Was sind die Folgen der Wiedergeburt? (3)
1. Johannes 3,1-8; Römer 8,14-17

Charles Henry Mackintosh

© SoundWords, online seit: 14.01.2003, aktualisiert: 30.03.2021

Leitverse: 1. Johannes 3,1-3; Römer 8,14-17

1Joh 3,1-3: Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater gegeben, dass wir Gottes Kinder heißen sollen. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte! Jetzt sind wir Gottes Kinder und es ist noch nicht offenbart worden, was wir sein werden; wir wissen aber, dass, wenn (er) offenbart ist, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Röm 8,14-17: Denn so viele vom Geist Gottes geleitet werden, diese sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht den Geist der Knechtschaft, wiederum zur Furcht, empfangen, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba Vater! Der Geist selbst zeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben – Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlicht werden.

Einleitung

Nachdem wir in Teil 1 und in Teil 2 die Fragen „Was ist die Wiedergeburt?“ und „Wodurch wird die Wiedergeburt hervorgebracht?“ beantwortet haben, bleibt uns nun noch übrig, die „Folgen der Wiedergeburt“ zu betrachten – ein Punkt von allergrößter Wichtigkeit.

Wer ist imstande, die großen Resultate, ein Kind Gottes zu sein, genügend zu würdigen? Wer vermag die Gefühle und Zuneigungen auszulegen, die jener hohen und heiligen Verwandtschaft angehören, in die die Seele durch die Wiedergeburt tritt? Wer vermag jene tiefe Gemeinschaft völlig zu erklären, die das Kind Gottes berechtigt ist, mit seinem Vater zu genießen?

Unterschied zwischen Leben und Frieden

Es ist sehr wichtig, den Unterschied zwischen Leben und Frieden recht zu verstehen. Ersteres ist die Folge unserer Vereinigung mit der Person Christi; Letzteres ist das Resultat seines vollendeten Werkes.

  • 1Joh 5,12: Wer den Sohn hat, hat das Leben.

Aber:

  • Röm 5,1: Da wir nun sind gerechtfertigt worden durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott.

  • Kol 1,20: Er hat durch das Blut seines Kreuzes Frieden gemacht.

Sobald der Mensch die einfache Wahrheit des Evangeliums in seinem Herzen aufnimmt, wird er ein Kind Gottes. Die Wahrheit, die er in sich aufnimmt, ist der „unverwesliche Samen“ der „göttlichen Natur“ (1Pet 1,23; 2Pet 1,4). Viele wissen nicht, was alles mit jener einfachen Annahme des Evangeliums verbunden ist. Wie im Natürlichen das Kind des Edelmannes die verschiedenen Vorrechte der Verwandtschaft, in der es steht, nicht verstehen mag, ebenso ist es in der Gnade. Ich mag in Betreff der Verwandtschaft, worin ich stehe, und deren Vorrechte unwissend sein; aber dessen ungeachtet stehe ich darin, und weil ich darin stehe, habe ich auch die Gefühle und Neigungen, die ihr eigen sind; und ich bin schuldig, diese zu pflegen und ihnen zu gestatten, sich ungezwungen um ihren natürlichen Gegenstand – um den, der mich „durch das Wort der Wahrheit gezeugt hat“ – zu winden (Jak 1,18).

Es ist mein Vorrecht, den reichen Strom der väterlichen Liebe, wie er aus dem Schoß Gottes hervorkommt, zu genießen und diese Liebe durch die Kraft des innewohnenden Geistes zu erwidern. „Wir sind nun Gottes Kinder“ (1Joh 3,2). Er hat uns dazu gemacht. Er hat dieses seltene und wunderbare Vorrecht dem einfachen Glauben an seine Wahrheit zuerkannt (Joh 1,12). Wir erreichen diese hohe Stellung nicht durch „Werke der Gerechtigkeit, die wir getan haben“ oder tun könnten, sondern einfach „nach seiner Barmherzigkeit errettete er uns durch das Waschen der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, den er auf uns reichlich durch Jesus Christus, unseren Heiland, ausgegossen hat, damit wir gerechtfertigt durch desselben Gnade, nach der Hoffnung, Erben des ewigen Lebens würden“ (Tit 3,5-7). Wir sind zu „Söhnen“ berufen und zu „Erben“ gemacht; und dies alles einfach durch den Glauben an die Wahrheit des Evangeliums, das Gottes „unverweslicher Samen“ ist.

Das Leben

Man denke sich den allerschlechtesten Sünder, der bis jetzt ein Leben offenbarer Gottlosigkeit geführt hat. Wenn nun ein solcher im Gefühl seiner Sünden – denn anders wird er keine Gnade begehren – das reine Evangelium Gottes in seinem Herzen aufnimmt, wenn er in wirklicher Anerkennung seiner Schuld von Herzen glaubt, „dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden und dass er am dritten Tage auferweckt ist, nach den Schriften“, so wird er augenblicklich ein vollkommen erlöster, gerechtfertigter und von Gott angenommener Mensch sein. Indem er in seinem Herzen das einfache Zeugnis über Christus aufnimmt, empfängt er ein neues Leben. Christus ist die Wahrheit und das Leben, und wenn wir die Wahrheit aufnehmen, so nehmen wir Christus auf, und wenn wir Christus aufnehmen, so haben wir das Leben:

  • Joh 3,36: Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben.

Wann empfängt er dieses Leben? In demselben Augenblick, in dem er glaubt:

  • Joh 20,31: Durch den Glauben habt ihr das Leben in seinem Namen.

Die Wahrheit von Christus ist der Same des ewigen Lebens; und wo diese Wahrheit geglaubt wird, da wird das Leben mitgeteilt.

Beachte wohl, dass dies es ist, was das Wort Gottes versichert. Es ist eine Sache des göttlichen Zeugnisses und nicht des menschlichen Gefühls. Wir empfangen nicht dadurch das Leben, dass wir etwas in uns fühlen, sondern dadurch, dass wir etwas von Christus glauben, und dieses Etwas haben wir auf Autorität von Gottes ewigem Wort, der Heiligen Schrift. Es ist wichtig, dies recht zu verstehen. Viele suchen in sich die Beweise dieses neuen Lebens, anstatt außer sich auf den Gegenstand hinzuschauen, der das Leben mitteilt. Wahr ist es, dass, „wer an den Sohn Gottes glaubt, das Zeugnis in sich selbst hat“ (1Joh 5,10). Aber, ich erinnere daran, es ist das Zeugnis eines Lebens, das durch den Glauben an den Sohn erlangt wird und nicht durch Schauen auf sich selbst; und je ungeteilter ich mit Christus beschäftigt bin, desto bestimmter und befriedigender wird das Zeugnis in mir sein. Wenn ich das Zeugnis in mir zu meinem Gegenstand mache, so werde ich voller Zweifel und Ungewissheit sein; mache ich aber Christus zu meinem Gegenstand, so werde ich das Zeugnis in all seiner göttlichen Kraft und Wahrheit haben. Hierüber ist besonders Klarheit nötig, weil unsere Herzen nur zu geneigt sind, etwas in uns zum Grund unseres Friedens und unserer Sicherheit zu machen, anstatt einzig und allein auf Christus zu bauen. Je einfacher wir an Christus hängen und von allem anderen absehen, desto friedvoller und glücklicher werden wir sein; aber sobald wir das Auge von Ihm abwenden, ist unser Friede gestört; wir sind unruhig und unglücklich.

Der Frieden

Es ist also höchst nötig, dass wir den Unterschied zwischen Leben und Frieden nach der Genauigkeit der Heiligen Schrift zu verstehen suchen. Ersteres ist, wie wir gesehen haben, die Folge unserer Verbindung mit der Person Christi, Letzteres ist die Folge des Glaubens an sein vollendetes Werk. Sehr oft begegnen wir lebendigen Seelen, die wegen ihrer Annahme bei Gott mit Trauer und Unruhe erfüllt sind. Sie glauben wirklich an den Namen des Sohnes Gottes und haben glaubend das Leben; aber indem sie in Betreff ihrer Sünden nicht die Vollkommenheit des Werkes Christi sehen, haben sie Unruhe statt Frieden im Gewissen. Wir wollen ein Beispiel nehmen. Wenn wir einen Zentnerstein auf die Brust eines toten Menschen legen, so fühlt er es nicht; und wenn wir noch einen zweiten, einen dritten, einen vierten usw. hinzufügen, so fühlt er es nicht. Warum nicht? Weil er kein Leben hat. Wir wollen nun voraussetzen, dass plötzlich Leben in ihn käme; was würde dann die Folge sein? Das große Gewicht auf der Brust würde ihm ein höchst schmerzendes Gefühl verursachen. Was würde nun nötig sein, um ihm den völligen Genuss des empfangenen Lebens zu ermöglichen? Ohne Zweifel die Entfernung der Last des Gewichtes.

Ebenso ist es mit dem Sünder, der durch den Glauben an den Namen des Sohnes Gottes Leben empfängt. Solange er in dem Zustand des geistlichen Todes war, hatte er keine geistlichen Empfindungen und wusste von keinem Gewicht; aber der Eintritt des geistlichen Lebens hat ihm geistliche Empfindungen mitgeteilt; und er fühlt jetzt seine Last auf seinem Herzen und auf seinem Gewissen und weiß nicht, wie er sie loswerden soll. Er sieht nicht, was alles mit dem Glauben an den eingeborenen Sohn Gottes inbegriffen ist. Er sieht nicht, dass Christus sowohl seine Gerechtigkeit als auch sein Leben ist. Er bedarf eines einfachen Blickes auf die vollbrachte Versöhnung Christi, wodurch alle seine Sünden in das Meer ewiger Vergessenheit geworfen sind und er selbst in die völlige Gunst Gottes eintritt. Dies, und dies allein, kann die schwere Last von seinem Herzen entfernen und die tiefe Seelenruhe, die durch nichts gestört werden kann, verleihen.

Wenn ich mir Gott als einen Richter und mich als einen Sünder denke, so habe ich das Blut des Kreuzes nötig, um mich auf dem Weg der Gerechtigkeit in seine Gegenwart zu bringen. Ich muss völlig verstehen, dass jede Forderung, die Gott, der gerechte Richter, an mir, einem schuldigen Sünder, zu machen hatte, auf eine göttliche Weise und auf ewig durch „das teure Blut Christi“ berichtigt worden ist. Dies gibt meiner Seele Frieden. Ich sehe, dass durch jenes Blut „Gott gerecht sein und den rechtfertigen kann, der des Glaubens an Jesus ist“ (Röm 3,26). Ich lerne, dass Gott am Kreuz wegen meiner Sünden verherrlicht worden, ja dass die ganze Frage der Sünde völlig beseitigt und vollständig zwischen Gott und Christus, in der tiefen und feierlichen Einsamkeit Golgathas, berichtigt worden ist. Auf diese Weise ist meine Last weggenommen; ist das Gewicht, das mich zu erdrücken drohte, entfernt, meine Schuld getilgt. Ich kann frei atmen; ich habe vollkommenen Frieden. Ich bin so frei, als das Blut Christi mich frei machen kann. Der Richter hat sich in Betreff der Sünde befriedigt erklärt, und zwar dadurch, dass Er den Bürgen des Sünders von den Toten auferweckt und Ihn zur Rechten der Majestät in die Himmel gesetzt hat.

Ein Platz im Herzen des Vaters

Nun gibt es aber noch etwas von unendlichem Wert. Ich sehe mich nicht nur als einen schuldigen Sünder, dem ein Weg eröffnet ist, auf dem er zu Gott, dem gerechten Richter, Zutritt hat, sondern ich sehe, wie Gott nach den ewigen Ratschlüssen seiner erwählenden Liebe mich durch das Wort der Wahrheit zeugt, mich zu seinem Kind macht, in seine Familie einführt und mich auf eine solche Weise vor sich hinstellt, dass ich inmitten all der zärtlichen Liebesäußerungen des göttlichen Familienkreises mit Ihm, als meinem Vater, die innigste Gemeinschaft pflegen kann. Dies ist augenscheinlich eine andere Seite von der Position und dem Charakter des Gläubigen. Es ist nicht mehr die Frage, wie er in dem gewissen, beruhigenden Bewusstsein, dass jeder gerechten Anforderung an ihn völlig begegnet worden ist, zu Gott komme. Dies ist an und für sich jedem schuldbeladenen Herzen überaus groß; aber hier ist weit mehr als dieses. Gott ist mein Vater und ich bin sein Kind. Er hat ein Vaterherz und ich kann in all meinen Schwachheiten und Nöten auf die zärtliche Liebe dieses Herzens rechnen. Er liebt mich nicht um dessentwillen, was ich etwa zu tun befähigt bin, sondern weil ich sein Kind bin. – Schaut auf ein hilfloses Kindlein; es ist der Gegenstand unaufhörlicher Sorge und Pflege. Es ist ganz unfähig, des Vaters Interesse in irgendeiner Weise zu fördern, und dennoch wird es so unaussprechlich von seinem Vater geliebt, dass es nicht für zehntausend Welten vertauscht würde. Und wenn es so mit einem irdischen Vater ist, was wird es erst mit unserem himmlischen Vater sein? Er liebt uns, nicht um dessentwillen, was wir zu tun vermögen, sondern weil wir seine Kinder sind.

  • Jak 1,18: Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt.

Es war uns ebenso wenig möglich, einen Platz im Herzen des Vaters zu erwerben, als es uns möglich war, die Anforderungen eines gerechten Richters zu befriedigen. Alles ist aus freier Gnade. Der Vater hat uns gezeugt; und der Richter hat eine Versöhnung gefunden (Hiob 33,24). Wir sind Schuldner für das eine wie für das andere.

Wir mögen jedoch daran denken, dass wir, obwohl wir ganz unfähig waren, durch unsere Werke einen Platz in dem Herzen des Vaters zu verdienen oder die Anforderungen eines gerechten Richters zu erfüllen, dessen ungeachtet verantwortlich sind, „dem Zeugnis zu glauben, das Gott über seinen Sohn gezeugt hat“ (1Joh 5,9.10). Ich sage dies, falls einer unter den Lesern sein möchte, der sich hinter die Dogmen einer einseitigen Theologie versteckt und sich weigert, das einfache Zeugnis Gottes zu glauben. Es gibt viele – auch kluge Leute –, die, wenn sie ernstlich aufgefordert werden, das Evangelium der Gnade Gottes anzunehmen, mit der Antwort bereit sind: „Ich kann nicht glauben, wenn Gott mir nicht die Kraft dazu gibt; auch werde ich diese Kraft nicht erhalten, wenn ich nicht einer der Auserwählten bin. Wenn ich aber zu jener begünstigten Zahl gehöre, so muss ich errettet werden – wenn nicht, so kann ich nichts machen.“

Dies ist, wie gesagt, eine durchaus einseitige Theologie; und nicht nur das, sondern auch die Schlüsse, die von dieser einen Seite gemacht werden, sind derart, dass sie zu dem absurden und höchst gefährlichen Glauben an ein unvermeidliches Schicksal hinführen, wodurch die Verantwortlichkeit des Menschen völlig vernichtet und die moralische Regierung Gottes ganz und gar verunehrt wird. Der Mensch geht sorglos seinem Verderben entgegen und Gott wird zum Urheber seines Unglaubens gemacht. Hier wird in der Tat noch Schimpf und Schande dem Unrecht hinzugefügt. Zuerst wird Gott zu einem Lügner gemacht, und dann wird Er beschuldigt, die Ursache dessen sein. Man verwirft seine dargebotene Liebe und tadelt Ihn für diese Verwerfung. Dies ist in der Tat die allerfrechste Bosheit, obwohl sie, wie schon bemerkt, auf eine einseitige Theologie gegründet ist. Glaubt nun wohl jemand, dass solche losen Schlüsse auch nur einen Augenblick vor dem Könige der Schrecken oder dem Richterstuhl Christi standhalten werden? Wird es in den finsteren Regionen der Verdammten eine Seele geben, der es einfallen sollte, Gott als den Urheber ihres ewigen Verderbens anzuklagen? O nein, solche törichte Reden werden nur auf der Erde, nie aber in der Hölle geführt werden. Wenn die Menschen zur Hölle eingehen, so klagen sie sich selbst an. Im Himmel preisen sie das Lamm. Die Verlorenen haben ihr Verderben sich selbst zu verdanken, während die Erlösten ihre Errettung Gott zu verdanken haben.

Wenn die unbußfertige Seele durch den engen Raum der Zeit in den unendlichen Ozean der Ewigkeit hinübergegangen ist, so wird sie in die volle Tiefe und Kraft jener ernsten Worte eintreten: „Ich wollte, aber ihr wolltet nicht“ (Mt 23,37; Lk 13,34). Es ist in Wahrheit die Verantwortlichkeit des Menschen in dem Wort Gottes ebenso bestimmt gelehrt als die Unumschränktheit Gottes. Der Mensch findet es unmöglich, ein System zu bilden, das jeder Wahrheit seinen rechten Platz gibt. Er ist aber auch nicht berufen, Systeme zu bilden, sondern einem einfachen Zeugnis zu glauben und durch dasselbe errettet zu werden. Gott gebietet jetzt „allenthalben allen Menschen, Buße zu tun“ (Apg 17,30). Dieser Befehl, Buße zu tun, ist auf eine Offenbarung der göttlichen Liebe gegründet – einer Liebe, die so schön, so klar, so voll, so frei und mächtig ist, dass keiner ihr entgehen kann, ausgenommen jene, die sich weigern, das Wort zu hören und ihm zu gehorchen, jene, die dem Fatalismus, dem Glauben an ein unvermeidliches Schicksal huldigen und nicht annehmen wollen, dass Gott seiner Liebe Ausdruck zu geben vermag oder dass das menschliche Herz unter dem Einfluss dieser vollkommenen Liebe zerschmelzen kann.

Weitere Resultate der Wiedergeburt

Nachdem wir nun dies zur Warnung derer gesagt haben, die etwa in Gefahr sein möchten, unter die Macht der oben erwähnten Schlüsse zu fallen, wollen wir noch ein wenig bei den Resultaten der Wiedergeburt verweilen, wie sie in der Erziehung im Haus des Vaters gesehen werden.

Als Kinder Gottes haben wir freien Zugang zu all den Vorrechten seines Hauses; und in Wahrheit ist die Erziehung seines Hauses ebenso gut ein Vorrecht als alles andere. Es ist auf dem Grund der Verwandtschaft, in die Gott uns gesetzt hat, dass Er uns erzieht. Ein Vater erzieht seine Kinder, weil sie sein sind. Wenn ich ein fremdes Kind Unrecht tun sehe, so bin ich nicht berufen, es zu erziehen. Ich stehe nicht in der Verwandtschaft eines Vaters zu ihm und folglich kenne ich weder die Gefühle dieser Verwandtschaft noch die Verantwortlichkeit derselben. Ich muss in einer Verwandtschaft sein, um die Gefühle zu kennen, die ihr eigen sind. Da nun Gott, unser Vater, in seiner großen Gnade und Treue in all unseren Wegen auf uns herniedersieht, so wird Er nichts an uns oder um uns erlauben, was seiner unwürdig wäre oder unseren Frieden und unsere Glückseligkeit stören würde.

  • Heb 12,9.10: Zudem haben wir auch die Väter unseres Fleisches zu Züchtigern gehabt und uns vor ihnen gescheut; sollen wir nicht vielmehr dem Vater der Geister unterworfen sein und leben? Denn jene freilich züchtigen uns auf wenige Tage nach ihrem Gutdünken; er aber zum Nutzen, dass wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.

Also ist die Erziehung ein positives Vorrecht, indem es ein Beweis der Sorge unseres Vaters ist und unsere Teilnahme an der göttlichen Heiligkeit zum Zweck hat.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir die Erziehung unseres Vaters im Licht seines väterlichen Angesichts und die tiefen Geheimnisse seiner moralischen Regierung im Licht seiner zärtlichen Liebe zu betrachten haben. Wenn wir dies aus dem Blick verlieren, so werden wir in Bezug auf uns in einem Geist der Sklaverei und in Bezug auf andere in einen Geist des Richtens geraten. Beides aber steht in direktem Widerspruch mit dem Geist Christi. Alle Handlungen unseres Vaters mit uns sind in vollkommener Liebe. Wenn Er uns Brot darreicht, so ist es Liebe; und wenn Er uns züchtigen muss, so ist es auch Liebe. „Gott ist die Liebe.“ – Es ist oft der Fall, dass wir das „Warum“ und das „Wozu“ in seinen besonderen Wegen mit uns nicht verstehen; alles scheint dunkel und unerklärlich. Der Nebel, der unsern Geist umgibt, ist oft so dick und schwer, dass er uns verhindert, die hellen und erheiternden Strahlen des Angesichts unseres Vaters in uns aufzunehmen. Dies ist ein Augenblick der Prüfung – eine ernste Krisis in der Geschichte der Seele. Wir sind durch die Unfähigkeit, die tiefen Geheimnisse der göttlichen Regierung zu verstehen, in großer Gefahr, das Gefühl der göttlichen Liebe zu verlieren. In einer solchen Zeit ist auch Satan sehr beschäftigt, von seinen feurigen Pfeilen Gebrauch zu machen und seine dunklen und teuflischen Zuflüsterungen anzuwenden. Und also zwischen den unreinen Überlegungen von innen und den schrecklichen Zuflüsterungen von außen ist die Seele in Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren und aus der großartigen Position der Ruhe in der göttlichen Liebe herauszukommen, was auch die göttliche Regierung sein möge.

So steht es in Betreff unserer eigenen Seele, wenn wir unter einer besonderen Heimsuchung der Hand Gottes gestellt sind; aber die Wirkung in Betreff anderer ist ebenfalls schlecht. Wie oft mögen wir unter dem Schein der Liebe in uns einen Geist des Richtens entdeckt haben, wenn wir ein Kind Gottes an Leib, Seele oder Gut in traurigen Umständen sahen! Hierüber sollten wir mit großer Sorgfalt wachen. Wir dürfen nicht denken, dass eine jede Züchtigung oder Heimsuchung der Hand Gottes auf Rechnung irgendeiner besonderen Sünde in der betreffenden Person zu setzen sei. Das würde ein ganz falscher Grundsatz sein. Gottes Handlungen sollen sowohl dem Übel vorbeugen, als auch dasselbe verbessern. – Lasst uns ein Beispiel nehmen. Mein Kind ist bei mir im Zimmer und genießt alle Vertraulichkeiten, die unserer Verwandtschaft angehören. Nun tritt jemand herein, von dem ich weiß, dass er mir Dinge mitteilen will, die mein Kind nicht hören darf. Ohne eine Ursache anzugeben, fordere ich es auf, hinauszugehen. Wenn es nun nicht das vollste Vertrauen zu meiner Liebe hat, so kann es in meiner Handlung allerlei falsche Absichten vermuten. Es kann über das Warum und Wozu hin und her grübeln, bis es fast dahin kommt, an meiner Liebe zu zweifeln. Später aber, wenn ich wieder allein bin, rufe ich es wieder zu mir und erkläre ihm die ganze Sache, und in der erneuten Erfahrung der Liebe des Vaters vergisst es den traurigen Argwohn einiger finsterer Augenblicke. So geht es nicht selten mit unseren armen Herzen in Betreff der göttlichen Führung, sowohl mit uns als auch mit anderen. Wir grübeln, wenn wir stille sein sollten; wir zweifeln, wenn wir vertrauen sollten.

Das völlige Vertrauen auf die Liebe unseres Vater ist das wahre Heilmittel in allen Dingen. Wir sollten stets die Gewissheit jener unwandelbaren, unendlichen und ewigen Liebe festhalten, die uns aus unserem niederen und verlorenen Zustand herausgenommen und uns zu „Söhnen Gottes“ gemacht hat. Er wird uns nimmer verlassen noch versäumen, bis wir in die ununterbrochene und ewige Gemeinschaft des Hauses unseres Vaters droben eintreten. Möchte doch jene Liebe überschwänglicher in unseren Herzen wohnen, damit wir völliger in den wahren Sinn und die wahre Kraft der Wiedergeburt eintreten und immer besser verstehen lernen möchten, was sie ist, wie sie hervorgebracht wird und was ihre Resultate sind. Gott gebe es um Christi willen! Amen.

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Originaltitel: „Was ist die Wiedergeburt?“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1863, S. 27–35
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