Moderne Evangelisationsmethoden
Vermischung mit der Welt?

Paul Wilson

© Soundwords, online seit: 23.07.2017, aktualisiert: 24.01.2020

Es wird weithin verkündet, dass zurzeit[1] eine große geistliche Erweckung über dieses Land und auch über andere Teile der Welt gehe und dass Menschen, die nach Jahren des Materialismus desillusioniert sind, nun hungrig nach dem Evangelium seien. Wir wünschten, dass dies tatsächlich so wäre, aber weder entspricht dies unserer Erfahrung noch hören wir davon, weder von nah noch von fern. Wo auch immer das schlichte Evangelium, so wie es schon von den Aposteln gepredigt wurde, verkündet wird, sei es in Sälen, Kirchen, an Straßenecken, in Gefängnissen oder durch die Verbreitung von Traktaten: Man erlebt immer noch die gleiche Teilnahmslosigkeit und die kühle Gleichgültigkeit, die schon so lange vorherrschen. Die heutigen Verhältnisse sind fast so wie zu der Zeit, als der Herr in Matthäus 11 von der Verkündigung Johannes’ des Täufers und auch von seiner eigenen sprach. Die Menschen zu jener Zeit waren weder von der Ankündigung des kommenden Gerichts und dem Bußaufruf des Johannes ergriffen noch von den Worten der Gnade, die aus dem Mund dessen kamen, der voller Gnade und Wahrheit war.

Es gibt gegenwärtig keine Anzeichen für ein eindeutiges Wirken des Heiligen Geistes in den Seelen der Menschen, wie es beispielsweise vor etwa hundert Jahren bezeugt wurde. Zu jener Zeit fühlten Männer, Frauen und Kinder eine große Last, weil sie ihre Sünde und Schuld vor Gott tief empfanden, und sie suchten aufrichtig Errettung. Menschen wurden in Gebetstreffen errettet, in denen es überhaupt keine Predigt oder etwas Ähnliches gab. Es gab auch viele Tränen bei denen, die überwältigt waren, weil sie vor Gottes Angesicht überführt waren. Die Auswirkung dessen konnte in ganzen Landstrichen festgestellt werden, und die Kriminalitätsrate sank dementsprechend.[2] Doch heutzutage scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein, denn viele Behörden wissen kaum noch, wie sie mit der zunehmenden Welle von Gewalt und mit dem moralischen Verfall fertig werden sollen. 

Es stimmt, dass große Menschenmengen zusammenkommen, um weltberühmte Evangelisten zu hören und um „christliche Berühmtheiten“ zu sehen. Bei einigen dieser Veranstaltungen haben Tausende Karten ausgefüllt oder ihre Hände erhoben, um so ihr Interesse an Christus zu zeigen oder um ihr Leben der Gemeinde zu weihen oder wegen irgendeines anderen naheliegenden Grundes, der sie nach vorne kommen ließ. Wir hoffen aufrichtig, dass es unter diesen viele geben möge, die den Retter tatsächlich gefunden haben oder noch finden. Wir können uns mit dem Apostel freuen, wenn Christus gepredigt wird und Seelen gerettet werden. Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass vieles bei diesen großen Kampagnen künstlich und unecht ist. Es kommt aber der Tag, an dem sich herausstellen wird, wie viel von solchen Zurschaustellungen echt war. Dabei sollten auch wir selbst schon jetzt danach trachten, die Dinge mit den Maßstäben des Heiligtums zu messen und unser ganzes Leben und unseren Dienst gemäß dem Wort Gottes auszurichten. Viele Dinge, die in dieser Welt sehr religiös scheinen, werden im Feuer zu Asche werden – im Feuer, in dem jedes Menschen Werk erprobt werden wird, nicht um die Quantität, die Menge, wohl aber um die Qualität, die Art des Werkes, festzustellen (1Kor 3,13). Sorgfältige Vorbereitungen und große öffentliche Aufmerksamkeit sind kein Ersatz für das Werk des Geistes Gottes. Der Mensch ist natürlicherweise von einer großen Zurschaustellung beeindruckt, so wie es auch die Philister waren, als ganz Israel jauchzte, so dass die Erde erbebte. Aber Israels religiöse Begeisterung bei dieser Gelegenheit war hohl und vergeblich, und kurz darauf wurden sie von den Philistern besiegt. Sogar Elia war von einem großen und starken Wind, einem Erdbeben und einem Feuer ergriffen, aber die Kraft des Herrn war in einem leisen Säuseln.

Moderne Evangelisation vermischt sich mit der Welt, die man zu bekehren vorgibt. Doch das Endergebnis wird unvermeidlich ein durchweg niedrigeres geistliches Niveau innerhalb der Christenheit sein. Es wird unter wahrhaft Gläubigen eine Weltlichkeit fördern und erzeugen und die Schleusen für jeden Irrtum öffnen. Um die Massen anzuziehen und die gewünschten Resultate zu erzielen, muss es vieles geben, was das Fleisch anspricht. Es wird kein verworfener und verachteter Christus gepredigt, sondern ein populärer und von der Welt geliebter Christus. Nicht das Kreuz wird gepredigt, von dem Paulus sagte, dass es ihn der Welt gekreuzigt habe und die Welt ihm, sondern ein Kreuz, das plötzlich ehrenwert und großartig in der Welt geworden ist. Paulus predigte niemals ein volkstümliches, populäres Evangelium. Das populäre Evangelium seiner Zeit war eines, das die Beschneidung und den Judaismus mit der Wahrheit Gottes vermischte. Judaismus war eine Religion, die sich dem fleischlichen Menschen sowie der Welt und ihren Ränken anpasste. Paulus hingegen predigte Christus als gekreuzigt, als einen von der Welt verstoßenen Menschen, was den gebildeten Griechen eine Torheit und den religiösen Juden ein Anstoß war.

Als Paulus nach Rom ging, ging er als ein Gefangener dorthin. Die Großen der Welt waren dort, und Gott hatte beschlossen, dass sie das Evangelium hören sollten – aber nicht auf eine Art, die ihnen schmeicheln würde, sondern sie sollten es von einem in Ketten gebundenen Gefangenen hören. Einige aus Cäsars Haus wurden errettet, aber diese wurden nicht als „christliche Berühmtheiten“ vorgeführt, um das Evangelium als etwas Reizvolles darzustellen. Nun mögen einige sagen, dass sich die Zeiten seitdem doch geändert haben – und das haben sie auch. Aber ein verworfener Christus wird heute wie damals gebraucht. Konstantin war der römische Kaiser, der das Christentum populär machte, und Abertausende wurden der Kirche hinzugefügt. Und anstatt dass Christen verfolgt wurden, wurden sie nun geehrt, aber leider sank die Gemeinde schnell auf das Niveau der Welt herab. Und dies wird immer das Ergebnis eines populären, attraktiven, anziehenden Evangeliums sein.

Es werden immer Menschen gesucht, die in den Angelegenheiten der Welt – und sogar in der Unterhaltungsbranche – bedeutend und berühmt sind, und zwar wegen ihres Einflusses. Wir sagen damit nicht, dass es in der Unterhaltungswelt Hollywoods größere Sünder gibt als anderswo, noch denken wir, dass das Evangelium der Gnade Gottes solche nicht erreichen kann: Gott sei Dank kann es das, und vielleicht tut es das auch. Aber macht das aus ihnen „christliche Berühmtheiten“, die zur Schau gestellt werden sollten, während viele von ihnen mit ihrer Arbeit fortfahren, Männer, Frauen und Kinder zu unterhalten, die doch alle auf dem Weg zur Hölle sind? Solche Dinge verwendet der Gott dieser Welt, um seine Opfer zu täuschen. Hier ein Zitat eine dieser sogenannten Berühmtheiten, die das Singen religiöser Lieder nach der Weise der Welt so rechtfertigte:

Die Jugend unseres Landes braucht Schwung. Wenn sie erfahren, dass Religion Spaß sein und glücklich machen kann, dann werden sie auch interessiert sein.

Und damit Religion Spaß macht, wird den Menschen das Gefühl gegeben, dass sie Christus annehmen und mit ihren weltlichen Beschäftigungen einfach weitermachen können wie bisher. Mit anderen Worten: Sie können Christus haben und die Welt ebenso. Ein derart fleischliches Christentum kann nur eine zersetzende Wirkung auf das christliche Bekenntnis als Ganzes haben und besonders auf den sogenannten Fundamentalismus.

Menschen, die bekennen, unter dem Einfluss moderner Evangelisation (mit ihrem bis ins Detail geplanten Schauspiel) errettet worden zu sein, sind wahrscheinlich eher „Steinige“-Hörer, die keine Wurzeln haben [Mk 4,5; Mt 13,5.20]. Die Gewissen solcher Menschen sind niemals gepflügt worden; sie haben sich selbst niemals als verlorene Sünder vor Gott gefühlt noch haben sie mit ihren Sünden vor Ihm gestanden. Sie haben nie die Kosten überschlagen müssen, um Christus vor einer feindlich gesinnten Welt zu bezeugen, da sie angeleitet wurden zu glauben, dass es eine populäre Sache sei. „Das Salz nun ist gut; wenn aber auch das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gewürzt werden?“ (Lk 14,34). Christentum ohne Buße und ohne die absondernde Wirkung von der Welt ist wie Salz, das nicht mehr salzig ist – es ist wertlos.

Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass Gott souverän ist und auch solche fleischlichen Darstellungen des Evangeliums nutzen kann, um Seelen zu gewinnen, falls Er dies will. Aber sogar dort, wo das Christsein echt ist, ist es doch oftmals seicht und oberflächlich – es sei denn, dass Gott das Werk durch andere Mittel vertieft. Das Christentum der Bibel ist eine tiefgründige, lebendige und pulsierende Angelegenheit, die das Leben von Gläubigen Tag für Tag beeinflussen sollte, um wahre Gläubige von einer verurteilten Welt abzusondern. Gäbe es doch mehr Tiefe in der Bekehrung von Seelen! Gäbe es doch mehr heilige Absonderung von der Welt – von ihrer Religion, ihren Philosophien, ihren Vergnügungen, ihrem Geist des Wohlstands, ihrer Politik und allem!

Und wohin gehen diese (wenn auch nur oberflächlich) bekehrten Seelen, nachdem der große Evangelisationsfeldzug vorüber ist? Alles ist so gut organisiert, dass ihre Namen und Adressen gesammelt und an irgendeine Kirchengemeinde weitergegeben werden. Doch was werden viele von ihnen dann erhalten? Etwa zur gleichen Zeit, als wir den Bericht über den großen Evangelisationsfeldzug in England[3] erhielten, in dem uns mitgeteilt wurde, dass „nahezu jede Kirche aus allen Konfessionen“ teilgenommen habe, erhielten wir eine andere Schrift, die mit der Vollmacht des Bischofs von Coventry herausgegeben worden war und in deren Leitartikel die biblischen Bücher Jona und Daniel als nicht göttlich inspiriert belächelt wurden. Stell dir einmal die Menschen vor, die bekannt haben, nun bekehrt zu sein, und nun einer solchen Kirche übergeben werden, die Teile des Wortes Gottes lediglich als Märchen und als „großartige Erzählung“ bezeichnet, „dessen englische Übersetzung an das Niveau von Shakespeare heranreicht“. Und dennoch war fast jede Kirche mit einem derart abscheulichen Irrglauben bei diesem evangelistischen Treiben mit dabei – doch wozu? Um Seelen zu retten? Oder um Kirchenmitglieder zu gewinnen? Und falls doch Menschenseelen gerettet wurden: Wie können sie auf solchen Perversionen und auf derartigem Gift geistlich wachsen?

Innerhalb dieser Bewegungen, die – auch unter Beteiligung vieler lieber Gotteskinder – weltliche Methoden mit evangelistischen Anstrengungen verbinden, gibt es viele Abstufungen: von weltlichem Christentum bis hin zu einem völlig verkommenen Zerrbild. Es gibt die religiösen Romane, deren Verkaufszahlen als Zeichen geistlicher Belebung betrachtet werden, die jedoch das Wort Gottes entstellen und die Wahrheit verzerren. So werden dem Leser falsche Gedanken eingeflößt, die ihn geistlich erblinden lassen. Dann gibt es all die Lieder mit religiösen Themen, die den kitschigen modernen Hits ähneln; an ihnen erfreuen sich sogar solche, die Christus entschieden ablehnen. Die Welt wird auch mit Spielfilmen über biblische Erzählungen unterhalten, die in vulgäre Parodien und Karikaturen der Wahrheit münden. Stell dir eine gottlose, Christus ablehnende Welt vor, die, von den Vergnügungen der Sünde berauscht, auf dem Weg zur Hölle ist, während sie sich über eine possenhafte Darstellung ernster Lektionen aus Gottes Wort amüsiert. O Christenheit, wie bist du doch gebunden! Wie wahr ist doch der Vers in 2. Timotheus 3,5, der unsere heutige Zeit beschreibt: „Sie haben eine Form der Gottseligkeit, verleugnen aber deren Kraft.“

Nur weil die Welt heutzutage über Religion als solche berichtet, bedeutet dies jedoch nicht, dass die Welt Gott in irgendeiner Weise nähersteht. Religion ist eine Neuigkeit in Indien und in der muslimischen Welt. Es war eine Neuigkeit im alten heidnischen Römischen Reich; es war eine Neuigkeit in Jerusalem, als sie riefen: „Hinweg, hinweg mit ihm!“ Die Welt hatte viele falsche Religionen, und der aktuelle Trend in der Christenheit rast auf eine Zeit zu, in der die Menschen der Lüge glauben werden – und Gott wird erlauben, dass dies so geschieht, weil sie die Wahrheit ablehnen: den Christus Gottes.

Und nun, liebe Mitchristen, wollen wir nicht entmutigt sein. Lasst uns danach trachten, in heiliger Absonderung von der Welt zu wandeln und das Wort des Lebens dort darzubieten, wo Gott uns hingestellt hat. Lasst uns der Welt Christus vorleben und danach trachten – so wir Gelegenheit dazu haben –, einer müden Seele sein Wort zu sagen oder ein gutes Traktat weiterzugeben. Mögen wir eine klare Sicht der gegenwärtigen Entwicklung bewahren und dabei doch auf unaufdringliche Weise fortfahren, von der wahren Gnade Gottes zu zeugen.[4]

Falls einer der Leser berufen wurde, das Evangelium zu predigen[5], so sollte er dies nach dem Vermögen tun, das Gott darreicht. „Wer mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit! Was hat das Stroh mit dem Korn gemeinsam?, spricht der HERR“ (Jer 23,28). Der Herr ist dein Meister, und Er nimmt sorgfältig Notiz von dem, was du tust, und davon, wie du es tust. Er wird dich nicht dafür belohnen, dass du die Regeln brichst. Er schätzt allein die Treue: Treue zu Ihm und zu seinem Wort. Aus menschlicher Sicht magst du wenig an Erfolg vorzuzeigen haben, aber an dem kommenden Tag möge Er zu dir sagen können: „Wohl, du guter und treuer Knecht!“ (Mt 25,21.23).


Originaltitel: „Evangelizing: The Editor’s column. A Look at Modern Evangelistic Methods“
aus Christian Truth for the Household of Faith, Jg. 7, Nov. 1954, S. 303–308
http://bibletruthpublishers.com/evangelizing-the-editors-column/paul-wilson/christian-truth-volume-7/la56004

 Übersetzung: Frank Cisonna

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Artikel stammt aus dem Jahr 1954.

[2] Anm. d. Red.: Paul Wilson könnte sich hier auf die Erweckungsbewegung von 1859/60 beziehen. Sie begann in Irland und breitete sich über ganz Großbritannien aus und hatte alle Merkmale, die Wilson hier beschreibt. Auch in den USA hatte es ab den 1850er Jahren eine große Erweckung gegeben, die Third Great Awakening.

[3] Anm. d. Red.: Paul Wilson bezieht sich hier wahrscheinlich auf den großen Evangelisationsfeldzug von Billy Graham, der von März bis Mai 1954 in London stattfand.

[4] Anm. d. Red.: In gewisser Weise ist das Evangelisieren anderer Menschen häufig aufdringlich. Obwohl Menschen nicht danach fragen, konfrontieren wir sie mit dem Evangelium. Der Apostel sagt sogar: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen“ (2Kor 5,11). Der Autor meint hier wohl Folgendes: Wir benötigen zur Evangeliumsverkündigung kein unnötiges Tamtam; diese Art der Aufdringlichkeit sollten wir ablehnen.

[5] Anm. d. Red.: Das Evangelium weiterzusagen, ist die Aufgabe eines jeden Christen; es öffentlich zu verkündigen und zu predigen, ist eine Gabe!


Hinweis der Redaktion:

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