Die Dimensionen Gottes
Länge, Breite, Höhe, Tiefe

Johannes Philippus Fijnvandraat

© SoundWords, online seit: 05.04.2011, aktualisiert: 01.03.2024

Leitvers: Epheser 3,18

Eph 3,18: … damit ihr völlig zu erfassen vermögt mit allen Heiligen, welches die Breite und Länge und Höhe und Tiefe sei.

1. Eine Merkwürdigkeit dieser Worte

Ist es uns schon einmal aufgefallen, dass an diesen vier Begriffen etwas Merkwürdiges ist? Wir kennen Höhe und Tiefe als gegensätzliche Begriffe. „Höhe“ ist das Gegenteil von „Tiefe“. Aber wir haben in unserer Sprache keinen Gegensatz bei den Begriffen „Länge“ und „Breite“! („Lang/kurz“ hat dieselbe Relation wie „hoch/niedrig“, genau wie „breit/schmal“. Dabei geht es um etwas ganz anderes als den Gegensatz von „Höhe/Tiefe“.) Vielleicht gibt es eine sprachphilosophische Erklärung für diese Merkwürdigkeit, aber für den Inhalt und das Ziel dieser Zeitschrift [Bode des Heils in Christus] ist es ausreichend, festzustellen, dass auch die Bibel sich an diesen Sprachgebrauch hält und nicht von drei „Maßen“ (Dimensionen) redet, sondern von vier, nämlich Länge, Breite, Höhe und Tiefe.

Zwei Dinge haben jedem Bibelleser hierbei etwas zu sagen, nämlich:

  • Die Bibel verbindet mit diesen – auch in der Messkunde gebräuchlichen – Begriffen keine technischen, sondern moralische Lektionen.
  • Die Bibel nennt oder zeigt diese vier Begriffe in verschiedenen Reihenfolgen.

Aus der Tatsache, dass Christus Garant ist für „Strichlein“ und „Jota“ im Gesetz Gottes – die kleinsten Schriftzeichen –, folgt, dass selbst die kleinsten Besonderheiten in der Schrift unsere Aufmerksamkeit verdienen. Die Veränderungen der Reihenfolge bei der Nennung dieser vier Begriffe müssen uns also sicher etwas zu sagen haben.

2. Ein Zeugnis aus der Zeit Abrams

Viele Bibelkenner glauben aus gutem Grund, dass Hiob und seine Freunde ungefähr zur Zeit Abrahams gelebt haben. Angenommen, dass das stimmt, ist das Zeugnis Zophars das älteste und damit auch das erste, das wir über diese vier Begriffe besitzen. Er sagt nämlich in Hiob 11,7-9: „Kannst du die Tiefe Gottes erreichen oder das Wesen des Allmächtigen ergründen? Himmelhoch sind sie – was kannst du tun? Tiefer als der Scheol – was kannst du erkennen? Länger als die Erde ist ihr Maß und breiter als das Meer.“ Was wir hieraus unmittelbar schlussfolgern können, ist, dass in der biblischen Vorstellungswelt die Erde als Längenmaß und das Meer als Breitenmaß gesehen wird.

Die Geheimnisse Gottes

a. Die Höhe

Wenn es um die Geheimnisse Gottes geht, steht die Höhe an erster Stelle! So sagt dann auch Jesaja 55,9: „Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Die Geheimnisse Gottes sind höher als die Himmel. Gott ist so groß, so hoch, so erhaben, dass nach Salomos Worten „die Himmel und der Himmel Himmel ihn nicht fassen können“ (1Kön 8,27). Glückselig die, die diesen Gott ihren „Vater“ nennen dürfen. Zu Recht singen wir:

Es ist das ewige Erbarmen,
das alles Denken übersteigt,
des, der mit off’nen Liebesarmen,
sich nieder zu den Sündern neigt.
Der uns von Fluch und Tod befreit,
uns führt zu Jesu Herrlichkeit.[1]

b. Die Tiefe

Kein Wunder, dass die Bibel dann auch als Nächstes hier die Tiefe nennt! Und was für eine Tiefe! Wer hier gegenüber „höher als der Himmel“ „tiefer als die tiefste Schlucht“ oder „tiefer als das Meer“ erwartet, denkt in zu irdischen und zu materialistischen Maßen! Zophar bringt hier die moralische Welt mit „tiefer als der Scheol“ ins Spiel. Damit meint er natürlich mehr als nur die Gruft oder das Grab. Auch Zophar muss sehr wohl gewusst haben, dass der Tod die Folge der Sünde ist.

Die Tiefe des Totenreiches ist auch die Tiefe von Untergang und Verlorenheit, in die die Sünde uns Menschen hinabzerrt. Ohne Sünde kein Totenreich. Aber die Geheimnisse Gottes sind tiefer als das Totenreich! Wie unentrinnbar und unwiderruflich der Tod auch ist – der Tod hat nicht das letzte Wort! Gott ist so gewaltig, dass sogar der Tod Ihm gegenüber nachgeben und all seine Geheimnisse preisgeben muss.

Die Geheimnisse Gottes sind tiefer als das Totenreich – Gottes Macht übertrifft nicht nur die Macht des leiblichen Todes, sondern auch die des moralischen, geistlichen Todes! Ist es nicht ein unergründliches Wunder, dass von tief gefallenen, rettungslos verlorenen Menschen gesagt werden kann: „Auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden, … hat Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, wegen seiner vielen Liebe, womit er uns geliebt hat, auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet“ (Eph 2,1-5)?

c. Die Länge

Die Geheimnisse Gottes reichen über die ganze Erde! „Länger als die Erde ist ihr Maß“ (Hiob 11,9). Sie übersteigen irdische Maßstäbe. Wer in „irdischen Maßstäben“ über Gott und sein Werk denkt, denkt viel zu gering. Weit vor der Schöpfung von Himmel und Erde, „vor Grundlegung der Welt“, hat Er an dich und mich gedacht. Und wenn die heutige Erde vergangen sein wird, also nach dem Jüngsten Tag – von Ewigkeit zu Ewigkeit –, ist seine unveränderliche Liebe und Güte da. Unser ganzes irdisches Dasein ist in seinem weisen, ewigen „Rat“ eingebettet. Jedes Kind Gottes darf sich in seinem irdischen Dasein – wie alt es auch werden möge – in seiner mächtigen Hand geborgen wissen.

d. Die Breite

Zophars Breitenmaß ist das Meer und er weiß: Gottes Geheimnisse sind breiter als das Meer. Das Meer ist in der Bibel oft ein Bild des Völkermeers, in dem wir leben. Immer rührig und in Bewegung, oft schäumend durch Sturmgewalt und Schlamm aufwühlend (siehe u.a. Jes 57,20; Off 17,15). Die Geheimnisse Gottes sind breiter als das Meer. Nichts läuft Ihm aus dem Ruder. Was das unermessliche Völkermeer an Gottlosigkeit und aufständischem Ideenreichtum auch aufschäumen möge, wie auch immer die Völker toben mögen (Ps 2,1) – keine vier Milliarden (4.000.000.000) Menschen im Aufstand Gott gegenüber können verhindern, dass Er mit einem „Habe ich doch meinen König eingesetzt auf Zion, meinem heiligen Berg!“ (Ps 2,6) den gekreuzigten „Zimmermann“ aus Nazareth auf den Thron Davids setzt, um alle Feinde „zum Schemel seiner Füße“ zu machen (Heb 10,13). Die Gläubigen werden dieses Geheimnis Gottes später bewundern und singen: „Von dem HERRN ist dies geschehen; wunderbar ist es in unseren Augen“ (Ps 118,23).

3. Ein Zeugnis aus dem Neuen Testament

Anders als in Hiob 11,7 wird in Epheser 3,18 erst die Breite, dann die Länge, anschließend die Tiefe und schließlich die Höhe genannt. Hier geht es nicht um die „Verborgenheiten Gottes“, sondern um die Verborgenheit von Christus. Der Grund für diese andere Reihenfolge liegt wohl in der Tatsache, dass der Geist Gottes uns beim Reden über die Verborgenheit von Christus zuerst auf die große Schar von Gläubigen aus dem Juden- und Heidentum hinweisen will, die in diese Verborgenheit einbezogen sind.

a. Die Breite

Das hat mit der Breite des Völkermeers zu tun! Gottes altes Volk Israel bekam keinen Missionsbefehl, um „auszugehen“ und unter den Nationen das Evangelium zu verkündigen. Es ist die neutestamentliche Gemeinde unseres Herrn Jesus Christus, die auf dieser Grundlage entstanden ist: „So steht geschrieben, dass der Christus leiden und am dritten Tag auferstehen sollte aus den Toten und in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden gepredigt werden sollten allen Nationen, angefangen von Jerusalem“ (Lk 24,46.47).

„Aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation“ (Off 5,9) sind sie erkauft, durch das Blut von Christus. In der Breite ist auch jeder eingeschlossen, der in den Niederlanden[2] den Heiland angenommen hat.

b. Die Länge

Auch das Längenmaß verdient hier die Aufmerksamkeit. Das Längenmaß hat mit der Erde zu tun. Die Verborgenheit von Christus ist mit einer irdischen Angelegenheit verbunden. Christus hat gesagt, dass „der Sohn des Menschen Gewalt hat, auf der Erde Sünden zu vergeben“ (Mk 2,10). Es geht bei dem Ausdruck „Kirche“ oder „Gemeinde von Jesus Christus“ nicht um eine Gesellschaft von Gläubigen „von Adam bis zum Jüngsten Tag“, sondern um die, die – nachdem der Sohn Gottes „Menschensohn“ geworden war – „in seinem Namen“ ein Angebot zur Sündenvergebung empfingen und dies angenommen haben. Mit anderen Worten: Die Länge der Verborgenheit von Christus wird durch die Zeit bestimmt, in der das Evangelium der Gnade und des Friedens Gottes (Eph 2) auf der Erde verkündigt wird. Die Schar, die „aus den Nationen“ (Apg 15,14) erlöst wird und mit Christus als Haupt in einem Leib verbunden ist, ist endlich und nicht unendlich, und auch die Zeit, in der das geschieht, ist klar abgemessen. Der Anfang ist in Apostelgeschichte 2 fixiert (vgl. 1Kor 12,12.13), und das Ende ist in 1. Thessalonicher 4,15-17 und 1. Korinther 15,51-57 angegeben.

So steht im Neuen Testament das Wunder der Länge der Verborgenheit von Christus vor uns. Paulus bat nach Epheser 3,14 offensichtlich, dass die Gläubigen fähig wären, zu erfassen, was ihre einzigartige Position in der Heilsgeschichte in ihrer Verbindung zu Christus ist, als er über die Länge der Verborgenheit von Christus sprach.

c. Die Tiefe

Wenn das Vorhergehende möglich werden sollte, war es nötig, dass der Sohn Gottes herabkam. Sowohl Philipper 2,5-8 als auch Epheser 4,9.10 sprechen zu uns von der Tiefe der Verborgenheit von Christus. Alle Glieder des Leibes von Christus, die unverbrüchlich mit Ihm als das Haupt verbunden sind, haben dies Vorrecht der unergründlichen Tatsache zu verdanken, die in 1. Timotheus 3,16 mit den Worten wiedergegeben ist: „Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der offenbart worden ist im Fleisch, ist gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“ Und wozu kam Gottes Sohn im Fleisch und wie tief stieg Er hinab? Zunächst war es, um in einer aufständischen Welt Gott zu ehren und zu verherrlichen durch einen absoluten Gehorsam, einen Gehorsam bis zum Tod, „ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Darüber hinaus aber auch, weil Er „die Versammlung geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25).

Wie tief musste Er dafür hinabsteigen. Psalm 69,3 sagt: „Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da.“ Er stieg in unseren Sündenzustand hinab, wurde „für uns zur Sünde gemacht“ (2Kor 5,21) und trug auf diese Weise für uns das Gericht Gottes. Wie steht die Tiefe vor unserem Geist, wenn wir es jetzt singen und später in Vollkommenheit singen werden: „Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation, und hast sie unserem Gott zu einem Königtum und zu Priestern gemacht, und sie werden über die Erde herrschen!“ (Off 5,9.10).

d. Die Höhe

Mit welchem Ziel hat Gott nun „aus jedem Stamm und jeder Sprache und jedem Volk und jeder Nation“ (Breite) und ab dem in Apostelgeschichte 2 beschriebenen Pfingsttag bis zur Aufnahme der Gemeinde – erwähnt in 1. Thessalonicher 4,15-17 (Länge) – ein Volk für seinen Namen angenommen und auf besondere, zuvor nie angekündigte Weise mit Christus verbunden?

Das hat mit der Höhe der Verborgenheit von Christus zu tun. Epheser 1 enthüllt uns dies in Vers 3 (Eph 1,3) und Epheser 2 in den Versen 6 und 7 (Eph 2,6.7). Dort werden wir von der Erde weggeführt und in schwindelerregende Höhe versetzt:

  • Wir erhalten einen Platz „in den himmlischen Örtern“!
  • Wir werden „allezeit bei dem Herrn sein“ (1Thes 4,17).
  • Wir werden Christus gleich sein (1Joh 3,2)!
  • Wir werden „mit Christus verherrlicht werden“ (Röm 8,17).
  • Wir werden als Söhne Gottes „mit ihm offenbart werden in Herrlichkeit“ (Kol 3,4).

Aus diesem allen wird „in den kommenden Zeitaltern“ sonnenklar hervorgehen, wie hoch der „überragende Reichtum von Gottes Gnade und Güte über uns in Christus Jesus“ tatsächlich ist (Eph 2,7)! So wird dann Christus „in allen seinen Heiligen“ (2Thes 1,10) verherrlicht werden. Die Höhe der Verborgenheit von Christus wird dann „bewundert werden“.


Originaltitel: „Lengte, breedte, hoogte en diepte“
in Bode des Heils in Christus, Jg. 121, 1978

Übersetzung: Stephan Winterhoff

Anmerkungen

[1] Johann Andreas Rothe (1688 –1758).

[2] Anm. d. Red.: Der Autor ist Niederländer.


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