und Elia sah (2Pet 1,16-18). Er hat dort die Stimme des Vaters gehört und gesehen, wie Mose und Elia in die Schechina, die Wohnstätte Gottes, eintraten. Darum kann er sagen, dass das prophetische Wort befestigt ist.

Wir sehen, dass vor den Worten „letzte Zeit“ im Griechischen auch kein Geschlechtswort steht. Es soll also nicht eine bestimmte Zeit angedeutet werden, sondern einfach eine Zeit, die das Kennzeichen der letzten Zeit trägt. Wir wissen, dass das der Anfang der letzten Erprobungszeit des Menschen sein wird, wenn er tausend Jahre unter der segensreichen Regierung des Herrn leben und dann beweisen wird, dass selbst dadurch die Feindschaft seines Herzens gegen den Herrn und Gott sich nicht ändern wird (Off 20,7-12). Dies ist nicht dasselbe wie die „letzte Stunde“ (1Joh 2,18), denn das ist die ganze Zeit, in der wir leben, genauer gesagt, die Zeit der Versammlung, nachdem der Verfall begann, also schon seit den letzten Jahren der Apostel.

Wir haben also gesehen, dass Petrus den Christen als vom Vater auserwählt, erlöst und wiedergeboren sieht. Der Christ hat eine lebendige Hoffnung auf ein unverwesliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbteil, das im Himmel für ihn aufbewahrt wird, und er selbst wird durch Gottes Macht für das Erbe bewahrt. Aber er ist noch in der Wüste, hier auf der Erde, und muss auf dem Weg zum Himmel durch die Schwierigkeiten und Prüfungen dieser Welt gehen.

Obwohl die ersten Verse des Epheserbriefes äußerlich gesehen den ersten Versen des ersten Petrusbriefes nahezu gleichen, besteht doch ein großer grundsätzlicher Unterschied. Jeder dieser Briefe (und Briefanfänge) gibt eine bestimmte Seite der Wahrheit wieder.

In der Wüste war Israel erst nach dem Auszug aus Ägypten, besser gesagt, nachdem sie am Berg Horeb in eine feste Verbindung mit Gott getreten waren. Aber danach zogen sie durch den Jordan in das Land ein. Von diesen beiden Seiten kann man auch den Christen betrachten. Petrus sieht ihn hauptsächlich in der Wüste, Paulus sieht ihn im Epheserbrief im Lande, in den himmlischen (Örtern). Israel konnte natürlich nicht zugleich in der Wüste und im Lande sein; wir können es jedoch wohl, obwohl das nicht bedeutet, dass wir uns im gleichen Augenblick in beiden aufhalten können.

Im Epheserbrief sehen wir, dass Gott den gestorbenen Christus auferweckte und Ihm einen Platz zu seiner Rechten gab und Ihn dort als Haupt der Versammlung gab, die sein Leib ist (Eph 1,18-21). Er wird dort also als Mensch gesehen, denn es wird nicht gesagt, dass Er selbst aus dem Tod auferstand, sondern dass die Macht Gottes Ihn auferweckte. Wir sehen dort also einen verherrlichten Menschen im Himmel, und die Versammlung ist mit Ihm vereinigt. In Ihm bin ich also auch im Himmel. Darum wird gesagt: „… hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen (Örtern) in Christus Jesus“ (Eph 2,5.6).

In Christus sieht Gott uns also jetzt schon im Himmel, und im Glauben darf ich mich selbst auch so betrachten. Das bedeutet aber auch, dass ich jetzt schon alle Segnungen besitze, denn Christus hat alles empfangen, und ich bin mit Ihm vereinigt. Wir sind gesegnet mit jeder geistlichen Segnung (Eph 1,3) (und im Himmel gibt es nichts anderes als geistliche Dinge), die wir in der Kraft des Heiligen Geistes verwirklichen können. Im Epheserbrief umfasst dieses Erbteil alles, wovon Christus selbst auch Erbe ist: alles was in den Himmeln und auf der Erde ist (Eph 1,10-13).

Obwohl die Anfänge der beiden Briefe also große Übereinstimmung zeigen (die gleichen Worte und Segnungen), unterscheiden sie sich dadurch sehr voneinander, dass im Epheserbrief alles gegenwärtiger Besitz ist, im ersten Petrusbrief alles Hoffnung für die Zukunft.

Gebe Gott, dass wir alles, was Petrus uns zeigt, kennen und praktisch besitzen, aber dass wir nicht dabei stehenbleiben, sondern weitergehen, um alles, was im Epheserbrief steht, in Besitz zu nehmen, denn das ist der eigentliche christliche Standpunkt.

Verse 6.7

1Pet 1,6.7: … worin [oder: in welcher] ihr frohlocket, die ihr jetzt, wenn es nötig ist, eine kleine Zeit betrübt seid durch mancherlei Versuchungen, auf dass die Bewährung [oder: Erprobung] eures Glaubens, viel köstlicher als (die) des Goldes, das vergeht, aber durch Feuer erprobt wird, erfunden werde zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in (der) Offenbarung Jesu Christi; …

Man hat sich viel über die Frage gestritten, worauf sich das „worin“ oder „in welcher“ (s. Anmerkung Elb. Üb.) bezieht. Im Griechischen kann es sich auf Jesus Christus, auf Gott, auf die gesamten vorhergehenden Verse 1. Petrus 1,3-5, auf die Errettung oder auf die letzte Zeit beziehen. Aus dem Zusammenhang scheinen die ersten beiden Möglichkeiten nicht richtig zu sein. Grammatisch erscheint die letzte Möglichkeit als die beste, denn sowohl „Zeit“ als auch „welches“ sind im Griechischen neutral (sächlich), während „Errettung“ weiblich ist. Dennoch scheint es in diesem Zusammenhang am wahrscheinlichsten, dass es sich auf „Errettung“ bezieht. Das braucht für die Bedeutung keinen Unterschied zu machen, wenigstens nicht, wenn man den Text so lässt, wie er dasteht. Die „letzte Zeit“ von Vers 5 ist ja gekennzeichnet durch die Offenbarung der Errettung, und so ist also doch die Errettung der Punkt, um den es sich handelt.

Sehr viele Ausleger kommen jedoch zu einer meines Erachtens sehr gesuchten Erklärung, indem sie das „Frohlocken“ in die Zukunft verlegen wollen, obwohl die Zeitform des griechischen Wortes in der Gegenwart steht. Zu dieser Erklärung kommen sie, weil sie den christlichen Standpunkt so wenig verstehen, dass sie sich nicht vorstellen können, die Gläubigen, an die Petrus hier schreibt, könnten frohlocken, während sie doch zur gleichen Zeit manchmal betrübt waren. Deshalb wollen sie es so hinstellen, als befände Petrus sich in Gedanken schon in der letzten Zeit und sagte, dass die Gläubigen dann frohlocken würden. Sie sehen das Wort „in“ als Ortsbestimmung [bzw. Zeitbestimmung, d. Üb.] und wollen dann daraus lesen, dass die Gläubigen frohlocken würden, wenn sie in dieser letzten Zeit (und damit nach ihrer Meinung im Himmel) sein würden. Aber wie schon gesagt, steht das Wort „frohlocken“ in der Gegenwart und nicht in der Zukunft.

Wenn diese Ausleger sich die Mühe gemacht hätten, zu untersuchen, wo das griechische Wort im NT gebraucht wird (Mt 5,12; Lk 1,47; 10,21; Joh 5,35; 8,56; Apg 16, 34; 1Pet 1,6-8; 4,13; Off 19,7), hätten sie mehrere Beispiele gefunden, wo diese Freude mit Schwierigkeiten und Leiden verbunden ist. Betrachten wir nur die Stellen bei Matthäus, in der Apostelgeschichte und im erstem Petrusbrief. Auch Paulus lehrt dasselbe, wenn er in 2. Korinther 6,10 schreibt: „… als Traurige, aber allezeit uns freuend.“

Das Werk am Kreuz ist vollbracht. Wir haben die Vergebung der Sünden und sind Kinder des Vaters. Außerdem erwartet uns das Erbteil (1Pet 1,3-5). Sollten die Segnungen, die uns veranlassen, unseren Gott und Vater zu loben und zu preisen (1Pet 1,3), nicht eine andauernde Freude für uns sein, wenn wir sie sehen? Das Auge des Glaubens ist immer darauf gerichtet. „Wir rühmen uns in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,2), schreibt der Apostel Paulus und meint damit die allgemeine christliche Stellung. Wir müssen zugeben, dass unsere Augen nicht immer darauf gerichtet sind, und dann kennen wir die große Freude nicht mehr so. Aber unser Abweichen ändert nichts an der christlichen Stellung! Ist es nicht auch ein Grund zu großer Freude, wenn wir an alles denken, was wir schon im Glauben empfangen haben und was wir erst empfangen werden, wenn die „Errettung“, die volle Errettung von Seele und Leib, stattgefunden hat? Was wird es sein, Ihn, unseren Heiland, in Herrlichkeit, aber doch als das geschlachtete Lamm, das für uns starb, zu sehen (Off 5,6)! Ungestört, in Vollkommenheit Ihn und alles, was Er uns geben wird, genießen zu können (Lk 12,37)!

Hier auf der Erde werden wir manchmal durch verschiedene Dinge betrübt, aber verringern sie unsere Freude auf die baldige Wiederkunft des Herrn und auf alles, was damit in Verbindung steht? Im Gegenteil. Die Schwierigkeiten vermehren die Sehnsucht nach diesem Augenblick und lassen uns nur umso mehr die Kostbarkeit dieses herrlichen Zustandes erkennen!

Aber diese Schwierigkeiten zeigen uns wohl den Unterschied zwischen Israel und uns Christen. Als ein mit Gott versöhntes Volk, das in seiner Gunst steht, wird es für Israel keine Versuchungen mehr geben. Der Fluch über die Erde wird dann weggenommen sein, und die Wüste wird blühen wie eine Narzisse (Jes 35). Man wird nicht übel tun auf Gottes heiligem Gebirge (Jes 11,1-9), und Krankheit und Tod wird es für sie nicht mehr geben (Jes 65,19-25). Satan wird sich gebunden im Abgrund befinden (Off 20,13), und Gerechtigkeit wird herrschen. Freude und Friede wird ihr Teil sein, nicht mehr Leiden (Ps 96). Der Herr Jesus wird von Jerusalem aus über die Erde Herrschen (Ps 2 und 8)!

Die Gläubigen, an die Petrus schreibt, waren mit Gott versöhnt und durften Ihn sogar ihren Vater nennen (1Pet 1,17). Sie sind das Volk Gottes, ja noch mehr, ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum (1Pet  2,9.10). Dennoch haben sie hinsichtlich ihrer Stellung auf der Erde teil an den Folgen der Sünde Adams und des Fluches über die Schöpfung (1Mo 3,17-19). Sie leiden auch unter den Folgen des Gerichtes Gottes beim Turmbau von Babel (1Mo 11,1-9). Schließlich leiden sie ebenfalls unter den Folgen der Untreue Israels und des Gerichtes Gottes über dies Volk (5Mo 28,64.65).

Wir leiden nicht unter den Folgen des Abfalls Israels. Aber die ersten beiden Quellen von Kummer und Schwierigkeiten sind für uns die gleichen. Außerdem leiden wir unter den Folgen der Abweichungen und des Versagens der Versammlung als öffentlicher Zeuge. Was unsere Stellung betrifft, gleichen wir den Empfängern dieses Briefes: ein Überrest inmitten des Abfalls.

In Bezug auf die äußerlichen Folgen der Sünde Adams und des Turmbaus von Babel teilen wir dasselbe Los wie die Ungläubigen. Auch wir leben auf einer verfluchten Erde und seufzen mit der Schöpfung (Röm 8,19-23). Auch wir leiden unter der Sprachverwirrung und den Ländergrenzen, die bestehen. Wir können für uns die Umstände auf der Erde nicht verändern. Aber wir selbst können in diesen Umständen wohl anders sein als die Ungläubigen. Und obwohl wir an allen Folgen der Regierung Gottes auf der Erde teilhaben, besteht doch der Unterschied, dass die Regierung Gottes in Gunst gegenüber uns ausgeübt wird, was besonders hier im ersten Petrusbrief gezeigt wird, während sie gegen die Ungläubigen ist, was wir vor allem im zweiten Brief finden.

Ja, es gibt mancherlei Versuchungen. „Mancherlei“ bedeutet nicht „viel“, sondern „alle möglichen Arten“. Sie können den Charakter des Bösen, der Sünde, der Feindschaft der Menschen, der Folgen des Fluches über die Erde, der Sprachenverwirrung usw. tragen. Paulus nennt eine ganze Anzahl davon, aber nicht alle (Röm 8,35-39). „Versuchungen“ bedeutet nicht speziell „Versuchungen zur Sünde“ (1Mo 22,1), obwohl das Wort auch das bedeuten kann. Es ist im Griechischen dasselbe Wort wie in Jakobus 1,2, und der Zusammenhang, in dem beide stehen, macht wohl deutlich, dass Prüfungen, Erprobungen gemeint sind. An beiden Stellen wird hinzugefügt, dass durch diese Dinge der Glaube erprobt wird. Gott versucht nie zur Sünde (Jak 1,13). Etwas anderes ist, dass Er zulassen kann, dass Satan es tut, aber nur, wenn es nötig ist.

Wenn solche Prüfungen in unserem Leben vorkommen, sind wir betrübt. Es ist kein Beweis, dass wir sehr geistlich sind, wenn wir diese Schwierigkeiten nicht fühlen! Es ist gerade der Beweis, dass wir nicht geistlich sind. Denn alle diese Dinge werden uns von Gott in seiner Regierung geschickt. Wie wir gesehen haben, sind diese Dinge das Teil aller Menschen auf der Erde. Aber für uns sind sie in der Hand unseres Vaters. Der Gott der Regierung Gottes ist unser Vater. Und Er hat alles in seiner Hand, und Er legt uns die Prüfungen nur auf, „wenn es nötig ist“. Er gebraucht die Mittel seiner Regierung zu unserem Besten, um uns zu erziehen, unseren Willen zu brechen (Heb 12,5-11), uns abhängig zu machen und uns sein und des Herrn Jesu Mitgefühl kennenlernen zu lassen. „Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.“

„Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist. Wenn Gott für uns ist, wer wird gegen uns sein? Er, der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird Er uns mit Ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,31-39). Wir fühlen die Prüfungen, sonst hätten sie keinen Wert; aber wir wissen, wer sie schickt und dass es Liebe ist, die Ihn leitet. Darum können wir uns der Trübsale rühmen (Röm 5,3-5).

Das große Geheimnis ist, in der Gewissheit, dass Er alles schickt, vollkommenes Vertrauen zu der Liebe Gottes zu haben! Er gebraucht Menschen und Umstände, aber das sind nur sekundäre Ursachen. Sie könnten nichts tun, wenn Er sie nicht gebrauchte. Darum ist es Torheit, auf diese Werkzeuge zu sehen.

Außerdem werden wir nur „eine kleine Zeit“, wenn es nötig ist, geprüft. Die Errettung ist bereit, offenbart zu werden (1Pet 1,5). Bald wird der Herr kommen und allen Schwierigkeiten ein Ende machen und uns einführen in die Herrlichkeit. „Ich halte dafür, dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit“ (Röm 8,18).

Hier sehen wir, wie kräftigend das Warten auf den Herrn Jesus ist. Hier wird nicht auf die höchste Art von seinem Kommen gesprochen; wir haben gesehen, dass Petrus nicht weiter geht als bis zur Erscheinung des Herrn. Das Kommen des Herrn für die Versammlung (1Thes 4; 1Kor 15,51) wird von ihm nicht erwähnt, denn er schreibt nicht über die Versammlung als solche. Aber der Grundsatz ist derselbe.

Wenn ich auf den Herrn warte und Ihn erwarte, werde ich eine ganz andere Haltung zu den Dingen hier auf der Erde einnehmen. Ich rege mich nicht sehr über ein ungemütliches Hotelzimmer auf, wenn ich weiß, dass ich nur eine oder zwei Nächte darin bleiben werde. Ebenso wenig werde ich mich an die Dinge hängen, die ich darin finde, denn ich muss sie ja doch zurücklassen.

Es ist gut, wenn wir uns ab und zu die Frage stellen: „Wenn der Herr in diesem Augenblick käme, müsste ich dann Dinge zurücklassen, die ich liebe? Gibt es Dinge, die mich hindern, zu wünschen, dass der Herr in diesem Augenblick kommt? Wenn der Herr in diesem Augenblick käme, wäre es eine Überraschung für mich oder die Erfüllung eines Wunsches, das Ende alles dessen, was mein Herz beschwert?“

Welch ein anderes Licht wirft das Erwarten des Herrn auf die Schwierigkeiten. Nicht nur werden sie dann vorbei sein, sondern der Zweck ist Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi. Der Glaube wird durch sie erprobt (1Pet 1,7; siehe Anm. Elb. Üb.), damit bei unserem Offenbarwerden vor dem Richterstuhl Christi gesehen werde, wie unser Glaube gewirkt hat (2Kor 5,10). Darin wird auch der Herr Jesus verherrlicht werden; Er wird bewundert werden, dass Er so etwas in armen, schwachen Menschen wie wir es sind, bewirken konnte (2Thes 1,10).

Die Trübsal bewirkt Ausharren und das Ausharren Erfahrung (der Treue und Hilfe des Herrn), die Erfahrung wirkt Hoffnung (auf die Hilfe und den Trost des Herrn) (Röm 5,35). So wird der Glaube gestärkt. Hier ist natürlich nicht der Glaube an den Herrn Jesus als den Retter der Sünder gemeint, sondern das Vertrauen auf Ihn im Leben des Christen, in all den Schwierigkeiten und Fragen des Lebens in einer Welt, deren Fürst Satan ist (Joh 12,31), in einem Zeitlauf, dessen Gott Satan ist (2Kor 4,4), und auf einer Erde, die verflucht ist (Röm 8,20-23).

Gold ist nach Meinung des natürlichen Menschen das wertvollste Metall, es ist dem Verderben und der Vergänglichkeit am wenigsten ausgesetzt. Aber wie alle irdischen Dinge ist es nicht ewig, sondern vergänglich und kann verdorben werden. Nur die geistlichen Dinge vergehen nicht und können nicht verderben.

Aber wie kostbar Gold auch ist und gerade weil es so kostbar ist, muss es erprobt werden, ob es wirklich Gold ist und um die Schlacken herauszuholen, damit nur das reine Gold übrigbleibt. Bruder Baksteen, der Goldschmied, hat einmal auf einer Konferenz ausführlich erzählt, wie Gold geläutert wird: In dem Schmelztiegel auf dem Feuer, mit einem Zusatz, der die Unreinigkeiten aus dem Gold anzieht, wird das Gold so lange erhitzt, bis der Schmelzer sein eigenes Gesicht in dem geschmolzenen Gold sich widerspiegeln sieht (Mal 3,23).

Wenn das irdische Gold schon so durch Feuer geprüft und gereinigt wird, wie viel mehr dann der Glaube, das Vertrauen des Kindes Gottes zum Vater, des Erlösten auf den Sohn Gottes, der ihn liebgehabt und sich selbst für ihn hingegeben hat (Gal 2,20).

Wir haben Erfahrung in Bezug auf die Schwachheit unseres Glaubens. Jeder Gläubige hat Glauben; Gott hat ihn ihm eingepflanzt (Eph 2,8). Wenn er keinen Glauben hätte, wäre er kein Gläubiger, denn dann hätte er den Herrn Jesus nicht als seinen Heiland angenommen und nicht geglaubt, dass Gott ihm vergeben hat, als er mit seinen Sünden und seiner Schuld zum Herrn kam.

Aber unser Glaube vertraut im Hinblick auf die Ewigkeit leichter auf Gott als im Hinblick auf irdische Dinge. Wir sind so töricht, oft unser Vertrauen auf die Umstände, auf unsere Fähigkeiten, auf unsere Gesundheit oder auf andere Geschöpfe zu setzen, anstatt auf den, in dessen Hand alle diese Dinge sind. Dann muss Gott diese Stützen zerbrechen oder ganz wegnehmen, damit wir unser Vertrauen allein auf Ihn setzen, denn in den Schwierigkeiten erfahren wir, wer Er ist, auch in den Dingen des täglichen Lebens.

Ein schönes Beispiel davon sehen wir in den drei Freunden Daniels (Dan 3). Sie vertrauten auf Gott und wurden darum in den brennenden Ofen geworfen. Scheinbar antwortete Gott nicht auf ihren Glauben; Er ließ zu, dass sie in das Feuer geworfen wurden. Aber was war das Ergebnis ihres Aufenthalts im Feuer? Die letzten menschlichen Bande verbrannten, so dass sie jetzt ganz frei waren. Und ihre Herzen hatten eine wunderbare Erinnerung an eine Gemeinschaft mit dem Herrn, wie sie sie nie auf andere Weise hätten erhalten können. Wie wurde ihr Glaube, ihr Vertrauen auf den Herrn befestigt! Wie wunderbar wurde auch Gott verherrlicht vor dem Haupt des babylonischen Weltreiches und allen seinen Mächtigen!

So erprobt Gott unseren Glauben, damit er stärker, reiner wird. Dadurch wird Er verherrlicht, und unser Leben wird frei von Unruhe. Wenn wir voll Vertrauen alles Ihm überlassen, wird sein Friede unsere Herzen und Sinne bewahren (Phil 4,7). Und wenn wir bald vor dem Richterstuhl Christi offenbart werden, auf dass ein jeder empfange, was er im Leibe getan hat (2Kor 5,10), dann wird es die Freude des Herrn sein, diesen für Ihn so kostbaren Glauben sehen zu lassen und zu belohnen. Und wenn Er hier auf der Erde offenbart werden wird und wir mit Ihm (2Thes 1,7-10), dann wird Er bewundert werden in unserem Glauben, dass Er, der von der Welt Verachtete und Gekreuzigte, eine solche Anziehungskraft auf arme, schwache Menschenherzen ausüben konnte, dass sie ausharrten, als sähen sie den Unsichtbaren (Heb 11,27), und durch das Vertrauen auf Ihn Königreiche bezwangen, der Löwen Rachen verstopften, aus der Schwachheit Kraft gewannen, usw. (Heb 11,33-38). So wird die Bewährung (Erprobung) des Glaubens erfunden „zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in (der) Offenbarung Jesu Christi“.

Vers 8

1Pet 1,8: … welchen ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebet; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn nicht sehet, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter [oder: voll Herrlichkeit seiender] Freude frohlocket, …

In Vers 3 hatte der Apostel von „uns“ gesprochen. Da machte er sich eins mit denen, an die er schrieb, denn jeder Gläubige ist wiedergeboren (Joh 3,3.5). Hier deutet er nun einen gewissen Gegensatz an, denn er persönlich hatte den Herrn wohl gesehen. Sonst hätte er nicht einmal Apostel sein können (Joh 15,27; 1Kor 9,1)!

Er gibt hier kein Gebot, den Herrn zu lieben, sondern die sichere Aussage, dass sie es tun. Jeder Gläubige liebt Ihn. Nicht so, wie wir es gern möchten und wie es eigentlich auch sein sollte. Aber wenn Gott an seine Kinder schreibt, dann sagt Er: „Ich weiß, dass ihr meinen Sohn liebt!“ Das ist der Gegensatz zwischen uns und der Welt und der Unterschied zwischen uns und Israel.

Die Welt kann niemand lieben, den sie nicht gesehen hat. Was den Herrn Jesus betrifft, so hat Er sogar gesagt: „Sie haben gesehen und gehasst sowohl mich als auch meinen Vater“ (Joh 15,24).

Zu Israel wurde gesagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft (5Mo 6,5; Mk 12,30). Von uns wird gesagt: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1Joh 4,19).

Woher kommt dieser Unterschied? Ein Gläubiger ist kein gewöhnlicher Mensch mehr! Er ist Teilhaber der göttlichen Natur geworden (2Pet 1,4). Nun, wenn Gott Liebe ist (1Joh 4,8.16), dann ist die göttliche Natur in uns auch Liebe. Das neue Leben in uns liebt, und die Liebe trägt den Charakter der Liebe Gottes, obwohl natürlich Gott die Quelle ist. Petrus gebraucht für unsere Liebe das griechische Wort agape, das Wort für die göttliche Liebe (Joh 3,16).

Außerdem trägt das neue Leben den Charakter des Heiligen Geistes, der es in uns bewirkte (Joh 3,6). Es ist etwas ganz anderes als das Leben, das wir bei unserer Geburt empfingen, es ist Geist. Daher lebt und bewegt es sich nicht in den Dingen dieser Erde, sondern in den geistlichen Dingen (Eph 1,3; 2Kor 3,16), die für das natürliche Auge unsichtbar sind. Daher können wir auch lieben, was wir nicht gesehen haben.

Wie viel Ursache haben wir doch, Ihn zu lieben! Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat (1Joh 4,19). Er ist „der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2, 20). Er hatte uns lieb und hat sich selbst für uns als Opfer hingegeben (Eph 3,2.25). Für uns wurde Er Mensch und kam auf die Erde. Für uns ging Er durch alle Schwierigkeiten, die es in einer von Satan beherrschten Welt auf einer von Gott verfluchten Erde gibt (Heb 2,10.14; 4,15). Für uns ging Er ans Kreuz, um das Gericht über unsere Sünden und unsere Sünde zu tragen. Können wir daran denken, ohne Ihn zu lieben?

Aber außerdem ist der Heilige Geist zu uns gekommen, um die ganze Herrlichkeit, nicht nur seines Werkes, sondern auch seiner Person vor unsere Herzen zu stellen (Joh 4,14; 16,13.14). Wenn wir dann, während wir in Abhängigkeit und Unterwürfigkeit unter den Heiligen Geist das Wort Gottes untersuchen, seine Herrlichkeit sehen, sagen wir dann nicht mit der Braut aus dem Hohenlied: „Lieblich an Geruch sind deine Salben, ein ausgegossenes Salböl ist dein Name; darum lieben dich die Jungfrauen“ (Hld 1,3)? „Mein Geliebter ist weiß und rot, ausgezeichnet vor Zehntausenden … sein Gaumen ist lauter Süßigkeit, und alles an ihm ist lieblich. Das ist mein Geliebter!“ (Hld 5,10.16). Dann singen wir den Söhnen Korahs das „Lied von dem Geliebten“ nach (Ps 45). Je mehr wir Ihn kennenlernen, desto mehr lieben wir Ihn.

Was wird es sein, wenn wir Ihn in Vollkommenheit ungestört sehen, wie Er ist (1Joh 3,2)! Wenn wir alle die Vollkommenheiten vollkommen sehen und wenn wir sein Angesicht sehen (Off 22,4), das für uns bespien, geschlagen und von der Dornenkrone verwundet wurde! Aber wie vollkommen unsere Liebe dann auch sein wird, im Prinzip ist sie schon jetzt in unseren Herzen.

Nein, wir haben Ihn nicht gesehen und sehen Ihn auch jetzt nicht; wir glauben an Ihn. Dazu forderte der Herr seine Jünger auf, als Er sie verließ, um in den Himmel einzugehen (Joh 14,1). „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht“ (Heb 11,1). Das ist das Kennzeichen des Christentums, dass für das natürliche Auge alles unsichtbar ist (Gal 3,23-25; Eph 1,3), im Gegensatz zu der Zeit vor dem Kreuz und der Zeit nach der Entrückung der Versammlung. Es ist aber auch das große Vorrecht des Christentums (Joh 20,29).

Wir freuen uns nämlich nicht über das, was für das natürliche Auge am Herrn Jesus, als Er hier auf der Erde war, sichtbar war. Einmal wird Er in Majestät und Herrlichkeit auf der Erde erscheinen (Off 19). Dann wird Er bewundert werden (Jes 33,17). Aber kein natürliches Auge hat Ihn jetzt schon so gesehen. Als man Ihn sah, hatte Er „keine Gestalt und keine Pracht; und als wir Ihn sahen, da hatte er kein Ansehen, dass wir Seiner begehrt hätten. Er war verachtet und verlassen von den Menschen“ (Jes 53,2.3).

Aber wir sehen Ihn jetzt verherrlicht im Himmel (Heb 2,9). Wir sehen seine sittliche und göttliche Herrlichkeit, zwar nicht mit unseren natürlichen Augen, sondern mit den von Gott erleuchteten Augen unseres Herzens (Eph 1,18). Und daran erfreuen wir uns mit einer Freude, die nicht mit irdischen Worten auszudrücken ist (2Kor 12,4), ja die sogar zu groß sein wird für die himmlische Sprache, die unser dann vollkommener Mund sprechen wird; denn die Ältesten im Himmel beten zum Schluss schweigend an (Off 5,14)! Die Herrlichkeit seiner Person ist unendlich groß. Durch die Kraft des in uns wohnenden Heiligen Geistes stehen wir in lebendiger Verbindung mit Ihm und können seine Herrlichkeit genießen (Joh 4,14), und zwar nicht nur seine äußere Herrlichkeit, sondern seine persönliche innerliche Herrlichkeit. Da diese unendlich groß ist, kann unsere Freude nicht in Worten ausgedrückt werden. Wissen wir das nicht aus Erfahrung?

Unsere Freude ist auch verherrlicht oder „voll von Herrlichkeit“, wie es auch übersetzt werden kann. Er, in dem wir uns erfreuen, ist in der Herrlichkeit, ja für unsere Herzen füllt Er die Herrlichkeit. Das, worin wir uns erfreuen, ist ewig und unsere Freude daran also auch. Diese Freude der Ewigkeit ist jetzt unsere Freude. Sie begann, als der Vater uns in sein Haus einführte, als wir als verlorene Söhne zu Ihm kamen (Lk 15,24). Aber bis heute hat sie noch kein Ende gefunden, und sie wird auch in Ewigkeit kein Ende finden. Der überirdische Glanz der ewigen Herrlichkeit, das Licht des zukünftigen Tages ist mit unserer Freude verbunden. Daher sahen alle, die im Synedrium saßen, das Angesicht des Stephanus leuchten wie das Angesicht eines Engels (Apg 6,15).

Vers 9

1Pet 1,9: … indem ihr das Ende eures Glaubens, (die) Errettung (der) Seelen, davontraget,

Das Wort „davontragen“ bedeutet „mitnehmen, hereinholen oder empfangen“, was jemandem als Frucht seines Eigentums, seiner Arbeit oder der Verheißung zusteht (Mt 25,27; 2Kor 5,10; Heb 10,36; 11,19). Es steht hier in Verbindung mit (dem) Glauben. Die Zeitform (Partizip Präsens oder Mittelwort der Gegenwart) zeigt, dass dies „Davontragen“ zur selben Zeit stattfindet wie das „Frohlocken“ von Vers 8. Da wir gesehen haben, dass das gegenwärtig ist, tragen wir die Errettung unserer Seele also auch jetzt und nicht erst in der Zukunft davon.

Das „Ende eures Glaubens“ deutet sowohl auf das Ziel als das Aufhören unseres Glaubens hin. Das Ziel unseres Glaubens, sein Zweck, ist, errettet zu werden (Apg 16,31). Die volle Errettung werden wir erst empfangen, wenn der Herr kommt, um uns in die Herrlichkeit einzuführen. Dann wird unser Leib, unsere Seele und unser Geist errettet werden (Phil 3,21; 1Thes 5,23). Aber hier ist die Rede von „Errettung der Seelen“. Das ist also eine Einschränkung dessen, was in diesem Brief allgemein unter Errettung verstanden wird. Verstärkt wird das noch dadurch, dass vor „Errettung“ und „Seelen“ kein Geschlechtswort steht. Die Bedeutung ist also mehr charakteristisch.

Christen haben jetzt schon die Errettung der Seelen. Sie haben das Ziel, das Ende ihres Glaubens erreicht. Das Ende unserer Hoffnung werden wir empfangen, wenn wir in Herrlichkeit aufgenommen werden. Das wird bei der Erscheinung unseres Herrn offenbart werden.

Die Errettung unserer Seele empfangen wir, wenn wir dem vollen Evangelium glauben, das heißt, dass Christus unserer Sünden wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist (1Kor 15,1 4; Röm 4,25). Dann haben wir nicht nur Frieden mit Gott sondern wir haben auch die Befreiung kennengelernt (Röm 5,1; 6-8). Dann wissen wir: „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christo Jesu sind“ (Röm 8,1). Erst dann können wir uns wirklich im Herrn erfreuen, indem wir von uns selbst weg- und nur auf Ihn sehen. Errettung bedeutet nicht nur, dass wir nicht in die Hölle kommen. Es bedeutet, dass wir gerettet sind von allem, was uns gefangen hielt, das heißt also nicht nur vom Tod als dem Urteil Gottes, sondern auch von der Macht der Sünde in uns und von Satan und Welt (Röm 8,2.3).

Das Werk des Herrn ist vollkommen. „Mit einem Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (Heb 10,14). Aber für unsere Seele haben wir erst dann teil an allen Folgen seines Werkes, wenn wir nicht mehr mit uns selbst beschäftigt sind, sondern nur auf Ihn sehen. Darum wird die Errettung unserer Seelen hier mit Vers 8 in Verbindung gebracht: mit unserer Liebe zu Ihm und unserer unaussprechlichen und verherrlichten Freude in Ihm. Diese haben wir nur, wenn wir nicht mehr mit uns selbst, sondern nur mit Ihm beschäftigt sind.

Unbekehrte können sich nicht über die Dinge dieser Erde hinaus erheben. Das lässt die Anziehungskraft der Erde nicht zu. Aber für den Christen ist der Mittelpunkt der Anziehungskraft von der Erde in den Himmel verlegt. Dort befindet sich eine lebendige, verherrlichte Person, und Ihre mächtige Anziehungskraft kann den Christen, was seine Gefühle betrifft, von den Umständen hier auf der Erde zu sich emporziehen.

Die große Frage ist, wie wir den Herrn Jesus kennen. Zuerst müssen wir Ihn kennenlernen als den, der vor zweitausend Jahren für uns gestorben ist, wodurch es jetzt für uns kein Gericht mehr gibt. Aber wenn wir nicht weiterkommen, haben wir nur eine sehr geringe Kenntnis von Ihm. Wie anders wird es für unser Herz, wenn wir verstehen, dass Er eine lebende Person ist, die jetzt zur Rechten Gottes im Himmel ist! Die große Frage ist, ob wir Interesse haben für Christus und alles, was in Ihm ist. Wenn wir Ihn lieben, wird sich das darin zeigen, dass wir alles kennenlernen wollen, was man von Ihm erkennen kann. Von den Werken Gottes wird gesagt: „Sie werden erforscht von allen, die Lust an ihnen haben“ (Ps 111,2). Wenn wir den Herrn lieben, werden wir ernsthaft versuchen, alles kennenzulernen, was von Ihm ist, und überall zu sein, wo wir Ihm begegnen können. Ich betrüge mich selbst, wenn ich meine, den Herrn zu lieben, und doch meine Bibel, die Zusammenkünfte um den Herrn und die Zusammenkünfte, wo sein Wort gebracht wird, vernachlässige.

Eine Kompassnadel zeigt immer auf den Pol. Wohl kann sie schwingen, wenn es stürmisch ist und die Wogen hochgehen, aber ihre Richtung verändert sich nicht. So zeigt auch die „Nadel“ des Herzens eines Christen immer auf Christus. Wer den Herrn kennt, Ihn liebt und weiß, dass Er für ihn auch durch alle diese Umstände auf der Erde gegangen ist, wird nicht kämpfen, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen, sondern aufschauen zu Ihm, damit Er ihn in den Schwierigkeiten unterstütze und bewahre. So wird er durch die Anziehungskraft Christi in der Herrlichkeit über alle Schwierigkeiten hinaus erhoben. Inmitten aller irdischen Umstände ist sein Herz frei; er ist erhoben zu dem wunderbaren Platz der Freiheit und Liebe, wo Christus ist. Er hat die Errettung seiner Seele, während er sich noch in den Umständen auf der Erde befindet und sein Leib noch teilhat an den Folgen der Sünde, des Fluches über die Erde und der Macht Satans in der Welt.

Wie deutlich muss es aus diesen letzten Versen den gläubigen Israeliten, an die dieser Brief gerichtet ist, geworden sein, wie viel kostbarer das Teil des Christen im Vergleich zu dem Teil Israels ist. Kein Israelit, selbst die nicht, die vor dem Kreuz mit dem Herrn verbunden waren und dadurch größer waren als alle zuvor (Mt 11,11; Lk 10,24), konnten die Liebe des Herrn und Ihn selbst kennen, wie wir Ihn kennen, die wir sein Leben und Sterben auf der Erde gesehen haben und wissen, dass Er es aus Liebe zu uns tat (Gal 2,20; Eph 5,2-25)! Sie kannten keinen verherrlichten Herrn im Himmel (Heb 2,9; 2Kor 3,18) und hatten in sich nicht den Heiligen Geist als die göttliche Kraft, die uns in eine lebendige Verbindung mit Christus im Himmel gebracht hat und uns fähig macht, jetzt alle Kostbarkeiten seiner Person zu genießen (Joh 4,14). Die Gläubigen des Alten Bundes kannten manchmal zeitweilige irdische Rettungen, aber niemand von ihnen kannte die Errettung der Seele.

Vers 10

1Pet 1,10: … über welche Errettung Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade gegen euch geweissagt haben,

Die Propheten hatten von der Errettung gesprochen; nicht nur über die vollständige äußerliche Befreiung Israels, obwohl sie ja im Vordergrund steht, sondern auch über die Errettung der Seele. Wenn die Kinder Israel aufgrund ihrer Übertretungen und Sünden gegen Gott in die schwierigsten Umstände gekommen sein werden, dann muss „Befreiung“ auch bedeuten, dass ihre Sünden vergeben werden.

Als Beispiel nenne ich: Wenn Jakob prophetisch über die Zukunft seiner Söhne redet, sagt er unter anderem: „Dan wird eine Schlange sein am Wege, eine Hornotter am Pfade, die da beißt in die Fersen des Rosses, und rücklings fällt der Reiter“ (1Mo 49,17). Sehen wir hier nicht sogleich in Verbindung mit dem Wort Gottes zu der Schlange: „Er [der Same der Frau] wird dir den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse Zermalmen“ (1Mo 3,15), die Juden, die sich von Satan gebrauchen lassen, um den Herrn zu ermorden? Jakob lässt daher auch unmittelbar darauf die Worte folgen: „Auf deine Rettung harre ich, HERR.“

Jesaja sagt, dass „ER“ zerschlagen worden ist, damit Israel Heilung empfinge, und dass sie Frieden empfangen würden, weil ER die Strafe trug (Jes 53,5).

Daniel bekennt die Sünden des Volkes vor Gott und erhält die Antwort, dass nach einer bestimmten Zeit die Übertretung zum Abschluss gebracht werden würde, den Sünden ein Ende gemacht, die Ungerechtigkeit gesühnt und eine ewige Gerechtigkeit eingeführt werden würde (Dan 9).

Wir können verstehen, dass die Gläubigen aus den Juden, an die Petrus schrieb, Gefahr liefen, nach den herrlichen Zeiten eines David, Salomo (2Chr 9,22-27) usw. zurückzuverlangen. Damals befand sich das Volk im Lande, es war reich und geehrt, und der Thron des Herrn (HERRN) war in Jerusalem (1Chr 29,23). Jetzt waren sie zerstreut und verachtet, und das Land war unter der Herrschaft der Römer. Haben auch wir, als Kinder und auch später noch, als wir die wunderbare christliche Stellung noch nicht verstanden, nicht oft verlangt, in Palästina gelebt zu haben, als der Herr dort segnend umherging?

Ja, die Zeit war wirklich weit erhaben selbst über die herrlichsten Tage Israels (Mt 11,11). Der Herr sagt zu den Jüngern: „Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr anschauet, und haben es nicht gesehen; und zu hören, was ihr höret, und haben es nicht gehört“ (Mt 12,42; Mt 13,17; Lk 10,24; Joh 8,56).

Dennoch sagt der Herr zu den Jüngern, dass es für sie nützlich sei, dass Er zum Vater zurückgehe (Joh 16,7). Paulus schreibt: „Wenn wir aber auch ChristuS nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr also“ (2Kor 5,16). Unsere Stellung ist unendlich herrlicher als die des gesegnetsten Jüngers, zu der Zeit als der Herr auf der Erde war. Wir kennen Ihn nicht länger nur als den Messias, sondern als den „Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Wir sehen Ihn in der Herrlichkeit und sind dort mit Ihm vereinigt (Eph 1,23). Der Heilige Geist wohnt in uns (1Kor 6,19), und wir wissen, dass Er uns bald holen wird, damit auch unser Leib Ihm gleichförmig sein wird (Phil 3,21; 1Joh 3,2).

Die Propheten der alten Zeit hatten die Errettung bis zu einem gewissen Maße kennengelernt. Gott hatte ihnen das offenbart. Aber sie besaßen sicher keine so klare Kenntnis davon wie wir, die wir den Heiligen Geist besitzen, der uns in die ganze Wahrheit leitet (Joh 16,13). Sie hatten aber doch durch die Inspiration Gottes einiges Licht darüber empfangen und hatten das, was sie selbst gesprochen und geschrieben hatten, untersucht und erforscht, obwohl sie nicht alles verstehen konnten (Dan 7,16-28; 8,13-26; Jer 32,25). Die griechischen Wörter für „nachsuchen“ und „nachforschen“ sind hier zusammengesetzte Tätigkeitswörter, die ein genaues und eifriges, anstrengendes Fragen und Untersuchen bedeuten.

Mussten die Gläubigen, an die der Brief gerichtet war (und wir ebenso!), nicht beeindruckt werden von der Größe der ihnen (und uns) bereiteten Gnade, wenn diese Männer der alten Zeit so ernst und eifrig alles untersuchten, was Gott über diese Gnade offenbart hatte, obwohl sie wussten, dass diese Gnade nicht für sie war, sondern für uns (1Pet 1,12)?

Wie bestätigt dieser Vers auch die völlige Inspiration der Bibel. Die Propheten sprachen nicht die Erwartungen ihres eigenen Verstandes oder Gefühls aus (2Pet 1,21). Sie mussten die Worte, die sie selbst ausgesprochen oder niedergeschrieben hatten, untersuchen, um sie wenn möglich zu verstehen (Dan 12,8.9).

Im Griechischen steht kein Geschlechtswort vor Propheten. Es sind also nicht speziell die Schreiber der sogenannten prophetischen Bücher des AT damit gemeint, sondern mehr im Allgemeinen der Charakter derer, die über die Errettung geweissagt hatten. Dazu gehört zum Beispiel auch Jakob (1Mo 49).

Vers 11

1Pet 1,11: … forschend, auf welche oder welcherlei Zeit der Geist Christi, der in ihnen (war), hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christum (kommen sollten), und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte.

Das Wort „forschend“ ist im Griechischen dasselbe Wort wie in Vers 10 (nachforschen), aber die verstärkende Vorsilbe „ex“ ist in Vers 11 weggelassen. Die Zeitform (Partizip Präsens Mittelwort der Gegenwart) weist darauf hin, dass man es beständig, immerzu tat. Die große Ehre für die Propheten, Weissagungen aussprechen oder niederschreiben zu dürfen, machte es nicht unnötig oder nutzlos, diese Weissagungen ernsthaft zu untersuchen, damit sie etwas verständen von dem, was sie aus der Fülle Gottes hatten mitteilen dürfen. Abhängigkeit, verbunden mit Vertrauen auf die Güte Gottes und sein gnädiges Entgegenkommen in unserer Unwissenheit und Schwachheit, ist immer notwendig. Aber die Tatsache, dass Gott uns sein Wort gegeben hat, ermutigt uns, Ihn um Verständnis dafür zu bitten und auf Ihn zu warten, insoweit es Ihm gefällt, es uns zu geben. Das taten die inspirierten Männer, von denen hier gesprochen wird, und das sollten auch wir tun.

Aber gibt es etwas, das deutlicher macht, dass „die Weissagung niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht“ wurde? – „Heilige Männer Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geiste“ (2Pet 1,21). Mit ehrfürchtigen Herzen untersuchten die Propheten, was sie selbst niedergeschrieben hatten. So wenig war also ihre Prophezeiung beschränkt durch ihr eigenes Verständnis oder das, was vielleicht der Anlass der Weissagung war. Gott gebrauchte sie als Instrumente, aber durch eine Macht, die außer ihnen lag. Aber ihre Seelen waren in Gemeinschaft mit Gott, und so offenbarte Er ihnen, während sie demütig auf Ihn warteten, dass sie diese Dinge nicht für sich selbst bedienten, sondern für uns, die erst später kommen sollten!

Die Kraft, die in ihnen wirkte, war der „Geist Christi“! Dieser Name für den Heiligen Geist wird auch an anderen Stellen gebraucht (Röm 8,9; Phil 1,19; Apg 16;7). Aber der Gebrauch ist hier umso bemerkenswerter, weil der Herr erst lange nachdem die Propheten geschrieben hatten, zum Christus wurde. In Römer 8,9 wird der Geist so genannt, denke ich, weil Er in praktischer Kraft uns zu Übereinstimmung mit Christus formt. Hier in unserer Stelle wird der Grund darin liegen, dass die Propheten über Ihn als den Christus sprachen (Off 19,10), ja dass Er manchmal persönlich geradewegs in ihnen spricht (Ps 22; 40; Jes 49; 61; 63; 65).

Das griechische Wort für „zuvor zeugen“ kommt im NT nur hier vor. Es bedeutet „nachdrücklich etwas sagen“, und spricht davon, dass das was gesagt wird, von großer Bedeutung ist, oder auch einen Gegensatz zu Meinungen und Wünschen ausdrückt.

Der Geist Christi hatte auch nicht nur von „dem Leiden Christi“ gesprochen, sondern von „den Leiden (Mehrzahl) die auf Christum kommen sollten“! Es handelte sich nicht nur darum, dass Er leiden würde, sondern dass Er „leiden musste“ (Lk 24,26.46)! Diese Leiden waren für Ihn bereitet, damit Er sie erdulden sollte. Es ist im Griechischen dieselbe Form, wie die in Vers 10 bei „Gnade“ gebrauchte. Wie die Gnade, von der die Propheten gesprochen hatten, für uns bereitet war, so waren die Leiden, von denen sie sprachen, für Christus bereitet.

Da einige es so darstellen, als ob hier über das Leiden Christi und der Versammlung gesprochen wird (z.B. Calvin), müssen wir bemerken, dass Petrus den Namen „Christus“ immer persönlich gebraucht und nie für „Christus und die Versammlung“, wie Paulus es an manchen Stellen tut (1Kor 12,12). Vergleiche zum Beispiel 1. Petrus 4,1.13.

Wie seltsam mag es den Propheten vorgekommen sein, dass für den kommenden Messias nicht nur Herrlichkeiten, sondern Mich Leiden bereitet waren. Die gläubigen Israeliten erwarteten, dass Gott durch Ihn die Feinde vernichten und sein Volk erlösen würde. Wie sollte Er dann leiden müssen?

Dass es Leiden gibt als Folge der Sünde, wussten alle. jedem, der einigermaßen seine Sünden erkannt hatte, war klar, dass Gott die Sünden in seinem gerechten Gericht bestrafen musste. Aber dass Er leiden musste, der von Gott genannt wurde: „Mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat“ (Jes 42,1), das war für sie schwer zu verstehen. Wir wissen, dass sogar die jünger es trotz wiederholter Mitteilungen des Herrn (Lk 17,25; 24,26; 24,46) nicht glauben wollten, so dass sie völlig verwirrt waren, als der Herr gekreuzigt wurde.

Dennoch war die Schrift klar und deutlich. Schon im Garten Eden hatte Gott gesagt, dass der Same der Frau der Schlange den Kopf zermalmen würde, nachdem die Schlange ihm die Fersen zermalmt haben würde (1Mo 3,15). Daniel weissagte, dass der Messias weggetan (eigentlich: ausgerottet) werden würde und nichts haben würde (Dan 9,26). Jesaja schrieb über den leidenden Knecht des HERRN (Jes 53), Sacharja über den, der der Genosse des HERRN war und doch geschlagen wurde (Sach 13,7). So könnten wir fortfahren. Denken wir nur an die Psalmen! Wie viele Bilder weisen auch darauf hin, dass der Messias erst von seinen Brüdern verworfen werden würde und leiden müsste, ehe Er die Herrlichkeit empfangen würde (Ps 105,17-22).

Niemand kann die Wege Gottes begreifen, ehe Gott seinen Weg gegangen ist (2Mo 33,20-23). Um es zu können, müssten wir Gott gleich sein und denken wie Er denkt. Wer von den Gläubigen im AT hat gewusst, wie schrecklich die Sünde in den Augen Gottes war? Wer von ihnen hat gewusst, wer Gott in Gnade, Barmherzigkeit und Liebe gegenüber schuldigen Geschöpfen ist? Sie konnten es nicht wissen! Wir können uns eine gewisse Vorstellung davon machen, weil wir das Kreuz sehen. Dort wurde offenbar, wie hassenswürdig Sünde in den Augen Gottes ist (Röm 8,3; 5,8). Da sehen wir, dass Gott nicht nur lieb, sondern Liebe ist (1Joh 4,8).

Die Rabbiner suchten dieser Schwierigkeit auszuweichen, indem sie annahmen, dass es zwei Messiasse geben würde, einen leidenden und danach einen herrschenden. Die Propheten glaubten dem Wort Gottes und untersuchten es, um zu erfahren in welcher oder welcherlei Zeit das stattfinden würde. Sie wollten gern das „wann“ und das „wie“ dieser wunderbaren Dinge wissen.

Wir haben gesehen, dass das Wort „Leiden“ ebenso wie das Wort „Herrlichkeiten“ im Griechischen in der Mehrzahl steht. Die Schrift spricht über mehrere Arten von Leiden und Herrlichkeiten in Bezug auf den Herrn. Das tiefste Leiden war natürlich das Leiden am Kreuz in den Stunden der Finsternis. Da trug der Herr unsere Sünden und wurde für uns zur Sünde gemacht. Was muss das für seine heilige Seele gewesen sein! Da schlug das Schwert der Gerechtigkeit Gottes (Sach 13,7) – eines Gottes, in den gar keine Finsternis ist (1Joh 1,5), und der zu heilig ist, als dass Er Sünde sehen kann – Ihn, der sagen konnte: „Ich tue allezeit das ihm Wohlgefällige“ (Joh 8,29). Da musste der Herr ausrufen: „Warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Kein Geschöpf kann die Tiefe dieses Leidens ermessen! Wir können es nur aus großer Entfernung sehen und anbeten.

Außerdem hat der Herr auch um der Gerechtigkeit willen gelitten. Er zeugte gegen das Böse und wurde darum verworfen. Wie muss der Herr auch die Sünde und Ungerechtigkeit hier auf der Erde gefühlt haben! Welch eine Qual muss es für seine heilige Seele gewesen sein, in dieser Atmosphäre der Sünde, der Ungerechtigkeit, der Unreinigkeit und des Hasses zu leben! Er klagt: „Sie haben mir Böses für Gutes erwiesen und Hass für meine Liebe“ (Ps 109,5). Er war allein, der große Einsame (Ps 102,6.7)!

Der Herr erduldete auch das ganze Leiden, das auf uns als Kinder Gottes kommt, damit Er der Urheber unserer Errettung sein konnte und uns sicher in die Herrlichkeit bringen kann (Heb 2,10). Zu diesem Zweck wurde Er auch in allem (vom Teufel) in gleicher Weise versucht wie wir, ausgenommen die Sünde (Heb 2,18; 4,15).

Er hat auch gelitten in Gemeinschaft mit dem gläubigen Überrest aus den zwei Stämmen (Jes 63,9). Hauptsächlich in den letzten Tagen vor dem Kreuz, nach dem Einzug in Jerusalem (Mt 21), trat Er in die Umstände und den Zustand ein, in die der gläubige Überrest bald – in der großen Drangsal – kommen wird. In den Psalmen finden wir beständig den Ausdruck dieses Leidens in seiner Seele, wodurch prophetisch dem Überrest die Gedanken und Worte gegeben werden, durch die sie dann, wenn sie sich in diesem Leiden befinden werden, auf vollkommene Weise ausdrücken können, was der Heilige Geist in der Zeit und in den Umständen in ihren Herzen wirken wird.

Aber auch die Herrlichkeiten sind vielseitig. Wir wissen, dass Er auferstanden und zum Himmel aufgefahren ist, dass Er auf dem Thron des Vaters sitzt und dass Er als Haupt über alles der Versammlung gegeben ist (Eph 1,22). Aber dies sind größtenteils Herrlichkeiten, die in Verbindung mit dem Geheimnis stehen, das in allen Zeitaltern in Gott verborgen war, und die wir daher im AT nicht finden (Eph 3,4-11). Wohl finden wir dort seine zukünftige Herrschaft über sein Volk Israel, ja über die Enden der Erde. Wir finden die Folgen seiner Regierung hier auf der Erde und wie die Wüste blühen wird wie eine Narzisse (Jes 9; 11; 32; 35) und die Nationen jauchzen werden (5Mo 32,43). Und wir wissen noch mehr: Wir kennen seine Herrlichkeit als das Lamm, seine ewige Herrlichkeit und alle die wunderbaren Herrlichkeiten, die das NT uns offenbart hat. Erfreut unser Herz sich nicht daran?

Vers 12

1Pet 1,12: … welchen (es) geoffenbart wurde, dass sie nicht für sich selbst, sondern für euch die Dinge bedienten, die euch jetzt verkündigt worden sind durch die, welche euch das Evangelium gepredigt haben durch (den) vom Himmel gesandten Heiligen Geist, in welche Dinge Engel hineinzuschauen begehren.

Gott offenbarte den Propheten, dass das, was sie geweissagt hatten, nicht in erster Linie für sie selbst war, sondern für andere, die nach ihnen kommen würden. Er tat es, indem Er es ihnen geradewegs sagte (Dan 12,1-9), oder dadurch, dass es ihnen aus ihren eigenen Weissagungen deutlich wurde (Dan 9,26).

Der Ausdruck „für euch“ wird in diesem Brief wiederholt und mit Nachdruck gebraucht. Er will den schwachen Überrest der Treuen, an den dieser Brief geradewegs gerichtet ist, daran erinnern, dass für sie, obwohl sie schwach und verachtet sind, reiche und kostbare Dinge bedient werden durch das Evangelium. Die Propheten hatten nach diesen Dingen Ausschau gehalten (Mt 13,17), und die wahren Gläubigen hatten darauf gewartet (Lk 2,25-32). Vergleiche Hebräer 11,39.40.

Die Zeit, in der das Wort „bedienten“ steht (Imperfekt, Vergangenheit), spricht von einem wiederholten, anhaltenden Dienen, einer nach dem anderen, immer wieder! Wie viel hat uns das zu sagen! Für die Propheten war die Geschichte erfüllt von den Ereignissen dieser ernsten Erwartung: „Die Leiden, die auf Christum kommen sollten, und … (die) Herrlichkeiten danach“.

Zu ihrer Zeit gab es alte Kulturen, große Weltreiche und hohe menschliche Erwartungen. Beschäftigten ihre Gedanken sich mit ihnen? – Vielmehr waren ihre Herzen auf die Geheimnisse des Kreuzes gerichtet, auf die Erniedrigung und den Sühnetod eines siegreichen Leiders und auf seine Herrlichkeiten danach. Sie beurteilten die Umstände und die Zukunft im Licht dieser beiden Dinge. Wenn sie jetzt leben würden, wären ihre Gedanken dann nicht voll von der Erfüllung dieses wunderbaren Werkes am Kreuz und von der Erwartung der zukünftigen Herrlichkeiten? Wenn das Kreuz der Gegenstand der verherrlichten Heiligen ist (Lk 9,31) und in Ewigkeit bleiben wird (Off 5,6-14), ist es dann nicht groß und würdig genug, um auch unsere Herzen jetzt zu füllen und unsere Zungen in Bewegung zu bringen? Lasst uns darüber nachdenken! In dem Maße, wie unsere Gedanken mit den Erwartungen der Menschen dieser Welt gleichgerichtet sind, ist unsere Gemeinschaft mit dem Geist dieser heiligen Männer des AT herabgesetzt, die Gott unterworfen waren.

Die Christus betreffenden Dinge, über die die Propheten gesprochen hatten, waren nun angekündigt durch die, die ihnen das Evangelium gepredigt hatten. Das Wörtchen „die“ (diejenigen, die das Evangelium predigten) weist darauf hin, dass der Apostel bestimmte Personen im Auge hatte, sich selbst aber wahrscheinlich nicht dazu zählte.

Das Evangelium stellt die Leiden Christi und die Herrlichkeiten danach wohl mit großer und göttlicher Deutlichkeit dar, aber es gibt die Herrlichkeiten nicht als einen gegenwärtigen Besitz. Das wird erst so sein, wenn der Herr erscheint (1Pet 1,13).

Als die Propheten über die Leiden Christi und die Herrlichkeiten danach sprachen, lag beides noch in der Zukunft. Wir stehen zwischen dem beendeten Leiden und den Herrlichkeiten, die noch kommen werden. Es steht hier nicht, dass wir diese Herrlichkeiten jetzt schon empfangen haben, aber sie sind uns verkündigt worden, und zwar durch den aus dem Himmel gesandten Heiligen Geist. Bis zum Pfingsttage wohnte der Heilige Geist nicht auf der Erde, ebenso wie auch von alters her man nach dem Kommen Christi auf die Erde ausschaute, als Er hier noch nicht war. Die zwei großen charakteristischen Tatsachen des Christentums sind, dass ein verherrlichter Mensch im Himmel ist (Eph 1,10-22) und der Heilige Geist auf der Erde wohnt (1Kor 3,16). So geben diese beiden Verse (1Pet 1,11.12) den großen Unterschied zwischen Judentum und Christentum an.

Natürlich war der Heilige Geist immer auf der Erde wirksam. Er war immer die ausführende Kraft von allem, was Gott tat. Wir finden Ihn schon in 1. Mose 1,2. Jeder, der in der Zeit vor dem Werk am Kreuz nicht verloren gegangen ist, war wiedergeboren und bekehrt durch die Wirkung des Heiligen Geistes. Denn ohne Wiedergeburt konnte und kann niemand das Reich Gottes – nicht einmal in seiner irdischen Form – sehen oder darin eingehen (Joh 3,3.12). Aber der Heilige Geist war noch nicht durch den Vater und den Sohn vom Himmel gesandt (Joh 14,26; 15,26; Apg 2,33), um hier auf der Erde die zerstreuten Kinder Gottes in eins zu versammeln, indem Er sie zum Leibe Christi taufte (1Kor 12,13).

Während Er nun auf der Erde im Leibe jedes einzelnen Gläubigen (1Kor 6,19) und in der Versammlung als Ganzem wohnte (1Kor 3,16), gibt Er sogar dem jüngsten Gläubigen Einsicht in die Gedanken Gottes (1Joh 2,20) und bringt ihn in eine lebendige Verbindung mit dem Herrn selbst (Joh 4,14; 1Joh 5,20). So kann Er im Evangelium alles deutlich und vollkommen geoffenbart vorstellen, worüber Er früher als der Geist Christi oder der Geist der Weissagung durch die Propheten in prophetischer Sprache oder in Bildern gesprochen hat. Aber außerdem offenbart Er auch die himmlischen Dinge, die Gott für uns, die Christus in der Zeit seiner Verwerfung angenommen haben, bereitet hat und die wir in Christo schon besitzen (Joh 3,12; 1Kor 2,6.7; Eph 1,3). Es wird ja nicht gesagt, dass das ganze Evangelium aus Wahrheiten besteht, die früher schon durch die Propheten niedergeschrieben worden sind. Das Evangelium ist nicht nur eine deutliche Verkündigung dieser Dinge, sondern unendlich viel mehr! Der Heilige Geist hat ein ganz neues Buch, das Neue Testament, gegeben, um uns alles zu erzählen, was das Evangelium umfasst. Er hat es niederschreiben lassen auf Griechisch, der Sprache der Heiden, der Nationen, zu denen auch wir gehörten, und nicht auf Hebräisch, der Sprache der Propheten und des irdischen Volkes Gottes. Sogar der Brief des Jakobus, der an die zwölf Stämme gerichtet ist (Jak 1,1), und die Briefe des Petrus, die an gläubige Juden gerichtet sind, sind auf Griechisch geschrieben!

Wörtlich steht im Griechischen, dass diejenigen, die das Evangelium verkündigt haben, es „in“ Heiligem Geist getan haben. Das sagt mehr, als dass der Heilige Geist es ihnen nur befohlen hat. Sie taten es in der Kraft des Heiligen Geistes, und ihre Predigt war vom Heiligen Geist gekennzeichnet, und zwar in dem Charakter, in dem der Heilige Geist jetzt auf der Erde ist: als der Geist gegenwärtiger Gemeinschaft aufgrund einer vollbrachten, vollkommenen Erlösung.

„In welche Dinge Engel hineinzuschauen begehren“

Wie beschämend ist dies für uns, die wir das Forschen im Worte Gottes so vernachlässigen und so wenig Verlangen haben, in all die kostbaren uns geschenkten Segnungen einzudringen, die darin geoffenbart sind!

Das griechische Wort für „hineinschauen" wird auch gebraucht (für „vornüberbücken“ und „hineinbücken“ in das Grab des Herrn durch Petrus, Johannes und Maria (Lk 24,12; Joh 20,5.11). Das Wort stellt jemand dar, der sich niederbeugt und seinen Hals ausstreckt, um etwas Wunderbares zu erblicken. Es ist dasselbe, was auch die Cherubim auf dem Versöhnungsdeckel der Bundeslade tun (2Mo 25,20). Engel sind vom Herrn bewahrt worden. Ihnen wurde es gegeben, ihren ersten Zustand zu bewahren; sie haben nicht eine Erlösung nötig wie wir schuldige Menschen. Für die gefallenen Engel gibt es nur Gericht (2Pet 2,4).

Die Engel durften jauchzen vor Freude, als Gott den Eckstein der Erde legte. Aber haben sie Gott gekannt oder gesehen, ehe sie das Kindlein Jesus in der Krippe von Bethlehem sahen? Vorher gab es keine Offenbarung Gottes! Sie sahen Gott, als sie den wunderbaren Säugling sahen! Bei seiner Geburt konnten die himmlischen Heerscharen nicht schweigen. Eine große Menge von ihnen kam mit dem Engel, der seine Geburt ankündigte, um Gott zu loben und zu sagen: „Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, an den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk 2,9-14)! Der ganze Himmel beschäftigte sich mit dem, was hier auf der Erde stattfand, denn der Sohn Gottes war in unsere Welt gekommen.

Engel dienten Ihm, als Ihn hungerte nach der Versuchung Satans in der Wüste (Mt 4,11). Engel kamen, um Ihn im Garten Gethsemane zu stärken (Lk 22,43). Engel waren bei seinem Grabe (Lk 24,4), als Er auferstanden war. Engel bewiesen ein wunderbares Interesse an seiner Geburt, seinem Leben, seinem Sterben und seiner Auferstehung, alles Dinge „in welche Engel hineinzuschauen begehren“, obwohl Er nicht für sie gekommen war, sondern für uns Sünder. Die Engel jubelten bei seiner Geburt, aber sie schwiegen bei seiner Auferstehung. Es ist als ob sie sagten: „Hier müssen wir das Jubeln denen überlassen, die es am meisten angeht.“ Sie überlassen es uns, um deren Sünden willen Er dahingegeben und um deren Rechtfertigung wegen Er auferweckt worden ist (Röm 4,25)! Ihr Schöpfer starb nicht für sie, sondern für uns!

Voll von Interesse blicken die Engel auf uns nieder, um zu sehen, welche Wirkung diese wunderbaren Dinge auf unseren Wandel ausüben (1Kor 4,9; 11,10). Engel blicken auf die Versammlung nieder, weil sie in ihr die mannigfaltige Weisheit Gottes kennenlernen können (Eph 3,10). In uns und in dem, was uns gegeben worden ist, können sie Gott und vor allen Dingen den einen Menschen, der Gott geoffenbart im Fleische ist, kennenlernen.

Diese gesegneten Wesen kennen nicht die Fülle dessen, was jetzt das Teil jedes Gläubigen ist, so wie wir, die Teilhaber der Erlösung, sie kennen (1Kor 2,9.10). Sie haben den sehnlichen Wunsch, sie „begehren“, das alles kennenzulernen. Wie wunderbar, wie gesegnet muss dann das sein, was uns aus Gnaden geschenkt worden ist. Wie traurig, dass wir praktisch so wenig davon kennen und genießen, weil wir den nichtigen Dingen dieser Erde den Vorzug geben.

Vers 13

1Pet 1,13: Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, (seid) nüchtern (und) hoffet völlig auf die Gnade, (die) euch gebracht (wird) bei (der) Offenbarung Jesu Christi;

Das Wort „deshalb“ verbindet Vers 13 mit den vorhergehenden Versen. Darin haben wir gesehen:

  1. Die Leiden Christi und die daraus hervorgehenden Herrlichkeiten danach, welche die Segnungen des AT weit übertreffen, sind von den Propheten vorhergesagt worden.
  2. Sie sind jetzt durch den Heiligen Geist verkündigt worden.
  3. In 1. Petrus 1,13 lesen wir, dass die Gläubigen diese Herrlichkeiten bei der Offenbarung des Herrn vollständig empfangen werden.

Offenbar spielt der Apostel auf das erste Passah in Ägypten (2Mo 12,11) an. Konnte etwas anderes den gläubigen Juden, an die er schreibt, ein deutlicheres Bild ihrer Stellung geben? Ein Volk, das gegen das Gericht Gottes geschützt ist, das in Eile das Land der Knechtschaft verlässt, um nach einem Land zu ziehen, das von Milch und Honig fließt? Der Herr gebraucht dasselbe Bild: „Es seien eure Lenden umgürtet und die Lampen brennend; und ihr, seid Menschen gleich, die auf ihren Herrn warten“ (Lk 12,35). Dadurch legt er den Nachdruck auf ihren Charakter als Pilger, die auf Ihn warten.

Im Orient trug man lange, weite Kleider. Wenn man schnell laufen oder arbeiten musste, zog man den Gürtel strammer, hob die Enden der Kleider und steckte sie in den Gürtel, so dass die Beine frei waren und die Kleider beim Laufen und Arbeiten nicht hinderlich waren (Joh 13,4). So will der Herr, dass wir es uns auf der Erde nicht gemütlich machen, sondern immer bereit sind, mit Ernst seinen Willen zu tun. Die Zeitform, in der das griechische Wort für „umgürtet“ steht (Aorist), trägt den Gedanken der Vollständigkeit, dass es ein für alle Mal so ist.

Das griechische Wort, das hier mit „Gesinnung“ übersetzt ist (vgl. Lk 1,51; Kol 1,21; 2Pet 3,1), wird in Epheser 2,3 durch „Gedanken“ wiedergegeben. Es bedeutet also nicht „Verstand“ im Gegensatz zu „Herz“, wie wir manchmal diesen Gegensatz machen, sondern es ist die Fähigkeit, mit dem Geist, dem Verstand, zu unterscheiden und dadurch zu verstehen. Aus Lukas 1,51 wird deutlich, dass es eng mit dem Herzen zusammenhängt und daher also auch mit dem Willen.

So wie das Wort „Lenden“ in der Schrift gebraucht wird, glaube ich, dass es das Geheimnis der Kraft angibt. Vergleiche 5. Mose 33,11; Hiob 40,11; Sprüche 31,17.

Es wird hier also gesagt, dass wir unseren Gedanken, unserer Gesinnung, unserer Fähigkeit zu unterscheiden und zu verstehen, unseren Gefühlen und unserem Willen nicht freie Bahn lassen dürfen. Wir wissen, wie leicht unsere Gefühls- und Gedankenwelt von Dingen, denen wir unsere Aufmerksamkeit schenken, in Anspruch genommen wird: durch Radio, Zeitung, Zeitschriften, Bücher, Theorien von Menschen usw. Wir müssen unsere Gesinnung umgürten, damit wir nicht verunreinigt werden und uns nur beschäftigen können mit der „Gnade, die uns gebracht wird bei der Offenbarung Jesu Christi“.

Hiob hat dies praktisch verwirklicht. Er sagt: „Ich habe mit meinen Augen einen Bund gemacht, und wie hätte ich auf eine Jungfrau geblickt!“ (Hiob 31,1). Paulus sagt: „Indem wir Vernunftschlüsse zerstören und jede Höhe, die sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam des Christus“ (2Kor 10,5). Wenn ich meinen Verstand gefangen gebe unter den Gehorsam des Christus, dann werde ich nie etwas „verstehen“, wodurch bewiesen werden soll, dass etwas aus dem Wort Gottes falsch ist. Ich werde dann nie versuchen, eine Erklärung für eine Schriftstelle zu finden, wodurch bewiesen würde, dass das Wort nicht im Widerspruch zu einer menschlichen Theorie oder etwas, was die Menschen „Wissenschaft“ nennen, stünde. Ich werde dann nur nach den Gedanken Gottes fragen (Eph 6,14) und mich bedingungslos vor der Autorität seines Wortes beugen, wie es mir durch die Leitung des Heiligen Geistes deutlich wird, wenn ich es betend in tiefer Abhängigkeit untersuche, und werde menschliche Theorien durch das Wort beurteilen, das heißt, wenn der Herr mir den Auftrag gibt, diese Theorien zu beurteilen, was in seinen normalen Wegen mit den Seinen eine große Ausnahme wäre (Röm 16,19b).

„Seid nüchtern.“ – Die Zeitform, in der das Wort steht (Partizip Präsens), gibt an, dass es ein bleibender Zustand sein soll, eine beständige Gewohnheit. Es bedeutet, dass wir nicht unter irgendeinem Einfluss stehen. Wenn wir morgens noch nichts gegessen oder getrunken haben, sind wir nüchtern; in Bezug auf berauschende Getränke wird das Gleiche gesagt, wenn wir keine getrunken haben (Lk 12,45).

Wer nicht nüchtern ist, sieht nicht klar und sieht die Wirklichkeit nicht. Er ist auch nicht mehr imstande, sich mit einer Sache zu beschäftigen. Wir müssen uns freihalten von der berauschenden Macht der gegenwärtigen Welt, damit wir unseren Blick ungehindert auf die zukünftige richten können. Wir dürfen nichts erlauben, einen Einfluss auf uns auszuüben, weder auf unseren Verstand noch auf unser Gefühl (Gal 5,1.13), damit der Heilige Geist uns erfüllen und frei durch uns wirken kann (Eph 5,18).

Petrus ist in besonderer Weise ein Nährer der Hoffnung. Er öffnet die Augen der Hoffnung für die Herrlichkeit, die geoffenbart werden wird. Der Gürtel passt zu einem, der hofft, denn der Gürtel ist das Symbol des Abstehens von einem gegenwärtigen Genuss. Gürtel und Lampe sind die Kennzeichen eines Wartenden (Lk 12,35). Der Gürtel verhindert, dass die Gefühle sich mit gegenwärtigen Dingen beschäftigen; die Lampe zeigt, dass ich ein Reisender auf einem dunklen Wege bin.

Wir finden in diesem Kapitel Glauben an den Herrn, Liebe zu Ihm (1Pet 1,8) und hier die Hoffnung zu Ihm. Diese drei Dinge finden wir wiederholt zusammen im NT. Aber hier finden wir alles ausdrücklich mit einer Person verbunden, mit der Person dessen, den wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat.

Wir werden ermahnt, dasselbe zu tun, was auch die Propheten getan haben (1Pet 1,10-12). Sie beschäftigten sich mit der kommenden Herrlichkeit – wir sollen auf die Offenbarung Christi hoffen. Nach der Form, in der das Wort steht (Imperativ [Befehlsform] Aorist), ist es ein Gebot, dies ein für alle Mal zu tun.

Die Offenbarung Jesu Christi findet statt, wenn Er, begleitet von all seinen himmlischen Heiligen, aus dem Himmel auf die Erde kommt und jedes Auge Ihn so sehen wird (Jud 14; Off 19,14; 1,7). Dann wird die Welt sehen, wer Er in Wirklichkeit ist, den sie verworfen und gekreuzigt haben (1Kor 2,8). Sie werden auch sehen, wer wir in Wirklichkeit sind, denn auch wir werden geoffenbart werden (Kol 3,4; Röm 8,19). Wir haben schon gesehen, dass Petrus nicht über die Versammlung als solche spricht – das ist die Wahrheit, die dem Apostel Paulus geoffenbart worden ist. Daher spricht Petrus auch nicht über die Entrückung der Versammlung, wie es Paulus tut (1Kor 15,51-54; 1Thes 4,13-17). Er beschränkt sich – mit einer Ausnahme (2Pet 1,19b) – auf das Kommen des Herrn, um seine irdischen Heiligen zu erlösen und sie mit den Herrlichkeiten des tausendjährigen Friedensreiches zu segnen. Aber er spricht nicht über diese Erlösung und Herrlichkeit, sondern über das, was das Teil der himmlischen Heiligen sein wird, sowohl das Teil derer aus Israel, die den Herrn Jesus angenommen hatten und nun außerhalb des Volkes standen, als auch unser, der Gläubigen aus den Nationen, die dasselbe Teil mit ihnen haben. Er spricht über die Gnade, die uns dann gebracht werden wird.

Wir werden mit dem Herrn verherrlicht werden (Röm 8,17). Schon jetzt besitzen wir aufgrund seines Werkes und seiner Auferstehung die Errettung unserer Seele (1Pet 1,9). Das ist eine unaussprechliche Gnade. Aber es ist nicht die ganze Gnade. Wir erwarten die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes (Röm 8,23). Unser Leib wird verwandelt werden zur Gleichförmigkeit mit seinem Leibe der Herrlichkeit (Phil 3,21). Wir werden dem Bilde des Sohnes Gottes gleichförmig sein, damit Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern (Röm 8,29).

Die Herrlichkeit Christi und seiner himmlischen Heiligen wird dann über der Erde und den irdischen Heiligen scheinen. „Wenn der Christus, unser Leben, geoffenbart werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Die Erde und alle auf der Erde werden unsere Herrlichkeit sehen.

Das ist die Gnade, die uns gebracht werden wird bei der Offenbarung Jesu Christi. Welch eine Aussicht für arme „Fremdlinge von der Zerstreuung“ (1Pet 1,1; 2,11)! Ist das nicht ausreichend, um unsere Hoffnung völlig darauf zu richten, das heißt, alles dafür preiszugeben, alles dafür zu vergessen? Nach 3. Mose 11,9-12 sind Fische nur rein, wenn sie Schuppen und Flossen haben, und nur solche Fische durften die Israeliten essen. Die Schuppen sind der Schutz, damit das Wasser, in dem sie schwimmen, nicht eindringen kann; die Flossen lassen sie schnell vorwärtskommen. Sind das nicht die „umgürteten Lenden“? Alles, was im Wasser war und diese Schuppen und Flossen nicht besaß, sollte für Israel ein Gräuel sein. In drei Versen wird der Ausdruck „Gräuel“ dreimal darauf angewendet. Das zeigt uns, was der Einfluss und die Grundsätze der Welt in den Augen Gottes sind.

Die Hoffnung der Herrlichkeit Christi vertreibt notwendigerweise alles, was zur Welt gehört, aus unseren Herzen (1Joh 3,3). Aber dazu sind Entschlossenheit, Nüchternheit und umgürtete Lenden nötig. „Wir wünschen aber sehr, dass ein jeder von euch denselben Fleiß beweise zur vollen Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende, auf dass ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, welche durch Glauben und Ausharren die Verheißungen ererben“ (Heb 6,11).

Vers 14

1Pet 1,14: … als Kinder des Gehorsams bildet euch nicht nach [oder: seid nicht gleichförmig] den vorigen Lüsten in eurer Unwissenheit,

Nachdem Petrus uns im vorigen Vers bis zum Ende gebracht hat, führt er uns jetzt wieder zurück und sagt, wie wir wandeln sollen. Wir sollen nicht tun, was uns gut scheint, sondern was unser Vater uns sagt. Und Er wünscht, bei uns praktische Heiligkeit zu sehen.

Die Gläubigen werden hier „Kinder des Gehorsams“ genannt, wie an anderen Stellen „Kinder des Lichts“ (Eph 5,8) oder „Söhne des Lichts“ (1Thes 5,5) Die Ungläubigen werden „Kinder (des) Zorns“ (Eph 2,3) oder „Söhne des Ungehorsams“ (Kol 3,6; Eph 2,2; 5,6) genannt.

Das griechische Wort für „Kind“ (tekna) spricht von der Herkunft, dem Ursprung. Nichtwiedergeborene gehören zum Ungehorsam wie ein Kind zu seiner Mutter. Es ist ihre Natur, Gott ungehorsam zu sein (Röm 3,18). Wiedergeborene gehören zum Gehorsam. So haben wir hier die zwei Klassen von Menschen, über die die Schrift spricht, in ihrem wesentlichen und bleibenden Charakter. Über die eine Klasse wird der Zorn Gottes kommen (Eph 5,6), zur anderen Gruppe gehören alle, die „Geliebte“ sind (1Pet 2,11).

Alle Kinder Gottes sind also „Kinder (des) Gehorsams“, denn als Wiedergeborene tragen sie diesen Charakter. Dadurch, dass sie der Wahrheit gehorchten, wurden sie wiedergeboren durch das lebendige und bleibende Wort Gottes (1Pet 1,22.23). In Vers 2 wird es mit anderen Worten gesagt: „durch Heiligung des Geistes zum Gehorsam“ (1Pet 1,2) – zu dem Gehorsam eines Kindes, wie wir ihn in Vollkommenheit beim Herrn Jesus sehen. Da Er nun unser Vorbild und unser Leben ist, wurden wir durch den Heiligen Geist zu seinem Gehorsam und zur Besprengung mit seinem Blut gebracht. Der Heilige Geist brachte uns, als Er uns durch die Wiedergeburt absonderte, nicht zum Gesetz, wo die Juden waren, und noch weniger zur Zügellosigkeit der Heiden. Er brachte uns zum Gehorsam gegenüber dem Herrn Jesus und seinem Wort. Das ist das vollkommene Gesetz der Freiheit (Jak 1,25), wie es auch die Speise des Herrn war, den Willen des Vaters, der Ihn gesandt hatte, zu tun (Joh 4,34).

Hier (1Pet 1,14) wird nicht gesagt, wem wir gehorchen. Dadurch liegt der Nachdruck umso mehr auf dem Gehorsam selbst.

Wie immer behandelt Petrus die Frage praktisch. Wenn wir durch unsere neue Natur Kinder des Gehorsams sind, dann müssen wir das in unserem täglichen Leben zeigen. Unser Leben soll in Heiligkeit und nicht unseren früheren Lüsten gleichförmig sein. Es war umso wichtiger, dies in diesem Brief zu erwähnen, weil der Apostel an Gläubige aus den Juden schrieb. Wir laufen immer Gefahr, von einem Extrem ins andere zu fallen. Wie leicht hätten sie denken können, dass es für diejenigen, die von der Sklaverei des Gesetzes befreit waren, keine Gebundenheit mehr gab. Aber Christus hat uns vom Gesetz befreit, um uns in einen festen und viel tieferen Gehorsam zu versetzen (Gal 5,13; Röm 7,4). Wir sind freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes (gegen das Israel im Besonderen, aber auch der Mensch im Allgemeinen vergeblich kämpfte) durch das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu, der unser Gesetz ist (Röm 8,2). Das ist geschehen, damit durch die Erlösung die gerechte Forderung des Gesetzes in uns erfüllt würde, die wir nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln (Röm 8,4). Und was ist die gerechte Forderung des Gesetzes? Es ist die Forderung nach absolutem Gehorsam. Wir gehören nicht uns selbst, sondern sind durch einen Preis erkauft (1Kor 6,20). Wir sind nicht unter dem Gesetz, aber auch nicht ohne Gesetz vor Gott, sondern Christus gesetzmäßig unterworfen (1Kor 9,20.21)! Der Christ, der gegenüber der Autorität seines Herrn und seines Wortes frei sein will, verleugnet seinen Herrn.

Wir finden immer wieder in der Schrift, dass die Natur und die Praxis so miteinander verbunden sind. „Entweder machet den Baum gut und seine Frucht gut, oder machet den Baum faul und seine Frucht faul; denn aus der Frucht wird der Baum erkannt“ (Mt 12,33). – „Gott aber sei Dank, dass ihr Sklaven der Sünde wart, aber von Herzen gehorsam geworden seid dem Bilde der Lehre, welchem ihr übergeben worden seid! Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden“ (Röm 6,17.18).

Jeder Christ ist also ein „Kind des Gehorsams“, ein „Sklave Gottes“ und ein „Sklave der Gerechtigkeit“. Er ist es dem Wesen nach, von Natur aus. Aber daneben ist das Fleisch noch in ihm, denn es wird gesagt, dass er nicht auf Fleisch vertrauen soll (Phil 3,3). Dieses Fleisch gelüstet wider den Geist (Gal 5,17), aber der Geist gelüstet wider das Fleisch, „auf dass ihr nicht das tuet, was ihr wollt.“ Das bedeutet also, nicht nur nicht das Verkehrte tun, sondern den eigenen Willen ganz und gar nicht tun, also im Gehorsam den Willen eines anderen erfüllen – den Willen unseres Herrn.

Wir wollen nicht leugnen, dass zwei Naturen im Christen sind. Er sündigt: Das ist die Frucht der vorhandenen bösen Natur, des Fleisches. Er liebt das Volk Gottes und dient dem Herrn: Das ist die Frucht einer anderen Natur. „Die Sünde im Fleische“ (Röm 8,3) ist die Wurzel aller Sünden des Christen. Aber er ist von ihrer Macht befreit und kann es durch den Geist unterlassen, ihre Begierden zu tun, und sich im Herrn freuen und Gott gehorchen. Aber er darf nicht vergessen, dass das Fleisch in ihm ist, und er darf ihm auch nicht einen Augenblick vertrauen.

Besonders wichtig ist dabei, sich vor alten Gewohnheiten zu hüten. Wenn wir gerade Frieden gefunden oder Licht über unsere wunderbare Stellung als Christ oder über den wahren Charakter der Versammlung empfangen haben, vergessen wir oft, dass unsere Gewohnheiten aus unserem Zustand hervorkamen. In einer Zeit, in der der Heilige Geist noch unbetrübt ist (Eph 4,30) und Er daher die volle Kraft der neuentdeckten Wahrheit auf unsere Seele ausüben kann, haben diese Gewohnheiten wenig Kraft in unserem Leben. Aber wenn die erste Frische vorüber ist, nehmen sie leicht ihren bösen Einfluss wieder auf.

Außer an dieser Stelle wird das griechische Wort für „sich bilden nach“ im NT nur noch gebraucht in dem Vers: „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes“ (Röm 12,2). Daraus wird die Bedeutung dieses Wortes schon deutlich.

Unsere Offenbarung nach außen hin, wie sie sich in unserer Denk-, Sprech-, Handels- und Lebensweise zeigt, in dem Maßstab unseres Urteils und dem Gebrauch der Dinge, also in allen „Formen“, in denen wir uns offenbaren, muss mit dem, was wir innerlich sind, in Übereinstimmung sein.

„Wenn jemand in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung: das Alte ist vergangen, siehe, alles ist neu geworden“ (2Kor 5,17). Es sind die gleichen Worte, die in Verbindung mit dem ewigen Zustand gebraucht werden (Off 21,4.5). Das beweist, dass wir jetzt mit den Dingen verbunden sind, die ewig und verherrlicht sind. Unsere „Formen“ müssen daraus hervorkommen und damit in Übereinstimmung sein. In allem muss zu sehen sein, dass wir andere Menschen sind, nicht Söhne des Ungehorsams, sondern Kinder des Gehorsams. Die „vorigen Lüste“ erinnern an die „vorigen Sünden“ (2Pet 1,9) und den „alten Sauerteig“ (1Kor 5,8). Unser Begehren jetzt, das Begehren des neuen Menschen, ist geistlich – es geht dahin, Gott zu verherrlichen, indem wir unserem Herrn gehorchen. Ich glaube, dass ein Unterschied besteht zwischen den hier genannten „vorigen Lüsten“ und den „fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten“ (1Pet 2,11). Ich denke, dass die zuletzt genannten allgemeiner angewendet werden und dass die Ersten sich mehr auf religiöse Gewohnheiten beziehen. Die Lüste eines jeden Unbekehrten richten sich nicht nur auf sittenlose und grobe Dinge. Es gibt auch Charaktere, die ein Bedürfnis nach religiösen Dingen haben. Aber auch diese kommen aus der gefallenen, gottfeindlichen Natur des Menschen hervor.

Für die Gläubigen aus den Juden, an die Petrus schrieb, war die Gefahr groß, zu den Formen eines irdischen Gottesdienstes zurückzukehren. Aus der Apostelgeschichte und mehreren Briefen wissen wir, welchen Kampf Paulus dagegen hatte (Apg 15; Gal 4,9-11). Sogar Petrus (Gal 2,11) und auch Paulus selbst (Apg 21,26) wurden manchmal dadurch beeinflusst. „Euer eitler, von den Vätern überlieferter Wandel“ (1Pet 1,18) war ihr religiöses Leben gewesen. Davon waren sie erlöst, denn nur was Leben hat, weil es aus Leben hervorkommt, kann vor Gott bestehen. Wenn Gläubige zum irdischen Gottesdienst zurückgehen, kehren sie zu etwas Totem zurück. Der Judaismus besaß von Gott selbst eingesetzte Formen und Dienste, aber er war tot. Er stand mit dem natürlichen Menschen auf der Erde in Verbindung und war dem angepasst. Darum lesen wir bei den Hebräern von der Reinigung von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen (Heb 9,14). Die meisten Kirchen sind zu einem großen Teil Nachahmungen des jüdischen Systems. Wenn aber schon das Muster, das von Gott gegeben war, tot ist, was müssen dann die Nachahmungen sein?

Aber wir stehen vor derselben Gefahr! Wie oft sehen wir bei Brüdern die Gewohnheiten und Gedankengänge ihres früheren kirchlichen Lebens zum Vorschein kommen! Und wenn wir etwas tun, weil wir oder andere es früher auch so getan haben, ist das nicht das Gleiche? Es kommt dann nicht hervor aus den geistlichen Übungen des Herzens, das in Gemeinschaft mit dem Herrn und von Ihm unterwiesen ist. Es kann auch eine „gewohnte Weise der Brüder“ und eine „Lehre der Brüder“ entstehen, die tot ist!

„In eurer Unwissenheit“

Es war bei den Juden eine feststehende Meinung, dass die Heiden unwissend waren. Aber der Herr (Joh 3,10.11; Mk 12,24) und später die Jünger (Apg 3,17) beweisen, dass die Juden es ebenso waren. Es bestand höchstens ein gradueller Unterschied. Wo das wahre Licht und die wahre Liebe nicht gesehen werden (Joh 1,5) und Gott nicht als der große Geber gekannt wird (Joh 4,10), gibt es keine wahre Kenntnis Gottes. Petrus sagt dies hier, um ihren wahren Zustand vor Gott zu zeigen. Aber das Wort an sich spricht zunächst von einer Unwissenheit, die etwas, was wohl vorhanden ist, nicht bemerkt oder erkennt (Eph 4,17-19; Apg 17,30). Im Griechischen steht ein Geschlechtswort vor „Unwissenheit“, womit angedeutet wird, dass es sich um die bekannte, große Unwissenheit handelt. Sie hängt zusammen mit Achtlosigkeit; daher sind die Unwissenden also verantwortlich und schuldig.

Wenn das der Zustand war, aus dem ihre vorigen Lüste hervorkamen, wie unpassend waren diese dann jetzt für sie, da sie nun die Salbung von dem Heiligen hatten und alle Dinge wussten (1Joh 2,20)!

Verse 15.16

1Pet 1,15.16: … sondern wie der, welcher euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es steht geschrieben: „Seid heilig, denn ich bin heilig“.

Dies ist ein ernstes Wort für den Christen und ermahnt zu einem wohlüberlegten Wandel. Auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Heb 12,29). Lasst uns daher die Gnade festhalten, durch die wir Gott wohlgefällig dienen mit Ehrfurcht und Gottesfurcht. Unser Gott ist herrlich in Heiligkeit (2Mo 15,11). Lasst uns ernstlich bedenken, wer Er ist, der uns erlöst hat!

Das wird uns zu einer eifrigen Aufmerksamkeit in unserem Wandel führen, auf dass wir nicht gegen Ihn sündigen. Die Seraphim bedeckten mit zwei Flügeln ihre Füße (Jes 6), während sie ausriefen: „Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!“ Ihre heiligen, reinen Füße waren in ihren Augen unheilig in der Gegenwart der Heiligkeit vas.

Jesaja ruft: „Wehe mir! denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den HERRN der Heerscharen gesehen.“

Als Israel aus Ägypten erlöst war und Gott in ihrer Mitte wohnen wollte (2Mo 40), gab Er Anweisungen, wie sie leben sollten und wie ihr Lager sein sollte. Wenn wir die Kapitel lesen, aus denen das Wort „Seid heilig, denn ich bin heilig“ zitiert wird, dann macht es einen tiefen Eindruck auf uns, dass Gott als Motiv für alle Anordnungen angibt: „Ich bin der HERR“ (3Mo 11,44.45; 19,2; 20,7.26). Allein in 3. Mose 19 kommt dieser Beweggrund 17-mal vor.

Wenn schon für Israel, das nur in eine äußerliche Verbindung mit Gott gebracht war (Heb 9,10), eine solche Heiligkeit nötig war, wie notwendig ist sie dann für uns! Als seine Kinder sind wir in eine geistliche, innerliche Verbindung zu Gott und in seine unmittelbare Nähe gebracht worden. Wenn gesagt wird, dass Gott Licht ist und gar keine Finsternis in Ihm ist, folgt unmittelbar danach, dass wir im Licht wandeln (1Joh 1,5.7). Die Heiligkeit, die für jeden nötig ist, der Gott naht, wird umso tiefer, je näher man bei Ihm ist.

Jeder Mensch, der sauber und reinlich ist, wird das auch von seinem Haus und seiner nächsten Umgebung fordern. Sollte Gott als Einziger dies Recht nicht haben? In denen, die Ihm nahen, will Er geheiligt werden. „Jaget dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne welche niemand den Herrn schauen wird“ (Heb 12,14).

Es handelt sich hier nicht um unsere Stellung vor Gott. In dieser Hinsicht sind wir heilig, wie wir in 1. Petrus 1,2 gesehen haben. Aber hier und in Hebräer 12 handelt es sich um praktische Heiligung in unserem Wandel. Wir müssen in der Praxis verwirklichen, was wir in der Wiedergeburt durch den Heiligen Geist, was unsere Stellung betrifft, geworden sind. Bei der Wiedergeburt hat der Heilige Geist uns von der Welt und der Sünde abgesondert, damit wir nur für Gott da sind. Damit muss unser praktisches Leben in Übereinstimmung sein. Ist es das nicht, dann können wir keine praktische Gemeinschaft mit dem Herrn haben. Niemand wird den Herrn sehen, der nicht der Heiligkeit nachjagt (Heb 12,14).

Gerade in diesem Brief, in dem mit solchem Nachdruck von unserer Heiligkeit unserer Stellung nach gesprochen wird und wo wir ein „heiliges Priestertum“ genannt werden (1Pet 2,5), wird mit gleichem Nachdruck die Verpflichtung zu praktischer Heiligkeit auferlegt wie im Brief an die Hebräer, in dem wir den freien Zugang ins Heiligtum finden.

Das griechische Wort für „seid“ steht in der Befehlsform des Aorist. Es ist nicht eine Bitte, sondern ein Befehl und weist zugleich darauf hin, wie vollkommen heilig wir sein sollen. Die Worte „der, welcher euch berufen hat, heilig ist“ können auch übersetzt werden mit: „in Übereinstimmung mit dem Heiligen, der euch berufen hat“. So übersetzen zum Beispiel W. Kelly, Greydanus, van Nes, Alford, Vincent, Wuest usw. Dadurch kommt der Ernst der Ermahnung noch besser zum Ausdruck.

Diese Heiligkeit nun soll „in allem Wandel“ sein, also in unserem ganzen Leben mit all seinen Äußerungen und Offenbarungen, ohne irgendeine Ausnahme.

Vers 17

1Pet 1,17: Und wenn ihr (den) als Vater anrufet, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeden Werk, so wandelt die Zeit eurer Fremdlingschaft in Furcht,

In den Versen 1. Petrus 1,15 bis 18 werden uns drei Dinge vor Augen gestellt, die in Heiligkeit und Furcht einen guten Zustand bei uns bewirken sollen. Wir müssen heilig sein, weil Gott, in dessen Nähe wir gebracht worden sind, heilig ist (1Pet 1,15,16). Da Gott als Vater richtet – das heißt regiert und züchtigt – ohne Ansehen der Person, müssen wir die Zeit unserer Fremdlingschaft in Furcht wandeln (1Pet 1,17). Drittens müssen wir an den Preis denken, der für unsere Erlösung bezahlt wurde: „das kostbare Blut Christi als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“ (1Pet 1,18.19). Das Blut Christi hat mich erlöst. Der Vater züchtigt mich nach meinem Werk. Und Gott ist heilig.

Das Wort „wenn“ bedeutet hier nicht, dass es nicht gewiss ist, dass diejenigen, an die Petrus schreibt, den Richter als Vater anrufen. Das griechische Wort gibt in dem Zusammenhang, in dem es hier vorkommt (ei mit Indikativ [Wirklichkeitsform]), an, dass es vollkommen sicher und der Beweggrund für das Folgende ist. Wir könnten es auch so umschreiben: „Wenn ihr den als Vater anruft, wie ihr es tut und weil ihr es tut“ usw. Das griechische Wort für „wenn“ in 1. Petrus 3,13 ist nicht dasselbe (eán mit Konjunktiv [Möglichkeitsform]); dies Wort gibt nur eine Möglichkeit an.

Eines der Kennzeichen des Christentums ist, dass Gott als Vater angerufen wird. Wer das nicht tut, befindet sich noch nicht in der christlichen Stellung. Damit meine ich natürlich nicht das Aussprechen des Vaternamens mit den Lippen, sondern mit dem Herzen – das Bewusstsein, dass wir als seine Kinder zu Ihm kommen dürfen und dass Er uns als Vater liebt. Das ist nicht die allgemeine Vaterschaft Gottes über alle Menschen als seine Geschöpfe, denen Er den Odem des Lebens eingeblasen hat (Lk 3,38; 1Mo 2,7; Eph 4,6). Diese Vaterschaft finden wir in Apostelgeschichte 17,28.29. Hier bei Petrus und – bis auf Epheser 4,6 – in allen anderen Stellen in den Briefen ist, wenn Gott „Vater“ genannt wird, das besondere Verhältnis gemeint, in dem Gott zu denen steht, die aufgrund des Werkes des Herrn Jesus für sie und des Werkes des Heiligen Geistes in ihnen seine Kinder geworden sind.

Abraham, Isaak und Jakob, die wohl die Verheißungen hatten, aber sonst als Fremdlinge in dem Land, das Gott ihnen verheißen hatte, in Zelten wohnten, offenbarte Gott sich als der Allmächtige (1Mo 17,1; 28,3; 35,11; 2Mo 6,2-4). Durch diesen Namen versicherte Er ihnen, dass die Verheißungen erfüllt werden würden.

Dem Volk Israel offenbarte Er sich als der HERR, der Ewige, Unveränderliche (2Mo 3,14; 6,26). Er war ihr unveränderlicher Herrscher: derselbe gestern, heute und bis in Ewigkeit (5Mo 32,39; Heb 13,8).

Aber uns, die in der Zeit der Verwerfung des Herrn Jesu an Ihn glauben, ist Gott nach seinem ewigen Ratschluss der Vater geworden. Wir sind Kinder und Söhne Gottes (Eph 1,5; 1Joh 1,1-3; Röm 8,14).

Als der Herr Jesus hier auf der Erde war, offenbarte Er seinen Jüngern den Vaternamen (Joh 17,6). Aber erst als Er sein wunderbares Werk am Kreuz vollbracht hatte, wo Er die Frage der Sünden und der Sünde für immer gelöst und Gott über alles verherrlicht hat und nachdem Er durch Gottes Macht aus der Mitte der Toten auferweckt war (Eph 1,20), nahm Er seine Jünger auf und versetzte sie in seine eigene wunderbare Stellung als der Auferstandene (Joh 20,17). Er hatte Gott am Kreuz verherrlicht, wie Gott nie verherrlicht worden war und nie wieder verherrlicht werden wird. Gottes Gerechtigkeit weckte den, der das Werk vollbracht hatte, aus dem Tode auf und gab ihm die Belohnung, die Er gefordert hatte (Joh 17,4). Aber Er hatte Gott verherrlicht, während Er das Erlösungswerk für uns vollbrachte. Und nun erhob Er uns in die herrliche Stellung, die der Vater Ihm aufgrund des für uns vollbrachten Werkes gegeben hatte (Joh 17,22.23). „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, und zu meinem Gott und eurem Gott.“ Wenn Gott nun jemandem der glaubt, sein Siegel dadurch aufdrückt, dass der Heilige Geist Wohnung bei ihm nimmt (Eph 1,13), dann bringt Dieser dem Gläubigen seine Stellung zum Bewusstsein.

  • Röm 8,15.16: Einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater!

  • Gal 4,6.7: Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!

Hier wird nicht ausdrücklich gesagt, dass der Vater richtet, sondern dass der, den wir als Vater anrufen, richtet. Gott richtet. Dieser richtende Gott ist unser Vater. Aber göttliche Liebe schwächt nie unser Gefühl des göttlichen Lichts. Sie kräftigt es im Gegenteil sehr.

Gott hat uns durch seine Gnade gerufen, und wir nennen Ihn Vater. Aber als Vater, als Haupt seiner Familie, zu der wir gehören, muss Er sein Haus regieren. Als Vater übt Er in seiner Regierung gegenüber seinen Kindern Gericht aus; Er muss sie züchtigen, wenn sie nicht so wandeln, wie es sich für die geziemt, die der göttlichen Natur teilhaftig geworden sind (2Pet 1,4).

Also gerade weil wir einen Vater haben, muss es auch ein Gericht des Vaters geben. Gerade weil Er uns lieb hat und ein tiefes persönliches Interesse für uns hat, achtet Er auf alles, was wir tun und womit wir uns beschäftigen. Er hat die Haare unseres Hauptes gezählt, und wir verlieren nicht eines davon ohne seinen Willen. Er beobachtet die Gedanken und Gesinnungen unseres Herzens, ja sogar die Quellen, aus denen sie hervorkommen (Heb 4,12)! Alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben (Heb 4,13).

Er tut es aus Liebe und Interesse für uns. Er wünscht, dass keine schädlichen Dinge bei uns gefunden werden (Ps 139,24), sondern dass wir unseren Weg in Gemeinschaft mit Ihm und dem Herrn Jesus gehen. Nur dann sind wir glücklich, und nur dann tragen wir viel Frucht. Darum züchtigt Er uns, um uns zum Selbstgericht zu führen über das, was nicht gut ist, oder um uns vor dem Verkehrten zu bewahren. Er irrt sich nie, wie es bei unseren irdischen Eltern vielleicht wohl vorgekommen sein mag (Heb 12,5-11). Er reinigt uns, damit wir mehr Frucht bringen (Joh 15,2).

Aber das ist auch notwendig, weil unser Vater der heilige Gott ist. Er ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm (1Joh 1,5). Er ist zu heilig, als dass Er Sünde sehen kann. Deshalb muss Er alles in uns, was nicht in Übereinstimmung mit diesem Licht ist, richten. So lernen wir, dass, wenn Gott in seiner Gnade einen Ort hat, wo Menschen bei Ihm wohnen können, dies notwendigerweise ein heiliger Ort ist (Bethel = Haus Gottes) (1Mo 28,17; 35,1-7).

Wenn wir diese zwei Gründe für sein Richten verstehen, sind wir dann nicht dankbar für das Gericht? Bitten wir dann nicht: „Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, HERR, mein Fels und mein Erlöser“ (Ps 19,15), und auch: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken! Und sieh, ob ein Weg der Mühsal bei mir ist, und leite mich auf ewigem Wege!“ (Ps 139,23.24)? Dann wird Furcht in unserem Herzen sein, nicht im Blick auf das ewige Gericht, sondern Furcht, Ihn zu betrüben und Ihn zum Gericht zu zwingen.

Es ist gut, zu bemerken, dass das Wort „richtet“ im Präsens (Gegenwart) steht. Hier wird also nicht über ein zukünftiges Gericht gesprochen, sondern über ein Gericht in der gegenwärtigen Zeit.

Gewiss wird Gott einmal alles richten. Aber Er wird es dann durch seinen Sohn tun. Der Vater richtet niemand, sondern hat das ganze Gericht dem Sohn übergeben (Joh 5,22; 2Tim 4,1). Gott der Sohn allein ist Mensch geworden, hat als Mensch den niedrigsten Platz eingenommen und ist den schmachvollsten Tod gestorben (Phil 2,5-11).

Darum wird Er allein das Gericht ausüben, und Er wird es tun in der Stellung, zu der Er sich erniedrigt hat: als Mensch (Joh 5,27; Apg 17,31)! Alle entscheidenden Gerichte werden also durch Ihn ausgeübt. Aber der Vater züchtigt seine Kinder in ihrem Leben auf der Erde, damit sie nicht mit der Welt verurteilt werden (1Kor 11,32). Es steht in Verbindung mit der „Zeit eurer Fremdlingschaft“.

Der Ausdruck „ohne Ansehen der Person“ ist die Übersetzung eines einzigen griechischen Wortes, das nur hier im NT vorkommt und wörtlich bedeutet: „jemandes Angesicht nicht annehmen“. Wahrscheinlich ist es aus dem Hebräischen des AT übernommen worden. Verwandte Worte werden in Apostelgeschichte 10,34; Römer 2,11 und Jakobus 2,1 gebraucht.

Das Urteil des Menschen wird von äußerlichen Dingen beeinflusst (1Sam 16,7; Jak 2,1-3; 2Mo 23,2-8). Wir sind geneigt, Dinge von Personen, die wir gern mögen, anders zu beurteilen als Dinge von solchen Menschen, die wir nicht so gern mögen. Persönlichkeit, Charakter, gesellschaftliche oder geistliche Stellung und viele andere Dinge haben Einfluss auf unser Urteil. Bei Gott ist das nicht so (Mt 22,16; Lk 20,21). Er sieht alles im rechten Licht und richtet nach dem Werk eines jeden, ohne Entschuldigungen, sondern im Gegenteil mit erschwertem Urteil für die, die Ihm näher gekommen sind als die anderen. Das ist eine Warnung, die unserem Hochmut und unserer Herzenshärtigkeit einen Stoß versetzt und uns in dem Bewusstsein erhält, dass wir es in jedem Augenblick mit Einem zu tun haben, der die Sünde hasst, aber mich als sein Kind liebt. Es ist ein großer Irrtum, anzunehmen, dass die Prinzipien der sittlichen Regierung Gottes anders geworden sind, weil das Zeugnis Gottes im Christentum unserer Zeit anders ist als im Judentum. Die Grundsätze sind heute dieselben wie in vergangenen Zeiten. Weder ein Israelit der früheren Zeit noch einer von uns kann dem Wort oder den Wegen Gottes widerstehen, ohne dass Zucht die Folge ist. Wir haben wohl mehr Licht, aber dadurch ist unsere Verantwortung nur umso größer geworden (Lk 12,47.48).

Deshalb müssen wir in Furcht wandeln während der Zeit, da wir auf der Erde sind. Es ist keine Furcht im Hinblick auf die Erlösung oder die Ewigkeit. Im Gegenteil, denn im folgenden Vers wird gesagt, dass wir wissen, dass wir erlöst sind. Gerade diese Gewissheit macht das Herz fähig, von der Furcht des Herrn regiert zu werden. Wir treten voll Freimütigkeit in das Heiligtum ein (Heb 10,19.22). Dort, in der Gegenwart Gottes, haben wir keine Furcht, denn die vollkommene Liebe – seine vollkommene Liebe – treibt die Furcht aus (1Joh 4,18). Aber außerhalb des Heiligtums – im Leben hier in der Wüste – in dem Gebiet der Regierung Gottes, ist es richtig, ja notwendig, Gott zu fürchten. Wir wissen, wozu wir imstande sind, und fürchten uns davor. Wir wünschen, dem Vater wohlgefällig zu sein, und fürchten uns vor allem, was Ihn betrüben muss. Es ist eine göttliche, heilige Furcht, die zusammengeht mit dem Bewusstsein und dem Genug der Liebe des Vaters, ja, die unlöslich damit verbunden ist.

Wie viel weniger Kummer, wie viel weniger Zucht vonseiten des Vaters wäre notwendig, wenn wir mehr von dieser Furcht besäßen! Sobald wir aufhören, uns zu fürchten, fallen wir. Solange wir uns fürchten, bleiben wir bewahrt (1Kor 10,12.13). Die Korinther hatten diese Furcht so sehr verloren, dass sie daran erinnert werden mussten, dass die Tatsache, dass viele Schwache und Kranke bei ihnen waren und dass nicht wenige entschlafen waren, ein Gericht des Vaters war, „auf dass sie nicht mit der Welt verurteilt“ würden (1Kor 11,30-32).

In Psalm 107 wird die Regierung Gottes über sein Volk und alle Menschen entfaltet, und das wird „Güte“ genannt. Viermal haben wir da den Refrain: „Mögen sie den HERRN preisen wegen seiner Güte und wegen seiner Wundertaten an den Menschenkindern.“ Der Schluss lautet: „Wer weise ist, der wird dieses beachten, und verstehen werden sie die Gütigkeiten des HERRN.“ Psalm 111, der voll vom Geist der Anbetung und von heiliger Furcht ist, endet mit den Worten: „Er hat Erlösung gesandt seinem Volke, seinen Bund verordnet auf ewig; heilig und furchtbar ist sein Name. Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang; gute Einsicht haben alle, die sie ausüben. Sein Lob besteht ewiglich.“

Der nächste Psalm (Ps 112,1) fährt fort mit den Worten: „Glückselig der Mann, der den HERRN fürchtet.“ In den Sprüchen wird nicht nur die Feststellung von Psalm 111 bestätigt: „Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang“ (Spr 1,7), sondern dort steht sogar: „Glückselig der Mensch, der sich beständig fürchtet“ (Spr 28,14). Und als Gegensatz folgt danach: „Wer aber sein Herz verhärtet, wird ins Unglück fallen.“

„Die Gerechten … sind getrost gleich einem jungen Löwen“ (Spr 28,1). Sie besitzen Mut, alles zu besiegen, um ein gutes Gewissen vor Gott zu bewahren. Die Furcht des Herrn gibt ihnen Kraft, nötigenfalls lieber den Scheiterhaufen zu ertragen, als gegen Ihn zu sündigen.

Im Griechischen steht nicht: „Wandelt … in Furcht“, sondern: „In Furcht wandelt.“ Das zeigt, dass der Nachdruck auf „Furcht“ gelegt werden muss. Das Wort „wandeln“ steht in der Befehlsform. Es ist also ein Befehl, in Furcht zu wandeln, nicht etwas, was uns selbst überlassen wird.

Wie lange sollen wir das nun tun? – Solange wir hier auf der Erde sind. Wir sind hier als mit einem verworfenen Heiland verbunden, Fremdlinge. Das griechische Wort für Fremdlinge bedeutet zunächst „Wohnen bei oder neben anderen“; daraus hat sich dann der Gedanke des Wohnens als Fremdling ohne Bürger- oder Wohnrecht entwickelt.

Wenn wir diese Erde verlassen, sei es, wenn der Herr kommt oder wenn wir entschlafen, brauchen wir nichts mehr zu fürchten. Im Haus des Vaters und auch im Paradies gibt es keine Versuchungen mehr, und da ist auch das Fleisch nicht mehr. Da werden wir nie mehr abweichen und den Herrn und den Vater betrüben. Da braucht der Vater nie mehr Zucht an uns auszuüben. Da ist ewige Freude unser Teil. Gebe der Herr, dass das bald sei!

Verse 18.19

1Pet 1,18.19: … indem ihr wisset, dass ihr nicht mit verweslichen (Dingen), mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von (den) Vätern überlieferten Wandel, sondern mit (dem) kostbaren Blute Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken.

Die Form dieser Sätze zeigt an, dass diese Verse mit dem Vorhergehenden zusammenhängen, ja dass sie das Fundament davon bilden. Gerade die Erlösung und der kostbare dafür gezahlte Preis sind die Gründe, weswegen wir in Furcht wandeln sollen.

Das griechische Wort für Wissen (eidotes) spricht nicht von dem Weg, auf dem man diese Erkenntnis erlangt, sondern nur von dem Wissen selbst, aber dann von einem bewussten, sicheren Wissen. Das Wissen um die Erlösung geht vorauf und bildet die notwendige Voraussetzung, an der Erlösung teilzuhaben; hier aber ist die innere Verwirklichung der eigenen Erlösung durch den Heiligen Geist gemeint.

Von uns wird auch gesagt, dass wir erkauft sind (1Kor 6,19.20). Aber erlöst zu sein bedeutet viel mehr, als erkauft zu sein. Erkauft sein heißt nur, dass wir den Eigentümer gewechselt haben. Christus hat die Welt gekauft (Mt 13,44) und damit auch jeden Menschen, der auf Erden wohnt. Jetzt erkennen die Menschen Ihn noch nicht als ihren Herrn an (2Pet 2,2). Einmal werden sie dazu gezwungen werden (Phil 2,11). Aber wir, die Kinder Gottes, sind nicht nur erkauft, sondern auch erlöst. Wir waren in einem Zustand, der die Erlösung notwendig machte. Wir waren, wie ein anderer Apostel schreibt, „kraftlos, Gottlose, Sünder, Feinde Gottes“ (Röm 5,6-10). Aber wir sind aus diesem Zustand erlöst, aus der Gewalt Satans, der Welt, der Sünde und des Todes, und sind in die Stellung vollkommener Freiheit gebracht worden, nicht einer Freiheit für das Fleisch, sondern um Gott zu dienen und alles zu genießen, was Er uns gegeben hat.

Hier wird die Erlösung im Zusammenhang mit unserem Wandel betrachtet. Er wird nicht gottlos oder unrein genannt, obwohl er das grundsätzlich sicher gewesen ist. Es ist ein eitler Wandel, der uns von (den) Vätern überliefert ist. Es steht wieder kein Artikel vor „Vätern“, weil nicht auf bestimmte Väter hingewiesen, sondern der Charakter des Wandels angegeben wird. Es war ein Wandel nach Traditionen und Gewohnheiten, die sie von ihren Vätern übernommen hatten. Das lässt wieder erkennen, dass der Brief an Gläubige aus den Juden gerichtet ist.

Gewohnheiten können gut sein; aber wenn sie nicht aus einer lebendigen Verbindung der Seele mit Gott hervorkommen, haben sie für Ihn keinen Wert. Ebenso handeln, wie unsere Eltern gehandelt haben, nur weil sie es so gemacht haben, ist nichts als Tradition ohne Leben. Aber Gott sucht nach Wahrhaftigkeit im Herzen. Ein Wandel nach Tradition, nach ererbten Gewohnheiten, so gut er an sich auch sein mag, ist ein eitler Wandel. Er hat kein Ziel und kein Ergebnis. Und wenn das für uns gilt, wie viel mehr dann für die Juden, die nach den spitzfindigen und bis zu den äußersten Feinheiten ausgearbeiteten Vorschriften der Rabbiner lebten. Wenn wir zum Beispiel den Talmud lesen, sehen wir, dass alle diese Vorschriften nur das Zeichen ihrer Scheidung von Gott sind.

Keine dieser haarspalterischen und mitunter frivolen Vorschriften kann irgendeinen etwas von dem Gott lehren, dessen Name mit diesen Dingen verbunden wird (Mk 7,1-13). Sie binden nur ein unmöglich zu tragendes Joch auf den Hals aller, die sich darunter beugen (Mt 23,4.15).

Gottes Wort sagt, dass die zwölf Stämme unablässig Tag und Nacht Gott dienten (Apg 26,7), und auch, dass sie Eifer für Gott hatten (Röm 10,2), und das sogar noch nach der Verwerfung des Herrn. Jeder aufrechte Jude diente Gott. Aber er diente ihm nicht nach Gottes Gedanken, sondern nach den Überlieferungen der Väter und mit einem Eifer ohne Erkenntnis (Röm 10,2b). Darum war ihr Wandel eitel, ohne Ziel und Resultat, und davon mussten sie erlöst werden.

Aber die Erlösung aus einem sittlichen Zustand und mit Folgen für das Verhältnis zwischen Gott und seinem Geschöpf kann nicht durch stoffliche und darum vergängliche Dinge erreicht werden; nicht einmal durch Silber und Gold, den unvergänglichsten Metallen, obwohl diese Metalle in der Schrift als Bilder für himmlische und ewige Dinge gebraucht werden. Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung (Heb 9,22). Und selbst in den Vorbildern des Alten Testaments wird Silber als Versöhnungsgeld gebraucht, aber nur, „dass keine Plage unter ihnen entstehe bei ihrer Musterung“ (2Mo 30,11-16; 38,25-28). Es ist der Preis dafür, unter den Schutz des HERRN gestellt zu sein. Aber wirkliche Erlösung, selbst zeitliche, kann allein durch Blut erreicht werden, durch das Blut eines Lammes ohne Fehl (2Mo 12).

Silber stellt in den Bildern der Schrift die Beschaffenheit und den Wert des Preises vor, der bezahlt werden musste, um uns in die Nähe Gottes und unter seinen Schutz zu bringen, ohne das Gericht fürchten zu müssen. Welch ein herrliches Bild von dem Blut des Herrn Jesus. Wie richtet es unsere Herzen auf seine Liebe, die Ihn dazu brachte, solchen Preis für unser Heil zu bezahlen. Gold spricht von der göttlichen Herrlichkeit und Gerechtigkeit. Reines Gold spricht von dem, was der Herr ist und was Er war, als Er hier auf Erden war. Wenn der Ausdruck „rein“ nicht dabeisteht, ist es auch ein Bild von dem, was wir aufgrund seines Werkes und durch Gottes Gnade empfangen haben (2Mo 25,11 usw.).

Aber von welchen kostbaren Dingen die Bilder auch sprechen mögen, sie sind nicht „der Dinge Ebenbild selbst“ (Heb 10,1; 9,23). Was wäre imstande, den Wert des Blutes Christi ausdrücken zu können? Blut ist kostbar in den Augen Gottes, denn in dem Blut ist das Leben (3Mo 17,11). Darum hat Gott von Anfang an das Essen von Blut verboten (1Mo 9,4). „Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung“ (Heb 9,22); denn Gottes Gerechtigkeit fordert Leben für Leben! Aber die Ströme Blutes von all den Tieren, die vor dem Kreuz als Sündopfer geschlachtet wurden, konnten keinen einzigen Menschen erlösen (Heb 10,4), und ebenso wenig kann der Bruder den Bruder erlösen (Ps 49,7.8).

Aber hier finden wir Blut, das Erlösung bewirken kann. Wir sind dadurch erlöst (Eph 1,7). Unsere Gewissen wurden dadurch gereinigt von den toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen (Heb 9,14). Wir sind nicht allein nahe gebracht durch das Blut (Eph 2,13), es hat auch Frieden gemacht (Kol 1,20), und in seiner Kraft sind wir gerechtfertigt (Röm 5,9).

Ja, das Blut reinigt von aller Sünde (1Joh 1,7). Und wir sind in das Licht gebracht und damit an einen Platz, wo die Kraft des Blutes herrscht und uns ununterbrochen bewahrt.

So wie häufig in diesem Brief steht auch hier kein Artikel. Es ist, als ob der Heilige Geist uns darauf hinweisen will, wie kostbar das Blut ist. Nicht alles Blut des Herrn Jesu war nötig, nur etwas davon reichte aus für unsere Erlösung. Indem Gott dies Blut ansah, konnte Er die Sünden vor dem Kreuz hingehen lassen (Röm 3,25). Alle, die einst den neuen Himmel und die neue Erde bewohnen, werden dort aufgrund des Blutes sein. Dieser neue Himmel und diese neue Erde werden auch nur aufgrund des Blutes da sein (Kol 1,20). Wie schätzen wir das Blut des Herrn Jesu wert, durch das wir erlöst sind?

Gottes Wort verwendet gewöhnlich keine Verstärkungen des Ausdrucks, und schon gar nicht, wenn es sich um den Herrn Jesus handelt. Hier aber nennt Gott das Blut des Herrn kostbar, damit wir wissen sollten, wie Er es wertschätzt. Dies für Ihn so kostbare Blut hat Er für unsere Erlösung bezahlt (Apg 20,28). Das lässt uns den Wert erkennen, den wir für Gott hatten und noch haben. Kann man es begreifen, dass solche Geschöpfe, wie wir von uns aus sind, solchen Wert für Ihn haben? Ich nicht. Aber welch ein Jubel steigt in unserem Herzen auf, wenn wir uns von diesem Gedanken durchdringen lassen.

„Als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“

Dachten die gläubigen Juden, wenn sie an das kostbare Blut Christi erinnert wurden, durch das sie erlöst waren, nicht auch gleich an die Vorschriften und Geschehnisse, die mit der Geschichte Israels zusammenhingen? Der Heilige Geist will, dass sie daran denken, damit sie die Bilder des Alten Testaments besser verstehen können, um zu erkennen, dass sie in Christus alle erfüllt sind. Und auf diese Weise sollten sie auch durch die Bilder die vielseitige Herrlichkeit der Person und des Werkes des Herrn mehr sehen und besser begreifen lernen.

Aber warum stellt der Heilige Geist den Herrn im Neuen Testament mehrfach als ein Lamm vor und vergleicht Ihn auch damit (1Joh 1,29.36), wo doch im Alten Testament verschiedene Tiere den Herrn in seinem Werke auf dem Kreuze darstellen? Ja, an dem großen Versöhnungstag (3Mo 16), der deutlichsten und ausführlichsten Darstellung des Versöhnungswerkes, sowohl für uns als auch für das Volk Israel, sehen wir kein Lamm, sondern einen Farren, Böcke und einen Widder. Ich denke, dass ein genauer Vergleich der Opfer im Alten Testament die Frage beantwortet.

Wenn wir von 2. Mose 12 bis 4. Mose 29 lesen, werden wir sehen, dass für Brandopfer meistens Lämmer genommen werden mussten. Waren es andere Tiere, so waren es meistens freiwillige Opfer, die nicht das Kreuz selbst darstellten, sondern eine Erinnerung an das Kreuz durch eine Einzelperson oder auch durch die ganze Versammlung bildeten (3Mo 1; 4Mo 29). Dagegen mussten für Sündopfer andere Tiere genommen werden. Und wenn ein Lamm genommen werden durfte, so war es gewöhnlich wieder die Erinnerung an das Kreuz, zum Beispiel von einem aus dem Volk, der gesündigt hatte und dessen Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt werden musste (3Mo 4,32; 5,6). Nun, wir denken gewöhnlich an das Schuld- und Sündopfer, wenn wir an das Werk des Herrn Jesu denken. Er hat unsere Sünden an seinem Leibe auf dem Holze getragen (1Pet 2,24), und Er ist für uns zur Sünde gemacht worden (2Kor 5,21). Nun gibt es für uns kein Gericht mehr. Aber wie herrlich und wichtig das ist – es ist weit unter den Gedanken Gottes. Er hat uns nicht allein von dem Gericht und aus der Macht Satans, von Welt und Sünde befreit, sondern uns in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzt (Kol 1,13). Angenehm gemacht in dem Geliebten (Eph 1,3-6), sind wir gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in Ihm. Nun, das wird nicht in dem Schuld- und Sündopfer, sondern im Brandopfer vorgestellt. Darin sehen wir den Herrn Jesus, „der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat“ (Heb 9,14). Während Er unsere Sünden trug und für uns zur Sünde gemacht war, verherrlichte Er Gott durch vollkommenen Gehorsam (Phil 2,8.9) und dadurch, dass Er Ihn in all seinen herrlichen Eigenschaften offenbarte: in seiner Wahrheit, in seiner Heiligkeit, in seiner Gerechtigkeit und in seiner Liebe. Und wenn Gott geoffenbart wird, wird Er verherrlicht, denn alles an Ihm ist Herrlichkeit. Und das tat der Herr, als Er für uns das Werk am Kreuze vollbrachte. Darum haben wir auch Teil an all den wunderbaren Folgen dieses Werkes. Und das wird im Brandopfer dargestellt.

Nun, im Neuen Testament finden wir die ganze Vortrefflichkeit des Werkes des Herrn und die Fülle des Segens, die daraus hervorkommt, dargestellt. Ich denke, dass der Herr darum im Neuen Testament, und auch hier, das Lamm genannt oder damit verglichen wird.

Welch eine Weite öffnete sich für diese Gläubigen, die das Alte Testament gut kannten, wenn sie diesen Vers lasen. Und welch eine Welt von Segnungen tut sich vor uns auf, wenn wir das Alte Testament im Lichte dieses Verses lesen.

Wir sehen die Erlösung des Volkes Gottes aus der Macht Satans, der Welt und der Sünde durch das Blut des Lammes (2Mo 12). Wir sehen sein Sterben für uns persönlich im Hinblick auf unsere sündige Natur (2Mo 13,13; 3Mo 12,6). Wir sehen, dass Gott inmitten seines Volkes wohnen konnte aufgrund des lieblichen Geruchs des geschlachteten Lammes (2Mo 29,38-46). Und so können wir fortfahren. Kann es dann anders sein, als dass wir jetzt schon anfangen, was wir in Ewigkeit tun werden: dem geschlachteten Lamm zujubeln und es anbeten (Off 5,6-14)?

Der Ausdruck „ohne Fehl“ spricht von dem, was das Lamm in sich selbst sein musste (3Mo 22,20.21). Es musste vollkommen sein (2Mo 12,5). Christus war ohne Fehl. Alles an Ihm war vollkommen. Er war ohne Sünde (Heb 4,15), ohne irgendetwas in seiner Natur und in seinem Wesen, was seine Vollkommenheit angetastet hätte oder worauf Gottes Auge nicht mit Wohlgefallen ruhen konnte. Und auch in seinem Wandel, in seinen Gedanken, Worten und Taten war Er ohne Fehl. „Welcher keine Sünde tat noch wurde Trug in seinem Munde gefunden“ (1Pet 2,22). Er kannte die Sünde nicht (2Kor 5,21). Er konnte sagen: „Er [der Vater] hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue“ (Joh 8,29).

Sehen wir nicht voll Bewunderung in den Evangelien, wie jedes Wort, jede Tat seine Vollkommenheit offenbart? Und in den Psalmen und Propheten sehen wir, dass auch seine Gedanken vollkommen waren. Jedes seiner Worte und jede seiner Taten war die Offenbarung dessen, was Er selbst war (Joh 8,25).

Wenn Er Gnade offenbaren musste, sehen wir eine Gnade, die uns überwältigt. Wenn sein Werk die Offenbarung von Liebe forderte, sehen wir eine unendliche Liebe in all ihrer Schönheit. Wenn es Heiligkeit oder Wahrheit sein musste, wir sehen sie in all ihrer Vollkommenheit. Alles bei Ihm war vollkommen und offenbarte sich vollkommen.

Aber Er war auch unbefleckt. Obwohl Er durch eine Welt der Sünde und Unreinigkeit ging, ja durch eine Welt, in der die Macht der Bosheit und der Finsternis regierte, blieb Er der Heilige und Wahrhaftige, das Licht, das in der Finsternis scheint. Satan fand bei Ihm für seine Versuchungen keinen Anknüpfungspunkt (Joh 14,30). Er konnte zu seinen Feinden sagen: „Wer von euch überführt mich der Sünde“ (Joh 8,46)? Jeder Mensch, der einen Aussätzigen anrührte, wurde dadurch unrein (3Mo 13,46; Hag 2,13.14). Aber als Er den Aussätzigen anrührte, wurde Er nicht dadurch unrein, sondern der Aussätzige wurde rein (Mk 1,40-42). So groß war seine Heiligkeit.

Vers 20

1Pet 1,20: … welcher zwar zuvorerkannt ist vor Grundlegung (der) Welt, aber geoffenbart worden an (dem) Ende der Zeiten um euretwillen.

Eine wunderbare Wahrheit. Hier wird nicht nur gesagt, dass Christus von Ewigkeit her ist, sondern dass Er als Christus, als der von Gott Gesandte, der das Werk der Erlösung vollbringen sollte, zuvorerkannt ist. Unsere Erlösung ist nicht nur ein Gedanke, der bei Gott aufgekommen ist, als wir zur Bekehrung kamen; auch nicht, als der Herr auf die Erde kam, um dort zu sterben; ja, auch nicht nach dem Sündenfall, obwohl Gott sie damals der Schlange angekündigt hat (1Mo 3,15). Vor Grundlegung der Welt, also in der Ewigkeit, wurde der Herr Jesus gekannt als derjenige, der einmal auf diese Erde kommen sollte, um das Erlösungswerk zu vollbringen. Gott wusste, wie wir sein würden, und Er wusste auch, wie Christus war und was Er sein und tun würde.

Hier steht nicht, dass Christus vorbestimmt war, um das Lamm Gottes zu sein, obwohl einige das griechische Wort so übersetzen und einige Ausleger diesen Gedanken damit verbinden. Aber das Wort selbst sagt es nicht und kann nicht so übersetzt werden. Auch diese Worte lassen wieder sehen, wie viel herrlicher unsere Stellung, die Stellung der Versammlung, als die von Israel ist. Israel ist ein irdisches Volk mit irdischen Segnungen und einer irdischen Zukunft. Im Himmel und auf der neuen Erde gibt es kein Volk Israel mehr. Da gibt es nur „Menschen", die alle zusammen Gottes Volk sind (Off 21,3).

Die Ratschlüsse Gottes in Verbindung mit der Zeit vollkommener Segnungen für Israel und in Verbindung mit denen, die außerhalb Israels auch an dieser Segenszeit teilhaben sollen (im Tausendjährigen Reich), sind denn auch vom Anfang dieser Erde, „von Grundlegung der Welt“ (Mt 25,34; 13,35; Off 13,8; 17,8).

Die Versammlung ist kein irdisches, sondern ein himmlisches Volk (Phil 3,20). Ihre Segnungen sind denn auch geistlich und im Himmel (Eph 1,3). Ihre Zukunft ist nicht auf Erden, sondern im Himmel, nicht einmal auf der neuen Erde, sondern in dem neuen Himmel (Off 21,1). Die Versammlung nach den Ratschlüssen Gottes wird nur einen unteilbaren Augenblick, gleichsam einen Punkt im Strom der Zeit (1Kor 15,52), auf der Erde versammelt sein, wenn die Toten in Christus auferweckt worden sind, und sie wird dann im gleichen Augenblick ins Haus des Vaters eingehen (Joh 14,3). Vor dieser Zeit war und ist immer nur ein Teil auf Erden. Die Versammlung wird hier zu einem heiligen Tempel im Herrn auferbaut (Eph 2,21). Aber sobald der Bau vollendet ist, wird sie aufgenommen und in ihre eigentliche Stellung gebracht, und da wird sie ewig der Tempel, die „Hütte“ Gottes sein (Off 21,3). Die Ratschlüsse Gottes mit ihr stehen darum auch nicht mit dieser Schöpfung und der Zeitlichkeit, sondern mit der Ewigkeit in Verbindung. Die zu ihr gehören, sind „auserwählt vor Grundlegung der Welt“ (1Pet 1,2; Eph 1,4), und das ewige Leben, das sie empfangen haben, hat Gott „vor ewigen Zeiten“ (Tit 1,2), also vor Erschaffung von Himmel und Erde (1Mo 1,1), verheißen.

Weil Gott Christus als das Lamm Gottes kannte, konnte Er die Sünden, die vor dem Kreuz begangen wurden, hingehen lassen (Röm 3,25). Aber sollten wir Christus und durch Ihn Gott als den großen Geber kennenlernen (Joh 4,10) und so die Erlösung empfangen, dann musste Er geoffenbart werden. Und „Gott ist geoffenbart worden im Fleische“ (1Tim 3,16); so heißt es denn auch: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh 1,14). Christus kam auf die Erde als das Lamm Gottes, um das Erlösungswerk zu vollbringen und dadurch Gott zu offenbaren und uns zu erlösen.

Es geht hier also nicht um die Offenbarung Christi für jeden von uns persönlich, sondern um seine Offenbarung an sich, als Er hier auf die Erde kam, wenn das auch nicht seine Offenbarung in dem Evangelium, das verkündigt wird, ausschließt.

Einige Ausleger meinen, dass die Zeit, in der das Passahlamm aufbewahrt werden musste, bevor es geschlachtet wurde (2Mo 12,3-6; vom 10. bis zum 14. Tag), ein Bild von dem hier Gesagten ist; dies sei also die Zeit, da Gott Ihn als das Lamm kannte, ehe Er hier auf die Erde kam. Ich glaube nicht, dass das richtig ist. Ich denke, sie ist ein Bild von den 3½ Jahren, in denen der Herr seinen Dienst tat. Jeder konnte das Lamm zwischen dem 10. und dem 14. Tag sehen. Eher könnten die 10 Tage, die dieser Zeit voraufgehen, ein Bild davon sein; aber es entsteht die Frage, ob diese 10 Tage nicht von der Zeit zwischen der Geburt und dem öffentlichen Auftreten des Herrn reden. Das „Ende der Zeiten“ bedeutet, wie ich denke, das Ende der Wege und Bemühungen Gottes mit dem Menschen in seiner Verantwortlichkeit. Gott wusste von Anfang an, was das Ende sein würde (Jes 46,9-13), wenn das Geschöpf auf die Probe gestellt wird; aber die Geschöpfe selbst wollten es nicht glauben. Sie versuchten, eine eigene Gerechtigkeit aufzubauen, indem sie das Gesetz zu halten versuchten, das Gott doch gegeben hatte, um die Unmöglichkeit solcher Bemühungen deutlich zu machen. „Denn durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ (Röm 3,20). „Zeiten“ sind die einzelnen Zeitabschnitte, in denen Gott sich auf bestimmte Weise in Verbindung mit dieser Erde offenbart. Mit geistlichen Dingen hat das nichts zu tun, denn die sind ewig und stehen außerhalb der „Zeit“. Die Versammlung als ein geistlicher Leib steht also außerhalb der „Zeiten“. Darum schreibt der Apostel: „Was aber die Zeiten und Zeitpunkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben werde.“ Wenn die Zeiten und Umstände kommen, werden wir schon im Himmel sein.

Petrus schreibt über die Zeitabschnitte, in denen Gott den Menschen Gelegenheit gegeben hat, zu zeigen, dass sie ihren Platz als Geschöpf einnehmen wollten. Der Schöpfer hat nicht nur alles geschaffen, Er hat es auch „für sich“ geschaffen, also zu seinem Dienst und Nutzen (Kol 1,16). Der Mensch ist also gerade so geschaffen, dass er vollkommen geschickt ist, seinem Schöpfer zu dienen. Alles, was er ist, sein Leib, seine Seele, sein Geist, sind so geschaffen, dass er völlig geschickt ist, Gott zu dienen.

Darum erwartet der Schöpfer, dass der Mensch Ihn lieb hat und Ihm dient aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele und aus ganzem Verstand und nach Vermögen von allem, was er ist und hat (Mk 12,30; 5Mo 6,5). Der Schöpfer hat ein Recht darauf; aber es ist auch der einzige Weg, auf dem das Geschöpf volle Befriedigung finden kann.

Wir wissen, wie ganz und gar der Mensch gefehlt hat. Im Garten Eden gab es nur ein Verbot; aber der Mensch übertrat es. Dann kam die Zeit, in der die Menschen ganz frei, nur unter der Autorität Gottes, hier auf Erden lebten, und Gott musste den Menschen ein Ende machen durch die Sündflut. Dann gab Gott dem von Ihm bewahrten Überrest eine neue Nahrung (Fleisch: der gefallene Mensch konnte durch den Tod eines Unschuldigen leben) und eine Obrigkeit, durch die die Bosheit im Zaum gehalten wurde. Aber der Erste, der diese Autorität hatte, missbrauchte die Gabe Gottes, um sich zu betrinken, und verlor so die Achtung derjenigen, über die er zu sagen hatte, und Nimrod entfaltete seine Königsmacht an dem Ort des Aufstandes gegen Gott.

Danach gab Gott dem Menschen eine neue Gelegenheit. Er sonderte ein Volk aus der Mitte der Menschen ab und brachte sie in ein besonders für sie bereitetes Land, wohnte in ihrer Mitte und gewährte ihnen seine Beschirmung und die Offenbarung seiner Gnadenabsichten. Wir wissen, was auch in diesem Fall das Ende war. Trotz aller Gunsterweisungen Gottes, trotz seiner Hilfen und Ermunterungen, trotz seiner Warnungen und Drohungen ging das Volk seinen eigenen Weg in Hochmut und Unabhängigkeit; erst als Götzendiener und später in den „Überlieferungen der Väter“. Und als Gott zum Schluss seinen Sohn sandte (2Kor 5,19; „sie werden sich vor meinem Sohn scheuen“ [Mt 21,37]) kreuzigten sie Ihn. Hatte Gott nun nicht alles versucht? Wenn der Sohn Gottes selbst, der Messias Israels, in dem alle Segnungen Gottes zu dem Volke kommen sollten, nicht in der Lage war, sie zurückzubringen, wie sollte das dann je möglich sein? Das war das „Ende der Zeiten“, das Ende aller Offenbarungen Gottes; aller Haushaltungen, in Verbindung mit der Verantwortlichkeit der Menschen. Von dem Augenblick an, da Christus verworfen war, war alles vorbei.

Aber dann wurde Christus als das Lamm Gottes geoffenbart. Gerade in dem Augenblick und an dem Ort, wo die ganze Verdorbenheit des Menschen völlig offenbar wurde, und gerade in der Tat, durch die der Mensch sich so offenbarte, zeigte Gott seine Vorsehung, seinen Weg, um den Menschen zu sich zurückzubringen.

„Um euretwillen“ wurde Christus geoffenbart. Um des kleinen Überrestes aus Israel willen, der jetzt das Evangelium angenommen hat und an den der Brief gerichtet ist. Aber Gott sei gedankt; wir wissen, dass es auch um unsertwillen geschehen ist. Jeder von uns kann sagen: „der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Es ist wahr, das Evangelium wurde erst den Juden gebracht, aber danach auch den Griechen. Und so ist es zu uns gekommen, die wir zu den „Griechen“ (alle außerhalb des Volkes Israel) gehören. Der Apostel Paulus, selbst aus den Juden, aber von Gott zum Apostel der Nationen berufen, fasst alles in den Worten zusammen, die er an Gläubige aus den Juden und aus den Nationen zusammen richtet: „Gott erweist seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,8).

Vers 21

1Pet 1,21: … die ihr durch ihn glaubet an Gott, der ihn aus (den) Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit gegeben hat, auf dass euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott sei.

Der Apostel beschreibt hier ganz genau, wer sie sind, um derentwillen Christus geoffenbart worden ist. Es sind die, die durch Christus an Gott glauben. Es geht hier nicht um den Glauben an Christus. Der ist in der Tat notwendig, um errettet zu werden (Apg 16,31). „Auf dass ein jeder, der an ihn glaubt [an den eingeborenen Sohn Gottes], nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). Pharao sagte zu den vom Hungertod bedrohten Ägyptern: „Gehet zu Joseph, tut, was er euch sagt“ (1Mo 41,55). Aber es gibt viele bekehrte Menschen, die wohl an den Herrn Jesus glauben, aber die kaum wissen, was es bedeutet, an Gott zu glauben durch Christus.

An (eis) Gott glauben ist nicht dasselbe wie an einen Gott glauben, was viele Ungläubige tun. Sie sind vollkommen überzeugt von dem Bestehen Gottes. Aber an (eis) Gott glauben geht viel weiter. Es will sagen, an Gott glauben als einen Gegenstand des Glaubens (Siehe zum Beispiel Johannes 14,1.)

In der Schöpfung kann der Mensch eine gewisse Erkenntnis Gottes erlangen. Er kann darin seine ewige Kraft und Gottheit sehen (Röm 1,19). An den Wegen der Vorsehung Gottes, so wie wir sie sehen von dem Sündenfall bis Mose, können wir die Weisheit, Allmacht und Vorhersehung Gottes bewundern. In dem Gesetz vom Sinai können wir Gottes Gerechtigkeit und Gottes heilige Forderungen in gewissem Maße kennenlernen. Aber Gott selbst konnte auch der Israelit nicht kennenlernen. Denn als das Gesetz gegeben wurde, durfte niemand sich dem Berge nahen (2Mo 19,13). Selbst ein Tier, das sich dem Berge nahte, musste sterben (Heb 12,20). Gott wohnte in der Finsternis, und niemand konnte sich Ihm nähern (2Chr 6,1).

Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat Ihn kundgemacht (Joh 1,18): „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“, konnte der Herr sagen (Joh 14,9). Er war „Gott, geoffenbart im Fleisch“ (1Tim 3,16). Kein Mensch konnte oder kann Gott in seiner absoluten Gottheit sehen (1Tim 6,16).

Darum wurde der Herr Jesus Mensch, damit wir auf diese Weise Gott kennenlernen könnten. Sein Kommen auf Erden offenbarte die Barmherzigkeit und Langmut Gottes. Anstatt eines vernichtenden Urteils, so wie wir es verdient hatten, kam Gott, sich in Güte zu uns herabneigend, zu uns herab, um uns zu sich zu bringen (2Kor 5,19). Und als die Welt Ihn nicht erkannte (Joh 1,10), zeigte Er, wer Er war und was Er für sie sein wollte, durch Liebe und Gnade. Die Gnade und die Wahrheit ist durch Ihn geworden (Joh 1,17). Vor allem, wie wurde Gott durch das Kreuz geoffenbart! Da sehen wir die Heiligkeit Gottes, wie sie sonst nirgends geoffenbart werden konnte: Er, der sagen konnte, dass Er allezeit tat, „was Gott wohlgefiel“ (Joh 8,29), der die Sünde nicht kannte und von dem Gott selbst gesagt hatte: „An ihm habe ich mein Wohlgefallen gefunden“ (Mt 17,5) – Er wurde von Gott verlassen, als Er unsere Sünden an seinem Leibe trug, und musste rufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Da sehen wir Gottes Gerechtigkeit scheinen, die das Gericht über die Sünden nicht verminderte, als es über seinen Sohn hereinbrach (Sach 13,7). Da sehen wir Gottes Wahrheit vollkommen geoffenbart, als Er sein Wort wahr machte: „Der Lohn der Sünde ist der Tod“, und: „Welches Tages du davon isst, wirst du gewisslich sterben“, denn der Herr nahm unsere Stelle ein. Aber vor allem, wie sehen wir da Gottes Gnade scheinen gegenüber dem feindlichen Sünder, Gottes Barmherzigkeit gegenüber den Geschöpfen, die in Gefahr waren, ewig verlorenzugehen. Das war Gottes Liebe gegenüber seinen Feinden. „Gott aber erweist seine Liebe gegen uns darin, dass Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,8). „Gott ist Liebe. Hierin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, auf dass wir durch ihn leben möchten. Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden“ (1Joh 4,8-10). Ja, bei dem Kreuz haben wir Gott kennengelernt als Licht (1Joh 1,5) und Liebe. Da sahen wir, dass Gott uns lieb hat und dass Er selbst alles entfernte, was uns von Ihm trennte. Unsere Sünden machten eine Scheidung, aber Er selbst legte sie auf den Herrn Jesus, das Lamm Gottes (Jes 53,6); und Er vergaß nicht eine. Und als der Herr Jesus das Werk, die Sünde abzuschaffen, durch sein Opfer getan hatte (Heb 9,26) und durch ein Opfer uns auf immerdar vollkommen gemacht hatte (Heb 10,14), weckte Gott Ihn aus den Toten und gab Ihm Herrlichkeit als Beweis, dass Er durch sein Werk vollkommen befriedigt war, ja mehr als das. Wo sind unsere Sünden geblieben? Sie sind nicht mehr auf uns, denn Gott selbst nahm sie uns ab. Aber der Herr hat sie auch nicht mitgenommen in den Himmel. Sie sind für ewig vor den Augen Gottes hinweggetan. Sie sind in das Meer ewiger Vergessenheit geworfen worden. Alles, was Gott also verhindern konnte, uns zu segnen, ist weggetan worden. Er kann seine Liebesgedanken uns gegenüber vollkommen wirksam werden lassen. Und worin bestehen diese? Wir sind auserwählt und bestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu sein, auf dass Er der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern (Röm 8,29).

Die Auferweckung des Herrn Jesus ist für uns also die Offenbarung und der Beweis von dem, wie Gott uns gegenüber gesinnt ist. Gott selbst gab den Menschen Christus Jesus (1Tim 2,5), damit Er das Lamm für uns sei, und legte unsere Sünden auf Ihn. Und als Er das göttliche Gericht dafür erduldet hatte, erweckte Gott Ihn aus den Toten und gab Ihm die Herrlichkeit. So ist der Herr nun als Mensch in der Herrlichkeit (Eph 1,18-22), und Gottes Wort sagt uns, dass das, was Gott mit Ihm getan hat, das Vorbild von dem ist, was Gott mit uns getan hat und tun wird (Eph 1,18-22). Er ist der Erstling aller, die diesen Platz empfangen (Kol 1,18). Wir kennen Gott also als den, der uns so liebt, wie Er den Herrn Jesus liebt (Joh 17,23), und der uns dasselbe Teil gibt, was Er dem gab, von dem Er selbst sagt, Er sei der „Geliebte“ (Eph 1,6), „der Sohn seiner Liebe“ (Kol 1,13). Und wir haben Ihn als solchen kennengelernt durch die Auferstehung des Herrn Jesus. Als solche glauben wir an Ihn (Röm 4,24). Unser Vers kann auch übersetzt werden: „Gott als der, der ihn [Christus] auferweckt und Herrlichkeit gegeben hat“. Vor dem Wort „Gott“ steht kein Artikel im Griechischen, so wie zum Beispiel in 1. Petrus 2,17; damit wird der Nachdruck auf das Gottsein Gottes gelegt. Und durch Christus glauben wir so an Gott, auf dass unser Glaube und unsere Hoffnung auf Gott sei oder wie es auch übersetzt werden kann: „so dass euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott ist“. Wenn wir Gott als den kennengelernt haben, der den Herrn Jesus auferweckte und verherrlichte, dann können wir Ihm vollkommen vertrauen. Dann wissen wir, dass Er uns lieb hat, so wie nur ein Gott, der Liebe ist, uns lieb haben kann. Dann wissen wir, dass Er für uns sorgen wird, so wie ein allmächtiger Gott es tun wird, der durch seine Liebe zu uns und seine Sorge für uns geleitet wird. Dann wissen wir, dass, wenn Gott für uns ist, nichts gegen uns sein kann. „Er, der doch seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken“ (Röm 8,31-39)? Nichts kann uns von seiner Liebe scheiden. Sowohl was die Vergangenheit als auch die Zukunft betrifft, vertrauen wir Ihm. Das Wort „Hoffnung“ hat hier mehr den Charakter von „Vertrauen“, so wie an einer anderen Stelle von dem Herrn Jesus gesagt wird, dass die Völker auf Ihn hoffen, das heißt vertrauen werden.

Die übergroße Mehrheit der Handschriften und andere Textzeugen haben am Anfang unseres Verses das Wort „glaubt“. Drei Handschriften (A, B und 9), gestützt durch die Vulgata und den Kirchenvater Ambrosius, sagen hier „gläubig“ oder „getreu“. Auch der Zusammenhang weist m.E. darauf hin, dass diese letzte Lesart nicht richtig ist. Sollte sie aber recht sein, dann würde sie auch nichts ändern an der wirklichen Bedeutung dieser Schriftstelle. Die Worte „gläubig“ und „getreu“ (Eph 1,1; Kol 1,1; im Griechischen dasselbe Wort) sagen nicht nur, dass die betreffenden Personen das Evangelium angenommen haben, obwohl das natürlich wahr ist, sondern dass sie den Glauben (die christliche Lehre) festhalten und im praktischen Vertrauen auf Gott ihren Weg gehen. Die das tun, sind gläubig und getreu. Nun, dass unsere praktische Treue allein durch Christus sein kann, ist für jeden Gläubigen deutlich. Es würde also nur eine Verstärkung dessen bedeuten, was die meisten Handschriften und nahezu alle alten Übersetzungen sagen.

Vers 22

1Pet 1,22: Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch (oder: in eurem) den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe, (so) liebet einander mit Inbrunst (oder: anhaltend, beharrlich) aus reinem Herzen.

Hier beginnt der zweite Teil der Lehre unseres Briefes. Er geht bis 1. Petrus 2,10. Danach kommen die praktischen Ermahnungen, die auf die Lehre der ersten zwei Teile gegründet sind. Im ersten Teil haben wir die Gläubigen als die Gegenstände einer neuen Auserwählung gesehen, einer Auserwählung zu Kindern des Vaters, mit einem zukünftigen herrlichen Erbteil vor sich, das für sie aufbewahrt wird und wofür sie durch die Macht Gottes bewahrt werden. Und das alles in Gegenüberstellung mit ihrer früheren Stellung als Juden. In diesem zweiten Abschnitt sehen wir die neuen Verbindungen, in die diese Gläubigen aus den Juden gebracht sind (und wir natürlich auch) anstelle der alten Verbindungen, die für immer abgebrochen sind. Die Juden mögen in einer Ansprache noch allgemein als Brüder angeredet werden (Apg 22,1), die Brüder sind jedoch solche, die den Herrn Jesus als ihren Heiland und Herrn angenommen haben (Apg 21,17; 28,15). Das sind „die Ihrigen“ (Apg 4,23).

Wenn es auch Gottes Ziel gewesen war, Israel als Volk dicht zu sich zu bringen (2Mo 19,3-6), so wünschte das Volk doch nicht, in seiner Nähe zu sein. Und als der lebendige Stein kam, auf den allein die bleibende Nähe, wovon ein Haus spricht, gegründet werden kann, verwarfen die jüdischen Bauleute Ihn als unwert (1Pet 2,4-9). So kamen nur solche, die auf den lebendigen Stein gebaut werden, in die unmittelbare Gegenwart Gottes und empfingen auf eine unendlich höhere und herrlichere Weise den Platz, den Gott ursprünglich Israel angeboten hatte (2Mo 19,6). Aber auch sie empfingen dies nicht persönlich, sondern zusammen mit denen, mit denen sie jetzt verbunden waren, dem Volk Gottes, den Brüdern.

Sie hatten ihre Seelen gereinigt. Das Wort „Seele“ deutet oftmals den ganzen Menschen an, obwohl er dann vor allem im Zusammenhang mit seinem Leben gesehen wird (1Pet 3,20). Aber hier ist wohl von dem inneren Menschen in seinem ganzen Umfang die Rede, von dem vornehmsten des Menschen, so wie auch in 1. Petrus 1,9; 2,11.25; 4,19.

Die Schrift sagt, dass der Mensch aus Seele, Geist und Leib besteht (1Thes 5,23). Der Leib ist das äußere Instrument, durch das er handelt. Die inneren Kräfte des Menschen sind in seinem Geiste. Aber die Seele ist vor allem der Sitz des „Ich“, der bewussten Persönlichkeit und des Willens und darum auch seiner Verantwortlichkeit Gott gegenüber.

Nun, wir haben unsere Seelen gereinigt. Es handelt sich bei uns also nicht um eine zeremonielle Reinigung so wie bei den Priestern des Alten Testaments, die im Heiligtum Dienst tun mussten (2Mo 30,19). Selbst die Besprengung mit dem Blut und die Asche der roten Kuh war für sie nur Reinigung des Fleisches (Heb 9,13). Es handelt sich bei uns auch nicht um die Reinigung von Gewohnheiten, ja nicht einmal von Gefühlen und Gedanken. Es geht hier um die Reinigung der Quelle selbst.

Wir haben hier auch keine Ermahnung, uns zu reinigen, sondern es wird festgestellt, dass wir es in der Vergangenheit getan haben. Die Form weist auf einen bleibenden Zustand danach hin. Es ist die normale christliche Stellung, die uns immer wieder in den Briefen vorgestellt wird, sei es auch manchmal in anderen Ausdrücken. Das schließt aber die Verantwortung von fortdauernder Übereinstimmung mit dieser Stellung der Reinheit in sich, desgleichen, Selbstgericht zu üben, wenn wir darin versagt haben.

Wie haben wir diese Reinigung zustande gebracht? Durch Gehorsam gegen die Wahrheit. Im Griechischen steht „in“ Gehorsam. Das ist stärker als „durch“.

Das wird nicht dadurch erreicht, dass wir die Wahrheit kennen- oder begreifen lernen. Obwohl auch das in Wirklichkeit nicht möglich ist, ohne der Wahrheit im Herzen zu gehorchen (Joh 7,17), ist es doch möglich, eine gewisse intellektuelle Kenntnis zu haben, die außerhalb des Gewissens und des Herzens bestehen kann. Aber selbst wahre Erkenntnis ist bei Geschöpfen immer unvollkommen. Es ist der Gehorsam gegen die Wahrheit, wodurch unsere Seelen gereinigt sind.

Der Herr sagte zu Petrus (Joh 13,10): „Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, sondern ist ganz rein. Und ihr seid rein“. Das Wort Gottes, durch den Heiligen Geist angewendet (was in den Bildern der Schrift durch „Wasser“ vorgestellt wird), ist das Mittel, das den Menschen innerlich reinigt (Joh 3,5; 15,3; Eph 5,26). Im Blick auf die Gläubigen aus den Nationen sagt der Apostel, dass Gott ihre Herzen durch den Glauben gereinigt hat (Apg 15,9). Da haben wir das persönliche Mittel, das Gott gebraucht. Der Glaube in ihnen war die geistliche Energie, die die Wahrheit als Gottes Wort annahm als die Offenbarung dessen, was Gott ist. Aber hier finden wir einen mehr praktischen Ausdruck. Wenn man wirklich glaubt, dass die Wahrheit Gottes Wahrheit ist, dann kann nur Gehorsam gegen die Wahrheit folgen. Den Worten Gottes muss gehorcht werden. Der Gehorsam ist also der einzige Beweis, dass Glaube da ist, und er ist das persönliche Mittel, wodurch wir Teil an der reinigenden Kraft der Wahrheit bekommen haben. Und so wird die Sache hier den Gläubigen aus den Juden vorgestellt, die auch vor ihrer Bekehrung bekannten, an Gott zu glauben und sein Wort als Wahrheit anzunehmen.

Gehorsam reinigt die Seele. Vor der Bekehrung tut der Mensch nur seinen eigenen Willen. Darum sagt die Schrift, dass niemand da ist, der Gutes tut (Röm 3,12), denn Eigenwille ist Sünde für ein Geschöpf. „Die Sünde ist die Gesetzlosigkeit“ (1Joh 3,4). Gesetzlosigkeit ist nicht die Übertretung des Gesetzes vom Sinai, sondern wenn man nicht mit der Autorität Gottes Rechnung hält, der doch ein Geschöpf gehorchen muss. Darum wird der Antichrist, von dem gesagt wird, dass er nach seinem Wohlgefallen (oder: nach seinem Willen) handelt (Dan 11,36), der Mensch der Sünde genannt, der Sohn des Verderbens, der Gesetzlose (2Thes 2,3.9). Nun, Gehorsam gegen die Wahrheit, das Wort Gottes, reinigt die Seele von dem eigenen Willen, dem Grundsatz der Sünde.

Wann hat diese Reinigung durch Gehorsam gegen die Wahrheit nun stattgefunden? Als wir uns der Wahrheit unterwarfen. Gott sagte, dass wir Sünder waren, die die Hölle verdient hatten (Röm 3,19), und dass wir uns bekehren müssten (Apg 17,30). Wir unterwarfen uns diesem Urteil dadurch, dass wir es annahmen. Darauf sagte Gott zu uns, dass Er die Welt so lieb hätte, dass Er seinen eingeborenen Sohn für sie gab, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3,16). Wir glaubten das und nahmen den Herrn Jesus im Glauben an. Die Reinigung fand also bei unserer Bekehrung statt.

Aber die Bekehrung brachte uns in die Gesellschaft solcher, die auch bekehrt waren. Sie waren auch der Wahrheit gehorsam geworden, und sie waren in demselben kostbaren Blut gewaschen und durch dasselbe Lamm erlöst und auch Gegenstände derselben Liebe und hatten dieselbe Hoffnung. Alle die kostbaren Dinge, die ihre Herzen beschäftigen, beschäftigen jetzt auch unsere Herzen. Wir haben Gemeinschaft (Teilhaberschaft) darin, und wir sind Brüder, denn wir haben denselben Vater. Und der Genuss des einen an all dem, was wir gemeinschaftlich haben, kann niemals den Genuss des anderen darin vermindern, sondern nur erhöhen: Geteilte Freude ist doppelte Freude. So werden unsere Herzen von selbst dazu gebracht, unsere Geschwister zu lieben. Und alle Hindernisse, die früher bestanden und die es unmöglich machten, die Brüder zu lieben. Sünde, Finsternis, Selbstsucht, weltliche und fleischliche Lust sind nun durch die Reinigung unserer Seele verschwunden. Und es ist keine verstellte, geheuchelte Liebe, so wie in den Höflichkeitsformen dieser Welt; sie ist wirkliche, ehrliche Bruderliebe.

Aber aus Erfahrung wissen wir gut, dass die Verwirklichung dieser Bruderliebe im praktischen Leben häufig sehr schwach ist. Nicht umsonst finden wir wieder und wieder die Ermahnung, die Brüder zu lieben. Es ist das neue Gebot des Herrn (1Joh 2,7-11). Und in Übereinstimmung mit unserem Vers nennt Johannes die Bruderliebe den Beweis, dass wir aus dem Tode in das Leben hinübergegangen sind (1Joh 3,10-18). Darum ermahnt Petrus, dass wir einander mit Inbrunst lieb haben sollen aus reinem Herzen.

Und er wiederholt diese Ermahnung in 1. Petrus 4,8. Das Wort „lieb haben“ steht in der Befehlsform (Aorist). Es ist also ein Befehl, dass wir einander ein für alle Mal mit Inbrunst lieben, Die Liebe soll nicht nur eine Zeit währen, um dann wieder abzuflauen. Und sie soll „mit Inbrunst“ oder „intensiv“ sein. Die Liebe Gottes ist das Vorbild und der Maßstab. Nun, Gott liebte uns schon, als wir noch Sünder waren (Röm 5,8) und nichts Anziehendes an uns war. Die gleiche Liebe müssen wir den Brüdern gegenüber haben. Wir müssen sie lieben, wie ihr Charakter und ihr Zustand auch sein möge.

Ich möchte hierbei bemerken, dass das Griechische in diesem Vers zwei verschiedene Wörter für Liebe gebraucht. Das erste Mal heißt es fileo, was eine Gemütsbewegung andeutet, die dadurch erweckt wird, dass etwas Anziehendes in dem Gegenstand der Liebe zu finden ist. Durch die Reinigung unserer Seelen kamen wir in Verbindung mit den Brüdern und sahen etwas Anziehendes in ihnen; wir haben das oben behandelt. Aber das zweite Mal wird das Wort agape gebraucht. Dies Wort deutet einen Zustand an, der notwendig die betreffende Person zum Handeln zwingt. Der Ausgangspunkt ist hier mehr die Person, die liebt, obwohl es auch mit der Kostbarkeit des Gegenstandes der Liebe in Verbindung steht. Außer in Titus 3,4 wird das Wort agape überall gebraucht, wo von der Liebe Gottes zu den Menschen und von der Liebe des Menschen zu Gott die Rede ist, und, außer in Johannes 5,20, auch überall für die Liebe des Vaters zu dem Sohn und, außer in Johannes 16, 27, für die Liebe des Vaters zu den Jüngern.

Das erste Wort (fileo) könnte auch übersetzt werden mit „gern haben, leiden mögen“ (s. Fußnote bei Joh 21,15-17 in der englischen Übersetzung von JND). Wir könnten also 1. Petrus 1,22 lesen: Eure Seelen gereinigt habend im Gehorsam gegen die Wahrheit, zu dem unverstellten Zugeneigtsein zu den Brüdern, liebt einander inbrünstig mit der Liebe, die Gott zu dem Herrn Jesus hat und zu dir, als du noch ein Sünder warst (Röm 5,8).

Mit „aus reinem Herzen“ wird nicht Sündlosigkeit gemeint, sondern Aufrichtigkeit. Also ohne Nebenabsichten.

Vers 23

1Pet 1,23: …, die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes;

Die Brüder lieb haben ist nur möglich, weil wir wiedergeboren sind. Unsere alte Natur kann nicht lieben. Die neue Natur ist es, die uns dazu fähig macht. Unser Beweggrund, die Brüder zu lieben, ist, dass sie erlöst sind durch das Blut Christi und dass wir dasselbe Teil mit ihnen haben. Unsere Fähigkeit, zu lieben, liegt in der neuen Natur, die wir in der Wiedergeburt empfangen haben. Und durch den Empfang der neuen Natur sind wir auch in die Familie Gottes aufgenommen worden.

In den Versen 1. Petrus 1,22 und 23 finden wir die zwei Seiten der Wahrheit, die der Herr Jesus dem Nikodemus so deutlich vorstellt: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Joh 3,5). Nur finden wir in Johannes den Grundsatz vorgestellt und die Quelle, aus der alles hervorkommt. Es heißt da: „von neuem“ geboren werden; das bedeutet, auf eine ganz neue Weise, von einem ganz neuen Ausgangspunkt her, aus einer ganz neuen Quelle des Lebens. Und der Nachdruck wird da auf die Quelle des neuen Lebens, den Heiligen Geist, gelegt.

Wasser ist in der Schrift ein Bild von dem Wort Gottes, so wie es durch den Heiligen Geist auf Herz und Gewissen der Menschen angewendet wird (Eph 5,26). Es ist also kein Bild von dem Wort Gottes als solchem. Lebendes Wasser stellt dasselbe vor, aber da wird der Nachdruck auf den Heiligen Geist gelegt, der das Wort lebendig macht (Joh 4,10; 7,39). In Johannes 3 nennt der Herr nicht allein das Wasser, sondern auch den Geist, um den Nachdruck darauf zu legen, dass die Wiedergeburt nur durch ein göttliches Werk zustande kommt und dass das neue Leben ein göttliches Leben ist (2Pet 1,4): „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.“ Hier bei Petrus finden wir immer wieder die praktische Seite, wie alles zustande kommt, und auch die praktischen Folgen davon. In Vers 22 die menschliche Seite, in Vers 23 die göttliche Seite. In Vers 22 sehen wir ein Werk von uns und in Vers 23 das Werk Gottes.

Wir finden das Gleiche in Johannes 3, aber nicht ausführlicher entwickelt. „Wasser“ spricht von der reinigenden Kraft des Wortes Gottes (Eph 5,26). Der Heilige Geist passt das Wort auf das Herz und das Gewissen des Menschen zu und bringt ihn dazu, sich selbst zu verurteilen. Das ist das, was an anderen Stellen „Bekehrung“ oder „Buße“ genannt wird. Nun, Selbstgericht ist nach dem Worte Gottes die Art und Weise, wie wir gereinigt werden (1Joh 1,9). Aber zur gleichen Zeit bewirkt der Heilige Geist ein neues Leben in dem Menschen, der sich so verurteilt hat. Die Reinigung findet nicht vor der Wiedergeburt statt, aber ebenso wenig findet die Wiedergeburt vor der Reinigung statt. Beides ist gleichzeitig. Auch die Wiedergeburt kommt durch die Anwendung des Wortes Gottes (Jak 1,18; 1Kor 4,15); sowohl hier als auch in Johannes 3 und an anderen Stellen wird das ausdrücklich gesagt. Wir können die Wiedergeburt also nicht von dem Glauben trennen, so wie es manchmal geschieht.

Diese neue Natur ist die göttliche Natur (2Pet 1,4). Sie ist durch den Heiligen Geist in uns gewirkt und trägt den Charakter ihrer Quelle: „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist“ (Joh 3,6). Es ist das Leben des Herrn Jesus selbst (Kol 3,4). Ja, Er ist unser Leben. Und dieses Leben steht in Verbindung und beschäftigt sich mit Dingen, die Gott geoffenbart hat für diese neue Natur; Dinge, die weit über die Dinge des natürlichen Lebens hinausgehen.

Die Wiedergeburt ist also mit dem Worte Gottes verbunden. Hier wird es (das) lebendige und bleibende Wort Gottes genannt. „Das Wort“ ist die Offenbarung dessen, was Gott ist (Joh 1,1-14) in seiner Natur, seinem Charakter, seiner Liebe, seinen Wegen, kurzum in allem, was Ihn offenbart. Darum wird der Herr Jesus auch das Wort Gottes genannt. Und Er sagte von sich, Er sei „durchaus das, was ich zu euch rede“ (Joh 8,25). Also drückten seine Worte aus, was Er war. Das griechische Wort, das hier für „Wort“ (logos) gebraucht wird (in Vers 25 wird ein anderes Wort gebraucht), redet sowohl von dem inneren Gedanken als auch von dem Wort, durch das diesem Ausdruck verliehen wird. Wir sind also wiedergeboren durch das, was die Gedanken Gottes offenbar macht. Dann muss die neue Natur auch vollkommen mit Gott übereinstimmen.

Das Wort ist lebendig und bleibend (Heb 4,12). Das ist göttlich und darum ewig und unveränderlich. Es ist die Offenbarung des lebendigen Gottes – von dem, in welchem allein Leben ist –, und darum ist es lebendig. Es ist die Wahrheit und wird es ewig bleiben. Alles mag sich verändern und vorübergehen, aber das Wort Gottes verändert sich niemals und bleibt immer dasselbe. Wie wichtig ist es in unseren Tagen, in unseren Herzen die Sicherheit zu haben, dass das Wort Gottes das Wort Gottes ist und dass es nicht aufgelöst werden kann (Joh 10,35).

Verse 24.25

1Pet 1,24.25: Denn alles Fleisch (ist) wie Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen; aber das Wort (des) Herrn bleibt in Ewigkeit. Dies aber ist das Wort, welches euch verkündigt worden (ist).

Die Notwendigkeit der Wiedergeburt aus unvergänglichem Samen, also durch das lebendige und bleibende Wort Gottes, sieht man aus diesen Versen (1Kor 1,23). Gras deutet in der Schrift immer Kurzlebigkeit an (Ps 103,15; Mt 6,30). Nun, alles Fleisch ist Gras. Nichts ist beständig, was von dem Menschen oder in dem Menschen ist. Es mag Unterschiede geben; das Fleisch kann Herrlichkeiten haben. Paulus zählt etwas von diesen Herrlichkeiten auf, wenn er die Dinge nennt, worin das Fleisch sich rühmen kann und worin ein natürlicher Mensch sich von einem anderen unterscheiden kann (Phil 3,4-6). Für das Zusammenleben der Menschen und auch für die Regierung Gottes über diese Erde ist es nicht einerlei, ob jemand in Unreinheit, Mord und Totschlag lebt oder ob er sich zum Wohl der anderen müht. Es besteht ein Unterschied zwischen Heiden, die kriechende Tiere anbeten, und einem Israeliten, der den wahren Gott kennt, der zu dem Bundesvolk Gottes gehört und äußerlich seine Gottesdienstpflichten treu erfüllt.

Aber Jesaja ruft dem Volk zu: Alles Fleisch ist Gras (Jes 40,1-9)! Welcher sittliche Unterschied ist zwischen den Heiden, die Gott nicht kennen und darum den Götzen dienen, und den Juden, die das Wort Gottes haben und Ihm doch nicht dienen? Mochte das Volk Israel durch die auserwählende Gnade Gottes einen besonderen Platz unter den Völkern einnehmen; ihre Geschichte hat bewiesen, dass es diese erhabene Stellung nur sehr kurz und sehr unvollkommen innegehabt hat. Danach fielen sie tiefer als die Völker, die um sie her wohnten. „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen; denn der Hauch des HERRN hat sie angeweht. Fürwahr, das Volk ist Gras“, schrieb der Heilige Geist durch den Propheten. Wenn der Geist des HERRN den dünnen Anstrich wegbläst, so dass die Wirklichkeit offenbar wird, dann stellt sich heraus, dass es keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt. Dann heißt es: „Es ist kein Unterschied; denn alle haben gesündigt“ (Röm 3,22).

Petrus zitiert Jesaja. Aber er schreibt nicht einfach ab. Jesaja schrieb: „Das Gras verdorrt, die Blume fällt ab“ (englische Übersetzungen von JND und W. Kelly und holländische Übersetzungen). Petrus schreibt: „Das Gras ist verdorrt, die Blume ist abgefallen.“ Am Kreuz von Golgatha hat das Fleisch vollkommen bewiesen, wie es war. Nicht einmal mehr der Schein des Lebens oder der geringsten Nützlichkeit ist zu erblicken. Gott hat dafür nur noch das Gericht (Lk 23,31). Der natürliche Mensch hat seinen Zustand vollkommen geoffenbart, indem er den Sohn Gottes, den Schöpfer des Menschen verwarf und kreuzigte.

Für einen Jungbekehrten ist Jesaja 40 ein unverständliches Kapitel. Gott will sein Volk trösten und sagt ihm dann, dass bei ihm nichts zu finden ist, worauf es sein Vertrauen setzen kann. Ist es nicht die schwerste Lektion, die ein Mensch lernen muss, und das zum größten Teil nach seiner Bekehrung, dass er nicht nur viele Sünden getan hat, sondern dass auch seine Natur unverbesserlich schlecht ist? Wie wehrt sich sein Hochmut dagegen, zu der vollen Erkenntnis zu kommen: „Ich weiß, dass in mir, dass ist in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt“ (Röm 7,18)! Er findet keinen Trost in den Worten. Im Gegenteil, die Erfahrungen in der Praxis dieser Wahrheit machen ihn tief unglücklich.

Aber für den, der diese Lektion wirklich gelernt hat und von Römer 7,24 nach Römer 8,1-3 gelangt ist, bedeutet dies den größten Trost, dass Gott noch viel besser als er selbst weiß, dass nichts Gutes im Fleische wohnt und dass er deswegen von dem Fleisch auch nichts erwartet. Und Gott richtet dann sein Herz auf das Wort Gottes, das bis in Ewigkeit bleibt. Die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar (Röm 11,29)! Was Gott durch Jesaja Israel verheißen hat, wird erfüllt werden. Und was Gott in seinem Worte uns gesagt hat, soll unveränderlich stehen bleiben. Es bleibt bis in Ewigkeit.

Das griechische Wort für „Wort“ Gottes in 1. Petrus 1,23 (logos) ist nicht dasselbe wie in 1. Petrus 1,25 (2-mal rema). Das Wort logos gibt mehr den innerlichen Gedanken Gottes und den Ausdruck an, während das Wort rema angibt, was wirklich gesprochen ist (und z.B. in den Evangelien zu uns gelangt ist) und darum auf den ausgesprochenen Willen Gottes hinweist. Der Herr Jesus gebraucht das Wort zum Beispiel, wenn Er ausdrücklich einen Unterschied macht zwischen den Schriften Moses und seinen Worten (Joh 5,47). Er macht auch einen Unterschied zwischen seiner „Sprache“ und seinem „Wort“ (logos; Joh 8,43), obwohl Er dann nicht das Wort rema gebraucht. Erst nachdem der Gedanke Gottes (logos) angenommen wird, können die Worte verstanden werden, die diesen Gedanken ausdrücken.

Das Wort (des) Herrn gibt also nicht allein die Gedanken Gottes wieder, sondern auch seinen ausgesprochenen Willen. Und weil Gott der Unveränderliche ist, ist sein Wort auch unveränderlich. Es bleibt bis in Ewigkeit. Im Griechischen steht ein Artikel vor Ewigkeit. Dann ist die uns bekannte Ewigkeit gemeint, in der sich nichts mehr verändern wird.

Das Wort war zu ihnen gekommen in der Predigt des Evangeliums. Die Worte „als die frohe Botschaft verkündigt (evangelisiert, siehe Fußnote der Elberfelder Übersetzung [CSV].)“ werden im Griechischen in einem selbständigen Hauptwort mit Geschlechtswort ausgedrückt. Es könnte buchstäblich mit „Frohebotschaftsverkündigung“ übersetzt werden.

Alles, was ihnen im Evangelium angeboten war, war der ausdrückliche Wille Gottes, ihnen zu geben, und es war unveränderlich sicher bis in Ewigkeit. Es war der ausdrückliche Wille des Ewigen (Herr = HERR = der ewig Seiende). Und das „Wort (des) Herrn“ ist für uns niedergeschrieben, so dass auch wir es in den Schriften haben. Inmitten einer Welt, die Gott und Christus verworfen hat und nun weit von Gott entfernt ist, worin sich daher täglich alles verändert und schließlich alles im Gericht vernichtet werden soll, haben wir etwas von Gott, was Er selbst uns gegeben hat. Und wenn die Himmel mit gewaltigem Geräusch vergehen und die Elemente im Brande aufgelöst werden und die Erde und die Werke auf ihr verbrennen werden (2Pet 3,10), wird das Wort Gottes bleiben, so dass gesehen werden wird, dass alles, was uns darin gesagt ist, wahr ist.

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