Versammlungsbeschlüsse
Wenn die Schrift nicht mehr benötigt wird

William Kelly

© SoundWords, online seit: 22.01.2017, aktualisiert: 31.07.2023

W. Kelly hatte über verschiedene Irrlehren im Bezug auf die Bedeutung der Gemeinde und des Wortes Gottes gesprochen – unter anderem über die Meinung, die Heilige Schrift sei nicht so sehr das Wort Gottes selbst, sondern nur der Bericht davon. W. Kelly bezeichnet dies als Unglaube, zeigt aber nun auf, welchen Fehler jene machen, die diese Irrlehre zu Recht ablehnen. 

[…] Eine weitere Form des Unglaubens zeigt sich unter den Brüdern, die behaupten, sie seien treu, wenn sie solch eine verdorbene Gemeinschaft [die die oben genannten Irrlehren festhält] ablehnen und sich von ihr absondern. Die daraus resultierende Gefahr wurde zu der Zeit offenkundig, als beide Parteien – die nun einander entgegenstanden – alles an der einen Sache festmachten, die sie „Versammlungsbeschluss“ nannten. Dieser Ausdruck war unbekannt in den Tagen, als Vertrauen und Geduld regierten und als für jedes gerechtfertigte Urteil die Schrift als Grundlage verlangt und angegeben wurde. Kein recht gesinnter Heiliger konnte sich  eine Gott wohlgefällige Handlung vorstellen ohne Gehorsam gegenüber dem Wort. Und wie sehr ehrte der Herr das! Aber als der Parteigeist anfing, das kirchliche Feuer bis zur Weißglut anzufachen und man keine Schriftstellen mehr fand, um ein extremes und revolutionäres Vorgehen zu rechtfertigen, nach dem verlangt wurde, brachten die sonderbaren Vorgehensweisen auch sonderbare Formulierungen in die Versammlungen.

Wenn man keine Schriftstellen finden konnte, behauptete man, es seien keine notwendig. Der Weg dieser Brüder wurde sehr besorgniserregend – Brüder, die behaupteten, sie besäßen alle geistlichen Qualitäten, und die sie denen absprachen, die ihr Verhalten als nicht schriftgemäß und über die Schrift hinausgehend tadelten. Es wurde festgelegt, dass alle durch einen Versammlungsbeschluss gebunden seien, egal, wie parteiisch oder übereilt dieser gefasst worden war – ja sogar wenn man wusste, dass er falsch war! Dieser Beschluss wurde nicht zunächst nur bis auf Widerruf gefasst, sondern man schloss auch jede Überprüfung in der Zukunft aus, als ausdrücklich gefordert wurde, dass das Richtige nur von denen getan würde, von denen wir klar wissen, dass sie im Irrtum waren.

Nein, es konnte keine, ja es durfte keine Korrektur geben, kein Eingeständnis, dass man einen Fehler gemacht hatte! Ein einmal erfolgter Versammlungsbeschluss muss als unabänderlich akzeptiert werden – auch dann, wenn man nachher sicher weiß, dass er ungerechtfertigt und falsch war! All das zählte nicht; der Beschluss war auf der Erde und im Himmel gebunden! Deswegen war fortan die erste Pflicht eines einsichtigen Gläubigen, zu akzeptieren, dass dies mit dem Wort und mit dem Namen des Herrn übereinstimmte! Die Heimat eines solchen Fanatismus scheint Babylon zu sein.

In normalen Fällen von Zuchthandlungen, die in Übereinstimmung mit der Schrift durchgeführt werden, ist die Versammlung ohne Zweifel bevollmächtigt, im Namen des Herrn zu sprechen – und die Einzelnen sind verpflichtet, darauf zu hören. Selbst dann wussten Ältere, die einiges erlebt hatten, sehr genau, dass unter normalen Umständen Fehlurteile, die nicht aufgehoben werden, verhängnisvoll sein können. Sie wussten auch, dass man falsche Entscheidungen um der Ehre des Herrn willen und zur Beschämung der Versammlung aufgeben musste. Doch hatte man es von Herzen getan um des Namens des Herrn willen. Wie viel notwendiger war dies, als Seelen auf jeder Seite verwirrt, beunruhigt und beschuldigt wurden und als der noch nie dagewesene Schritt getan wurde, nach der Weise der Welt den Versammlungsort zu ändern. Aber das wurde noch nicht einmal getan, um Objektivität in der Entscheidung zu gewährleisten, sondern um eine Frage zu entscheiden, von der man wusste, dass es starke Strömungen dafür und starke dagegen gab! In der Folge waren einige überzeugt, dass es für solch einen Fall keine Schriftautorität gab. Argumente wollte man auch keine mehr hören, und so blieben sie nur in Gemeinschaft, bis es kein Heilmittel mehr gab und ein Fall eintrat, der sie dazu trieb, nach ihrem durch das Wort geleitete Gewissen zu handeln. 


Auszug aus „2 Peter 1“ in The Second Epistle of Peter, London (Weston) 1906
Quelle: www.stempublishing.com

Übersetzung: Philipp-Richard Schulz

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