Randbemerkungen zu „Handbuch der biblischen Prophetie“ von A.G. Fruchtenbaum (1)
Grundlagen

Werner Mücher

© W. Mücher, online seit: 10.09.2010, aktualisiert: 30.04.2023

Anmerkung der Redaktion:
Bereits 1983 erschien das Handbuch der biblischen Prophetie von Arnold Fruchtenbaum. Dieses Buch ist mittlerweile recht weit verbreitet und wird vielfach als Nachschlagewerk bei prophetischen Fragen benutzt. Aus Sicht der Redaktion enthält es sehr viele nützliche Hinweise. Dennoch wollen wir dem interessierten Leser gern die folgenden Randbemerkungen von Bruder Werner Mücher zur Verfügung stellen, der ebenfalls ein durch viele Bücher zu diesem Thema ausgewiesener Kenner der biblischen Prophetie ist. Diese Randbemerkungen sollen den Leser anreizen, die Schrift zu untersuchen und selbst mit Hilfe des Heiligen Geistes, aber auch mit Hilfe von Gaben, die der Herr seiner Gemeinde gegeben hat (Eph 4,12: „zur Vollendung der Heiligen“), zu einer Überzeugung zu gelangen. Wenn wir diese Randbemerkungen veröffentlichen, dann vor allen Dingen deshalb, weil dieses Buch in vielen Bücherregalen zu finden ist. Wir schätzen Bruder Fruchtenbaum ebenso wie es Bruder Werner Mücher in seiner Einleitung „Ein Wort vorab“ deutlich macht, auch wenn wir in einigen zentraleren Fragen, die nicht mit der Prophetie zusammenhängen, doch mehr oder weniger stark abweichende Ansichten vertreten.

Ein Wort vorab

Eigentlich müsste ich, um dem Buch Handbuch der biblischen Prophetie (Schulte & Gerth, 1991; Asslar) von Arnold G. Fruchtenbaum gerecht zu werden, auch die vielen guten Aussagen in diesem Buch kommentieren. Arnold G. Fruchtenbaum (künftig immer AGF) geht vom dispensationalen Standpunkt aus, was sehr wohltuend ist. Er lehrt eindeutig, dass die Entrückung vor der Drangsalszeit stattfindet. Ebenso beweist er exzellent, dass es ein buchstäbliches Tausendjähriges Reich geben wird (Teil V). Auch ist es eindrucksvoll, zu sehen, wie AGF viele Bibelstellen aus den Propheten Revue passieren lässt. Ich habe mir an sehr vielen Stellen in meinem Exemplar dieses Buches „gut!“ oder „sehr gut!“ an den Rand geschrieben. Vieles ist hervorragend ausgedrückt. Den Hauptlinien schließe ich mich von Herzen an, und ich glaube, dass das Buch in vieler Hinsicht zum Segen dient.

Dennoch habe ich mir auch eine ganze Reihe Randbemerkungen zu Punkten gemacht, die aus meiner Sicht ungenau und zum Teil irreführend sind. Dabei gebe ich gern zu, dass es Bibelstellen zu den Prophezeiungen gibt, wo ich selbst Fragen habe und dankbar wäre, wenn ich dazu mehr Klarheit bekäme. An den Stellen, wo ich Text in die Zitate von AGF eingefügt habe, habe ich das durch eckige Klammern […] kenntlich gemacht.

Ich habe häufig darauf verzichtet, Sekundärliteratur zum Beweis anzuführen. Auch habe ich meine Randbemerkungen nicht immer ausführlich untermauert, weil ich das in einigen Büchern getan habe, die ich in den letzten zwanzig Jahren selbst zu prophetischen Themen verfasst habe. Diese Bücher sind (in der Reihenfolge ihres jeweiligen Erscheinungsjahres):

An einigen Stellen verweise ich in dieser Ausarbeitung auf das umfangreiche Werk von Schürmann/Isenberg, Der vergessene Reichtum, Lychen (Daniel-Verlag), in dem die Autoren auf viele Fragen, die uns nun beschäftigen, ausführlich eingehen.

Die „Randbemerkungen“ sollen eine Einladung für den Leser sein, sich intensiver mit dem prophetischen Teil des Wortes Gottes zu beschäftigen: „Und so besitzen wir das prophetische Wort umso fester, auf das zu achten ihr wohltut, als auf eine Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen; indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist. Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2Pet 1,19-21).

Ich freue mich über jede Zuschrift, ob sie nun meine Argumente ergänzt oder auch korrigiert. Ich wünsche dem Leser und mir selbst die gute Haltung, mit der die Beröer das Wort Gottes aufnahmen: „Diese aber waren edler als die in Thessalonich; sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf, indem sie täglich die Schriften untersuchten, ob dies sich so verhielte“ (Apg 17,11).

Gottes Segen und viel Freude beim Studium des Wortes Gottes. – Maranatha!

Marienheide, 11. August 2010
wmuecher[at]aol.com

Randbemerkungen im Einzelnen

Teil 1 – Grundlagen

Seite 14: Ein Vers kann das, was er bezeugen will, nur im Zusammenhang des Textes aussagen, und man kann seine Bedeutung nur aus dem Kontext heraus erfassen, darum darf er nicht aus dem Textzusammenhang herausgerissen werden. Wenn dies geschieht, ergibt sich oft eine Bedeutung, die er im Textzusammenhang niemals haben kann. Ein gutes Beispiel ist hierfür Sacharja 13,6. Dieser Vers wird oft als Weissagung auf Christus hin ausgelegt. Reißt man ihn aus dem Zusammenhang, klingt er tatsächlich, als spreche er von Christus. Aber der Zusammenhang (Sacharja 13,2-6) spricht von falschen Propheten. Daher kann Vers 6 nicht auf Christus gedeutet werden, es sei denn, man bezeichne ihn als einen falschen Propheten. Hier liegt die Gefahr, wenn jemand einen Bibelvers für sich nimmt und nicht aus dem Zusammenhang heraus verstehen will. Der häufig zitierte Satz „Man kann mit der Bibel alles beweisen“ trifft nur dann zu, wenn man diese Regel verletzt.

Diesem Auslegungsprinzip schließe ich mich voll und ganz an, doch das Beispiel, das AGF hier gebraucht, ist nicht gut geeignet. In diesem Fall machen nämlich die folgenden Verse klar, dass es sich sehr wohl um Christus handelt. Wenn sich Sacharja 13,7 eindeutig auf Christus bezieht (denn dieser Vers wird ja teilweise in Matthäus 26,31 zitiert und AGF wird sicher zugeben, dass Vers 7 sich auf Christus bezieht), warum sollten sich dann nicht bereits die Verse 5 und 6 in Sacharja 13 auf Christus beziehen?[1] Wenn der plötzliche Übergang von Vers 6 zu 7 möglich ist, warum dann nicht bereits zwischen den Versen 4 und 5?

Die wörtliche Übersetzung von Sacharja 13,5.6 macht deutlich, dass es tatsächlich in diesen Versen um den Messias geht und nicht um den falschen Propheten: „Und er wird sprechen [ve’amar]: Nicht ein Prophet bin ich, ein Bearbeiter des Erdbodens bin ich, denn ein Mensch hat mich gekauft von meiner Jugend an. Und er wird sprechen [ve’amar] zu ihm [’elav]: Was sind diese Wunden zwischen deinen Händen … ?“

Der falsche Prophet fragt jemand anders bezüglich der Wunden in den Händen. Leider kommt in der Elberfelder nicht zum Vorschein, dass diese beiden Verse mit den genau gleichen Worten beginnen. Durch die unterschiedliche Übersetzung von ve’amar wurde diese Tatsache verwischt. Wer ist der Gefragte? Geht man die Verse der Reihe nach zurück, findet man die Person am Schluss von Kapitel 12, wo es in Vers 12 heißt: „Sie werden auf mich [’elai] blicken, den sie durchbohrt haben“ (Sach 12,12). Dann wird in der 3. Person über ihn gesprochen [’alav].

Seite 15: Der zweite Unterabschnitt ist die Zeit der großen Trübsal, die sieben Jahre dauert. Dies werden die letzten sieben Jahre der Haushaltung der Gnade sein.

1. Wenn man die Heilige Schrift genau auf die „Zeit der Trübsal“ oder „Zeit der Drangsal“ untersucht, stellt man fest, dass sie nicht 7 Jahre, sondern 3½ Jahre dauert. Es ist die Zeit, die im Buch der Offenbarung mit jeweils „42 Monaten“ (Off 11,2; 13,5), „1260 Tagen“ (Off 11,3; 12,6; vgl. Dan 12,11.12) oder „einer Zeit, Zeiten und einer halben Zeit“ (Off 12,14; vgl. Dan 7,25; 12,7) bezeichnet wird. Die gesamte Zeit zwischen der Entrückung und dem Friedensreich wird allerdings sehr wohl 7 Jahre dauern, das ist die „Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird“ (Off 3,11).

2. Wieso AGF diese 7 Jahre der Gerichte noch zu der Haushaltung der Gnade rechnet, ist mir unverständlich. Es ist doch viel sinnvoller, davon auszugehen, dass die Zeit der Gnade mit der Entrückung der Gemeinde endet. Nach der Zeit der Gemeinde wird Gott vielmehr wieder mit Israel anknüpfen und Menschen aus diesem Volk zur Bekehrung bringen. Diese Menschen sind dann aber keine Christen mehr – oder hat AGF ein anderes Verständnis von dem Begriff „Christ“? –, sie werden nicht zum Leib Christi gehören, sondern ihre Stellung gleicht der der Gläubigen des Alten Bundes, wo es auch schon Heilige aus dem Volk Israel und aus den Völkern gab.

Der Apostel Paulus verkündigte das „Evangelium der Gnade“ (Apg 20,24), nach der Entrückung wird das „Evangelium des Reiches“ verkündigt (Mt 24,14).

Seite 18: Der Wert des Buches der Offenbarung liegt nicht darin, dass es neue Informationen vermittelt, sondern dass es eher die Prophetenworte des Alten Testamentes aufgreift und sie chronologisch ordnet, so dass man die Folge der verschiedenen Ereignisse bestimmen kann.

Wenn das zutreffen würde, hätte Gott uns kaum das Buch der Offenbarung zu geben brauchen. Es ist der Schlussstein des Neuen Testamentes und fasst die prophetischen Aussagen des Alten Testamentes (die sich auf Israel beziehen) und die des Neuen Testamentes (die sich auf die Christenheit beziehen) zusammen. Beide Stränge der Prophetie laufen in der Offenbarung zusammen und verschmelzen zu einem Ganzen. Im Buch der Offenbarung sehen wir, wie Gott seine Ratschlüsse mit der Erde und den Menschen in den verschiedenen Zeitaltern erfüllt, und es wird ein Ausblick auf die Ewigkeit gegeben.

Es stimmt zwar, dass das Verständnis des Buches der Offenbarung eine gewisse Kenntnis der übrigen Schriften des Alten und des Neuen Testamentes voraussetzt, vor allem, was die Symbolik bedeutet, doch es enthält durchaus viele neue Offenbarungen, wie auch der Name des Buches (griech. apokalypsis = „Enthüllung“) deutlich macht. Es ist keine bloße Wiederholung bekannter Wahrheiten, sondern vor allem eine Offenbarung über das Gericht an der abgefallenen Christenheit, worüber wir im Alten Testament überhaupt keine Prophezeiungen haben.

Was AGF über die chronologische Reihenfolge in der Offenbarung sagt, stimmt zwar grundsätzlich, sie ist aber manchmal nicht so leicht zu erkennen, weil es viele Einschübe gibt, die entweder zurück- oder vorausblenden.

Offenbarung 20 zum Beispiel gibt die Dauer des Friedensreiches an, sagt aber nichts zum Friedensreich selbst; darüber wurde bereits im Alten Testament ausführlich gesprochen. Doch als eine neue Offenbarung teilt uns das Buch der Offenbarung mit, wer zum Beispiel auf den Thronen sitzen wird. Darüber sagt Daniel 7 nichts, dort ist nur von Thronen die Rede.

Seiten 20, 23, 34: Der Ursprung der Offenbarung ist Gott, der Vater … Der ursprüngliche Autor ist der dreieinige Gott. Der Urheber war Gott, der Vater.

Es geht in der Offenbarung im Allgemeinen nicht um den Vater, sondern um Gott (Elohim), den dreieinen Gott, Vater und Sohn und Heiliger Geist. Natürlich ist der Herr Jesus Gott, auch im Buch der Offenbarung. Allerdings wird Er in der Regel als der Mensch Jesus Christus gesehen, dem Gott das Gericht und die Regierung in die Hände gegeben hat (vgl. Joh 5,27).

Seite 25: In [Offenbarung 1,] Vers 10 erzählt er [Johannes], dass er am Tag des Herrn unter der Macht des Heiligen Geistes war und eine gewaltige Stimme hörte, die so mächtig war, dass er sie mit einer Posaune verglich. Im Griechischen ist der Begriff, der hier mit „des Herrn“ übersetzt ist, nicht ein Substantiv, sondern ein Adjektiv. Der Ausdruck bezieht sich daher nicht auf einen besonderen Tag in der Woche wie den Sabbat (Samstag) oder Sonntag.

Es stimmt, dass im Griechischen „des Herrn“ (kyriake) ein Adjektiv ist und wörtlich übersetzt den „herrigen“ (d.h. ein dem Herrn gehörender) Tag bedeutet, aber die Schlussfolgerung von AGF ist falsch. Dasselbe Wort kyriake wird nur noch in 1. Korinther 11,20 gebraucht, wo es um „des Herrn Mahl“ (das dem Herrn gehörende Mahl) geht. Der dem Herrn gehörende Tag ist der Sonntag. Das darf nicht mit dem „Tag des Herrn“ verwechselt werden, der ein (längerer) Zeitraum ist, in dem der Herr handeln und seine Ratschlüsse ausführen wird.

Sicher ist diese Frage nicht von gravierender Bedeutung, aber dennoch sei die Frage erlaubt: Warum soll dieser Tag nicht ein Sonntag gewesen sein? Die einleuchtendste Erklärung ist nach wie vor die, dass der dem Herrn gehörende Tag (kyriake hemera) ein Sonntag war. Die ersten Christen haben den Sonntag gefeiert, weil es der Tag der Auferstehung des Herrn war (vgl. Apg 20,7; Mt 28,1; Joh 20,19.26; 1Kor 16,2). Es gibt keinen Tag in der Woche, der für das Christentum von größerer Bedeutung wäre als gerade dieser erste Tag der Woche.

Seite 27: Während das Bild des Leuchters in diesem Sinne an keiner anderen Stelle der Bibel sonst gebraucht wird, so sind doch die Sterne immer das Symbol für Engel. Das gilt für das Alte Testament, trifft aber ebenso für das Neue Testament einschließlich der verschiedenen Stellen in der Offenbarung zu.

Sterne sind im Buch der Offenbarung durchaus nicht immer Symbole für Engel.[2] Sie können Engel sein, sind aber häufig auch Symbole für führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens (vgl. Dan 8,10; 1Mo 1,16; 37,5-10). In Offenbarung 1,20 sind die Engel die Repräsentanten der örtlichen Gemeinden, die geistliche Autorität in einer Gemeinde ausüben und deshalb dem Herrn verantwortlich sind.

Seite 35: Die Verse 9-12 handeln von Gott, dem Vater, der sich anschickt, Gericht über das vierte Reich zu halten.

Auch hier schreibt AGF das Gericht Gott, dem Vater, zu, dass Er das Gericht über das vierte Tier ausübe. Siehe weiterhin die Erklärungen zu den Seiten 20, 23, 34. Doch es geht auch hier bei der Beschreibung um den ewigen Gott (Vater, Sohn und Heiliger Geist), im Gegensatz zum Sohn des Menschen. Der Vater richtet niemand, sondern hat das Gericht dem Sohn übergeben, weil Er der Sohn des Menschen ist (Joh 5,22.27).

Seite 37: Danach kommt das kleine Horn oder das Stadium des Antichristen (Vers 24b-26).

Der Antichrist wird hier und im weiteren Verlauf des Buches fälschlicherweise als der Herrscher des letzten Weltreiches beschrieben. Der Herrscher dieses Weltreiches ist jedoch das erste Tier aus dem Meer (Off 13,1). Das Meer ist oft ein Bild für das Völkermeer (Jes 17,12; Off 17,15). Das ist ein Hinweis darauf, dass es bei dem ersten Tier um den zukünftigen Herrscher Europas geht, der politische Macht ausüben wird, und nicht um den Gegenspieler (Antichrist) des Messias, der in erster Linie religiöse Macht ausüben wird. Der Antichrist wird der religiöse Herrscher sein (das Tier aus der Erde; Off 13,11-18), und er wird zugleich König in Israel sein. Eine andere Bezeichnung für den Antichrist ist der „falsche Prophet“. Denn gerade dieser Anti-Christus – also der direkte Gegenspieler des wahren Christus - sieht aus wie ein Lamm, redet aber wie ein Drache (Off 13,11); hier erkennt man den religiösen Bezug zum wahren Christus, der das Lamm Gottes ist. Diese Beschreibung passt viel besser auf den Gegenspieler (Antichrist) des Herrn Jesus.

Der Antichrist begegnet uns in der Bibel unter acht verschiedenen Bezeichnungen:

  1. Antichrist (1Joh 2,18.22; 4,3; 2Joh 7)
  2. König [Israels] (Dan 11,36-39)
  3. Mensch der Sünde (2Thes 2,3.8)
  4. Sohn des Verderbens (2Thes 2,3.8)
  5. Gesetzloser (2Thes 2,3.8)
  6. Tier aus der Erde (Off 13,11-18)
  7. falscher Prophet (Off 16,13; 19,20; 20,10)
  8. törichter bzw. nichtiger Hirte (Sach 11,15-17).

Seite 37: Mit „Heiligen“ meint Daniel das wahre Israel oder den Rest Israels, jedoch nicht die Gemeinde.

Die „Heiligen der höchsten Örter“ (Dan 7,18.22.25.27) sind nicht die Heiligen aus dem Volk Israel, die zur Zeit des Endes auf der Erde sind, sondern es sind vielmehr verherrlichte Heilige aus dem Volk Israel. Das ist übrigens wieder ein Beweis dafür, dass die AT-Gläubigen ebenfalls zu dem Zeitpunkt auferstehen, wenn die NT-Gläubigen auferweckt werden; zusammen werden dann sowohl diese auferweckten Gläubigen als auch die Gläubigen, die zu der Zeit auf der Erde leben und verwandelt werden, entrückt. Obwohl die Gemeinde im AT ein Geheimnis war, dürfen wir doch aus Sicht des NT unter den „Heiligen der höchsten Örter“ nicht nur die AT-Gläubigen, sondern auch die verherrlichten Heiligen der Gemeinde sehen. Außerdem werden auch die auferstandenen Märtyrer aus der Zeit der Gerichte dazugehören (Off 20,4-6).

Seite 37: In groben Zügen könnte man den Inhalt von Kapitel 7 [des Buches Daniels] folgendermaßen umreißen:

Das babylonische Reich
Das medo-persische Reich
Das hellenistische Reich
Das vierte Reich
Das geeinte Stadium
Das Weltherrschaftsstadium
Das zehngeteilte Stadium
Das Antichrist-Stadium
Das messianische Reich

Das vierte Reich unterteilt Fruchtenbaum in 4 verschiedene Stadien. Diese Stadien finden sich so weder in Daniel noch in der Offenbarung. Das Einzige, was gesagt wird, ist, dass das vierte Reich (das Römische Reich) existiert hat, verschwindet und wieder erstehen wird (Off 17,8a).

Seite 40: Das erste war das geeinte Stadium, und zwar das römische Weltreich. Zwar wird heute das vierte heidnische Weltreich gewöhnlich mit dem Römischen Reich gleichgesetzt, jedoch kann sich das in Wirklichkeit nur auf das erste Stadium des imperialistischen Weltreiches beziehen. Es ist auch zur Gewohnheit geworden, Begriffe wie „Wiederbelebung des Heiligen Römischen Reiches“ zu gebrauchen, aber keiner dieser Begriffe hat seine Berechtigung. Richtiger ist es, von fünf aufeinanderfolgenden Stadien auszugehen, von denen das Römische Reich oder auch das geeinte Reich das erste Stadium ist und von 63 v.Chr. bis 285 n.Chr. dauerte. Keine der Danielstellen lässt den Schluss zu, dass es Unterbrechungen oder auch eine Wiederbelebung des alten Römischen Reiches gibt.

Es stimmt, dass es im Buch Daniel keine Stelle gibt, die uns Auskunft über eine Unterbrechung und Wiederbelebung des Römischen Reiches gibt. Das ist deshalb so, weil Gott das damals nicht offenbart hat. Bekanntlich war die Zeit der Gemeinde ein Geheimnis, das in den Zeitaltern zuvor den Söhnen der Menschen nicht kundgetan wurde (Eph 3). Diese Zeit wird also in den Prophezeiungen komplett übergangen. Gott hat diese Wiederbelebung jedoch deutlich in Offenbarung 13 und 17 offenbart. Das in Offenbarung 13 aus dem Meer heraufsteigende Tier hat zehn Hörner und sieben Köpfe. Das vierte Tier in Daniel hat ebenfalls zehn Hörner. Was spricht dagegen, dass es sich um ein und dasselbe Tier handelt?

Zudem heißt es in Offenbarung 13,3, dass Johannes einen der Köpfe des Tieres wie zum Tod geschlachtet sah. Auch sah er, dass die Todeswunde geheilt wurde. Das spricht eindeutig für eine Wiederbelebung eines Reiches, das eine Zeitlang nicht da sein, dann aber wieder zum Vorschein kommen wird.[3]

Schließlich heißt es in Offenbarung 17 von dem Tier: „Ich will dir das Geheimnis der Frau sagen und des Tieres, das sie trägt, das die sieben Köpfe und die zehn Hörner hat. Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die, die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buch des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird“ (Off 17,7.8; kursiv von mir). Hier heißt es unmissverständlich, dass das Tier (a) war, (b) nicht ist und aus dem Abgrund heraufsteigen (c) wird. Wieso gibt es dann keine „Wiederbelebung des … Römischen Reiches“?[4] Mit dieser Aussage setzt AGF sich ohne Grund von den Aussagen vieler geschätzter Bibelausleger ab.

Seite 42: Die folgenden drei Stadien des imperialistischen Weltreiches liegen alle noch in der Zukunft. Eines Tages werden die beiden Machtblöcke West und Ost zusammenbrechen und einer einheitlichen Weltregierung Platz machen.

Was meint AGF genau, wenn er sagt, dass die „beiden Machtblöcke West und Ost“ zusammenbrechen werden? Ist der Machtblock Ost im Wesentlichen Russland? Russland wird nach den Prophezeiungen weiter erstarken und zu Beginn des Friedensreiches noch eine wichtige Rolle spielen (Hes 38 und 39). Und ist der Machtblock West im Wesentlichen Europa?

Was bedeutet nun genau eine „einheitliche Weltregierung“?

Seiten 42–43: Von dem vierten Reich heißt es nur, dass es „alle Länder fressen“ wird. Dieser Text legt nahe, dass das vierte Reich zu einer bestimmten Zeit die ganze Welt beherrschen und sie verschlingen wird. Legt man diese Stelle wörtlich aus, wird das vierte Reich des Imperialismus in Zukunft noch die ganze Welt beherrschen, und zwar durch die Bildung einer einzigen Weltregierung.

Noch einmal: Was ist nun genau mit Weltregierung gemeint? Und was bedeutet es, dass dieses Reich alle Reiche der Welt verschlingen wird? Wie soll man dann verstehen, dass unter der sechsten Zornesschale „der Weg der Könige bereitet würde, die von Sonnenaufgang her kommen“ (Off 16,12)? Dieses Ereignis bezieht sich auf die letzten 3½ Jahre der Gerichte (die Zeit der großen Drangsal). Ebenfalls wird „Jerusalem zu einer Taumelschale für alle Völker ringsum“ werden (Sach 12,2). Danach werden sich „alle Nationen der Erde … gegen es [Jerusalem] versammeln“ (Sach 12,3). Wieso gibt es noch „Völker ringsum“ und „alle Nationen der Erde“, wenn es ein Reich gibt, das alle Nationen verschlingt und somit die gesamte Welt beherrscht?

Seite 43: Aus irgendeinem Grund, den der Text nicht angibt, wird sich die Weltregierung in zehn Reiche aufspalten, die über die ganze Welt – und nicht nur über Europa – verteilt sein werden. Es ist heute weithin die Meinung verbreitet, die zehn Reiche würden sich nur auf Europa – genauer: auf die Europäische Gemeinschaft beschränken. Aber der Text erlaubt eine Deutung dieser Art nicht. Bestenfalls könnte die Europäische Gemeinschaft eines der zehn Reiche werden, aber kaum alle zehn darstellen.

Es ist viel naheliegender, die zehn Zehen in Daniel 2 als zehn Könige zu verstehen, wovon auch in Daniel 7 und in Offenbarung 17 die Rede ist. Dort heißt es ausdrücklich (17,12), dass die zehn Könige „noch kein Königreich empfangen haben“, aber „Gewalt wie Könige für eine Stunde mit dem Tier“. Dazu braucht es aber keine zehn Reiche, davon lesen wir nichts.

Heißt das nun, dass alle Völker sich in diesen zehn Machtbereichen wiederfinden? Das sind spekulative Schlussfolgerungen, die nicht durch die Schrift bewiesen sind. Das wird sich im weiteren Verlauf der Besprechungen ergeben müssen, insbesondere wenn wir Offenbarung 13,1-10 und 17,7-14 behandeln.

Seite 44: Noch während des Zehn-Reiche-Stadiums wird der Antichrist anfangen, seine Macht aufzubauen.

Hier ist wieder vom Antichrist die Rede. AGF verwechselt beständig das Tier, den künftigen Herrscher des Römischen Reiches, mit dem Antichrist (siehe den Kommentar zu Seite 37), wie es leider viele Autoren machen.

Seite 46: In Vers 3 stehen der Tod und die Auferstehung des Antichristen im Blickfeld.

Es ist eine gute Erklärung, dass die Köpfe in der Offenbarung (Off 13,1; 17,9.10) unter anderem Regierungsformen symbolisieren, wie AGF selbst auf den Seiten 48 und 49 darlegt. Darum gibt es keine Notwendigkeit, in der Heilung der Todeswunde die buchstäbliche Auferstehung des künftigen Hauptes dieses Reiches zu sehen. Welche andere Stelle der Bibel deckt eine solche Erklärung, dass ein Herrscher stirbt, wieder aufersteht und dann Herrschaft auf der Erde ausübt?

Seite 48: Die Verse 9-10 [in Off 17] erklären die Bedeutung der sieben Häupter. In Vers 9 heißt es, dass die sieben Häupter sieben Berge sind. Unglücklicherweise haben sehr viele Ausleger hier aufgehört zu lesen und den folgenden Vers außer Acht gelassen. Dadurch sind sie zu dem Schluss gekommen, dass die sieben Berge Rom symbolisieren, warum Rom auf sieben Hügeln erbaut worden ist. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch eine Anzahl von Städten im Nahen Osten den Anspruch erheben, auf sieben Hügeln oder Bergen zu liegen. Darum reicht dieses Argument nicht aus.

Das ist eine schwache Begründung dafür, dass die sieben Berge kein Hinweis auf Rom sein sollen. Es ist doch die Frau, die auf sieben Bergen sitzt. Wovon ist die Frau ein Bild? Die sieben Köpfe haben eine doppelte Bedeutung: Einerseits sind sie sieben Regierungsformen, andererseits sind sie auch ein Hinweis auf Rom, wo die Frau ihren Hauptsitz hat. Ein Studium der Offenbarung macht deutlich, dass die Frau die abgefallene Christenheit unter der Herrschaft der römischen Kirche symbolisiert (siehe später).

Seite 48: Nachdem in Vers 9 die sieben Häupter als sieben Berge bezeichnet wurden, stellt Vers 10 fest, dass die sieben Berge etwas anderes bedeuten als wirkliche Berge: „… Und es sind sieben Könige“.

Das „Und“ macht sehr schön deutlich, dass die Köpfe sowohl Berge als auch Könige sind. Einfacher und verständlicher, wie Gott sich hier in seinem Wort ausdrückt, geht es nun wirklich nicht. Würde das „Und“ fehlen, hätten die Berge nur eine Bedeutung.

Nächster Teil

Anmerkungen

[1] Siehe dazu W. Kelly, Lectures Introductory to the Study of the Minor Prophets, London (C.A. Hammond Trust Bible Depot) o.J., S. 488–489; www.stempublishing.com/authors/kelly/1Oldtest/zecharia.html
Siehe auch www.soundwords.de/a895.html.

[2] Siehe Würdig ist das Lamm – Einführung in das Buch der Offenbarung, S. 129.

[3] Hier an einen buchstäblichen Tod und eine Auferstehung des „Antichrists“ (gemeint ist das Tier aus dem Meer) zu denken (siehe AGF, S. 46), ist sehr weit hergeholt, um nicht zu sagen abwegig.

[4] Es handelt sich übrigens um das antike heidnische Römische Reich, das wiederhergestellt werden wird, und hat nichts zu tun mit dem „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ (Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser; 962–1806). Dieses Reich war ein „christliches“ Reich und keine Fortsetzung des alten heidnischen Römischen Reiches.


Hinweis der Redaktion:

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