Satan – seine „Macht des Todes“ (7)
Hebräer 2,14

Frederick Charles Jennings

© EPV, online seit: 09.02.2005, aktualisiert: 10.12.2020

Leitvers: Hebräer 2,14

Hebräer 2,14 enthält einen bemerkenswerten Ausdruck, der uns über eine andere Seite der Tätigkeit Satans unter den Menschen informiert. Wir lesen dort:

Heb 2,14.15: 14 Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er [Jesus] in gleicher Weise an denselben teilgenommen, auf dass er durch den Tod den zunichtemachte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel, 15 und alle die befreite, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.

Die Frage liegt nahe: Wie kann der Teufel die „Macht des Todes“ haben oder je gehabt haben? Sollen wir uns ihn als den Vollstrecker des göttlichen Richterspruches „du wirst gewisslich sterben“ vorstellen, so dass jeder Mensch durch Satans direktes Eingreifen „zum Staub zurückkehrt“? Für solch eine Annahme wäre eine viel klarere Aussage der Schrift nötig, als sie der vorliegende Vers bietet. Das hier benutzte Wort „Macht“ deutet überdies nicht auf eine Autorität (über den Tod), sondern auf Kraft hin.

Die angeführte Stelle sagt uns, dass der Teufel durch den Tod Dessen „zunichtegemacht“ worden ist, der „Blutes und Fleisches teilhaftig“ wurde. Aber auf welche Weise geschah dies, da ja der Teufel nicht tot ist, und der Tod nach wie vor über die Leiber der Gläubigen wie der Ungläubigen herrscht? Auch durch die Innewohnung Christi in dem Gläubigen ist dessen Leib noch nicht von den Folgen der Sünde, vom Tode, erlöst. „Wir selbst seufzen in uns selbst, erwartend … die Erlösung unseres Leibes“ (Röm 8,23). Doch unser „Geist ist Leben der Gerechtigkeit wegen“ (Röm 8,10). Der Heilige Geist hat meinem Geist ewiges Leben vermittelt, ein Leben, das durch den Tod nie angetastet werden kann. Der Tod hat alle Macht über mein vom Geist geschenktes, vom Geist erfülltes Leben verloren. Auf welche Weise? „Der Gerechtigkeit wegen“; sie hat alles Todeswürdige durch den Tod des Einen hinweggetan, der in Gleichgestalt des Fleisches der Sünde am Kreuze starb. Wir werden, was den Geist betrifft, „den Tod nicht sehen ewiglich“ (Joh 8,51). Das Gesagte wirft sein Licht auf unsere Stelle in Hebräer 2. Wenn unser Heiland uns auch nicht vom physischen Tod errettet hat, so hat Er uns doch von jener „Todesfurcht“ befreit, durch die der Teufel die Menschen „das ganze Leben hindurch“ in Knechtschaft hält.

Im Allgemeinen ist es weniger der Mensch dieser Welt, der den Tod fürchtet. Da er in Bezug auf die ewigen Folgen des Todes blind ist, brüstet er sich manchmal sogar damit, dass er den Tod nicht fürchtet. Ist unser Geist aber einmal erwacht, so beginnen die ewigen Wahrheiten uns niederzudrücken, das Gewissen erkennt die Größe der eigenen Schuld. Erwacht eine Seele zum Leben, ohne von einem bereits vollbrachten Opfer und einer völligen Erlösung zu wissen, wie dies bei den alttestamentlichen Heiligen der Fall war, so hat sie noch die Furcht vor dem Tode.

Der Schreiber des Hebräerbriefes denkt somit ganz offensichtlich an die „Kinder Gottes“ (Heb 2,13b.14a), die vor dem Sühnungstod des Herrn Jesus lebten, wenn er von einer Befreiung der durch Todesfurcht Geknechteten spricht. Lassen wir einmal die Gedanken eines alttestamentlichen Gläubigen zu uns reden: „Er [Gott] lasse ab, wende sich von mir, dass ich ein wenig mich erheitere, ehe ich hingehe (und nicht wiederkomme) in das Land der Finsternis und des Todesschattens, in das Land, düster wie das Dunkel, das Land des Todesschattens und der Unordnung, und wo das Hellwerden dem Dunkel gleich ist!“ (Hiob 10,20-22). Wenn der Tod für den Eintritt in ein Land solcher Finsternis gehalten wurde, dass selbst sein Licht mitternächtlichem Dunkel glich – können wir uns dann wundern, wenn der Gläubige „Furcht“ vor einem solchen Schritt empfand? Hören wir noch die Worte aus dem Gesang Hemans, des Esrachiters, zu dem gleichen Gegenstand: „Wirst du an den Toten Wunder tun? Oder werden die Schatten aufstehen, dich preisen? Wird deine Güte erzählt werden im Grabe, im Abgrund deine Treue? Werden in der Finsternis bekannt werden deine Wunder, und deine Gerechtigkeit im Lande der Vergessenheit?“ (Ps 88,10-12).

Es ist nicht verwunderlich, dass die Heiligen des Alten Bundes vor einem solchen Zustand zurückschreckten. Selbst Salomo, der Weiseste unter den Menschen, rief aus: „Ein lebendiger Hund ist besser daran als ein toter Löwe. Denn die Lebenden wissen, dass sie sterben werden“ (1. Korinther 15,51 war damals noch unbekannt); „die Toten aber wissen gar nichts, und sie haben keinen Lohn mehr, denn ihr Gedächtnis ist vergessen … Sie haben ewiglich kein Teil mehr an allem, was unter der Sonne geschieht“ (Pred 9,4-6). Allerdings spricht Salomo lediglich von dem, was der menschliche Verstand, ohne göttliche Erleuchtung, „unter der Sonne“ wahrnehmen kann. Der gläubige Israelit sah den Tod nicht als den endgültigen Schlussstrich alles Lebens an, wie uns die Schrift verschiedentlich zeigt. Tatsächlich war ja gerade das Wissen, dass mit dem Tode nicht „alles aus ist“, die Ursache der Furcht vor dem Sterben. Die Schrift beweist ihre göttliche Inspiration gerade auch in der Tatsache, dass sie die Todesfurcht als ein Merkmal desjenigen wahren Gläubigen bezeugt, der mit der vollen Wahrheit noch nicht vertraut gemacht worden ist. Er weiß um die Unerbittlichkeit seines eigenen Todes, um die Schmerzen und Leiden, die ihm im Allgemeinen vorausgehen, um die Trauer der Zurückbleibenden, um das Unbekannte, in das er eintreten muss und dem er sich hilfloser preisgegeben sieht als bei seiner Geburt; vor allem steht die unermessliche Menge seiner Sünden, Verfehlungen, Versäumnisse und der vergeudeten Lebensjahre als finstere Wolke vor ihm. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Heb 9,27).

Während der Jahrtausende vor dem Tod und der Auferweckung des Herrn Jesus war die Todesfurcht somit notwendig das Teil der damaligen Gläubigen. Erst das Werk des Herrn Jesus hat einen völligen Wandel der Dinge zustande gebracht. Es hat die Leiden und die Trauer, die mit dem Tode verbunden sind, nicht hinweggetan; aber es hat den Tod seines Stachels beraubt, hat alle Knechtschaft hinweggetan und den Teufel zunichtegemacht.

Wenn der Stachel, die Macht des Todes, in der Sünde begründet ist, wieso kann der Teufel diese Macht des Todes ausüben? Nur auf eine Weise: indem er als der Ankläger der Menschen vor Gott auftritt. Angenommen, ich befände mich unter der Anklage eines Kapitalverbrechens im Gefängnis, und der Staatsanwalt besuchte mich täglich, um mir immer wieder zu versichern, dass er als mein Ankläger auftreten werde und meine Verurteilung zum Tode absolut sicher sei. Ich würde mich ständig in Todesfurcht befinden, und der Staatsanwalt hätte die Macht des Todes, Nun wird mir aber die „frohe Botschaft“ zuteil, dass ein anderer, der mich mit vollkommener Liebe liebt, freiwillig meinen Platz eingenommen hat, dass das Todesurteil bereits an ihm vollstreckt und ich endgültig von aller Anklage freigesprochen sei: Die Drohungen meines Verklägers wären jetzt null und nichtig für mich, die Todesfurcht hinweggenommen. Dies ist ein schwaches Bild davon, wie der Herr Jesus durch Seinen Tod die Macht des Anklägers vernichtet hat. Durch den Glauben an Sein Werk sind wir nun von der Todesfurcht befreit. Es ist das herrliche Teil des ärmsten und schuldigsten Gläubigen zu wissen, dass nicht nur die Gnade (die ja die Grundlage des Werkes ist), sondern die „Gerechtigkeit Gottes“ selbst seine völlige Rechtfertigung bewirkt hat! Alle Anklagen des Feindes sind zum Schweigen gebracht. Müssen wir nicht in den Ruf ausbrechen: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus“?

Was bedeutet der Tod nun für den Christen?

Der Prediger, der „Weiseste unter den Menschenkindern“, konnte keinen Unterschied zwischen dem Sterben eines Menschen und dem eines Tieres feststellen. In beiden Fällen hört der Herzschlag auf, der Odem entflieht. Sie scheinen „einerlei Geschick“ zu haben, und „da ist kein Vorzug des Menschen vor dem Tiere“ (Pred 3,19). Moderne Theologen wollen uns einreden, dass wir aufgrund göttlicher Offenbarung auch heute nicht viel mehr über den Tod wissen; wenn das Sterben des Menschen auch nicht das endgültige Aufhören seiner Existenz bedeute, so verfalle er bestenfalls in einen traumlosen Schlafzustand, aus dem ihn nur die „letzte Posaune“ erwecken könne. Ist der Tod somit auch für uns „ein Land der Vergessenheit“, der „Finsternis“, wo Bewusstsein, Freude und Lob ausgelöscht sind? Nein, dem Herrn sei Dank, denn seit den Tagen Salomos hat Er eine Flut göttlichen Lichtes in unsere Gräber fallen lassen. Wenn wir unseren Blick auf das leere Grab richten, das Ihn nicht zurückhalten konnte, so wissen wir, dass Er „den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium“ (2Tim 1,10); diese Botschaft konnte erst verkündigt werden, nachdem der Herr Jesus zum Vater zurückgekehrt war. „Wenn der Tod zunichtegemacht ist, wieso sehen wir uns überall von ihm umgeben?“ werden manche fragen. Den gleichen Ausdruck, „zunichtegemacht“, haben wir bereits in der Anwendung auf den Teufel gesehen. Er bedeutet nicht „aufhören zu existieren“, sondern „Außer-Kraft-gesetzt-Werden“ (der gleiche Ausdruck wie in Galater 3,17: „um die Verheißung aufzuheben“).

Der Herr Jesus hat also den Tod außer Kraft gesetzt oder unwirksam gemacht. Ist das aber wirklich so? Vergleichen wir einmal die Klage eines alttestamentlichen Gläubigen mit dem freudigen Ausruf eines Gläubigen des Neuen Testamentes: „In der Ruhe meiner Tage soll ich hingehen zu den Pforten des Scheol, bin beraubt des Restes meiner Jahre. Ich sprach: Ich werde den HERRN nicht sehen, den HERRN im Lande der Lebendigen“ (Jes 38,10). Dagegen hören wir den Triumphgesang: „So sind wir nun allezeit gutes Mutes und wissen, dass, während einheimisch in dem Leibe, wir von dem Herrn ausheimisch sind; (denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen); wir sind aber gutes Mutes und möchten lieber ausheimisch von dem Leibe und einheimisch bei dem Herrn sein“ (2Kor 5,6-8). Fügen wir zu unserer Ermunterung noch ein weiteres Beispiel an. David stöhnt: „Blicke von mir ab, dass ich mich erquicke, bevor ich dahingehe und nicht mehr bin!“ (Ps 39,13). Paulus dagegen triumphiert: „Das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn … Ich werde aber von beidem bedrängt, indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser“ (Phil 1,21.23). Das Sterben Gewinn! Abzuscheiden weit besser! Welche Macht kann der Tod für einen solchen Gläubigen noch haben?

Als jener „Übeltäter“ von den Kriegsknechten an das Kreuz geheftet wurde, sah er nur einen qualvollen, langsamen Tod vor sich. Dann erreicht ihn das Wort aus dem Munde des Herrn. Sofort verfliegt die Finsternis, und er weiß, dass er, ehe die Sonne sinkt, mit Christus im Paradies sein wird.

Eine andere Szene: „Nachdem sie … Paulus gesteinigt hatten, schleiften sie ihn zur Stadt hinaus, indem sie meinten, er sei gestorben“ (Apg 14,19). Der völlig bewusstlose, misshandelte Körper wurde schmachvoll durch den Straßenkot geschleift; doch wo befand sich sein Geist? Jedenfalls schrieb Paulus vierzehn Jahre später die Worte: „Ich kenne einen Menschen in Christus vor vierzehn Jahren (ob im Leibe, weiß ich nicht, oder außer dem Leibe, weiß ich nicht; Gott weiß es), … der entrückt wurde bis in den dritten Himmel, … dass er in das Paradies entrückt wurde“ (2Kor 12,2.4). Wäre es nicht durchaus denkbar, dass während der schmachvollen Misshandlung seines Körpers in den Straßen von Lykaonien sein Geist an den Ort der entschlafenen Erlösten entrückt wurde, um dort höchster Ehren vonseiten Gottes teilhaftig zu werden? Für uns ist es tröstlich, dass Paulus diesen Bericht nicht über sich selbst als berufenen Apostel schreibt, sondern nur von einem „Menschen in Christus“ spricht. So wird es sicher das Vorrecht jedes, auch des jüngsten und schwächsten Gläubigen in Christus einst sein, in die gleichen Höhen erhoben zu werden wie ein Paulus. Wenn der Leib entschläft und „in Unehre gesät“ wird, tritt der Geist in jene Herrlichkeit ein, in die auch der Leib bald berufen werden wird. Wir sind dann „einheimisch bei dem Herrn“. So ist auch der Tod „unser“ (1Kor 3,22), ein Diener wie die „dienstbaren Geister“. Als „König der Schrecken“ ist er hinweggetan. Ja, selbst die Gewissheit des eigenen Todes ist hinweggenommen. Die Augen, die diese Zeilen lesen, werden sich vielleicht nie im Tode schließen. In die Hoffnung „Wir werden … nicht alle entschlafen“ (1Kor 15,51) bezog selbst der Apostel Paulus sich mit ein und ermutigte auch die jungen Gläubigen in Thessalonich dazu: „Wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn …“ (1Thes 4,15). Welch eine Hoffnung! – zwar lange hinausgeschoben; doch die Zeit wird uns nicht mehr lang erscheinen, wenn wir, bei Ihm und in Sein Bild verwandelt, auf die trübe Erdenzeit zurückblicken werden.

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Originaltitel: „Satans ‚Macht des Todes‘“
aus Hilfe und Nahrung, Ernst-Paulus-Verlag, 1982, S. 200–207


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