Kennst du deine Stellung vor Gott?
Die Stellung des Christen auf der Erde und im Himmel

Walter Thomas Turpin

© SoundWords, online seit: 29.11.2014, aktualisiert: 28.12.2023

Leitverse: Hebräer 9,24-28; 10,19-25; 13,11-16

Einleitung

Als wir vor einiger Zeit durch die Gnade des Herrn mit dieser Vortragsreihe beginnen durften, hatten wir ein Thema, bei dem es darum ging, die Wahrheit Gottes passend für junge Christen darzustellen; für Leute, die vielleicht in ihrem Herzen noch zu jung sind, um die Wahrheit in ihrem größeren, volleren und segensreicheren Umfang zu erfassen oder zu verstehen. Aber mit der Hilfe des Herrn möchte ich nun heute und an den kommenden Abenden, an denen wir zusammen sein werden, andere Bereiche und andere Teile derselben Wahrheit erörtern. Dabei möchte ich, soweit es möglich ist und unsystematisch, dort ansetzen, wo wir damals stehengeblieben waren. Heute Abend habe ich allerdings vor, näher auf die Grundlagen einzugehen als an den kommenden Abenden. Mein Ziel ist es – um es gleich vorweg zu sagen –, euch vor Augen zu stellen, was die Stellung eines Christen im Himmel und auf der Erde ist. Ich sehe hier einige vor mir, die man meines Erachtens kaum mehr als junge Christen bezeichnen kann. Doch gehe ich davon aus, dass sie – wenn sie auch in diesem Sinne nicht mehr jung sind – doch nicht meinen, sie stünden über den ganz einfachen Dingen, über die uns der Herr heute Abend nachdenken lässt. Ich habe jedenfalls nicht vor, über die allereinfachsten Wahrheiten und die allereinfachste Darstellungsweise dieser Wahrheiten hinauszugehen.

Unser Platz vor Gott im Himmel

Nun zum ersten Punkt und damit zu einer wichtigen Frage für jeden von uns: Was ist die Stellung eines Christen in Bezug auf Gott – vor Ihm? Das ist deshalb so wichtig, weil man kein klares Verständnis seiner Stellung für Gott auf der Erde haben kann, wenn man kein klares Verständnis seiner Stellung vor Gott im Himmel hat. Deshalb ist diese Frage auch so überaus ernst und wichtig.

Ich wende mich heute Abend an euer Gewissen, liebe Freunde, und an eure Seele und frage euch: Versteht ihr ganz klar und erfasst ihr geistlich, was wirklich eure Stellung vor Gott ist? Kennt ihr tief in eurer Seele diesen Platz? Darum geht es hier nämlich. Ihr könnt sicher sein, dass man die Prüfung nur mit tiefen Seelenübungen bestehen kann. Ihr könnt zu mir sagen: „Ich verstehe fortgeschrittene Wahrheiten.“ Nun, ich habe Menschen kennengelernt, die das zwar behaupteten, in ihrer Seele aber nicht im Geringsten davon berührt waren. Was ich jetzt meine, ist einfach die Situation, dass die Seele durch den Heiligen Geist diese wundervolle Stellung vor Gott völlig versteht. Eins kann ich euch sagen: Nichts ist deutlicher und auffälliger, als wenn jemand tief in seiner Seele Freude über diese Stellung vor Gott empfindet. Dies ist etwas völlig anderes als rein verstandesmäßiges Verstehen. So könnte ein schlichter Gläubiger sagen: „Ja, meine Seele kennt diese Stellung gut, auch wenn ich sie vielleicht nicht erklären kann.“ Das ist verständlich. Tatsächlich ist es doch so: Je tiefer etwas in der Seele verankert ist, desto schwieriger ist es, dies zu erklären. Etwas, was ich verstandesmäßig begreife, kann ich – wenn ich mir selbst darüber im Klaren bin – jemand anderem deutlich machen; aber wenn es um meine Seele geht, fällt mir das nicht so leicht. Damit möchte ich das intellektuelle Verständnis der Wahrheit nicht unterbewerten. Gott bewahre! Es täte mir sehr leid, verstandesmäßiges Begreifen herabzusetzen. Was ich aber sage, liebe Freunde, ist Folgendes: In diesen Tagen hat nichts Bestand außer dem, was die Seele begreift. In anderen Worten: Wenn wir diese Dinge, also unsere Stellung vor Gott, nicht wirklich tief in unserer Seele begriffen haben, werden wir keinen festen Stand haben. Ein Windstoß würde genügen, um uns von unserem Platz zu vertreiben. Etwas Druck, nur für kurze Zeit, würde uns bereits unser gesamtes Verständnis rauben.

Was wir brauchen, ist etwas, was von Dauer ist; etwas, was der Verwirrung und dem Druck, dem wir in einer Zeit wie dieser ausgesetzt sind, standhält: nämlich dass die Seele klar und deutlich die Dinge begreift, die Gott denen, die Ihn lieben, bereitet hat durch das Wirken Gottes, des Heiligen Geistes. Möge Gott, der Geist, jeder hier anwesenden Seele dieses klare Erfassen schenken und jeden Einzelnen von uns die Freude über diesen Besitz schmecken lassen!

Ein gereinigtes Gewissen (Heb 9; 10)

Was ist denn nun meine Stellung vor Gott? Das Erste, was ich lernen muss (so lese ich es in der Schrift), ist, dass ich tauglich sein muss für Gott. Für diese Stellung vor Gott im Himmel muss ich mit meinem Gewissen tauglich gemacht werden und deshalb ist dieser Platz völlig verschieden von meinem natürlichen Zustand. Mein Gewissen muss tauglich gemacht werden, indem es gereinigt wird. Ich muss ein Gewissen haben, das gänzlich und völlig zu diesem wundervollen Platz und Anteil vor Gott passt. Um dies hervorzuheben, habe ich vorhin die Verse aus Hebräer 9,24-28 vorgelesen. Diese sind sorgfältig zu beachten. Am Ende des Kapitels spricht der Apostel von drei verschiedenen Erscheinungen Christi. Zuerst erschien Christus „in der Vollendung der Zeitalter“, das heißt am Ende, nach der Vollendung all der Zeitalter der menschlichen Geschichte, die dem Werk Christi vorangegangen waren. Er sagt: „Jetzt aber ist er einmal“ (im Gegensatz zu oftmals) „in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (Heb 9,26). Das ist das Werk (ich spreche jetzt nur von dem Werk), das mir in dem Augenblick, in dem ich an den Herrn Jesus Christus glaube, ein Gewissen gibt, das mich angesichts des durchdringenden Lichtes Gottes, des heiligen Gottes, nicht verdammt. Das ist das Allererste, sage ich. Wenn ich das nicht habe, habe ich nichts. Mein Gewissen muss völlig frei geworden sein von jeder einzelnen Sache, die auf ihm lag. Das Erste, was Gott in uns tut, ist, uns etwas auf das Gewissen zu legen, und zwar durch das Werk des Heiligen Geistes. Was ist das, was Er uns auf das Gewissen legt? Tod und Gericht. Er führt unserem Gewissen den Tod und das Gericht vor Augen. Das ist das erste Werk in der Seele eines Menschen. Wozu dient es? Dazu, dass es mich in Reue und Glauben zu dem gepriesenen Heiland führen kann, der das Werk vollbracht hat, das allein den Tod und das Gericht von meinem Gewissen nehmen kann. Von diesem Werk lesen wir hier im neunten Kapitel: „Jetzt aber ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer“ (und Er hat das Werk vollendet, durch das all dies bewirkt wird). Wie kann ich nun Nutzen daraus ziehen? In dem Augenblick, in dem ich an Ihn glaube, bin ich dazu berechtigt, von meinem Gewissen her zu wissen, dass ich vor Gott so weiß wie Schnee bin. Das ist die erste große Wirklichkeit und sie ist über die Maßen wichtig für uns alle. Sie ist die Grundlage von allem. Und, liebe Freunde, es ist im Allgemeinen die Grundlage, die bei den Menschen wacklig ist; und genau an dieser Stelle versucht Satan Zweifel zu säen.

Dies ist nun der Anfang – die Grundlage. Dieses Thema habe ich bereits früher ausführlich behandelt, aber ich tue dies, ohne zu zögern, noch einmal. Es ist so wichtig, dass es immer wieder wiederholt werden muss. Und ich bitte euch inständig (insbesondere die jungen Christen), darauf zu achten, dass diese Angelegenheit für euer Gewissen klar und entschieden ist; dass ihr also vor Gott ohne den Hauch eines Gefühls, anmaßend zu sein, sagen könnt: „Danke, Gott; da ist kein einziger Fleck auf meinem Gewissen.“ Könnt ihr das ehrlich sagen? Könnt ihr zu Gott aufschauen und sagen: „Ich danke dir, Gott, dass ich keine Sünde mehr auf meinem Gewissen habe“? Auf was für einer Grundlage kann solch eine Sicherheit beruhen? Doch wohl darauf, dass das Blut des Herrn Jesus Christus mir „Freimütigkeit“ gibt, wenn ich dieses kostbare Werk mit meinem Gewissen erfasse.  Deshalb habe ich diesen Vers aus Hebräer 10,19 vorgelesen, wo wir die Folge, die göttliche Schlussfolgerung, sozusagen die göttliche Zusammenfassung von Christi segensreichem vollendeten Werk finden. Wir haben also „Freimütigkeit“. Ist es die Freimütigkeit, zu hoffen? Kein Wort davon. Zu erwarten, dass Gott kommen und uns seinen Segen geben wird? Nein, auch nicht; sondern Freimütigkeit „zum Eintritt in das Heiligtum“ (Heb 10,19). Wie wunderbar ist es, wenn ich die Kraft davon in der Seele spüre und danach handle! Wenn ich das tue, dann rutsche ich nicht auf den Knien mit hängendem Kopf in das Allerheiligste, als ob ich kein Recht dazu hätte, dort zu sein; ich gehe auch nicht hin und entschuldige mich sozusagen vor Gott dafür, dass ich dort erscheine, als ob ich keinen Anspruch hätte. Nein, ich betrete das Heiligtum mit Freimütigkeit.

Ich werde jetzt, liebe Freunde, von nichts weiter sprechen als von dieser segensreichen Grundlage, von diesem Fundament, auf dem alles ruht. In Folge dieses vollendeten, vollkommenen und unendlich herrlichen Werks habe ich die Freimütigkeit, in das Allerheiligste einzutreten; und dabei ist es, wie schon gesagt, nicht im Allermindesten so, als ob es eine Anmaßung von mir wäre, hineinzugehen, oder als ob mein Eintreten Gott herabwürdigen würde. Noch einmal: Gott fühlt sich nicht herabgewürdigt, und ich bin nicht anmaßend, wenn ich eintrete. Es ist gerecht von Gott, mich zu empfangen, und mir ist es eine Ehre, mich dieser Gerechtigkeit zu beugen. Das ist die Grundlage, auf der das Ganze ruht. Ich kann freimütig ins Allerheiligste eintreten und es als Anbeter betreten. Das ist die großartige Wahrheit, die hier herausgestellt wird: dass ich das Vorrecht habe, dort zu stehen; dass dort mein Platz ist – das ist ein Aspekt dieser Wahrheit. Und wozu bin ich dort? Um die Vergebung meiner Sünden zu erbitten? Ich könnte ja gar nicht dort sein, wenn ich nicht zuvor die Vergebung empfangen hätte, gepriesen sei sein Name! Alle meine Sünden sind bereits ausgelöscht, bevor ich dort hinkommen kann; und dann bin ich dort und verbeuge mich in Anbetung vor dem Angesicht desjenigen, der mich von jedem Fleck gereinigt hat. Ich gehe als Anbeter; ich gehe dorthin, um voller Freude zu den Füßen desjenigen niederzufallen, der alles aus dem Weg geräumt hat, damit Er selbst den Ort in mir füllen kann, den vorher die Dinge innehatten, die mich gefangen hielten. Das, sage ich, das ist die Grundlage, das Grundprinzip.

Dieses Thema möchte ich auf praktische Weise noch ein wenig vertiefen und, wenn möglich, auf noch einfachere Weise. Es ist schön und gut, darüber zu sprechen und zu schwärmen: „Wie wunderbar ist es, ins Allerheiligste einzutreten!“ usw.; aber wie steht es diesbezüglich in der Praxis mit uns? Das ist die Frage. Wie steht es um unser Gewissen? Liegt vor Gott irgendetwas auf ihm? Ich meine jetzt nicht die Befleckung, die sich jemand unter uns als Christ zugezogen haben könnte; ich spreche jetzt auch nicht zu Abtrünnigen – ich habe es mir aufs Herz gelegt, diese an einem anderen Abend anzusprechen –; ich spreche jetzt einfach die Frage eines reinen Gewissens an. Beschwert da noch etwas euer Gewissen in Bezug auf eure Annahme? Wenn da nämlich ein noch so kleiner Schatten oder Fleck irgendeiner Art auf eurem Gewissen liegt, könnt ihr sicher sein, dass ihr nicht die Klarheit vor Gott habt, um die Fülle eures Platzes im Himmel und des segensreichen Vorrechts eures Platzes auf der Erde zu verstehen. Möge der Herr jedem der hier Anwesenden, der diesbezüglich keine Klarheit hat, das Geschenk machen, den vollkommenen, unendlichen Wert dieses einmal dargebrachten, vollkommenen Opfers zu erkennen, das das Gewissen von jedem Fleck und jedem Makel reinigt und das dafür sorgt, dass Gott uns ohne jedes Bedenken in seiner göttlichen Gegenwart empfängt, so dass wir dazu berechtigt sind, zu sagen: „Wir haben Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum.“

Unser Platz in Christus (Eph 1; 2)

Ich verlasse diesen Punkt nun und wende mich für den Augenblick einem anderen und höheren Aspekt unserer Stellung vor Gott zu. Begeben wir uns nun zu einer anderen Schriftstelle: dem Ende des ersten und dem Anfang des zweiten Kapitels des Briefes an die Epheser. Hier finden wir einen gänzlich anderen Aspekt dessen, was unsere Stellung vor Gott ist. Die Wahrheit, von der ich bisher gesprochen habe, ist, dass wir rein sind vor Gott – und es ist etwas Wundervolles, so rein zu sein –; aber hier bekommen wir noch mehr als das. In dieser Schriftstelle am Ende von Epheser 1 wird der Herr Jesus Christus als der verherrlichte Mensch beschrieben, den Gott von den Toten auferweckte – also seine starke Macht einsetzte, um Christus einen Platz zu seiner Rechten im Himmel zu geben (Eph 1,21-23). Dies ist nun sehr segensreich für uns, aber ich möchte sagen, dass wir, bevor wir etwas über unseren eigenen Segen sagen können – sei es unter dem im Hebräerbrief oder im Epheserbrief beschriebenen Aspekt –, zuallererst sehen müssen, welchen Platz Christus einnimmt. Es ist nämlich etwas Wunderbares, zu wissen, dass unser Segen mit all dieser wundervollen Herrlichkeit seiner Person sowie auch mit der Fülle seines Werks zusammenhängt. Hier im Epheserbrief sehen wir Ihn als den verherrlichten Menschen – den Gepriesenen, der als Mensch durch die Macht Gottes aus dem Tod auferweckt wurde. Die göttliche Macht wirkte an Christus, der tot war – wobei wir tot in Sünden waren, Er aber tot für unsere Sünden. Es gab keinen Grund für Ihn, um Seiner selbst willen im Tod zu sein. Wir waren dort aufgrund unseres Zustandes, wir waren nämlich „tot in Vergehungen und Sünden“ (Eph 2,1). Doch Christus ging in den Tod und nahm in Gnade seinen Platz dort ein, und zwar zu Gottes Ehre und für uns; denn wir lesen von Gottes Kraft „an uns“ (Eph 1,19), „welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte; (und er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern, über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen, und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt)“ (Eph 1,19-23). In anderen Worten: Dieser Gepriesene, der zu Gottes Ehre und für uns seinen Platz im Tod einnahm, wurde auferweckt durch die Macht Gottes – durch „die überragende Größe seiner Kraft“. Welch wunderbare Worte sind das! Dieses wunderbare Werk wurde an Christus gewirkt, an demjenigen, der für uns tot war. Diese mächtige Kraft Gottes wirkt, um Christus einen Platz zu seiner Rechten in der Herrlichkeit zu geben.

Vielleicht fragt ihr euch, warum ich so intensiv auf dieses Thema eingehe. Weil es in Epheser 2 dieselbe Kraft ist, die einen Gläubigen lebendig macht, der tot war in Vergehungen und Sünden, während er in diesem Zustand war. Dieselbe Kraft, die Christus aus dem Ort des Todes erweckte, wohin Er in Gnade um unsertwillen gegangen war, erweckt uns aus dem Zustand des moralischen Todes, in dem wir uns befinden, um uns einen Platz in Christus und schließlich bei Christus zu geben. Welch wunderbare Glückseligkeit ist es, das zu wissen – dass an uns eine Kraft wirkt, die nicht geringer ist als jene überragende Größe der Kraft, die an diesem gepriesenen, herrlichen Menschen wirkte, als Er zu Gottes Ehre und wegen unserer Sünden in den Tod ging! Dieselbe Kraft, die Ihn auferweckte und Ihn in Herrlichkeit einsetzte, wirkt nun zu diesem Zweck: nämlich uns einen Platz in Christus zu geben, und zwar an dem Ort, an dem Er sich befindet. Dies wird im Epheserbrief enthüllt, in dieser wohlbekannten Schriftstelle, die, wie ich annehme, jedem von uns vertraut ist: „Gott … hat … auch uns … mit dem Christus lebendig gemacht. … und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (Eph 2,4-6). Es kann nicht schwer sein, zu sehen, welch große Verbesserung dies gegenüber dem ist, wovon ich zuerst gesprochen habe, was in Hebräer 10 beschrieben ist. Hebräer 10 zeigt mir, wie ich von Schuld befreit und mein Gewissen gereinigt werden kann; wie wir für die Gegenwart Gottes im Licht tauglich gemacht werden, tauglich für die Heiligkeit Gottes in Allerheiligsten. Aber wenn wir zum Epheserbrief kommen, lesen wir von einer neuen Schöpfung, einer völligen Veränderung unseres Zustandes. In den Worten der Schrift: „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2Kor 5,17) – und zwar für den Glauben. Ich lasse im Tod den Zustand zurück, in dem ich vorher war, in Bezug auf all das, was ich verloren haben, und erhalte einen völlig neuen Platz in einem auferstandenen verherrlichten Heiland. Dies lesen wir im Epheserbrief. In Hebräer 9 und 10 werden drei große Wirklichkeiten als Folge von Christi Werk beschrieben: direkter Zugang zu Gott, ein gereinigtes Gewissen und eine ewige Erlösung. Die Lehre darüber wird in Hebräer 9 dargelegt und Hebräer 10 ist die Anwendung dieser Lehre. Der Heilige Geist belastet zuerst das Gewissen; das heißt, Er bringt das Urteil des Todes und des Gerichts über uns. Und es ist keine geringe Sache, wenn jemandes Gewissen so belastet ist. Bloß ein Lied zu singen, wird einem diese Last nicht erleichtern. Wenn jemandes Gewissen unter dem Urteil des Todes und des Gerichtes steht, weil Gott ihn schuldiggesprochen und seiner Schuld überführt hat, dann kann nichts Geringeres das Gewissen von dieser Last befreien als ein tief in der Seele verankertes Verständnis der Hinlänglichkeit und Wirksamkeit des Blutes des Sohnes Gottes. Alle anderen Versuche, das Gewissen zu erleichtern, betrachte ich nicht nur als wertlos, sondern als geradezu schädlich und verderblich. Solche Versuche bringen höchstens eine kurze Ruhepause und führen zu noch größerer Gefangenschaft. Daher sage ich: Die Seele muss die unendliche, wunderbare Wirksamkeit dieses Blutes kennen, das jede Forderung des Thrones Gottes in heiligster Majestät erfüllt hat und das ebenso die große Not unseres Gewissens stillen kann.

Im Epheserbrief haben wir, wie schon gesagt, etwas völlig anderes, nämlich ein vollkommenes Herausheben aus dem Zustand, in dem wir uns befanden – „tot in Vergehungen und Sünden“ (Eph 2,1), ohne einen einzigen Funken geistlichen Lebens zu Gott hin. Im Römerbrief geht es bis Kapitel 5,12 um Schuld, um Sünden; im Epheserbrief heißt es „tot in Vergehungen und Sünden“; und nichts Geringeres als ein gänzliches und völliges Herausheben aus diesem Zustand genügt für uns. Und welche Kraft hebt uns aus diesem Zustand heraus? Dieselbe Kraft – wie wunderbar! –, die Christus lebendig machte, als Er um unsertwillen tot war. Wenn ich so spreche, hoffe ich, dass niemand das missversteht. Wenn ich von Christus als einem toten Menschen spreche, spreche ich mit all der Ehrfurcht, die uns Ihm gegenüber geziemt – Ihm, der der mächtige Gott war und ein Mensch wurde und als Mensch zu Gottes Ehre und wegen unserer Sünden in den Tod ging. Es ist also dieselbe Kraft, die Christus lebendig machte und Ihn aus dem Ort erweckte, an den die Gnade und die Liebe seines Herzens Ihn geführt hatten, die auch uns lebendig macht und uns einen gänzlich neuen Platz gibt, einen völlig neuen Platz in Christus, dem Auferstandenen. Diese Kraft holt uns aus dem Zustand, in dem wir uns befanden, also aus dem Zustand in Adam, heraus und versetzt uns in Christus, den auferstandenen Menschen, und zwar, wie wir bereits gesehen haben, an dem Ort, an dem Er ist. Sie hat uns mit Christus lebendig gemacht, mit auferweckt und mit Ihm sitzen lassen in den himmlischen Örtern [nach Eph 2,5.6]. Ist das nicht das Allergrößte, wofür unsere Seele ein Gespür bekommen kann? Denkt daran: Ihr seid jetzt in Christus im Himmel! Ihr gehört jetzt zum Himmel, und das mit einer Gerechtigkeit, die von Gott kommt! Von „Gottes Gerechtigkeit“ lesen wir auch in dem schönen Vers in 2. Korinther 5,21: „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.“ Er geht in die Herrlichkeit ein, damit seine armen Heiligen durch den Geist Gottes einen Platz bei Ihm haben in all dem Segen und der Herrlichkeit, die zu Ihm gehören. Er hält nichts vor ihnen zurück außer seiner eigenen wesensmäßigen Herrlichkeit und Göttlichkeit. Er verbindet uns mit sich in einer lebenden Einheit in allem außer diesem einen Punkt. Ist das nicht Reichtum? Ist das nicht die Fülle? Das ist es, was Gott gibt; und wer außer Gott könnte das geben?

Wir wurden in eine neue Beziehung gebracht (Joh 20)

Ich möchte euch nun, so einfach ich kann, klarmachen, wie dies herbeigeführt wurde. Wir wollen nachverfolgen, wie diese wundervolle Stellung, die in Epheser 2 beschrieben ist, gewonnen und erworben wurde. Dazu schauen wir uns einfach zwei Schriftstellen an. Erstens: Johannes 20. Am Ende dieses Kapitels lesen wir, wie der Herr Jesus Christus, der von den Toten auferstanden war, zwei segensreiche Mitteilungen machte, sozusagen von der Tribüne der Auferstehung aus. Diesen sollten wir große Aufmerksamkeit schenken. Die erste Mitteilung lautet: „Friede [sei mit] euch!“ (Joh 20,21.26). Wunderbare Worte! Welch tiefen, unendlichen Segen enthalten sie! Es ist, als ob Er gesagt hätte: „Ich habe keinen einzigen Feind stehenlassen, nicht einen einsamen Gegner, der euren Anspruch auf ewig währende friedvolle Ruhe anfechten könnte.“ Wo ich all das herauslese? Das ist alles in dem Wort „Friede“ enthalten. Was, wenn nicht das, ist die Bedeutung von Frieden? „Friede sei mit euch.“ Da zeigt sich kein Feind mehr, keine Rechnung ist noch unbeglichen, keine Forderung ist noch unerfüllt; die Allerjüngsten können das schon verstehen. Da ist nichts und niemand, der sich dir entgegenstellt. Welch wunderbare Gnade! Und nun denkt einmal darüber nach, was es Ihn gekostet hat, diese Forderung auszulöschen! Was es den Sohn Gottes gekostet hat, diese für uns unbezahlbare Rechnung für immer aus dem Weg zu schaffen! Was hat Er dafür durchmachen müssen! Was für eine Nacht war das, bevor der Morgen kam, der Morgen der Auferstehung! Er war in der Finsternis des Gerichts gewesen, war in die Leiden des Todes gesunken, und so hatte Er allein alles ausgelöscht und an sein Kreuz genagelt, was gegen sein Volk war. Und nun steht Er da vor seinen Jüngern und auch hier vor uns in der Auferstehungsherrlichkeit und verkündet: „Es gibt nichts mehr, was gegen euch steht.“ Jede Forderung ist beglichen und aus der Welt geschafft. „Friede sei mit euch.“ Aber da ist noch mehr als das, und so kommt es, dass Er am Morgen seiner Auferstehung zu Maria Magdalena sagt, die sich an Ihn, ihr Alles, klammert, im Tod wie im Leben: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und zu meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17). Ich bin nicht nur selbst aus dem Tod herausgekommen, sondern ich habe andere mit mir herausgeführt. Wer sind diese anderen? „Geh zu meinen Brüdern“, sagt Er. Ein Wort wie dieses gab es bis dahin nicht. Bis dahin lesen wir von Ihm allein; einsam auf den Berggipfeln und in den Tälern dieser armen Welt. Wo auch immer in den Evangelien nach Ihm gesucht wird, finden wir immer Christus allein, der bis zu diesem Zeitpunkt noch niemand in seine eigene Stellung vor Gott gebracht hatte. Doch jetzt kann Er sagen: „Geh zu meinen Brüdern.“ Und es ist nicht nur das, sondern aufgrund all dessen, was Er ertragen und erworben hat, haben wir nun eine identische Beziehung; daher heißt es: „Mein Vater und euer Vater, mein Gott und euer Gott.“ Wie segensreich ist dies, welch kostbare Wirklichkeit! Wie wunderbar ist die Art und Weise, wie wir Epheser 2 erreichen. Ich versuche nämlich, euch mit Hilfe des Herrn ganz einfach zu Epheser 2 zu führen; und hier ist der großartige Ausgangspunkt. Es ist ein wunderbarer Schritt, aber selbst das ist noch nicht alles. Wer könnte angemessen beschreiben, wie segensreich es ist, Christus dem Tod entronnen und andere mit Ihm auf völlig neuem Grund zu sehen! Doch gibt es noch etwas mehr als das, denn noch sind wir nicht bei der Einheit mit Christus. Die Beziehung, von der wir hier hören, ist, wie gesagt, etwas Wunderbares: seinen Vater als unseren Vater zu sehen, seinen Gott als unseren Gott. Aber das ist nicht Einheit, Vereinigung.

Mit Christus vereinigt (Apg 1; 1Kor 12,13)

Wenn wir uns nun einer anderen Schriftstelle zuwenden, nämlich Apostelgeschichte 1, finden wir das nächste Glied in der Kette. Der Gepriesene verkündete nicht nur aufgrund der Vollendung seines Sieges den Frieden; Er erklärte Maria Magdalena nicht nur, dass Er deshalb Gefährten, ja „Brüder“ hatte; sondern es kommt noch mehr: Er steigt auf in die Herrlichkeit, Er fährt auf in den Himmel. Bislang habe ich nur von seiner Auferstehung gesprochen und von dem, was Er danach auf der Erde sagte. Er war nämlich vierzig Tage lang auf der Erde, nachdem Er von den Toten auferstanden war; und diese Tage müssen wunderbar gewesen sein, die Tage, an denen seine Jünger Ihn sahen, bevor Er in die Herrlichkeit auffuhr. Aber nun fuhr Er auf; und genauso sicher, wie Er auffuhr, kam der Heilige Geist herab. Und wer von uns hat kein Gespür dafür, wie unendlich wichtig es war, dass der Heilige Geist herabkam? Diejenigen nun, die durch Christi Sieg und Triumph eine Beziehung zu Gott bekamen, zu seinem Gott und seinem Vater, die werden nun durch denselben Geist, der in Christus wohnt, mit Ihm im Himmel vereinigt. Und so erreichen wir Epheser 2. Lasst mich das wiederholen: Wir haben nicht nur Frieden mit Gott und eine Beziehung zu Ihm, sondern wir sind auch eins mit Christus. Der Heilige Geist kam herab und taufte die Gläubigen zu einem Leib und vereinte sie so nicht nur mit dem Herrn Jesus Christus, dem Haupt im Himmel, sondern auch miteinander, als Glieder eines Leibes auf dieser Erde. Somit ist jeder Gläubige, in dem der Heilige Geist wohnt, durch das Wirken dieses gepriesenen Geistes eins mit Christus im Himmel. Oh, welches Herz kann dieses Wunder begreifen? Ist dies etwa eine unbedeutende Angelegenheit für unsere Gedanken oder unsere Erkenntnis? Nein, wenn der Geist Gottes in uns wohnt (und möge kein Einzelner unter uns sich dessen nicht bewusst sein), ist das nicht vielmehr eine wunderbare Wirklichkeit? Kann man sich irgendetwas vorstellen, was dieser großartigen Wirklichkeit an Bedeutung gleichkommt? Die Einsicht zu haben, dass ich eins bin mit dem auferstandenen verherrlichten Menschen an dem Ort, an dem Er sich befindet – dass Er und wir tatsächlich eins sind!

Meine Lieben, wir hören davon und sprechen miteinander darüber; aber haben wir die unermessliche Großartigkeit dieser Tatsache tief in unserer Seele wirklich begriffen? Niemals können wir (Gott sei Dank, niemals) den Segen vergessen, den unsere Seele empfing, als wir erstmals davon erfuhren. Den Augenblick, an dem es uns erstmals dämmerte, dass wir eins sind mit Christus im Himmel, den können wir niemals vergessen. Es ist ein entscheidender Augenblick in der Geschichte eines Menschen. Gepriesen sei der Zeitpunkt, an dem sich die Seele – wie eine Blume der Sonne gegenüber – der Wahrheit gegenüber öffnet, dass Christus und wir, die Seinen, eins sind, und das auf ewig! Und auch wenn wir hier schwach und gebrechlich sind und Er in himmlischer Herrlichkeit in der Höhe ist, so ist doch der weithin strahlende Tag der Herrlichkeit bereits am Kommen, an dem Er einem staunenden Universum zeigen wird, dass Er eins ist mit uns. Dies allein kann einen Schatten auf alles Irdische werfen, denn wir haben genug und mehr als genug an Ihm. Das ist etwas völlig anderes, als wenn wir uns sozusagen von dem losreißen müssen, woran unser Herz hängt. Ich sehe, wie einige mehr als einen sehnsüchtigen Blick hinter sich werfen, und das zeigt mir, wie wenig sie von dieser unaussprechlichen Wirklichkeit erfasst sind, nämlich eins zu sein mit Christus im Himmel. Wenn wir dies geschmeckt haben, gibt es nichts mehr an diesem verunreinigenden Ort, was gut genug wäre für uns; und doch sind wir zufrieden und legen uns sozusagen auf Weiden voll zartem Gras nieder. Möge der Herr es jedem von uns geben, etwas davon zu schmecken. „Der Glaube kommt aus der Verkündigung“ (Röm 10,17); das ist ein reicher Trost für uns alle. Ach, möge das Gespür für diese Einheit, wenn es das noch nie zuvor getan hat, heute Abend, wo ihr davon hört, zu euch kommen! Und wie das Wort Gottes es uns so einfach vor Augen stellt: Möge der Herr es jedem der hier Anwesenden ins Herz geben, das zu schmecken!

Unser Platz für Gott auf der Erde (Heb 12; 13)

Nachdem wir so diesen Teil unseres Themas abgeschlossen haben, nämlich unseren Platz vor Gott, möchte ich nun ein wenig über den zweiten Teil sagen, nämlich unseren Platz für Gott auf der Erde. Und wenn die Zeit es uns nicht erlaubt, in so vollem Umfang darauf einzugehen, wie dieses wichtige und ernste Thema es erfordert, dann werden wir es, so Gott will, ein anderes Mal wieder aufgreifen. Wenn wir uns Hebräer 12 und 13 zuwenden, werden wir feststellen, was unser wahrer Platz auf der Erde ist, und meines Erachtens ist es die andere Seite der Wahrheit, dass wir „sitzen“, nämlich dass wir „mit Ausharren laufen den vor uns liegenden Wettlauf“ (Heb 12,1). Im Epheserbrief heißt es, dass wir „mitsitzen … in den himmlischen Örter in Christus Jesus“ Eph 2,6; im Hebräerbrief „laufen“ wir. Laufen ist das Gegenteil von Sitzen. Wir sitzen in der Himmelswelt und laufen auf der Erde; und wir sollen den vor uns liegenden Wettlauf mit Ausharren, mit Geduld laufen. Wenn wir an unseren Platz vor Gott denken, dann sitzen wir in der Himmelswelt, nicht nur gereinigt und vollkommen angenommen, sondern eins mit Ihm. Aber wenn wir an unseren Platz für Gott auf der Erde denken, dann wird dieser in Hebräer 12 als Wettlauf beschrieben und in Hebräer 13 als ein aus dem Lager Hinausgehen zu Jesus (Heb 13,13). Wir sollen uns hier nicht niederlassen oder nach einem sicheren Hafen oder Zufluchtsort suchen; wir sollen nicht erwarten, einen bequemen Platz zu finden, wo wir den Rest unseres Lebens verbringen können, sondern wir sollen laufen. Somit ist der Weg des Glaubens durch diese Welt ein Wettlauf. Alles hier bekämpft uns, liebe Freunde; und wir sind einfach hier, um sozusagen dieser neuen Bewegung Ausdruck zu verleihen, dieser neuen Handlung in dieser Welt. Wir sind hier, um das Ganze hinter uns zu lassen. Das ist es, was ein Läufer tut: Er lässt alles hinter sich, Gutes wie Schlechtes; seine Augen sind auf das Ziel und den Preis gerichtet, und die Rennbahn liegt in zunehmendem Maß hinter ihm, und jeder Schritt, den er macht, lässt ein weiteres Stück von der Rennbahn hinter ihm zurück.

In Hebräer 13 finden wir dann noch einen weiteren Punkt. Ich beziehe mich auf Vers Hebräer 13,13. Darin befindet sich ein machtvoller Begriff, den ich euch ernstlich nahebringen möchte. Möge jeder von uns den Ernst dieser beiden Worte in diesem Vers beherzigen, die unseren Platz hier so bemerkenswert aussagekräftig beschreiben, nämlich „seine Schmach“! Dies sind ernste Worte: „seine Schmach“! Und, meine Lieben, wie sehr unterscheidet sich dies von unseren Vorstellungen! Jemand, dem Gott die Möglichkeit gibt, jetzt „seine Schmach“ zu tragen, empfängt eine wunderbare Ehre. Die Ewigkeit wird keinem von uns jemals solch einen Augenblick wie diesen geben. Wir werden mit Christus im Himmel herrschen; aber nur hier auf der Erde können wir mit Ihm leiden. Wenn jemandes Umstände solcher Art sind, dass er wegen seines Platzes und seiner Berufung für Christus und bei Christus, also wegen dieses segensreichen Platzes vor Gott im Himmel und weil er hierher geschickt wurde, um diesen praktisch hier aufrechtzuerhalten (s. Joh 17,18) – dass er also allem, dem er bisher verbunden war, den Rücken zukehren muss, und zwar so, dass es mit Kosten und Schande verbunden ist, dann weiß derjenige ein wenig, was „seine Schmach“ bedeutet. (Auch wenn ich der Einfachheit halber eben nur die männliche Form verwendet habe, gilt dieser Satz natürlich genauso für Frauen.) Welch segensreicher Gedanke ist es, dass ich hier auf die Erde gesetzt bin wie ein Baum, der seine Wurzeln im Himmel und seine Knospen und Blüten alle hier auf der Erde hat; und dass es hier nichts gibt als das, was das Reifen der Frucht verhindert. Alles steht der Reifung entgegen. Es gibt keinen einzigen Einfluss, der zu dieser Welt als solcher gehört, der nicht gegen uns ist, entweder gegen unser Laufen oder dagegen, dass wir Christi Schmach tragen. Alles auf dieser Erde zieht nach unten und wirkt verderblich auf uns als neue Geschöpfe in Christus Jesus. Es ist gut für mich, wenn ich erkenne, dass ich von dieser Welt keine Hilfe bekommen kann. Hindernisse im Übermaß und jede Menge Widerstand aus allen Richtungen, aber keine Hilfe, keine Aufmunterung, keine Unterstützung, keinen Beistand. Alles hier strebt danach, uns unten zu halten und unseren Fortschritt zu verhindern; doch wir sollen sein „wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt; und sein Laub ist grün, und im Jahr der Dürre ist er unbekümmert, und er hört nicht auf, Frucht zu tragen“ (Jer 17,8). Wir sollen hier also, wie ihr seht, als Immergrün im Frost und Schnee dieser winterlichen Welt leben, durch sie hindurchlaufen und seine Schmach darin tragen.

Ich möchte hier zwei Dinge erwähnen, liebe Freunde, zwei Übungen, die die Geschichte der Kinder Israel während ihrer Reise durch die Wüste ausmachten und die meines Erachtens äußerst bedeutungsvoll und wichtig für unsere Haltung auf der Erde sind. Was sind diese? Das eine war die Lebenserhaltung, beispielsweise durch das Manna; das andere war der Widerstand, beispielsweise durch Amalek (s. 2Mo 16 u. 17). Dieses sind, glaube ich, die beiden großen Eigenschaften des Lebens in der Wüste: Lebenserhaltung und Widerstand. Und muss es für uns nicht genauso sein? Wenn diese beiden Dinge nicht zusammengehen, lässt sich schwerlich erkennen, wie wir den Platz einnehmen, zu dem Gott uns berufen hat. Wenn wir nicht vom Himmel her genährt und am Leben erhalten werden und auf dieser Erde Widerstand leisten, wie stehen wir dann in irgendeinem wahren Sinne des Wortes für Gott hier? Möge der Herr im Herzen eines jeden von uns das Gespür dafür erwecken. Möge Er selbst euch zeigen, dass es hier nichts gibt, was euch helfen könnte, sondern dass ihr eure gesamte Versorgung von außerhalb beziehen müsst und dass ihr nur, wenn ihr so versorgt werdet, Widerstand leisten könnt. Derzeit gibt es zwei einander entgegengesetzte Arten der Hindernisse, die viele Kinder Gottes vom Weg abbringen, nämlich Verlockungen und Bedrängnisse. Manche meinen, dass die Bedrängnisse auf dem Weg zu groß für sie sind und dass der Weg zu schmal ist; andere hingegen erliegen den Verlockungen, den Reizen der Sünde, die ihnen süß erscheinen, und sie werden von ihnen gefangen genommen, so dass sie diesen schrecklichen Kampf nicht weiterführen können. Die Atmosphäre unseres Zeitalters verleitet zum Schlaf; man wird leicht schläfrig und gibt dem Verlangen zu schlafen nach, aber es ist der Schlaf des Todes.

Aber wer kann beschreiben, wie überaus wunderbar, wie glückselig es ist, wenn einem die Augen für einen Ort geöffnet werden, an dem alles vollkommen ist und wo Christus sich in all seiner Schönheit und Herrlichkeit als ewiger Trost des Herzens befindet, so dass wir die Freiheit besitzen, den besten Dingen hier auf dieser Erde den Rücken zuzukehren und auch zu wissen, dass es, weil wir eins sind mit Christus, wirklich nichts auf der Erde gibt, was wir neben Ihm noch begehren könnten. Meint ihr, dass das ein ziemlich hoher Boden ist, auf den ich mich da begebe? Ja, aber es ist Gottes Boden, Gottes Standpunkt, und darauf kommt es an. Gab es irgendetwas hier auf dieser Erde für Christus? Liebe Freunde, wir sind nicht nur eins mit Ihm, wir gehen auch aus Ihm hervor [wie die neue Pflanze aus dem Weizenkorn] (Joh 12,24). Ihr mögt sagen, dass das etwas Erstaunliches ist. Ja, das ist es; ich leugne das nicht. Es ist die erstaunlichste und wunderbarste Wirklichkeit, die das Herz begreifen kann; und ich bete heute Abend, o ja, ich bete, dass jeder von uns tief in seinem Herzen ein neues und erneuertes Gespür dafür bekommen möge. Ich weiß, wie schwach man das meist nur spürt – wie heißt es so schön? „Kalt ist mein wärmster Gedanke“ –, und je größer eine Sache ist, desto schwächer spürt man sie leider oft nur. Der Herr jedoch kann unseren Herzen jedenfalls das Geschenk machen, davon zu kosten, und ich bete, dass Er jedem hier Anwesenden heute so eine Kostprobe (eine erneute Kostprobe, wenn ihr früher schon einmal eine hattet) von dem reichen Ort geben möge, an den Er uns geführt hat, indem Er uns nicht nur von allem gereinigt hat, sondern uns einsgemacht hat mit dem, der uns gereinigt hat, so dass unser Herz sagen kann: „Herr Jesus, es ist uns eine Freude, hier Deinen Weg zu gehen; eine Freude, Deine Schmach zu tragen.“ Oh, dass wir doch wie Mose sein könnten, dessen Eltern in ihm ein schönes Kind sahen, eines, das schön war für Gott! Sie betrachteten ihn nicht mit natürlichen Augen, sondern mit den Augen des Glaubens, und deshalb missachteten sie den Befehl des Königs. Und als das Kind erwachsen wurde, erfüllte sich der Glaube seiner Eltern an ihm; und so lesen wir: „Durch Glauben weigerte sich Mose, als er groß geworden war, ein Sohn der Tochter des Pharaos zu heißen, und wählte lieber, mit dem Volk Gottes Ungemach zu leiden, als den zeitlichen Genuss der Sünde zu haben, indem er die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung“ (Heb 11,24-26). Man beachte diese drei Dinge: Er lehnte ab; er zog es vor, geplagt zu werden; und er hielt die Schmach des Christus für größeren Reichtum als die Schätze Ägyptens.

Möge der Herr es durch seinen Geist schenken, dass es heute Abend zumindest einige wenige gibt, die wie Mose ablehnen werden. Es ist nicht so, wie jemand einmal behauptet hat: „Diese Dinge werden von mir abfallen“; nein, man muss sie ablehnen. Mose lehnte ab, was selbst die Vorsehung ihm gab. Ich darf wohl sagen, dass hier viele unter uns sind, die das, was sie haben, nicht so deutlich auf die Vorsehung zurückführen können; aber er konnte es und lehnte es dennoch ab, und er wählte den leidvollen, anstrengenden, quälenden Weg, er gab ihm den Vorzug vor dem „zeitlichen Genuss der Sünde“.

Möge der Herr uns die Gunst gewähren, dass unsere Herzen diese Wirklichkeit erproben. Er hat uns weit mehr enthüllt, als Mose in seinen Tagen wusste. Mögen wir es tief in unserer Seele durch den Geist ergreifen, so dass wir den Weg um des Herrn Jesus Christus willen mit einfacher Herzenshingabe annehmen!

Du, mein Jesus in der Höhe,
bist’s, auf den ich wartend sehe,
bis Du kommst entgegen mir;
dem die Heimat Du bereitet,
den Dein Auge hat geleitet
durch die öde, weite Wüste hier.

Bis dahin, auf allen Tritten,
ist der Pfad, den Du geschritten,
stets mein Trost und meine Freud.
Bin mit Deinem Stab zufrieden,
bis, von diesem Staub geschieden,
ich Dich droben schau in Herrlichkeit.[1]


Erster Vortrag aus der Vortragsreihe „The Christian: What is He? Heavenly or Earthly?“ aus dem Jahr 1880

Übersetzung: S. Bauer

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Anmerkungen

[1] Aus dem Lied „Diese Welt ist eine Wüste“. Der englische Originaltitel lautet: „This World is a Wilderness“ (1849) und stammt von J.N. Darby; übertragen von J.A. von Poseck.

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