Die Pharisäer-Falle (6)
Matthäus 23,25.26 – Weheruf Nr. 5

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 16.09.2003, aktualisiert: 06.11.2019

Leitverse: Matthäus 23,25.26

Mt 23,25.26: Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler! Denn ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, innen aber sind sie voll von Raub und Unenthaltsamkeit. Blinder Pharisäer! Reinige zuerst das Innere des Bechers und der Schüssel, damit auch ihr Äußeres rein werde.

Die Pharisäer machten auch hier wieder einen Fehler: Sie dachten, dass die Unreinheit außerhalb einer Person läge und man deshalb nicht mit bestimmten Orten oder bestimmten Personen Kontakt haben dürfe. Der Herr Jesus belehrt sie, dass eine Unreinheit immer aus dem Herzen hervorgeht. Der Herr deckt zudem auf, dass ein rein äußerliches tadelloses Leben noch kein Indiz dafür ist, dass auch das Herz rein und tadellos ist. Er gibt durch sein Leben Anschauungsunterricht, was Er damit meinte. Er selbst wurde Freund der Zöllner und Sünder genannt. Man klagte Ihn an, mit Samaritern zu sprechen und mit Sündern zu essen. Er war ständig unter unreinen Leuten – berührte sogar Aussätzige und Tote –, und doch heißt es von Ihm im Hebräerbrief, dass Er der Abgesonderte unter den Sündern war (Heb 7,26).

Was hat das uns alles zu sagen? Auch wir neigen dazu – wie einst die Pharisäer –, uns nach außen besser darzustellen, als wir in Wirklichkeit sind. Wenn man in Gesellschaft bestimmter Menschen (auch Christen!) ist, dann weiß man in der Regel, wie man sich zu verhalten hat, um einen guten Eindruck zu hinterlassen oder einen geistlichen Anschein zu schinden. Das führt oftmals so weit, dass wir anfangen, ein Doppelleben zu führen aus Angst, wir könnten als „ungeistlich“ eingestuft werden. Manche Psychiater haben Hochkonjunktur, weil sie mit geistlich missbrauchten Seelen zu tun haben, die durch ihren Gemeindekodex quasi dazu gezwungen wurden, solch ein Doppelleben zu führen. Es sind jedenfalls noch Menschen, die Hilfe suchen und ihr Kranksein tief empfinden – für solche ist der Herr in besonderer Weise besorgt, weil sie erkannt haben, dass ein Doppelleben in die geistliche Blindheit führt. Aber dann gibt es auch solche, die es überhaupt nicht bemerken, wie ihr Leben „auseinanderläuft“, die bereits blind sind in Blick auf ihren eigenen Zustand. Die große Sünde der Pharisäer war, dass sie vorgaben zu sehen und doch blind waren. Wir (genau wie die Pharisäer) halten uns vielleicht an bestimmte äußere Verhaltensnormen, die von unserer Gruppe oder Gemeinde gefordert werden, und solange wir uns in diesem Raster bewegen, kann ansonsten nicht viel schiefgehen, man muss mit keinen „dummen“ Fragen rechnen. Es gibt unzählige Fälle, wo Christen Sonntag für Sonntag in ihren „Sonntagsdress“ steigen, ihre Sonntagslaune und ihr Sonntagsgesicht auflegen und deren sonstiges Leben (von Montag bis Samstag) nur wenig bis gar nichts von geistlichem Leben verspüren lässt.

Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann werden wir zustimmen, wenn wir sagen, dass wir zu anderen leicht über Hingabe und Treue und einer innigen Verbindung zum Herrn reden können, wobei wir im selben Augenblick wissen, wie schlecht es da bei uns selbst aussieht. Das Beispiel des Judas zeigt uns, dass wir äußerlich eine große Show abziehen können und viele Jünger somit blenden können. Nur der Herr wusste, was mit Judas los war, aber keiner der Jünger ahnte, dass es gerade Judas war, der den Herrn verraten sollte. Offenbar genoss Judas sogar besonderes Vertrauen, weil man ihm die Kasse übergeben hatte. Und noch im Obersaal, als Judas den Raum verließ, dachten manche, dass er für das Fest etwas kaufen wollte. Äußerlich war bei Judas alles in Ordnung, aber hinter ihrem Rücken hielt er Besprechungen mit den Feinden des Herrn ab. Das, was in Judas steckte, steckt auch in uns – machen wir uns nichts vor! Jeder, der regelmäßig zu anderen über den Herrn spricht, sei es persönlich oder als Prediger, wird sich dieser Gefahr bewusst sein und schon oft getrauert haben, dass der eigene geistliche Zustand nicht dem entsprach, was man anderen predigte oder sagte. Aber wenn wir diese Diskrepanz zwischen unserem Mund und unserem Herzen empfinden, sie als Heuchelei dem Herrn bekennen, so kann uns dies dazu führen, in anderer – barmherzigerer – Weise zu dienen und ein Wort zu sagen. Es wird immer eine gewisse Diskrepanz geben zwischen unseren Worten und unseren Taten oder unserem Herzen, deshalb ist die Warnung an die Pharisäer geradeso an uns gerichtet.

Bei dem Herrn gibt es keine Oskars für die besten Schauspieler, dort gibt es nur eine Verheißung für solche, die zerschlagenen und gebrochenen Geistes sind. Dort, so sagt der Herr, will Er wohnen (Jes 57,15). Die Botschaft dieses Weherufes ist, dass wir uns nicht gegenseitig etwas vormachen, dass wir ruhig auch einmal zugeben, dass wir auch mit bestimmten Dingen Mühe haben, dass in unserem Leben auch nicht immer alles so glattgeht, wie es sonntags oftmals den Eindruck macht. Und hüten wir uns davor, andere zu klassifizieren, wo bestimmte Sünden zutage getreten sind. Der Herr Jesus spricht hier von Raub und Unenthaltsamkeit. Dinge also, die uns allen genauso unterlaufen, wobei wir das vielleicht die meiste Zeit gut verdecken können. Wir sind vielleicht keine Räuber, aber was ist es anderes, wenn wir danach streben, genau dasselbe zu besitzen wie der Nachbar oder wie der Mitbruder oder die Mitschwester? Oder was ist mit unserem Materialismus, unserer Gier, immer das Neueste haben zu müssen, mit den anderen mithalten zu können usw.? In den meisten Fällen werden wir diese Dinge gut vor anderen versteckten können – was haben wir nicht alles schon für geistlich schöne Ausreden erfunden, warum wir diese oder jene Dinge brauchten. Aber vor dem Herrn sind diese Dinge alle offenbar. Dessen sollten wir uns wieder neu bewusst werden. Wenn jedoch die Sünde eines Bruders offenbar geworden ist, sollte dies von den geistlichen Gläubigen als Gelegenheit angesehen werden, jenem die Hand der Barmherzigkeit zu reichen und ihn wieder in die Gemeinschaft mit dem Herrn und der Geschwister zurückzuführen. Das geht aber nur, wenn wir selbst jedes abfällige Denken, jedes schnelle „Ungeistlich-Brandmarken“ beenden und uns selbst unserer eigenen Unzulänglichkeit bewusst sind (Gal 6,1), die in uns genauso steckt, nur vielleicht glücklicherweise nicht an die Öffentlichkeit gedrungen ist.

Eine weitere Botschaft dieses Weherufes ist, dass wir darauf achten sollten, dass Menschen eine persönliche Beziehung zum Herrn Jesus aufbauen, denn dann können wir sicher sein, dass auch das Äußere in Ordnung kommt. Denn der Herr sagt: „Blinder Pharisäer! Reinige zuerst das Innere des Bechers und der Schüssel, damit auch ihr Äußeres rein werde.“

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