Der Prophet Jesaja

Alfred Guignard

© Beröa-Verlag, online seit: 17.11.2017, aktualisiert: 26.03.2023

Einführung

Nach den Büchern Mose ist das Buch des Propheten Jesaja das wichtigste des ganzen Alten Testaments, denn es wird im Neuen Testament von allen Propheten weitaus am meisten zitiert. Diese einfache Feststellung zeigt die Wichtigkeit dieses bemerkenswerten Buches.

Jesaja prophezeite während einer langen Zeitspanne: in den Tagen Ussijas, Jothams, Ahas’ und Hiskias, der Könige von Juda. 2. Chronika 32,32 lässt uns sogar vermuten, dass der Prophet den gottesfürchtigen König Hiskia überlebt hat, was einen Dienst von mehr als sechzig Jahren ausmachen würde.

Das Wort gibt uns wenig Auskunft über Jesaja selbst. Er war der Sohn von Amoz; wir wissen nichts Weiteres über seinen Vater. Die menschliche Überlieferung, deren Wert immer bestritten werden kann, berichtet uns einiges über den Propheten; wenn uns dies nützlich gewesen wäre, hätte es uns der Heilige Geist mitgeteilt. Im Bereich der göttlichen Dinge muss uns das, was das Wort uns sagt, genügen, denn das Wort ist vollkommen und folglich auch vollständig.

Jesaja hat zum Volk gesprochen, als es noch in Verbindung zum Herrn stand und als Volk Gottes anerkannt war. Der große Feind, der erwähnt wird, ist der Assyrer und nicht das römische Tier, wie es in andern Büchern, zum Beispiel im Propheten Daniel, der Fall ist.

Das Buch Jesaja kann in zwei klar erkennbare Teile gegliedert werden. Der erste Teil enthält die Kapitel 1 bis 39 und der zweite die Kapitel 40 bis 66. Der erste Teil stellt eher die historische Seite der Geschichte des Volkes vor, währenddessen der zweite uns vor allem den moralischen Zustand mitteilt. Das Buch Jesaja kann man ferner nach der folgenden Übersicht in sieben Abschnitte unterteilen:

  1. Abschnitt: Kapitel 1–12
    Prophezeiungen in Bezug auf Israel. Der Prophet prangert hier die Schuld des Volkes an. Er verkündigt das Gericht, das die Juden erreichen wird, das Kommen des Messias und die Befreiung am Ende.
  2. Abschnitt: Kapitel 13–27
    Aussprüche, die das Gericht der Völker betreffen, die eine Verbindung zu Israel hatten.

  3. Abschnitt: Kapitel 28–35
    Einzelheiten in Bezug auf das, was bei der Vollendung des Zeitalters geschehen wird. Es sind die Ereignisse des Endes, die für die Erlösten eine ewige Freude herbeiführen werden.

  4. Abschnitt: Kapitel 36–39
    Dieser bemerkenswerte Teil des Buches zeigt uns in Form eines geschichtlichen Berichts drei große Themen der Geschichte des Volkes:

    • der große Endfeind: der Assyrer
    • die Wiederherstellung des Sohnes Davids, als er todkrank war: Hiskia, Vorbild des gestorbenen und auferstandenen Christus
    • die feierlich ernste Vorhersage der babylonischen Gefangenschaft
  5. Abschnitt: Kapitel 40–48
    Große Auseinandersetzung des Herrn mit seinem Volk in Bezug auf die Götzen

  6. Abschnitt: Kapitel 49–57
    Eine weitere große Auseinandersetzung des Herrn mit seinem Volk in Bezug auf die Verwerfung des Messias

  7. Abschnitt: Kapitel 58–66
    Abschluss des Buches

Diese sieben Hauptabschnitte sind ihrerseits in zahlreiche gut erkennbare Teile gegliedert, wie wir im Verlauf unserer Betrachtung dieses Buches bemerken werden.

Der erste Vers dieses Buches ist gleichzeitig die Überschrift. „Das Gesicht Jesajas, des Sohnes Amoz’, das er über Juda und Jerusalem geschaut hat in den Tagen Ussijas, Jothams, Ahas’, Jehiskias, der Könige von Juda.“

Er zeigt uns: den Propheten, seine Vision, jene, die es betrifft, und zum Schluss die Namen der vier Könige von Juda, unter deren Herrschaft Jesaja geweissagt hat.

Die Erwähnung dieser Könige gibt uns den Zeitpunkt und die ungefähre Dauer der Weissagungen Jesajas an. Darüber hinaus sehen wir in diesen vier Königen symbolisch die großen Linien der ganzen Geschichte des Volkes Israel in Beziehung zum Königtum und zum Prophetentum. Diese Geschichte ist von einem sich immer klarer abzeichnenden Verfall, den die drei ersten Könige verkörpern, gekennzeichnet; der letzte, Hiskia, ist ein Vorbild des gestorbenen und auferstandenen Christus.

Ussija, vom Herrn gesegnet, erhob sich, war ungehorsam und wurde aussätzig.

Jotham war gottesfürchtig und tat, was recht war in den Augen des Herrn, wie dies bei mehreren Königen von Juda der Fall war. Aber seine Gottesfurcht verhinderte nicht, dass das Böse sich im Volk, das sich mehr und mehr verderbte, ausbreitete.

Ahas tat das Böse wie Israel, dann verübte er all die Gräuel, die von den Nationen begangen wurden. Er zerschlug die Geräte des Heiligtums und schloss die Türen des Hauses Gottes. Gott züchtigte ihn, aber in seiner Bedrängnis kehrte er nicht zum Herrn zurück, sondern opferte im Gegenteil den Göttern der Nationen und forderte so den Zorn des Gottes seiner Väter heraus. Israel, das Volk Gottes, hat es nicht anders gemacht.

Hiskia war treu. Der Bericht über ihn, der uns im eingeschobenen geschichtlichen Teil unseres Buches (Kapitel 36 bis 39) mitgeteilt wird, enthält drei große Tatsachen, die mit den drei großen Phasen in der Geschichte des Volkes Israel übereinstimmen:

  1. das Volk, das wegen seiner Übertretungen in die babylonische Gefangenschaft geführt wurde;
  2. den Messias, den Sohn Davids, der wiederhergestellt worden ist, wie aus den Toten, und das Volk, das die Vergebung seiner Sünden erlangt hat und fähig gemacht wird, den Herrn unter den Lebenden zu loben;
  3. den Assyrer, den großen Endfeind, der durch die mächtige Hand des Herrn zerstört wird.

Erster Abschnitt: Kapitel 1–12

Kapitel 1

Das erste Kapitel ist eine Einführung in das Thema des Buches; es vermittelt uns die großen Umrisse des Themas, das darin behandelt wird: der Zustand des Volkes, seine Bosheit und seine Verderbtheit, die notgedrungen das Gericht nach sich ziehen. Danach finden wir den Aufruf Gottes zur Buße und seine Gnade, die das Volk auffordert, willigen Herzens zu sein. Es endet mit der Herrlichkeit des Reiches und dem Gericht, das die Übeltäter zerschmettern wird.

In Jesaja 1,2-9 finden wir den moralischen Zustand des Volkes. Wie im fünften Buch Mose (5Mo 32,1) werden die Himmel aufgefordert, zu hören, und die Erde, aufzuhorchen; sie sind Zeugen dessen, was Gott seinem Volk sagen wird.

Die Worte „Der Ewige hat geredet“ offenbaren uns, was Prophetie ist. Der Gott, dessen Stimme die Welten aus dem Nichts heraustreten ließ, spricht jetzt zu seinem ungehorsamen Volk, nicht, um es zu vernichten, sondern um es zu sich zurückzuführen. Es ist seine wunderbare Gnade, die hier und durch die ganze Schrift hindurch hervorstrahlt, sogar dort, wo von den schrecklichsten Gerichten die Rede ist.

In seiner zärtlichen Fürsorge hatte Gott sich um sein Volk bemüht, wie ein Vater sich um seine Kinder kümmert und sie erzieht. Trotz all seiner Bezeugungen der Güte gegenüber dem Volk hatte es sich gegen Ihn aufgelehnt und war törichter als Tiere ohne Verstand geworden. Wir stellen in diesen Versen eine allmähliche Steigerung des Bösen fest: In Vers 2 sind die Kinder von Gott abgefallen (Jes 1,2); in Vers 3 haben sie kein Verständnis (Jes 1,3); in Vers 4 handeln sie verderbt und verschmähen den Heiligen Israels (Jes 1,4); und in Vers 5 ist es sinnlos, sie zurechtzuweisen (Jes 1,5); sie würden sich nur noch mehr verhärten, wie das Metall, das man hämmert: Wenn man es nicht zerbricht, verhärtet es sich. Schläge würden nur neue Empörungen mit sich bringen.

Die frischen Wunden, die nicht verbunden und nicht mit Öl erweicht worden sind, erinnern uns daran, dass der „barmherzige Samariter“ noch nicht vorübergezogen war (Lk 10,33). Das Gesetz, das durch den Leviten und den Priester dargestellt wird, hat nichts zur Vollendung gebracht, und das Herz des Menschen, das nicht erneuert wurde, ist überall dasselbe. Tatsächlich ist das Herz des Volkes Israel nicht besser als jenes der Einwohner der Städte, die durch das Feuer vom Himmel vernichtet wurden.

Die Verse Jesaja 1,10-17 beschreiben uns den religiösen Zustand des Volkes. Trotz seines elenden moralischen Zustands hatte es einen sehr religiösen äußeren Schein bewahrt. Alle brachten eine Menge Opfer dar; sie zertraten die Vorhöfe des Hauses Gottes mit ihren Füßen; sie ließen Räucherwerk vor Ihm aufsteigen, beriefen Festversammlungen ein und betrieben anderseits die Ungerechtigkeit und vergossen unschuldiges Blut. Bei all diesem Bösen, das festgestellt wird, waren die Vorsteher am schuldigsten (Jes 1,10).

Aber in den Versen Jesaja 2,18-20 haben wir die Gnade Gottes, die inmitten dieser trostlosen Umgebung scheint. Er kommt selbst, um mit seinem Volk zu rechten. Wenn es einwilligen würde, Ihm zuzuhören, wäre Er bereit, ihm zu vergeben. Selbst wenn ihre Sünden rot wären wie Scharlach, würde Er sie weiß machen wie Schnee. Aber wenn sie nicht auf dieses Wort der Gnade hörten, würde es zum Grund ihrer Verwerfung werden.

Jesaja 1,21-23. Dieser kurze Abschnitt beginnt mit einem Ausruf. Er drückt den Schmerz des Herzens Gottes aus, als Er den Zustand feststellt, in den die geliebte Stadt, die Er aus allen Stämmen Israels auserwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen, gefallen war. „Wie ist zur Hure geworden die treue Stadt!“ Der Götzendienst hatte sich dort breitgemacht. Bestechung fand sich dort ebenso wie Gewalttätigkeit: „Mörder!“ Wurde zu einer späteren Zeit nicht auch in dieser Stadt der Herr Jesus getötet? Feierlich ernste Prophezeiung im Hinblick auf die Ermordung ihres Messias!

Jesaja 1,24-31. Der letzte Abschnitt zeigt uns das Ende der Wege Gottes mit seinem schuldigen Volk. Er stellt sich hier mit drei verschiedenen Titeln vor:

  1. Der Herr, in Verbindung mit seiner Autorität.
  2. Jehova der Heerscharen, denn Er ist der, der sowohl im Himmel als auch auf der Erde das ausführt, was Er will. Er hat alle himmlischen Heerscharen zu seiner Verfügung; die Engel erfüllen als seine Diener sein Wohlgefallen (Ps 103,20.21).
  3. Der Mächtige Israels. Könnte jemand auf irgendeine Art die Ausführung seiner Absichten mit seinem Volk verhindern? Er wird also durch das Gericht jene vernichten, die Ihn verlassen und seine heiligen Gebote übertreten. Ein festbeschlossenes und unanfechtbares Gericht wird über sie hereinbrechen. Aber ein treuer Überrest wird durch Gnade bewahrt und wie das Silber im Feuer der Prüfung gereinigt werden. Nachher wird die Zeit der Wiederherstellung aller Dinge kommen. Das Recht wird nach Zion zurückkehren und das Königtum nach Jerusalem. Dieses Kapitel ist daher wie eine Einführung in die ganze Prophezeiung von Jesaja. 

Kapitel 2–4

Diese drei Kapitel bilden den zweiten Teil des ersten Abschnitts dieses Buches. Er beginnt und endet mit „dem Tag des Herrn“: „Und es wird geschehen am Ende der Tage.“ Am Ende der Tage der Geschichte des ersten Menschen, am Ende seiner Sünde, seiner Schwachheit und seiner Torheit, da kommt der Tag, an dem die Macht des zweiten Menschen, des letzten Adam, alles dieses durch seine Gerechtigkeit, seine Kraft und seine Weisheit ersetzen wird. Welch ein glücklicher Tag, der die endgültige Segnung über das Volk Gottes und sogar über die ganze Erde herbeiführen wird. Aber leider auch ein Tag, der nur durch Gericht eingeführt werden kann, denn das Haus Jakob wollte nicht im Licht Gottes wandeln.

Wir haben hier das erste Gesicht des Propheten; eine wunderbare Vision über das Ende aller Wege Gottes mit Juda und Jerusalem; ein Gesicht, das uns sogar den Segen enthüllt, der über alle Nationen ausgegossen werden wird.

Das Volk kann sich vom Herrn abgewandt, seine heiligen Gebote übertreten, seine Ohren vor der Stimme seiner Propheten verschlossen, seinen Messias verworfen und getötet haben; es kann bis an die äußersten Enden der Erde zerstreut worden sein; Jerusalem kann erniedrigt, gedemütigt, von den Nationen während Jahrhunderten mit Füßen getreten worden sein; aber nichts, gar nichts wird die Erfüllung dessen verhindern können, was der Herr, der Gott Jakobs, sich in Bezug auf diese Stadt vorgenommen hat. Dort hat es Ihm gefallen, seinen Namen wohnen zu lassen. Bald wird Jerusalem über alle Städte der Nationen erhoben werden, und alle Völker werden zu ihm strömen. Eine glückliche Zeit, eine Zeit des Friedens!

Die Wichtigkeit der Verse, die dieses Thema einleiten, wird durch die Tatsache, dass sie fast Wort für Wort im Buch des Propheten Micha wiederholt werden, genügend bewiesen (Mich 4,1-3). Der Heilige Geist hat sie sowohl dem einen als auch dem andern dieser beiden Propheten eingegeben. Der Glaube freut sich darüber; der Ungläubige hingegen sieht darin nur eine bloße Wiederholung und beraubt sich bewusst des ganzen Segens, den Gott jedem zur Verfügung stellt.

Da Jerusalem eine solche Herrlichkeit zuteilwerden wird, wie sollte dann das Verhalten des Hauses Jakob sein? Aber Israel kennt seinen Gott nicht, es ist ein Volk ohne Verstand, und es ist wegen seiner Ungerechtigkeiten verstoßen worden (Jes 2,6). Weil es nicht im Licht Gottes wandeln wollte und sich den Gräueltaten der Nationen zugewandt hat, muss es die Folgen seiner Torheit tragen. Das Land ist mit den Reichtümern der Nationen gefüllt – aber auch mit ihren Götzen. Daher die Entrüstung des Propheten, der ausruft: „Du wirst ihnen nicht vergeben“ (Jes 2,9).

Das Gericht wird sich über das Volk ergießen, der Mensch aus dem Volk wird gebeugt und der Große erniedrigt werden; ein Gericht, das beim Volk Gottes beginnen und sich nachher auf die Nationen ausweiten wird. Was soll man mit dem Menschen tun? Man müsste ein für alle Mal mit ihm Schluss machen. Seine Geschichte hat auf dem Hügel Golgatha ihr Ende gefunden. Es gibt nichts mehr für ihn zu tun. Er hat im vollsten Ausmaß gezeigt, was er ist.

Das dritte Kapitel ist eng mit dem vorhergehenden verbunden; es ist eigentlich nichts anderes als seine Fortsetzung. Es schildert den völligen Verfall, in den Jerusalem und Juda geraten sind. Die Vernichtung des Hochmuts und der Bosheit des Menschen wird überall stattfinden. Aber der Prophet spricht die Gerichte zuerst über Jerusalem und Juda aus, denn sie sind es, die Gott am nächsten stehen und deshalb die größte Verantwortung tragen. Gegen sie richten sich die furchtbarsten Schläge der Gerechtigkeit. Wird es mit der Christenheit bald auch so sein? Sie ist gegenüber dem Volk Israel unendlich bevorzugt gewesen, und dennoch begeht man in ihrer Mitte dieselben Dinge wie sie auch jenes Volk verübte, das so schreckliche Gerichte erlitten hat.

Im ersten Vers stellt sich Gott in seiner ganzen Autorität vor: Er ist der Herr; und in seiner ganzen Macht: Er ist der Herr der Heerscharen. Er nimmt aus der Mitte des Volkes Gottes jede Stütze und jede Unterstützung weg, so dass die Menschen keine Nahrung zu ihrer Stärkung und nichts zu ihrer Erquickung finden. Er nimmt auch den Helden und den Kriegsmann hinweg. Es gibt

  • niemanden mehr, der für das Volk streiten kann;
  • keine Richter mehr, die fähig sind, ihm zu zeigen, was gut und was böse ist;
  • keine Propheten mehr, die ihnen die Gedanken Gottes kundtun;
  • keine Seher mehr, um eine Antwort Gottes zu geben (Mich 3,7);
  • keine Ältesten mehr, die Erfahrung besitzen;
  • keine Obersten über fünfzig mehr, um das Volk zum Sieg zu führen;
  • keinen einzigen angesehenen Mann mehr, dessen Wandel Gott verherrlicht;
  • keine Ratgeber mehr, die das Volk Gottes unterweisen, wie es sich in den schwierigen Umständen verhalten soll;
  • keine geschickten Künstler mehr, nur die schlechten Arbeiter bleiben übrig (Phil 3,2);
  • keinen mehr, der auftreten kann, um den Feind in die Flucht zu schlagen und das Volk von seinen Fallstricken zu befreien.

Ach, welch eine traurige Beschreibung! Es ist die Umkehrung alles dessen, was Gott zum Wohl seines Volkes eingesetzt hat und was gut und schicklich ist.

Junge, unerfahrene Leute üben Gewalt über das Volk aus. Kinder, die gehorchen lernen müssten, herrschen über dasselbe. Einer bedrückt den andern, und jeder seinen Nächsten. Und schließlich wird dieses Bild dadurch vervollständigt, dass wir den Knaben gegen den Greis frech auftreten sehen. Inmitten eines solchen Verfalls kommt es dem Volk nicht einmal in den Sinn, zu dem Einzigen aufzuschauen, der sie befreien könnte, zum Herrn, der sich trotz allem selbst nicht geändert hat.

Nein, es sucht seine Hilfe beim Menschen: „Du hast ein Kleid, unser Vorsteher sollst du sein“ (Jes 3,6). Hier haben wir die Hilfsquelle, der man vertraut. Wahrhaftig eine armselige Sache! Das Volk anerkennt, dass alles im Verfall begriffen ist, denn es sagt: „Dieser Einsturz sei unter deiner Hand.“ Dennoch rechnet es mit dem, der ihm von keinerlei Nutzen sein kann, denn das, was für die Befreiung des Volkes unerlässlich ist, fehlt dem Menschen, den es dazu auserwählt hat. Er ist kein Arzt, um die Wunden, die die Sünde verursacht hat, zu verbinden und zu heilen. Er hat kein Brot, um das Volk zu ernähren. Er besitzt den Mantel des Propheten nicht, um die Gedanken Gottes mitzuteilen und zu verkünden, was geschehen wird. Die Menschen sind gefallen und ihre Zunge zeugt gegen sie: Wehe ihnen!

Mitten in diesem ganz wirren Zustand richtet der Herr seine Augen auf einen treuen Überrest, den Er gern anerkennt (Jes 3,10). Er vergisst nichts, was für seinen Namen getan wird, und Er wird es vergelten. Diese Worte sind voll Ermunterung für die, die treu sein möchten, und zwar zu allen Zeiten. Trotz Verwirrung und Unordnung ändert Gott nichts an seiner Regierung, und die Taten der Gerechten und der Übeltäter werden auf den Waagschalen des Heiligtums gewogen, und jede wird ihren gerechten Lohn erhalten.

Von Vers 13 an steht der Herr da, um zu rechten, und Er tritt auf, um die Völker zu richten. Zuerst wird Er mit denen, die an der Spitze seines Volkes stehen, ins Gericht gehen: mit den Ältesten und den Fürsten. Ach! Sie führten das Volk in die Irre und beuteten es aus, um sich auf dessen Kosten zu bereichern. Er wird auch mit dem weiblichen Teil des Volkes rechten: mit den Töchtern Zions. Er hat alles, was sie betrifft, bis in die kleinsten Einzelheiten gesehen, und Er macht hier eine lange und sehr genaue Aufzählung der Eitelkeiten, in denen sie sich gefielen und die zum moralischen Verfall des Volkes beitrugen.

Beim Lesen dieses Abschnitts ist es an uns, zu fragen, ob der Heilige Geist, wenn Er die Torheit der Töchter Zions beschreibt, nicht gleichzeitig die Leichtfertigkeit der heutigen Frauen in der Christenheit schildert. Man müsste von diesen Worten gewiss nichts wegfallen lassen, sondern eher noch Weiteres hinzufügen. War dies die Zeit, sich in solchen Eitelkeiten zu gefallen, wenn das Gericht unmittelbar bevorstand, wie es auch heute der Fall ist?

Mit den perfektionierten Waffen, über die die Menschheit heute verfügt, den äußerst mörderischen Waffen, die von einem Augenblick zum andern eingesetzt werden können, was wird da von den Menschen aus den Völkern, die sich ihrer Zivilisation rühmen, übrigbleiben, wenn ein neuer Krieg stattfinden wird? Trauer, Wehklagen und Trostlosigkeit werden das Los der Frauen sein, die diese Massenmorde überleben werden.

Die Zahl der Männer wird so vermindert sein, dass an jenem Tag sieben Frauen einen einzigen Mann ergreifen und sagen werden: „Wir wollen unser eigenes Brot essen und uns mit unseren eigenen Kleidern bekleiden; nur lass uns nach deinem Namen genannt werden, nimm unsere Schmach hinweg“ (Jes 4,1). Solche Worte benötigen keine Erklärung; sie zeigen uns sehr eindrücklich, wohin der Stolz der Töchter Zions führen wird.

Diese Dinge sind auch geschrieben, um uns, die wir das Ende der Zeitalter erreicht haben, als Warnung zu dienen. Wie wird der Zustand der Christenheit sein, wenn Gott mit ihr ins Gericht gehen wird?

Mit Kapitel 4 langen wir am Ende des zweiten Teils des ersten Abschnitts an.

Die Kapitel 2 bis 4 sind in gewisser Hinsicht das Vorwort des ganzen Buches. Wegen der Gerechtigkeit und der Heiligkeit Gottes zeigen sie die Schuld seines Volkes und das Gericht, das unerbittlich über dasselbe hereinbrechen muss, deutlich an. Aber die wunderbare Gnade Gottes erhellt ebenfalls diesen Schauplatz, und sie scheint mitten in dieses düstere Bild hinein.

Die ersten Verse von Kapitel 2 verkünden die zukünftige Herrlichkeit Zions und den Segen, der sich, ausgehend von Jerusalem, auf alle Völker erstrecken wird.

In Kapitel 4, das dieses Thema abschließt, lernen wir Den kennen, der die Zierde und der Schmuck dieser ganzen herrlichen Szene sein wird. Sein Name wird hier „Spross“ genannt. Er ist der Anfang; Er ist auch die Quelle des Lebens, der, den uns das Johannesevangelium als den ewig Seienden offenbart. Er ist es, durch den und für den alle Dinge sind, der hier mächtig zugunsten der Übriggebliebenen aus Israel wirkt. Es sind diese Gerechten, von denen uns in Kapitel 3 berichtet wird.

Mit zärtlicher Fürsorge wacht Er während dieser Zeiten des Gerichts über sie, und Er bewahrt und erhält sie im Blick auf den Segen, der während seiner ruhmreichen Herrschaft über die ganze Erde ausgegossen wird. Während dieser schrecklichen Zeiten, wenn der Wagen seiner Regierung auf die Erde vorrücken wird, werden die Räder dieses Wagens, die voller Augen sind, nur die Übeltäter zermalmen (Hes 1,18).

Der zweite Vers unseres Kapitels ist von großer Schönheit. Wenn es scheint, als habe das Gericht alles zerstört, erscheint Er, der „Spross“, in seiner ganzen Herrlichkeit auf dem Schauplatz. Er bringt die Segnung auf das Land Israel, und alle, die zum Leben eingeschrieben sind, werden sich vollkommen daran erfreuen.

Dann wird es über jeder Wohnstätte des Berges Zion und über seine Versammlungen eine Decke geben, die sie schützen wird, genauso wie Israel in der Wüste am Tag durch die Wolkensäule und in der Nacht durch die Feuersäule beschützt wurde. Es ist der Herr selbst, der durch die Offenbarung seiner Herrlichkeit der Schutz des Berges Zion sein wird. Glückliche Zeiten für jene, die treu gewesen sind, als das Volk seinen Gott verließ!

Kapitel 5

Dieses Kapitel zeigt uns das dritte Thema der Prophezeiungen Jesajas. Der Prophet singt hier dem Herrn, seinem Geliebten, ein Lied über seinen Weinberg. Dies mag uns seltsam erscheinen. Es hat sicher viele Leser überrascht, den Propheten im gleichen Augenblick, da er so zahlreiche Wehe über sein Volk aussprechen muss, singen zu sehen. Unser Erstaunen rührt davon her, dass wir vergessen, dass der Glaube Gott über den Umständen sieht, ganz gleich, wie sie sein mögen. Die Sünde und ihre Folgen können unsere arme Erde sehr wohl wie eine düstere Wolke bedecken, aber sie können den Augen des Glaubens die Güte und die Treue Gottes gegen jene, die auf Ihn vertrauen, nicht verhüllen. Über diesen Wolken sieht der Glaube die Sonne der Gerechtigkeit, die bald eine Welt erleuchten wird, die jetzt noch völlig von der Nacht der Sünde erfasst ist. Diese Sonne wird in ihren Flügeln die Gesundheit und Heilung für alle Plagen, die unsere arme Menschheit bedrängen, bringen. Sogar im Gericht über seine Feinde wird unser Gott, wie in allen seinen Werken, verherrlicht.

Schon Mose redete ein Lied zu den Ohren der ganzen Versammlung Israels, als er ihnen aufzeigte, was die Folgen ihrer Übertretung des Gesetzes sein würden (vgl. 5Mo 31,30). Die Offenbarung, ein Buch des Gerichts, enthält mehrere Lieder; und die Gläubigen am Anfang dieses Buches beten den an, der als Richter kommt. Ist es nicht der, der sie liebt und sie in seinem Blut von ihren Sünden gewaschen und sie seinem Gott zu Königen und Priestern gemacht hat? Möge unser Gott uns Barmherzigkeit erweisen, damit unser Glaube unaufhörlich tätig sei und auf der Höhe seiner eigenen göttlichen Gedanken erhalten bleibe. Sie stehen ja so weit über den unseren, wie die Himmel über der Erde sind. Und erinnern wir uns schließlich daran, dass alle seine Wege zur vollkommenen Befreiung seiner Geliebten und zu ihrer ewigen Freude führen werden. Hier liegt der Ursprung des Wortes „Lied“, das in der Schrift gebraucht wird, um eine Befreiung zu feiern.

Bevor er die sechs bekannten „Wehe“ dieses Kapitels ausspricht, besingt der Prophet die Treue Gottes seinem untreuen Volk gegenüber. Muss denn die Torheit seines Volkes Gott um das Lob bringen, das Ihm gebührt? Gewiss kann der Glaube Ihm dieses Lob jederzeit darbringen. Lasst uns dies auch heute tun, inmitten des Verfalls, der die Christenheit kennzeichnet. Es ist genauso gut möglich wie in den schönsten Tagen der Geschichte der Versammlung. Wer Lob opfert, verherrlicht Gott.

Das Haus Israel war der Weinberg des Herrn, und die Männer von Juda waren die Pflanzung seiner Wonne. Was hatte Er nicht alles für sein Volk getan? In den Versen 3 und 4 nimmt Er sogar die Bewohner von Jerusalem und die Männer von Juda als Zeugen, indem Er spricht: „Richtet doch zwischen mir und meinem Weinberg! Was war noch an meinem Weinberg zu tun, das ich nicht an ihm getan hätte?“ Wie in Matthäus 21,45, wo das gleiche Thema behandelt wird, müssen sie selbst ihr eigenes Urteil aussprechen.

Nachdem wir in den ersten sieben Versen den Gesamtzustand des Weinbergs betrachtet haben, werden uns in den Versen 8 bis 30 die Einzelheiten ihrer Ungerechtigkeit angezeigt, während gleichzeitig ein Wehe nach dem anderen über das schuldige Volk ertönt. Am Ende von Kapitel 3 hat Gott alles, was die Frauen taten, gesehen. Auch hier sieht Er, was sich in der Mitte des Volkes abspielt, und zählt es auf. Nichts entgeht seinem Blick. Er hatte sie schon geschlagen, denn einige hatten sein Gesetz verworfen und seine Worte verschmäht. Aber sein Zorn hatte sich noch nicht abgewandt, und seine Hand blieb noch ausgestreckt. Diese Hand erscheint in Kapitel 9 und 10 wieder. Trotz der Härte der erhaltenen Schläge war das Volk noch nicht zu dem, der sie gezüchtigt hatte, umgekehrt und suchte den Herrn noch nicht (Jes 9,13).

Kapitel 6

Wir finden hier, wie in Kapitel 5, einen Schauplatz des Gerichts. Wir sehen den Thron des Gerichts und Den, der darauf sitzt. In Kapitel 5 werden die Wehe über das Volk ausgesprochen, weil es das Gesetz verworfen und das Wort des Heiligen Israels verschmäht hat. Es ist ein Gericht, das mit der Übertretung des Gesetzes zusammenhängt. In Kapitel 6 rührt dieses Gericht daher, dass das Volk sich nicht selbst verurteilte, als die Herrlichkeit Gottes offenbart wurde. Johannes 12,37-43:

„Obwohl er aber so viele Zeichen vor ihnen getan hatte, glaubten sie nicht an ihn, damit das Wort des Propheten Jesaja erfüllt würde, das er sprach: ‚Herr, wer hat unserer Verkündigung geglaubt, und wem ist der Arm des Herrn offenbart worden?‘ Darum konnten sie nicht glauben, weil Jesaja wiederum gesagt hat: ‚Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht sehen mit den Augen und verstehen mit dem Herzen und sich bekehren und ich sie heile.‘ Dies sprach Jesaja, weil er seine Herrlichkeit sah und von ihm redete. Dennoch aber glaubten auch von den Obersten viele an ihn; doch wegen der Pharisäer bekannten sie ihn nicht, um nicht aus der Synagoge ausgeschlossen zu werden; denn sie liebten die Ehre bei den Menschen mehr als die Ehre bei Gott.“

Tatsächlich hat das Volk Den, der die vollkommene Offenbarung dieser Herrlichkeit war, gehasst, verachtet und verworfen. Wir finden daher in diesen Kapiteln zwei sehr ernste Vorwürfe gegen Israel:

  1. Es hat das Gesetz Gottes übertreten.
  2. Es hat nicht geglaubt, als seine Herrlichkeit in der Person Christi offenbart wurde.

Dieses undankbare und rebellische Volk sagte nicht wie der Prophet: „Wehe mir, denn ich bin verloren!“ Als Folge davon wurden sein Herz verhärtet, seine Augen verblendet, seine Ohren schwer, seine Städte verwüstet, so dass sie ohne Bewohner sind, das Land zur Öde verwüstet ist, so dass es viele verlassene Orte im Land gibt. Dies ist eine Prophezeiung, die, wie wir wissen, der Herr selbst den Jüngern in Erinnerung rief, als Er verworfen wurde (vgl. Mt 13,13-15). Auch der Apostel Paulus erinnerte die Juden in Rom an diese Prophezeiung kurz vor ihrer buchstäblichen Erfüllung bei der Zerstörung Jerusalems und der Zerstreuung des Volkes (vgl. Apg 28,26.27).

Seit bald zweitausend Jahren trägt dieses Volk nun die Folgen seiner Sünden und seines Unglaubens. Es ist vor den Augen aller Menschen ein Zeuge für die Heiligkeit Gottes, einer Heiligkeit, die von den über dem Thron stehenden Seraphim verkündet wurde.

Aber betrachten wir nun das vor uns liegende Kapitel ein wenig genauer. Der Nachkomme Davids, Ussija, der erste der Könige, unter welchen Jesaja prophezeit hat, stirbt aussätzig, unrein, vereinsamt und vom Haus Gottes ausgeschlossen. In welch einen verabscheuenswerten Zustand war das königliche Haus gefallen! Und genau in diesem Augenblick offenbart der Herr seine Herrlichkeit, sitzend auf dem Thron des Gerichts. Hier können wir Ihn als den Schöpfer betrachten, denn die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit.

Wenn der Herr der Heerscharen die Seraphim zu Dienern hatte, damit sie sein Wohlgefallen erfüllen, so hatten die Jünger, im Gegenteil, das unschätzbare Vorrecht, die Herrlichkeit Jesu anzuschauen, die in seiner Erniedrigung hier auf der Erde hell geleuchtet hat. „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut“, schreibt der geliebte Jünger (Joh 1,14). Und „Jesaja sah seine Herrlichkeit“, sagt er an einer andern Stelle (Joh 12,41). Aber ob diese Herrlichkeit auf dem Thron oder in einem Schiff am Ufer des Sees Genezareth offenbart wird, sie führt alle, die Augen haben, um sie zu sehen, dahin, ihre Schuld einzugestehen.

Der Fischer Simon Petrus sagt: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Der Prophet Jesaja, der sechs „Wehe“ über ein schuldiges Volk ausgesprochen hat, sagt: „Wehe mir, denn ich bin verloren!“ Das siebte Wehe spricht er über sich selbst aus. Vor der herrlichen Majestät des Herrn ist der Prophet, ebenso wie der Fischer aus Galiläa, schuldig. In der Gegenwart des Herrn wird jeder Mund verschlossen, und alle sind schuldig. Glücklich sind die, die ihren Zustand einsehen, denn es gibt ein Heilmittel für sie. In der Nähe des Throns befindet sich ein Altar, und auf dem Altar liegen glühende Kohlen, die daran erinnern, dass ein Opfer verzehrt worden ist. Die Berührung mit diesem Opfer reinigt die unreinen Lippen des Propheten und all derer, die den Wert eines solchen Opfers annehmen.

Hier wird Jesaja zu einem Bild des treuen Überrests, der vom Gewicht seiner Ungerechtigkeit befreit werden wird, weil Sühnung getan wurde für seine Sünden. Nachdem er so befreit wurde, kann der Prophet ein von Gott gesandter Bote sein, um seine Worte dem ungehorsamen Volk bekanntzumachen. Aber wir wissen anderseits, dass Israel nicht hören wollte. Der Herr hielt seine Hände den ganzen Tag gegen ein ungehorsames und widersprechendes Volk ausgestreckt. Dann wurde das Heil, das es verachtete, weit weg zu den Nationen gesandt. Aber diese Punkte werden hier nicht behandelt. Trotz allem sagt der Prophet: „Wie lange, Herr?“ Das Volk wird demnach nicht für immer verworfen, denn ein Überrest wird am Ende zurückkommen. Die Zweige des „edlen Ölbaums“ werden wieder in den Wurzelstock ihres eigenen Ölbaums eingepfropft.

Kapitel 7

In Kapitel 6 haben wir die Offenbarung der Herrlichkeit Christi gesehen; hier zeigt uns das prophetische Licht, wie diese Herrlichkeit in der Mitte des Volkes in Erscheinung treten wird, dann die Verwerfung des Messias und schließlich seinen Endtriumph auf dem Thron Davids.

Der erste Abschnitt führt uns in die Zeit des gottlosen und ungläubigen Königs Ahas. Sein Herz und das Herz seines ganzen Volkes bebt, wie die Bäume des Waldes vor dem Wind beben, denn verbündete Könige ziehen gegen Jerusalem in den Krieg. Die Könige von Israel und Syrien haben sich in einem gemeinsamen Hass zu diesem Unternehmen gegen die Stadt, wohin Gott seinen Namen gesetzt hat und von wo aus der Herr über das ganze Universum herrschen wird, zusammengeschlossen. Unglücklicher König von Israel! In welch einen Zustand der Verwirrung war er gefallen! Nicht nur hatte er den Herrn, den Gott Israels, vergessen, er dachte sogar, gegen Ihn Krieg führen zu können. Das Bündnis zwischen diesen Königen hatte nicht nur zum Ziel, ihre Bosheit gegen Juda auszulassen, sondern sie wollten in Jerusalem auch einen König ihrer Wahl einsetzen, den Sohn Tabeels.

Sie versuchten also, das Haus Davids zu zerstören und sich so gegen die Herrschaft des verheißenen Messias aufzulehnen. Wie weit sie sich dessen bewusst waren, können wir nicht sagen. Sicher ist, dass Satan der Anstifter dieser Machenschaften war und dass diese Könige nur Werkzeuge in seiner Hand waren, um sich gegen Christus aufzulehnen. Als die Königin Athalja den ganzen königlichen Samen umbrachte (2Chr 22,10) und Herodes, in einer andern Zeitepoche, alle kleinen Knaben in Bethlehem töten ließ (Mt 2,16), handelten sie nicht anders als jene und verfolgten dasselbe Ziel.

Über den Sohn Tabeels wird uns nichts berichtet. Es würde uns, nebenbei bemerkt, auch nichts nützen, da Gott uns das große Ziel enthüllt, das sich hinter diesem ganzen Unternehmen verbirgt: die Auflehnung gegen die Herrschaft Christi. Und genau in diesem Moment verkündet der Prophet einerseits die Befreiung und anderseits den Herrn selbst, das Kommen Immanuels, „Gott mit uns“, in der Person Dessen, der von der Jungfrau geboren werden wird. Dieser Sohn wird die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes hier auf der Erde sein. Der elende Zustand des Volkes Gottes, der Hass der Feinde, die Bosheit und der Unglaube des Herrschers, der auf dem Thron des Hauses Davids sitzt, können die Erfüllung dessen, was Gott sich zu seiner eigenen Verherrlichung und zum Segen seines Volkes vorgesetzt hat, in keiner Weise hindern.

Die Feinde, vor denen der König und das Volk sich fürchten, werden unter dem Gericht Gottes sterben, und ihre Pläne werden sich zu ihrem eigenen Verderben wenden. Der versprochene Messias wird kommen, und seine Herrlichkeit wird in der Person Immanuels in Erscheinung treten. Was kann man dazu sagen? Gott, in einem Menschen und unter den Menschen offenbart! Was vermögen die verbündeten Könige dieser Erde mitsamt ihren Armeen gegen Ihn? Aber wo findet sich der Glaube, der ganz einfach dem Wort des Herrn vertraut und danach handelt? Wir finden ihn weder beim König noch beim Volk. Und indem wir diese Gedankenfolge auf uns anwenden, können wir hinzufügen: Wird wohl der Sohn des Menschen, wenn Er kommt, den Glauben auf der Erde finden? (Lk 18,8).

Dennoch wird ein Überrest zurückkommen und den versprochenen Segen genießen. Der Sohn des Propheten, Schear-Jaschub, ist ein Bild davon. Wie bewegend zu sehen, was dieser treue Überrest für den Herrn sein wird, vergleichbar mit dem, was der Sohn des Propheten für das Herz seines Vaters war: ein Sohn ganz nahe beim Vater! Mitten in den finstersten Umständen scheint die Liebe Gottes in ihrem vollsten Glanz; ja, je dichter die Schatten sind, desto heller leuchtet sie.

Welch ein armes, unvernünftiges und ungläubiges Geschöpf war der König Ahas! Er zittert in der Gegenwart von zwei „rauchenden Brandscheit-Stümpfen“, die bald zerstört werden, und er bittet den König von Assyrien um Hilfe (2Chr 28,16). Es ist derselbe König der Assyrer, der ein Werkzeug in der Hand Gottes sein wird, um ihn wegen seines Unglaubens zu züchtigen. Die Länder der beiden verbündeten Könige, vor denen er sich fürchtete, würden bald verlassen sein. Und der Herr würde kurz darauf diesen König der Assyrer, auf den Ahas sein Vertrauen gesetzt hatte, gegen ihn und sein Volk kommen lassen (Jes 7,17).

Dieser letzte Abschnitt des Kapitels beschreibt den Zustand der Verwüstung des Landes, nachdem die Heere der Assyrer hindurchgezogen waren: Alles ist niedergerissen und zerstört. Anstelle der ertragreichen Weinstöcke des guten Landes, das Gott seinem Volk gegeben hatte, werden nun Dornen und Disteln wachsen, und die Herden werden auf den Bergen weiden, die man wie fruchtbare Gärten bepflanzt hatte.

Kapitel 8

Die am Ende von Kapitel 7 angezeigte Verwüstung sollte ohne Verzögerung eintreffen. Der Prophet schildert hier die Zeichen dafür und lässt es von treuen Zeugen bestätigen. Der Sohn des Propheten und eine große Gedenktafel stehen vor den Augen des Volkes, um es vor den Ereignissen zu warnen, die sich zu ihrer Zeit buchstäblich erfüllten, und zwar bei der Einnahme Samarias und der Gefangennahme seiner Bewohner durch die Hand Salmanesers, des Königs von Assyrien (2Kön 17).

Die Geduld Gottes mag lange dauern, aber es kommt ein Tag, an dem Er das Gericht unwiderruflich ausführt. Seine Heiligkeit verlangt es: „Heilig, heilig, heilig ist der Ewige der Heerscharen“, riefen die Seraphim in Kapitel 6. Diese Heiligkeit kann das Böse nicht ertragen.

Der Prophet lenkt unsere Gedanken über die unmittelbaren Ereignisse hinaus: Er führt uns zum Ende der Tage. Er zeigt uns noch viel schrecklichere Gerichte als die, die schon stattgefunden haben. Sie werden sich am Ende auf das Land Immanuels ergießen, weil das Volk sein Vertrauen auf Menschen gesetzt und die Wasser der Gnade, die ihnen durch den göttlichen „Siloah“, den Gesandten, gebracht wurden, verachtet hat.

Wir wissen, was geschehen ist: Das Volk hatte für Ihn nicht die geringste Wertschätzung übrig und verwarf Ihn. Aber ein armer, blinder Bettler hatte geöffnete Augen und war imstande, den Sohn Gottes, seinen „Gesandten“ zu sehen.

Weil die Wasser der Gnade verachtet wurden, sind es nun die Wasser des Gerichts, „die mächtigen und großen“, die das Land überfluten und „bis an den Hals“ reichen werden; ein Gericht, das sowohl Juda als auch Israel treffen wird. In diesem Abschnitt sucht das Volk, anstatt zu Gott umzukehren und seine Schuld einzugestehen, eine Stütze bei den Menschen. Mit wenigen Worten wird seine Torheit geschildert: „Tobt, ihr Völker!“ Und was ist das Resultat dieser Auflehnung? „Ihr werdet zerschmettert!“ – „Gürtet euch!“ Resultat: „Ihr werdet zerschmettert!“ – „Beschließt einen Ratschlag!“ Resultat: „Er soll vereitelt werden“ – „Redet ein Wort.“ Resultat: „Es soll nicht zustande kommen.“

Trotz aller zur Schau gestellten Macht und dem Abschließen von allen möglichen Bündnissen, trotz aller Kriegsvorbereitungen und aller Beratungen hat das Volk keinen Frieden. Ganz im Gegenteil, überall herrscht Furcht. Angst vor Verschwörungen und Schrecken erfüllen alle Herzen. Es ist eine Zeit der Drangsal. Es gibt Schlingen, Fallstricke, Zerschmetterungen, und schließlich folgt die Gefangenschaft. Unglückliches Volk! Es sinkt immer tiefer hinab. Verlassen vom Verstand, fragt es nicht nach seinem Gott und wendet sich den Geisterbeschwörern und Wahrsagern, der Macht Satans selbst zu! … Es zieht hungernd umher, es ist verärgert und verflucht seinen König und seinen Gott. Es blickt zum Himmel auf, aber der Himmel scheint ihm verschlossen. Er ist für das Volk wie eine Buchrolle, die sich zusammenrollt, in der niemand mehr etwas lesen kann. Weil es also keine Hoffnung mehr findet und nicht weiß, wie es die Rettung von Gott erlangen kann, richtet es seine Augen auf die Erde. Wird es da Hilfe finden? Nein, hier sind Drangsal und Finsternis, angstvolles Dunkel. Das alles gleicht den Vorboten der äußeren Finsternis, wo das Weinen und das Zähneknirschen ist. Ihr, die ihr euch heute von Gott abwendet, lest diese Seiten und denkt darüber nach, wir bitten euch darum!

Inmitten dieser verwüsteten Umgebung sehen wir einen treuen Überrest, der mit einem besonderen Namen bezeichnet wird: die Jünger. Sie rechnen mit dem Herrn, auch wenn Er sein Angesicht vor den Augen des Hauses Jakobs verbirgt. Er ist für sie wie ein Heiligtum. Vom ungläubigen Volk werden sie für besondere Leute gehalten, ein Wunder inmitten der Übrigen. Aber der Herr ist mit ihnen, Er stärkt, ermutigt und belehrt sie. Er sagt ihnen: Handelt nicht wie dieses Volk, fürchtet nicht ihre Furcht, erschreckt nicht. Nur Einer soll eure Furcht und euer Schrecken sein. Der Herr der Heerscharen ist es, der alles lenkt und alles zu eurer Befreiung mitwirken lässt.

Scheint es nicht, dass diese Seite für die heutige Christenheit geschrieben ist? Sie befindet sich in gleichen Umständen wie Israel zur Zeit Jesajas. Das Gericht, das seit bald zweitausend Jahren durch das Evangelium Gottes vom Himmel her kundgemacht worden ist, wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es wird jeden Tag durch treue Zeugen, Diener Christi, die das Evangelium weitertragen, angekündigt. Da sich der Heilige Geist jetzt noch auf der Erde befindet, ist Er nicht wie ein großes Schild an der Tür des Hauses Gottes selbst, das mit lauter Stimme verkündet, dass die Welt „von Sünde und von Gerechtigkeit und von Gericht“ überführt ist (Joh 16,8)?

In der Weltgeschichte hat man nie so viele Staatenbündnisse, politische und militärische Verbindungen und Kriegsvorbereitungen gesehen wie heute, während man zur gleichen Zeit große Friedenskundgebungen veranstaltet. Trotzdem herrschen Angst und Beklemmung in den Herzen. Friede und Sicherheit sind nirgends zu finden. Aber weshalb sollten wir uns beunruhigen und aufregen, da Gott uns doch im Voraus sagt, was das Resultat sein wird: ein vollständiger Zusammenbruch. Und doch sehen wir bei den Menschen nicht den geringsten Wunsch, zu Gott umzukehren und Ihm ihre Fehler und ihre Verkehrtheit zu bekennen. Die große Masse der Menschen sieht keine andern Hilfsquellen als jene, die im Menschen zu finden sind. Der Himmel scheint ihnen verschlossen, und sie kümmern sich überhaupt nicht darum. Die Kraft des Irrtums, die vorausgesagt wurde, scheint bereits zu wirken, und Finsternis bedeckt eine leere und verödete Erde.

Kapitel 9,1-7

Im Matthäusevangelium finden wir die ersten Verse dieses Kapitels zitiert (Mt 4,14-16). Dies hilft uns, das, was hier gesagt wird, zu verstehen.

Der Herr hat seinen Dienst in Galiläa unter den „Armen der Herde“ und den Verachteten im Volk Israel begonnen. Dort reagierten ein paar Fischer am See Genezareth auf seinen Ruf, verließen alles und folgten Ihm nach. Es war der treue Überrest, der sich mit der Person des verworfenen Messias verband. In einem gewissen Augenblick, als Ihn mehrere verließen, konnten sie sagen: „Zu wem sollen wir gehen?“

Dieser Überrest bildete später den Anfang der Versammlung, ein Thema, worüber der Prophet hier nicht sprechen kann, denn es war zu jener Zeit noch ein Geheimnis, das von Ewigkeit her in Gott verborgen war. Erst nach dem Tod und der Auferstehung Christi konnte es offenbart werden.

Ein großes Licht würde auf dieses arme Volk, das in Finsternis und im Schatten des Todes saß, leuchten. Am Ende der Zeiten wird dasselbe geschehen. Nicht in Jerusalem wird sich der treue Überrest bilden, sondern unter den Armen der Herde in Galiläa, wie zu Beginn. Diese werden oft die „Sanftmütigen“ genannt. Sie werden über die Schuld des Volkes trauern und den Herrn erwarten, „mehr als die Wächter auf den Morgen harren“. Plötzlich wird jener kommen als die Sonne der Gerechtigkeit, die Heilung in ihren Flügeln trägt.

Glücklicher Überrest! Wenn ihre Bedrängnis den Höhepunkt erreichen wird, werden sie vom Herrn selbst befreit werden. „Sie werden den König in seiner Schönheit schauen.“ Also werden sie sich freuen „gleich der Freude in der Ernte, wie man frohlockt beim Verteilen der Beute“. Das Joch, das auf ihnen lastete, der Stab, mit dem man ihre Schulter schlug, und der Stock, der in der Hand ihrer Bedrücker war – sie alle werden zerschlagen werden. Die Kriegswerkzeuge werden ein Fraß des Feuers, und der Herr wird sich auf den Thron seines Vaters David setzen. Die Mehrung seiner Herrschaft und der Friede werden kein Ende haben. Der Eifer des Herrn wird dieses tun: Er wacht eifersüchtig über sein Volk, weil Er es liebt, und mit was für einer Liebe!

Betrachten wir nun ein wenig die Herrlichkeit der Person des Herrn Jesus. Die Namen, die Ihm gegeben sind, offenbaren sie uns: „Wunderbarer, Berater, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Friedefürst“. In Ihm sind die Schönheit, die Weisheit, die Kraft. Er ist es, der das zukünftige Zeitalter aufrichten und der Welt den Frieden, nach dem jetzt alle Herzen seufzen, bringen wird. Durch die Offenbarung des Neuen Testaments wissen wir, dass der Herr selbst vor dieser glücklichen Zeit seine Versammlung zu sich holen wird. Wie sollten wir Ihn deshalb erwarten! Und wie sollte alles, was sich auf seine Herrlichkeit bezieht, unseren Herzen kostbar und der ständige Gegenstand unserer täglichen Betrachtung sein!

Bevor wir weitergehen, wollen wir nochmals einen Blick auf die soeben gelesenen Seiten werfen, um darin die Herrlichkeiten seiner Person, wie sie uns der Prophet Jesaja vor Augen führt, anzuschauen. In Kapitel 4 ist Er der Spross, die Quelle und der Ursprung des Lebens. Er ist das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart worden ist (1Joh 1,2). In Kapitel 5 ist Er der Geliebte des Propheten, und mehr noch: der Geliebte der heutigen Erlösten. Wir kennen seine Liebe auf eine innigere und kostbarere Weise als die treuesten Heiligen der vergangenen Haushaltung. In Kapitel 6 ist Er der Richter auf dem Thron, verherrlicht von den Seraphim und bewundert in den Werken der Schöpfung; die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit. In Kapitel 7 ist Er im Fleisch offenbart worden, und zwar hier unten auf der Erde: Immanuel, „Gott mit uns“. Welch unergründliches Geheimnis! Hier in Kapitel 9 ist Er der „König der Herrlichkeit, der Friedefürst“.

Möchten wir uns doch mit diesen Dingen beschäftigen, während wir den Tag erwarten, an dem wir sein Angesicht sehen werden, diesen Tag, der ganz nahe ist, denn Er kommt bald.

Kapitel 9,8-21

Mit Vers 8 nimmt der Prophet den Gesang des Liedes, das er in Kapitel 5 begonnen und durch die Beschreibung der Begebenheiten in den Kapiteln 6 bis 9,7 unterbrochen hat, wieder auf. Gewiss beinhaltet dieses Lied sehr schmerzliche Klänge, doch insgesamt bringen sie die erhabenen Noten, die das Lied beenden, in stärkerem Ausmaß zum Schwingen. Die Freude am Ende wird für die Herzen der Treuen deshalb besonders groß sein, weil sie durch große Tiefen gegangen sind und dort in der Bitterkeit ihrer Seele ihre Gebete vor Gott ausgeschüttet haben. Trotz aller Schläge, mit denen das Volk geschlagen worden war, wandte sich der Zorn des Herrn noch nicht ab und war seine Hand noch ausgestreckt (Jes 9,21).

Auch mussten sie darauf gefasst sein, ihre Strafe zurückkehren zu sehen. Wir können den Grund dieser erneuten Zucht leicht verstehen. In seinem Hochmut und in seiner Überheblichkeit hatte sich das Volk gegen die Hand, die es schlug, erhoben. Es sagte: Die Ziegelsteine sind eingefallen, aber wir bauen mit behauenen Steinen dauerhafter auf. Die Sykomoren sind abgehauen, aber wir ersetzen sie durch größere Bäume, durch Zedern. – Vergebliche Torheit! Anstelle eines einzigen Feindes wird der Herr ihrer zwei erwecken, einen im Osten und einen im Westen, und so in der Klemme, wird das Volk „mit vollem Maul“ verschlungen werden. Man kann sich nicht gegen Gott auflehnen. Neue Schläge werden auf diese armen Toren fallen, und alle Gesellschaftsschichten werden heimgesucht: Jene, die in Würde erzogen wurden, und jene, die auf der untersten sozialen Stufe stehen; jene, die lehren, und jene, die belehrt werden; sie alle werden in einen gemeinsamen Untergang gestoßen.

Wenn das Volk wenigstens auf Den, der die Rute in seiner Hand hält, gehört hätte! Aber nein. Also werden sie noch härter zu spüren bekommen, was der Zorn des Herrn ist: „Das Land ist verbrannt, und das Volk ist wie eine Speise des Feuers geworden; keiner schont des anderen. Und man schlingt zur Rechten und hungert, und man frisst zur Linken und wird nicht satt. Sie fressen ein jeder das Fleisch seines eigenen Armes.“ Die beiden Söhne Josephs verzehren einer den andern, und beide zusammen verschlingen sie den königlichen Stamm. Das Land ist wie eine Feuersbrunst.

Kapitel 10

Noch ist die Hand des Herrn erhoben, und neue Gerichte werden sich auf die Richter, denen Gott die Amtsgewalt über das Volk gegeben hat, ergießen (Ps 82,1.6). Wie haben sie das Recht gehandhabt? Und was werden sie am Tag der Heimsuchung tun; zu wem werden sie fliehen, um Hilfe zu erhalten; und wo werden sie ihre Herrlichkeit lassen? An jenem Tag werden die am höchsten Erhobenen die am tiefsten Erniedrigten sein. Sie werden nur Menschen sein, und zwar umso schuldigere Menschen, als sie Gott in der hohen Stellung, in die Er sie gestellt hatte, indem sie sozusagen seine Stellvertreter inmitten des Volkes waren, verunehrt haben. „Bei dem allem wendet sich sein Zorn nicht ab, und noch ist seine Hand ausgestreckt.“ Wie viele wiederholte Schläge braucht es doch, um das verhärtete Herz zu zerschlagen!

In Vers 5 wechselt der Schauplatz. Der Assyrer wird hier nochmals gesehen, aber es ist das letzte Mal: Die Prüfung Jakobs muss ein Ende nehmen. Trotz seines Versagens ist es das Volk Gottes, und das Ziel, das Er sich vorsetzt, auch wenn Er es straft, ist, es am Ende zu segnen. Der Assyrer mag anders denken; er kann den Wunsch haben, viele Völker zu plündern; er kann sogar das Volk Gottes den andern Völkern gleichstellen und dessen Land wie die Übrigen behandeln. Aber ein Tag wird kommen, da der Zorn des Herrn sich von seinem Volk wegwenden und jene, die es geschlagen haben, treffen wird.

Schließlich wird die Hand, die im Gericht über sein Volk ausgestreckt war, sich öffnen, um es zu befreien und es zu segnen. Dann werden sich der Überrest des Hauses Israel und die Entronnenen des Hauses Jakob nicht mehr auf einen Arm des Fleisches stützen, der, anstatt sie zu befreien, sie nur geschlagen hat. Sondern sie werden sich in Wahrheit auf den Herrn, den Heiligen Israels stützen. Die lange Zucht, der sie unterworfen waren, wird endlich ihre Früchte in ihren Herzen tragen.

Wir kommen nun zur Schlussszene, und der Herr wird erscheinen. Die letzten Verse des Kapitels geben uns eine kurze, aber lebendige Beschreibung der letzten Invasion des Assyrers. Er kommt von Norden herab; nichts scheint sich seinem schnellen und siegreichen Vormarsch entgegenstellen zu können. Er erscheint vor Jerusalem: „Er schwingt seine Hand gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jerusalems.“ Er glaubt, sein Ziel erreicht zu haben, und genau in diesem Moment wird er zerstört werden. Der Herr – der Herr der Heerscharen – nimmt die Angelegenheit seines Volkes in die Hand.

Der Bedränger und sein Stock werden gewaltsam zerbrochen. Was sind die Mächtigen der Erde vor der Majestät Dessen, der kommt, um sein Volk zu befreien? Jene, die Ihm angehören, mögen erniedrigt, gedemütigt, bestraft und gezüchtigt werden. Es spielt auch keine Rolle, wenn der Feind in allem und überall zu triumphieren scheint. Das Lied der Entronnenen schließt mit einem Lob, das die Größe der Schmerzen der durchlittenen Umstände weit übertrifft.

Kapitel 11

Dieses Kapitel ist die Fortsetzung des Liedes über den Geliebten. Auf den ersten Blick unterscheiden wir darin drei große Themen:

  1. der Spross aus dem Stumpf Isais, der kommt, um seinem Volk den versprochenen Segen zu bringen;
  2. die Beschreibung dieser Segnungen unter seinem glorreichen Zepter;
  3. ganz Israel versammelt, um diese Segnungen zu genießen.

Diese drei Gegenstände sind in diesem Lied wie drei Jubeltöne, die die Herzen derer, die Ohren haben, um es zu hören, zum Schwingen bringen.

„Und ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isais.“ Einige Jahrhunderte vor dem Dienst des Propheten Jesaja hatte Gott seinen Diener Samuel ausgesandt und zu ihm gesagt: „Fülle dein Horn mit Öl und gehe hin, ich will dich zu Isai, dem Bethlehemiter, senden, denn ich habe mir unter seinen Söhnen einen König ersehen.“ Es war David, der Geliebte. Vom Tag seiner Salbung an und hinfort war der Geist des Herrn über ihn gekommen (1Sam 16,13).

Aber David ist entschlafen, nachdem er zu seinen Lebzeiten den Plänen Gottes gedient hatte, und bis heute hat keiner seiner Söhne das, was uns hier durch den Propheten gesagt wird, verwirklicht. Nur Der, welcher von der Jungfrau von Nazareth geboren wurde, wird dem, was wir in diesem Abschnitt finden, vollständig entsprechen. Dies wird an einem zukünftigen Tag Wirklichkeit werden.

Bei seinem ersten Kommen auf die Erde stieg der Heilige Geist in leiblicher Gestalt, wie eine Taube, auf Ihn herab. In der Kraft des Geistes hat Er die befreit, die der Macht des Teufels unterworfen waren, aber sein Reich in Herrlichkeit und Macht hat Er nicht aufgerichtet. Die Schöpfung ist auch heute noch der Nichtigkeit und dem Verderben unterworfen, und das irdische Volk Gottes ist immer noch unter die Nationen zerstreut. Der König wurde verworfen und ist nun im Himmel verborgen. Während dieser Zeit sind die Geheimnisse des Reichs der Himmel offenbart worden und erfüllen sich seit bald zweitausend Jahren; und nichts kann die Verheißungen, die in Bezug auf die Erde gemacht wurden, ändern. Diese Verheißungen werden sich bestimmt erfüllen.

Er wird wiederkommen und sich auf den Thron Davids, seines Vaters, setzen. Er wird in Herrlichkeit dieselbe Kraft offenbaren, die Er schon während seines Dienstes bei seinem ersten Kommen auf die Erde entfaltet hatte – nur in noch viel größerem Maß. Er wird sein Volk von allen durch die Sünde verursachten Übeln befreien. Seine Herrschaft wird gekennzeichnet durch „den Geist der Weisheit und des Verstandes, den Geist des Rates und der Kraft, den Geist der Erkenntnis und Furcht Jehovas … Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein, und die Treue der Gurt seiner Hüften.“

An jenem Tag wird eine große Veränderung auf der ganzen Erde stattfinden. In den Herzen der Menschen wird die Liebe den Egoismus und Hass ersetzen; in den Tieren werden die wilden, grausamen Instinkte verschwinden; in der Pflanzenwelt wird der Überfluss den Mangel ersetzen. Selbst die Erde wird sich den Folgen seiner Herrschaft unterziehen: Die Meereszunge Ägyptens wird austrocknen, und der Strom wird zu sieben Bächen werden. Das Volk Gottes wird an jenem Tag größere Wunder sehen als die, von denen es bei seinem Auszug aus Ägypten Zeuge wurde. So wird es mit dem Psalmisten sagen können: „Wie wir gehört hatten, also haben wir es gesehen“ (Ps 48,8).

Der Berg Zion wird sich freuen, und die Töchter Judas werden frohlocken (Ps 48,11). Alle Vertriebenen Israels werden zusammengeführt, und die Zerstreuten Judas werden versammelt werden. Die Folgen der Torheit Rehabeams, des Sohnes Salomos, werden für immer beseitigt sein, und die Söhne Jakobs werden sich mit einer Liebe und unter einem Zepter ihres Königs erfreuen.

Also wird sich das erfüllen, was heute das Geheimnis des Willens Gottes ist: „das Geheimnis das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist“ (Eph 1,9.10).

Dann wird die Schöpfung „freigemacht werden von der Knechtschaft des Verderbnisses zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21). „Und es wird geschehen an jenem Tag: Der Wurzelspross Isais, der dasteht als Panier der Völker, nach ihm werden die Nationen fragen; und seine Ruhestätte wird Herrlichkeit sein.“ Eine glückliche Zeit für Israel und für alle Völker!

An jenem Tag werden wir mit Ihm regieren, eine Wahrheit, die hier nicht erwähnt ist, die aber denen kundgetan wurde, die dem König während der Zeit seiner Verwerfung nachfolgten. Da wir mit Ihm sein werden, sollte alles, was seine Herrlichkeit kennzeichnet, unseren Herzen kostbar sein, denn in Ihm sind wir zu Erben dieser Herrlichkeit gemacht worden. Herr, wann wird dies sein?

Kapitel 12

Dieses Kapitel beschließt den ersten der sieben großen Abschnitte des Buches Jesaja. Wir finden darin den erhabensten Höhepunkt des Liedes, das in Kapitel 5 begonnen hatte und hier endet. Es sind das Ende der Wege Gottes mit seinem Volk und die endgültigen Segnungen, die hier gepriesen werden. Der Zorn Gottes hat sich für immer von seinem Volk abgewendet; ein ewiger Trost ist sein glückliches Teil.

Doch Israel preist nicht nur den Herrn für die herrlichen Dinge, die Er für sein Volk gewirkt hat, sondern es lädt auch die Nationen dazu ein, sich diesem Loblied anzuschließen (Jes 12,4). Alle Eifersucht zwischen den Juden und den Nationen ist verschwunden. Alle Dinge auf der Erde sind versöhnt. Jah, der Gott, der da ist, der Ewige, der sich nicht verändert, hat seine Macht entfaltet, um sein Volk zu retten, und die Bewohnerin von Zion jauchzt vor Freude.

Die letzte Äußerung dieses Liedes zeugt von einer noch viel größeren Freude als der, die aus der Fülle des Segens hervorgeht: von der Freude nämlich über die Tatsache, dass der Heilige Israels in der Mitte seines Volkes ist. Seine Person selbst ist das höchste Gut seiner Geliebten. Was uns betrifft, besitzen wir Ihn jetzt schon, und zwar auf eine noch innigere und kostbarere Weise, als Israel Ihn je besitzen wird. Möchten wir uns doch in Ihm freuen!

Zweiter Abschnitt: Kapitel 13–27

Einführung

Wir kommen nun zum zweiten Abschnitt des Buches Jesaja. In den ersten zwölf Kapiteln steht, wie wir gesehen haben, Israel im Vordergrund; in diesem zweiten Abschnitt sind es die Nationen. Alle Völker, die einen wie die andern, jedes zu seiner Zeit, werden die Regierungswege Gottes, denen niemand entfliehen kann, zu spüren bekommen. Die Menschen und die Völker werden früher oder später Dem im Gericht begegnen müssen, dessen Heiligkeit die Seraphim verkündeten.

Gott beschäftigt sich in seinen Regierungswegen immer zuerst mit jenen, die Ihm am nächsten stehen, mit jenen, die die meisten Vorrechte besitzen. Deshalb beginnt Jesaja mit Israel; danach prophezeit er über die Völker, die mit Israel in Kontakt standen; und schließlich erstrecken sich seine Aussprüche auf alle Nationen. „Der Ewige der Heerscharen hat es beschlossen, und wer wird es vereiteln? Und seine ausgestreckte Hand – wer könnte sie abwenden?“ (Jes 14,27).

Wenn Er auf diese Weise mit seinem Volk beginnt, was wird dann erst aus seinen Feinden werden? Wenn der Gerechte mit Not gerettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen? Ernste Fragen, die sich jetzt auf eine besondere Weise an die Christenheit richten.

Noch eine andere Bemerkung: Dieser zweite Abschnitt des Buches schließt, wie der erste, mit einem Lied. Wenn Gott die Nationen züchtigen wird, tut Er dies mit dem Vorsatz seines Herzens, sie am Ende, zusammen mit seinem Volk, zu segnen, nämlich dann, wenn der Ersehnte aller Völker gekommen sein wird. Was fordern die Menschen, und wonach seufzen sie heute mehr denn je? Ist es nicht nach dem Kommen eines mächtigen Mannes, der überall Gerechtigkeit, Frieden, Überfluss und Freude hinbringt? Der Ungläubige schaut nur auf die Erde und sieht den Befreier niemals erscheinen. Der Glaube schaut nach oben und sieht dort in den Himmeln Den, der vor bald zweitausend Jahren schon einmal gekommen, aber von der Welt verworfen worden ist und der bald in Herrlichkeit und Macht wiederkommen wird.

Während wir seine Wiederkunft erwarten, belehrt uns das prophetische Wort im Voraus über die Ereignisse, die sich zutragen müssen, um nach der Vernichtung seiner Feinde zur Aufrichtung seines Reiches zu führen. Ereignisse, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben, können eine teilweise Erfüllung einiger Prophezeiungen sein, wie zum Beispiel die Vernichtung des Assyrers vor Jerusalem unter der Regierung Hiskias.

Dennoch lenkt die Prophetie unsere Blicke auf die Zeiten des Endes und der Vollendung des Zeitalters hin, die zur Erhöhung des Christus und zu seiner Herrschaft führen werden. Dieses Reich wird nicht nur Israel und sein Land umfassen, wie es die Juden erwarten, sondern es wird sich über das ganze Universum erstrecken.

Kapitel 13–14,23

Die erste Stadt, über die der Herr einen Ausspruch macht, ist Babel, die Stadt Nebukadnezars. Dieser König hat diese Stadt in seinem Hochmut durch die Stärke seiner Macht „zum königlichen Wohnsitz und zu Ehren seiner Herrlichkeit“ erbaut (Dan 4,30). In diese Stadt, die voll Götzenbilder war, hatte der König die heiligen Geräte, die aus dem Tempel Gottes in Jerusalem geraubt worden waren, gebracht. An diesen Ort hatte er auch die Gefangenen Zions weggeführt, weit entfernt von dem Ort, wo der Herr seinen Namen hingesetzt hatte.

In ihrer leidvollen Verbannung sagten sie: „An den Flüssen Babels, da saßen wir und weinten, indem wir Zions gedachten. An die Weiden in ihr hängten wir unsere Lauten. Denn die uns gefangen weggeführt hatten, forderten daselbst von uns die Worte eines Liedes, und die uns wehklagen machten, Freude: (Singt uns eines von Zions Liedern!). Wie sollten wir ein Lied des Ewigen singen auf fremder Erde? Wenn ich dein vergesse, Jerusalem, so vergesse meine Rechte! Es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich Jerusalem nicht erhebe über die höchste meiner Freuden!“ (Ps 137,1-6).

Könnte der Herr die Verwüstung der Stadt, wohin Er seinen Namen gesetzt hatte, und die Gewalt, die seinem Volk, das Er erlöst hatte, angetan wurde, vergessen? Könnte Er sich dem Gebet und den Tränen seines Volkes gegenüber taub stellen? Könnten die Ausdrücke der höchsten Not, die die Treuen im eben zitierten Psalm äußern, sein Herz kalt und gleichgültig lassen?

Nein! Das ist unmöglich. Wenn Er auch sein Volk wegen dessen Ungerechtigkeiten züchtigen musste, ist Er dennoch gegenüber Jerusalem und ihren Kindern von Mitleid bewegt. Er wird gegen jene, die zum Unglück mitgeholfen haben und die es, von ihrem wilden Hass gegen sein Volk geleitet, erbarmungslos geschlagen haben, in großem Zorn entbrennen. Er wird seinen Zorn gegen jene wenden, die es verwüstet haben. O Babylon! Nun trifft es dich, und du wirst zerstört werden. „Glückselig, der dir dasselbe vergilt, was du uns getan hast!“, sagte der Psalmist.

Der Hochmut Babels ist sehr alt. Er hat sich schon damals in der Ebene von Sinear gezeigt, als man einen Turm baute, dessen Spitze bis zum Himmel reichen sollte. Dieses Unternehmen wurde durch das Gericht Gottes und die Verwirrung der Bauleute beendet. Derselbe Hochmut zeigte sich aufs Neue in der großen Stadt der Chaldäer, deren Sturz der Prophet hier ankündigt. Dieser erfolgte später durch die Hand der Meder und Perser.

Der Stolz Babels erscheint ganz am Ende der Zeit noch einmal. Denken wir nur an das Babylon in der Offenbarung, auf dessen Stirn der Name „Geheimnis“ geschrieben ist! Was wir hier in Bezug auf das damalige Babel haben, kann man in gleicher Weise auf das moderne Babylon anwenden. Dieselben Grundsätze finden sich sowohl im einen als auch im andern: die Üppigkeit; der Hochmut, der sich bis zum Himmel erhebt; der Götzendienst und der Hass gegen das Volk Gottes. Das Ende des einen wird auch das Ende des andern sein: eine Verwüstung vom Allmächtigen! (Jes 13,6; Off 18,8).

Finden wir beim Lesen der ersten Verse dieses 13. Kapitels nichts, um die Herzen der Geliebten des Herrn zu erfreuen? Doch, die Gnade unseres Gottes erstrahlt darin in hellem Glanz und beleuchtet den Schauplatz des Gerichts, das hier angekündigt wird. Vor allen Dingen denkt Gott an sein Volk, das zerstreut und gezüchtigt ist und die Folgen seiner Ungerechtigkeiten tragen muss.

Wenn der Herr das Gericht über seine Feinde ausführen wird, ist es zur Befreiung seiner Geliebten. Eine Fahne, das Signal zur Besammlung, wird auf einem kahlen Berg, wo nichts sie verdecken kann, aufgestellt. Sie wird aufgestellt, damit jeder sie sehen kann und dass alle seine Geheiligten, die Gott fürchten, seine Edlen, sich versammeln. Babel mag sie lange Zeit streng gefangen gehalten haben, aber nichts wird Gott daran hindern können, sie unter das herrliche Zepter Immanuels zu versammeln.

Wenn Babel gerichtet sein wird, wird das Volk Gottes das Lied der Befreiung, das wir in Kapitel 14 ab Vers 3 finden, singen. Auf ähnliche Weise wird auch, wenn das Babylon der Offenbarung gerichtet sein wird, das Lied von der Hochzeit das Lammes in den Himmeln gesungen werden. Was der Seher Johannes hörte, war eine Stimme einer großen Volksmenge und wie ein Rauschen vieler Wasser und wie ein Rollen starker Donner (Off 19).

Wir können hier nicht alle Einzelheiten aufzählen, die in diesen beiden Kapiteln enthalten sind. Wir müssen aber noch auf den Unterschied zwischen dem Gericht, das gegen das Land Israel ausgesprochen wurde, und jenem, das wir hier finden, aufmerksam machen. Beim Ersteren sind die bebauten Felder und die fruchtbaren Weinberge des Landes, das Gott seinem Volk gegeben hatte, den Herden und ihren Hirten überlassen. Hier wird das Gericht, das Babel erreichen wird, derart sein, dass nicht einmal der Araber dort sein Zelt aufschlagen wird und Hirten ihre Herden dort nicht lagern lassen werden. Man wird dort nur Schakale und wilde Hunde finden. Dort wird alles den Wüstentieren überlassen.

Trauriges und demütigendes Ende einer Stadt voll von Ehrgeiz und solchen, die einst die Völker beherrschten! Endlich werden die Söhne Jakobs in die Ruhe des verheißenen Landes eingeführt sein. Sie werden jene, die sie einst gefangen weggeführt hatten, zu Knechten und Mägden nehmen. Aber das Geschlecht der Übeltäter wird nie mehr erwähnt werden. Babel und seine Kinder werden ausgefegt „mit dem Besen der Vertilgung, spricht der Ewige der Heerscharen“.

Kapitel 14,24-32

Der Schluss von Kapitel 14 enthält zwei kurze Abschnitte, die die Zerstörung des Assyrers (Jes 14,24-27) und das Gericht über die Philister (Jes 14,28-32) ankündigen. Im ersten versetzt uns der Heilige Geist an das Ende der Zeiten, wenn der Assyrer dieser Zeitepoche zerschmettert und auf den Bergen im Land des Herrn zertreten wird. Es ist nach dem Vorsatz des Herrn der Heerscharen. Wer kann Ihn hindern, diesen Vorsatz zu erfüllen, und wer kann Ihn dazu bringen, seine ausgestreckte Hand zurückzuziehen?

Im zweiten Abschnitt finden wir einen Ausspruch über die Philister. Diese waren erbitterte Feinde des Volkes Israel: Sie lagen unaufhörlich im Kampf mit ihm, denn sie wohnten sogar innerhalb seiner Landesgrenzen. Indem sie ständig mit Israel Krieg führten, versuchten sie, das Erbe, das Gott seinem Volk gegeben hatte, an sich zu reißen.

Die hier vorliegende Prophezeiung wurde im Todesjahr des Königs Ahas ausgesprochen. Die Philister, die von König Ussija unterworfen worden waren (2Chr 26,6), konnten denken, dass, da Ahas gestorben war, der Stock, der sie schlug, zerbrochen sei und dass sie nun das auf ihnen lastende Joch abschütteln könnten. Doch im Gegenteil, sie hatten erst die Anfangsschläge der göttlichen Gerechtigkeit erhalten.

Hiskia, der Sohn von Ahas, war ein treuer und gottesfürchtiger König. Er hing dem Herrn an und wandte sich nicht von Ihm ab. Und der Herr war mit ihm. Überall, wohin dieser König zog, hatte er Erfolg. Er schlug die Philister bis Gasa und verheerte ihr Gebiet, vom Turm der Wächter an bis zur festen Stadt, und die Hand Gottes lastete schwerer auf ihnen als zuvor.

Wir haben hier eine sehr wichtige Belehrung in Bezug auf die Regierung Gottes. Wenn sich die Umstände, durch die Er uns nach seinem Gutdünken gehen lässt, ändern, können wir denken, wir würden nun von der Prüfung erlöst werden und alles werde wieder gut. Dies ist ein schwerwiegender Irrtum. Wir vergessen, dass Gott alles zur Verfügung steht und dass Ihn nichts daran hindern kann, das zu erfüllen, was Er sich im Hinblick auf uns vorgenommen hat.

Anstatt dass sie durch den Tod von Ahas befreit worden wären, mussten die Philister unter den neuen Schlägen, die sie erhielten, vor Schmerzen heulen. Solange sie nicht bereit waren, den Hass gegen Gott und sein Volk zu verurteilen, mussten sie die gerechte Strafe für ihre Bosheit erhalten. Aber der Gott, der seine Feinde schlägt, ist auch der Zufluchtsort der Armen und Bedrängten seines Volkes. Die Gerichte, die sich über die feindlichen Nationen ergießen werden, werden zum Segen der Elenden seines Volkes führen. Der Herr wird Zion gründen, und die Elenden werden darin Zuflucht finden. Das ist hier die Botschaft, die Er den Nationen sendet.

Kapitel 15–16

Diese beiden Kapitel enthalten den Ausspruch über Moab, einen der beiden Nachkommen des gerechten Lot, dieses Gläubigen, der ein solch elendes Leben und trauriges Ende hatte. Moab war also der Abstammung nach ein Verwandter Israels. Dies hat ihn jedoch nicht davon abgehalten, der erste seiner Feinde zu sein, der versucht hat, sich des Erbteils zu bemächtigen, das der Herr seinem Volk gegebenen hatte. Dies geschah kurz nach dem Eintritt Israels in sein Land. In Richter 3,12.13 heißt es, dass Moab die Palmenstadt in Besitz nahm.

Später schlug David die Moabiter und maß sie mit der Messschnur. Indem er sie auf die Erde legen ließ, maß er zwei Messschnüre ab, um zu töten, und eine volle Messschnur, um am Leben zu lassen.

Die Moabiter wurden David zu Knechten, die ihm Geschenke brachten (2Sam 8,2). In 2. Könige 3,4.5 erfahren wir, dass sich der Tribut des Königs von Moab auf 100.000 Fettschafe und 100.000 Widder mit der Wolle belief – ein Tribut, dem sich der König zu entziehen suchte.

Die Kennzeichen Moabs waren Hochmut, Anmaßung, Hoffart, Wüten, eitles Prahlen, Arroganz und ein stolzes Herz. Die Propheten Jesaja und Jeremia (Jer 48) malen uns ein trauriges Bild des Zustands dieses Volkes. So verstehen wir auch, dass es das Gericht Gottes auf sich gezogen hat.

Wenn die Philister sich an Gott versündigt hatten, indem sie sein Volk hassten und sich über dessen Unglück freuten, so hatten es die Moabiter durch ihren Hochmut und ihre Arroganz nicht weniger schlimm gemacht. Daher war auch das Gericht, das sie treffen würde, schrecklich: Verwüstung, Wehklagen, Heulen und Dunkelheit. Gott hasst den Hochmut und die Anmaßung: Hochmut geht dem Fall voraus (Spr 8,13; 16,18).

Moab wird diese schmerzliche Erfahrung machen müssen. Sein Wehgeschrei, sein Jammern wird weithin dringen, bis nach Beer-Elim, was vermutlich der Ort ist, wo das Volk Israel kurz vor seinem Einzug in das verheißene Land neben einem Wasserbrunnen in der Wüste ein Lied gesungen hatte.

Hier schreit Moab vor Schmerzen, weil es die gerechte Strafe für seinen Hochmut empfängt. Alle Köpfe sind kahl, alle Bärte geschoren: Der Bart ist die Herrlichkeit des Mannes, im Gegensatz zum langen Haar, das die Herrlichkeit der Frau ist. Ihre Edelreben sind niedergeschlagen und die Freude und das Frohlocken sind aus ihren fruchtbaren Feldern verschwunden. Und es wird geschehen, dass, wenn Moab „in sein Heiligtum eintritt, um zu beten, es nichts ausrichten wird“. In seiner Bedrängnis sind ihm seine Götzen keinerlei Hilfe.

Der erste Vers von Kapitel 16 scheint eine Anspielung auf den Tribut der Fettschafe zu sein, den Moab dem König David leistete, der ihnen Gnade erwiesen hatte, als er sie hätte töten können. Solange die Moabiter David und seinem Haus unterworfen blieben, war ihr Land fruchtbar. Jetzt, da sie sich in ihrem Hochmut gegen das Haus Davids auflehnten, würden die schlimmsten Unglücksfälle über sie kommen, und ihr Land sollte verwüstet werden.

Eine andere Ankündigung wird Moab gemacht: „Ein Thron wird durch Güte aufgerichtet werden; und auf ihm wird im Zelt Davids einer sitzen in Wahrheit“, ja, im Zelt dieses David, den sie verwarfen. Was wird an jenem Tag von ihnen noch bestehen? Ein kleiner Überrest, wenig an Zahl: Das ist alles, was vom gerechten Lot unter der Herrschaft des Messias übrigbleiben wird. So lautet das Wort, das der Herr einst über Moab ausgesprochen hat.

Kapitel 17

Wir haben hier einen kurzen, aber sehr ernsten Ausspruch über Damaskus. „Siehe, Damaskus hört auf, eine Stadt zu sein, und wird ein Trümmerhaufen.“

Es ist eine der ältesten Städte, die in der Schrift erwähnt werden. In 1. Mose 15 wird der Knecht Abrahams „Elieser von Damaskus“ genannt. Diese Stadt existierte also schon zur Zeit des Patriarchen. Aber trotz ihres Alters und der Rolle, die sie in der Weltgeschichte gespielt hat, als Könige und Völker auf sie schauten und Hilfe von ihr erhofften, wie dies Ephraim in Kapitel 7 unseres Buches tat, wird der Tag kommen, wo dies alles nicht mehr von Belang sein und sie dem Erdboden gleichgemacht werden wird. Gott, der Allmächtige, hat es beschlossen, sein Gericht ist angekündigt worden, und es wird ausgeführt werden: Das Ende dieser Stadt wird ein Trümmerhaufen sein.

Wir haben hier eine besonders bemerkenswerte Tatsache: Ephraim, das zusammen mit Damaskus böse Pläne gegen Jerusalem geschmiedet hatte, findet sich mit dieser Stadt im gleichen Gericht eingeschlossen. Sie hatten sich verbündet, um Böses zu tun, und der Herr verbindet sie miteinander unter den Schlägen seiner Gerechtigkeit.

Obwohl schon einige Male durch Erdbeben zerstört und von feindlichen Armeen verwüstet, besteht Damaskus heute noch. Trotzdem wird sich das Wort des Herrn an einem noch zukünftigen Tag buchstäblich erfüllen, und diese Stadt wird ein Trümmerhaufen werden. Seine Herrlichkeit, sagt der Prophet ironisch, „wird sein wie die Herrlichkeit der Kinder Israel“. Was ist tatsächlich von dieser Herrlichkeit der Kinder Israel seit der Wegführung der zehn Stämme durch Salmaneser, den König von Assyrien, übriggeblieben? Überhaupt nichts! Der, welcher half, und jener, dem geholfen wurde, sind gleichermaßen betroffen.

Dieses Gericht wird am Ende stattfinden. Es wird durch eine Invasion vieler Völker ausgeführt werden, die wie das Brausen der Meere brausen und wie das Rauschen großer Wasser während ihres Durchzugs alles mit sich reißen werden. Was wird Damaskus angesichts einer solchen Machtentfaltung tun? Der Herr hat dies alles beschlossen, um seine Feinde zu richten und sein Volk am Ende zu befreien. Gewiss, Er wird dieses Volk wegen seiner Sünden nicht verschonen: Es wird verkümmert, mager und auf eine kleine Anzahl zusammengeschmolzen sein, gleich den wenigen Oliven, die nach dem Schütteln noch an den Ästen des Ölbaums hängen. Doch die Prüfung wird sie dazu führen, ihren Götzendienst zu verurteilen und auf den Heiligen Israels zu blicken. Am Morgen werden sie von allen ihren Feinden befreit werden. „Der Gerechte wird aus der Drangsal befreit, und der Gesetzlose tritt an seine Stelle“ (Spr 11,8).

Kapitel 18

„Welch wunderbarer Abschnitt!“, werden wir nach dem Lesen dieses Kapitels sagen. Er übertrifft in der Tat jede menschliche Ausdrucksweise. Es ist Gott selbst, der diese Zeilen geschrieben hat. Der Prophet war nur ein Werkzeug in seiner Hand, um sie uns weiterzugeben. Kein Mensch wäre fähig, Derartiges, wie uns hier vor Augen geführt wird, niederzuschreiben. Alles darin ist bewundernswert: die uns gegebene Offenbarung; das Volk, von dem gesprochen wird; die Art und Weise, wie uns diese Gegenstände vorgestellt werden. Möchten unsere Herzen beim Lesen solch wunderbarer Worte von Anbetung erfüllt werden!

Der Prophet unterbricht den Lauf seiner Aussprüche, um von zwei Ländern zu reden, die er mit wenigen Worten beschreibt, deren Namen er aber verschweigt. Das erste Land nimmt den Charakter eines Beschützers an: Es ist ein „Land des Flügelgeschwirrs“. In Psalm 57,1 lesen wir – um nur eine Stelle zu zitieren, die diesen Charakter näher ausführt –: „Ich will Zuflucht nehmen zu dem Schatten deiner Flügel, bis vorübergezogen das Verderben.“ Unter den Flügeln ist man also geborgen und vor äußeren Gefahren geschützt. Es ist ein weit entferntes Land, denn es befindet sich „jenseits der Ströme Kuschs“: des Nil und des Euphrat. Im Weiteren liegt dieses Land am Meer: Es entsendet seine Boten auf dem Meer und in Schiffen.

Das andere Volk ist ein „wunderbares Volk, seitdem es ist und hinfort, die Nation von Vorschrift auf Vorschrift und von Zertretung“, und dessen Land beraubt ist. Diese Beschreibung genügt, um uns sofort auf das Land und das Volk hinzuweisen, von dem der Prophet, ohne es zu nennen, in solch bewegenden Worten spricht. Wo findet sich ein Volk, das Gottes Gesetzesvorschriften besitzt, aber zertreten ist, dessen Land jahrhundertelang von Fremden verwüstet worden ist? Es ist wirklich das wunderbare Volk, dem Gott Verheißungen gegeben hat und das nun den Beginn ihrer Erfüllung sieht. Wo kann man ein Volk finden, das einzigartiger wäre als Israel? Wunderbar in der Vergangenheit, ist es dies auch in der Gegenwart und wird es noch mehr in der Zukunft sein.

Es ist nicht mehr schwierig, das andere, eben erwähnte Volk, das sich für das Volk Israel interessiert, zu erkennen und zu benennen, seitdem nämlich das Land Israel vom Joch der Mohammedaner befreit wurde und ihre Söhne in ihr Land zurückzukehren begannen. Diese außergewöhnliche Rückkehr beginnt die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen.[1]

Das Erstaunen wird noch weit größer sein, wenn die Israeliten in Scharen in ihr Land zurückkehren werden. Die Fahne, das Zeichen zum Sammeln, wird auf den Bergen erhoben. Die Posaune wird im Land der Verheißung erschallen.

Zu jenem Zeitpunkt wird es scheinen, als ob die Erwartung Israels erfüllt sei und der Segen auf dem Volk ruhe. Glänzende Hoffnungen werden die Herzen erfüllen. Aber genau in dem Augenblick, da sie glauben, ihr Ziel erreicht zu haben, wird eine plötzliche Zerstörung sie überfallen und all diese schönen Aussichten wegnehmen. Die Raubvögel der Berge und die Tiere der Erde, schreckliche Bilder der ausführenden Werkzeuge des Gerichts Gottes, werden sie unaufhörlich verfolgen.

Wir können uns fragen: Weshalb diese Unglücke? Die Antwort ist sehr einfach: Gott wurde hier nicht miteinbezogen. Er bleibt sozusagen in seiner Wohnstätte verborgen, von wo Er alles beobachtet, was sich in seinem Land abspielt, wo niemand Ihn anruft und niemand mit Ihm rechnet. Es ist die befreundete Nation, von der Israel das Land der Verheißung erhält; durch seine Klugheit lässt es sich darin nieder und richtet sich dort ein. So denkt es, glücklich zu leben, glücklich ohne seinen Gott.

Seitdem Kain und seine Nachkommen sich so gut wie möglich auf der Erde eingerichtet haben, um hier das Glück ohne Gott zu finden, wiederholt sich die gleiche Geschichte hier unten. Durch ein solches Handeln wird das Volk Gottes nie auf einen grünen Zweig kommen und nie von Dem gesegnet werden, den es vergessen hat. Israel wartet, aber diese Erwartung muss einzig und allein auf den Herrn gegründet sein.

„Verflucht ist der Mann, der auf den Menschen vertraut und Fleisch zu seinem Arm macht.“ Das Volk wird bald diese schmerzhafte Erfahrung machen. Israel braucht nicht die Unterstützung einer mächtigen Seefahrernation, sondern den Schutz der Flügel des Allmächtigen. Einst wollte Er die Kinder Jerusalems unter seine Flügel versammeln, aber dieses unglückliche Volk hat dies zurückgewiesen.

Wenn der Winter vergangen sein wird und der ewige Frühling begonnen haben wird, wird das Volk, das jetzt weithin geschleppt und gerupft ist, dem Herrn wie ein Geschenk dargebracht werden. Die Zeit der Prüfungen, die dann ihre Früchte tragen werden, wird vorüber sein. Dieses Volk wird selbst mit einem Geschenk zum Herrn der Heerscharen kommen, an den Ort, wo Er seinen Namen hingesetzt hat: nach Jerusalem, zum Berg Zion, dahin, wo der König der Herrlichkeit diesem wunderbaren Volk Gnade und Segen schenken wird.

Dann wird Israel nicht mehr warten. Die zwölf Stämme werden das, was ihnen seit langem verheißen war, erhalten haben. Nachdem sie mit sich selbst zu Ende gekommen sind, mit ihren eigenen Hilfsquellen, mit aller Art von menschlicher Unterstützung, werden sie sich an Dem erfreuen, dessen Treue sich bis zu den Wolken erhebt und dessen Name der Ewige ist.

Kapitel 19

Wir kommen nun zum Ausspruch über Ägypten, diesem Land, das in der Geschichte des Volkes Gottes eine so große Rolle gespielt hat. Während langer Zeit hat es Israel unter einem harten Joch der Knechtschaft gehalten. Oft dachte Israel auch, es könne sich auf dieses mächtige Volk stützen, um Hilfe bei ihm zu finden. Aber Ägypten war für sie nur ein zerbrochenes Schilfrohr, das die Hand dessen, der sich darauf stützt, durchbohrt.

In Ägypten schaut man nicht zum Himmel, um von dort den Segen zu erhalten. Es ist nicht ein Land, das wie Israel vom Wasser des Regens des Himmels trinkt. Der Nil macht seine Fruchtbarkeit aus, und seine Quellen stammen aus der Erde. Gott ist hier ein Unbekannter. Der Pharao fragte einst: „Wer ist der Ewige?“ Übrigens hat man Ihn in Ägypten gar nicht nötig.

Außer den Reichtümern und den natürlichen Hilfsquellen ist dieses Land voll von weisen Männern. Jeder kennt die sagenhafte Weisheit Ägyptens. Trotz ihres gegenwärtigen Verfalls zeugen die Ruinen, die heute noch bestehen, davon. Gott selbst anerkennt diese Weisheit, denn Er sagt uns, dass „Mose in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen wurde“ (Apg 7,22). Aber was nützen die natürlichen Reichtümer und die höchstentwickelte menschliche Wissenschaft, wenn der Herr auf den Wolken kommt, um das Gericht in Gerechtigkeit auszuführen?

Armes Ägypten! Alles wird sich in seiner Mitte abspielen. Es ist ein großes und mächtiges Land, aber wir sehen hier, wie der Geist Ägyptens vergeht. Sein beispielhafter Zusammenhalt, die Quelle seiner Kraft, verschwindet. Sein Volk erleidet sowohl Krieg von außen als auch Bürgerkrieg. Brüder und Genossen zerreißen sich gegenseitig. Die Quellen, auf die alle bis zu jenem Tag vertraut hatten, versagen nun ihren Dienst: Ströme und Flüsse versiegen, alles ist ausgetrocknet; überall ist Unfruchtbarkeit und Mattigkeit.

Die Weisen, diese berühmten Weisen, auf die man zu Recht stolz war, sind zu Narren geworden. Was die Götzen und die Mächte der Finsternis betrifft, die man befragen wird, sind auch sie, genauso wie die betörten Weisen, nicht imstande, die Beschlüsse des Herrn gegen Ägypten bekanntzumachen. Überall herrscht nur Angst und Zittern. Selbst Juda, das oft vor der Macht Ägyptens gezittert hat, wird für sie ein Anlass des Schreckens. Der Herr hat einen Ratschlag gegen jenes Land und seine Bewohner beschlossen; wer wird Ihn an seiner Ausführung hindern?

Möchten wir doch wenigstens für uns selbst einen Nutzen aus den hier gegebenen Belehrungen ziehen.

Wir dürfen nie vergessen, dass dieser Gott, der schlägt, ein Gott der Liebe ist. Wenn Er den Menschen straft, um ihn zu veranlassen, in sich zu gehen und seine Torheit einzusehen, beabsichtigt Er dennoch, ihn zu befreien und ihn zu segnen.

In ihrer Bedrängnis werden die Ägypter zum Herrn schreien; „er wird ihnen einen Retter und Streiter senden und sie erretten“. So wird „der Ewige sich den Ägyptern kundgeben, und die Ägypter werden den Ewigen erkennen an jenem Tag; und sie werden dienen mit Schlachtopfern und Speisopfern“.

In diesem Land, das einst voll Götzenbilder und unter der Macht Satans stand, wird es ein Zeugnis für den Herrn der Heerscharen geben. Glückliche Zeit! Der ganze Hass gegen das Volk Gottes, wie auch der gegenseitige Hass unter den Völkern, die so lange schon gegeneinander Krieg führten, wird verschwunden sein.

„An jenem Tag wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien; und die Assyrer werden nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter werden mit den Assyrern dem Ewigen dienen. An jenem Tag wird Israel das Dritte sein mit Ägypten und mit Assyrien, ein Segen inmitten der Erde; denn der Ewige der Heerscharen segnet es und spricht: Gesegnet sei mein Volk Ägypten, und Assyrien, meiner Hände Werk, und Israel, mein Erbteil!“

Dann wird sich die dem Abraham gegebene Verheißung buchstäblich erfüllen: „Ich will dich zu einer großen Nation machen und dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen; und du sollst ein Segen sein! Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ (1Mo 12,2.3).

Kapitel 20

Dieses Kapitel ist in gewisser Hinsicht ein kurzer Anhang zum vorhergehenden. Es enthüllt uns das Handeln der Assyrer, wenn sie Ägypten und Äthiopien verwüsten werden. Sie werden ihre Gefangenen nackt und barfuß hinwegführen, zur Schande dieser beiden Nationen. Der Prophet selbst musste im Hinblick darauf ein Zeichen und Vorbild sein.

Genauso werden die Bewohner dieses Küstenlandes (des Küstenstreifens Palästinas; Asdod machte einen Teil des Landes der Philister aus, die an jener Küste wohnten) bestürzt sein, wenn sie jene sehen werden, an die sie sich um Hilfe und Befreiung gewandt haben. Welche Beschämung! Die Assyrer führen jene gefangen, von denen die Philister eine wirksame Hilfe erwartet hatten! Wie kann man da entrinnen? Die Befreiung, die vom Menschen kommt, ist nutzlos. Israel musste dies zu seinem eigenen Schaden erfahren. So wird es auch jedem Kind Gottes ergehen, das sich von Dem wegwendet, der „uns Zuflucht und Stärke ist, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen“ (Ps 46,1).

Kapitel 21

Dieses Kapitel enthält drei Aussprüche: Der erste bezieht sich auf die Wüste des Meeres (Jes 21,1-10), der zweite auf Duma (Jes 21,11.12) und der dritte auf Arabien (Jes 21,13-17).

Die ersten zehn Verse stellen eine zweite Prophezeiung über Babel dar; denn es ist ganz klar jene Stadt, von der hier die Rede ist. Vers 9 beweist dies unwiderlegbar, wenn wir es nicht schon in den andern Versen bemerkt haben. Der Name, der ihr hier gegeben wird, ist bemerkenswert: die Wüste des Meeres. Das ist eine doppelte Anspielung, die sich auf ihren aktuellen traurigen Zustand und auf jenen, in den sie wirklich fallen wird, bezieht. Babel war in moralischer Hinsicht eine Wüste, wo für Gott und die, die Ihm angehören, nichts zu finden war; eine Wüste inmitten einer aufgewühlten Welt, in der es keine Ruhe und keinen Frieden gibt. Die Feinde dieser Stadt, die Meder und Perser, würden hinaufziehen – zahlreich wie die Schiffe des Meeres – und sie in ein Jammerbild verwandeln und eine Wüste aus ihr machen.

In einer solchen Stadt konnten die Treuen nur seufzen und weinen, wie einst über das Babylon der Offenbarung, auf dessen Stirn das Wort „Geheimnis“ steht, gewehklagt wird (Off 17). Diese Stadt ist auch eine Wüste und wird zur nackten Einöde gemacht. Der Ausspruch, der vor uns liegt, kündigt an, dass all ihr Seufzen aufhören wird; auch jenes, das aus den Herzen ihrer Bedrückten aufsteigt, wird ein Ende finden, denn sie wird zerstört werden, und ihr Fall wird die Befreiung der Gefangenen bedeuten.

Zwei furchtbare Feinde werden gegen sie hinaufziehen: die Meder und die Perser. Die Letzteren werden Elam genannt, wie übrigens auch an anderen Stellen in der Schrift. Hier werden klar die Einnahme und die Zerstörung Babels geschildert, wie sie uns im Buch des Propheten Daniel berichtet werden (Dan 5). In der belagerten Stadt gab der König Belsazar ein großes Festmahl. Man aß, man trank: eine Nacht der Ausschweifung, die mit Schrecken und Tod enden sollte. Die Reiter bei Paaren, das heißt die weiter oben genannten zwei Mächte, näherten sich, von Gott gesandt, und erreichten ihr Ziel genau zur richtigen Zeit. Es war der Augenblick, da der von seinem Hochmut geblendete König Belsazar, der sich bis zum Äußersten auf die Festigkeit seiner Mauern und die Stärke seines Heeres verließ, befahl, die Gefäße, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel Gottes weggenommen hatte, herbeizubringen, und sie entheiligte, indem er mit seinen Großen Wein daraus trank. In genau dieser Nacht wurde Babel eingenommen, sein elender König getötet und das Königtum Darius, dem Meder, gegeben. Babel ist gefallen! Alle seine geschnitzten Bilder und seine Götzen sind zerschmettert.

Der Prophet befindet sich in großer Angst. Schrecken hat ihn beim Anblick dessen, was geschehen wird, befallen. Schaudern hat ihn ergriffen. Sein frommes Herz ist in großer Bestürzung, als er vom Gericht hört, das die schuldige Stadt, in der sein Volk in Gefangenschaft ist, ereilen wird. Ganz im Gegensatz dazu wird im Himmel und bei den Heiligen Freude herrschen, wenn das Babylon der Endzeit fallen wird. Seine Zaubereien werden noch mehr dem Gericht verfallen sein als alle Treulosigkeiten des alten Babel in den Ebenen Sinears.

Dieses Gericht ist das Zeichen für die Befreiung der Gefangenen, die in seinen Mauern seufzten (Jes 21,10). Nun kann sich das Herz Gottes gegen jene, die Er „seine Gedroschenen“ und „Sohn seiner Tenne“ nennt, weit öffnen. Es ist sein Volk, das in die Gefangenschaft nach Babel weggeführt wurde. Gott musste es wegen seiner Sünden strafen. Es brauchte heftige und wiederholte Schläge, um den Weizen vom Stroh und von der Spreu zu trennen. Aber jetzt, wo das Ziel erreicht ist, kann dieser treue Gott, dessen Liebe zu seinem Volk sich nicht geändert hat, ihnen alles mitteilen, was Er sich an Gutem, ja Vorzüglichem, für sie vorgenommen hat. Der Herr der Heerscharen ist immer noch der Gott Israels. Kostbare Ermunterung für die, die zu allen Zeiten geprüft worden sind.

Der Ausspruch über Duma. Dieser Name scheint auf das Land Edom hinzudeuten, da sich die Stimme von Seir aus hören lässt. Edom war Esau, der Bruder Jakobs. Nach dem Tod seines Vaters nahm er alle in Kanaan erworbenen Güter und ging hinweg, um im Gebirge Seir, das er besaß, zu wohnen. In seinen Augen war es vorzüglicher als das Land, das der Herr seinen Vätern Abraham und Isaak als Erbteil versprochen hatte. Dadurch zeigte er einmal mehr, dass er ein Unheiliger war.

Dort wurde seine Nachkommenschaft zahlreich, und seine Söhne wurden Führer, große Männer, die in der Welt Erfolg hatten, aber Feinde des Volkes Gottes waren. Der Prophet Obadja teilt uns mit, dass man sich in Edom über das Unglück Jakobs gefreut habe. Der letzte der Propheten, Maleachi, klärt uns darüber auf, dass Gott den Esau, nach einer langen Zeit der Geduld, gehasst hat. Es konnte nicht anders sein, denn er hat sich ohne irgendein Anzeichen zur Umkehr immer hassenswert gezeigt.

Als der aufmerksame Wächter in Babel wie ein Löwe gerufen hatte, hörte man nicht zu und nahm seine Warnungen nicht zu Herzen. Hier im Land Edom macht man sich über ihn lustig und verspottet seine Rufe: „Wächter, wie weit ist’s in der Nacht? Wächter, wie weit in der Nacht?“ Genauso wird es in den letzten Tagen Spötter geben, „die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft?“ (2Pet 3,3). Wenn du ein Wächter bist, gut, dann sag uns, wie weit ist’s in der Nacht? Seit langem schon kündest du uns das Gericht an. Wir haben es noch nicht kommen sehen! – Auf eine solche Frechheit gibt es nur eine kurze und ernste Antwort: „Der Morgen kommt, und auch die Nacht.“

Der Morgen ist für die, die wachen, die Nacht für jene, die sich in der Finsternis befinden. Weil sie ungläubig sind, hat der Fürst dieser Welt ihre Augen verblendet und zieht sie mit sich fort in die äußere Finsternis. Für diese Letzteren gibt es kein Licht. Aber Gott ist größer als der Mensch, größer selbst als all seine Bosheit und Anmaßung. Noch lässt Er seine Gnade auf diesen finsteren Schauplatz leuchten: „Wollt ihr fragen, so fragt! Kehrt wieder, kommt her!“ Ich werde euch nicht hinauswerfen: Kehrt um! Es ist die Gnade, die euch einlädt: Kommt her!

Der Ausspruch über Arabien. Im vorhergehenden Ausspruch finden wir das Wort des Herrn über die Nachkommen Esaus. Hier treffen wir dasselbe Wort über die Nachkommenschaft Ismaels, des Sohnes Hagars, der Ägypterin, an. Kedar, der in diesen Versen besonders erwähnt wird, ist einer der zwölf Stammesfürsten unter den Söhnen Ismaels. Er wird mehrmals in der Schrift erwähnt, und es scheint, dass er zu einer wichtigeren Persönlichkeit wurde als seine Brüder, obwohl er nicht der Erstgeborene war. Er war ein starker und tatkräftiger Mann, ein Bogenschütze wie sein Vater. Durch seine Geschäfte erwarb er Reichtümer und Ruhm, wie wir es auch in den Propheten Hesekiel (Hes 27,21) und Jeremia (Jer 49,28) sehen. Seine Zelte waren besonders schwarz, denn Gott nimmt sie als Beispiel, um uns ein Bild von dem zu geben, was ausgesprochen schwarz ist (Hld 1,5).

Vor dem Herrn ist die Zeit seiner Herrlichkeit genau bemessen. Sie ist von sehr kurzer Dauer! Ein Jahr, wie man die Tage eines Tagelöhners zählt, um ihm seinen Lohn zu zahlen. Ein Jahr, nicht mehr, nicht weniger, und alle diese Herrlichkeit wird verschwinden, denn der Herr, der Gott Israels, hat gesprochen, und was sein Mund sagt, wird seine Hand gewiss ausführen.

Man kann stark, mutig und reich sein, aber was bleibt davon übrig, wenn der Hauch des Herrn darüber hinwegstreicht? Wenn wir in Duma das Bild eines Menschen haben, der über Gott spottet, so finden wir in Kedar das Bild des Materialisten, der sich überhaupt nicht um Gott kümmert und nach seinem Gutdünken handelt, als ob Er nicht existierte. Die Nachkommenschaft Ismaels hatte ihr Zuhause in der Wüste gefunden, und das genügte ihnen. Dennoch ist der Mensch, der nur die Erde besitzt, arm zu nennen!

Kapitel 22

Der vor uns liegende Ausspruch betrifft Jerusalem. Wie Babel im vorhergehenden Abschnitt wird diese Stadt mit einem rätselhaften Namen genannt: „Das Tal der Gesichte.“ Weshalb dieser Name? „Was ist dir denn, dass du insgesamt auf die Dächer gestiegen bist? O getümmelvolle, lärmende Stadt, du frohlockende Stadt.“ Alle Bewohner sind auf die Dächer gestiegen und beobachten, was kommen wird. Sie erwarten traurige Dinge. Sie haben das Gefühl, dass alles erschüttert ist und schreckliche Ereignisse sich abspielen werden. Alle suchen eingehend den Horizont ab und fragen sich, wer ihnen die Zukunft enthüllen könnte. Zu andern Zeiten verachtete Jerusalem die Gesichte der Propheten, die der Herr dieser Stadt geschickt hatte, um sie zu warnen, und nun kommen Visionen des Schreckens über sie.

Daher können wir verstehen, weshalb Jerusalem hier das „Tal der Gesichte“ genannt wird. Das Tal ist der Ort der Leiden, der Tränen und des Todes. Und was für ein Gesicht sah diese Stadt in jenem Schreckensmoment! Jerusalem ist eingenommen. Außerhalb der Stadt gibt es keine Kämpfe. Seine Bewohner sind in ihrer Mitte gefangengenommen oder getötet worden. Gott hat die Bestrafung der Schuldigen in dieser Stadt, wohin Er seinen Namen gesetzt hatte, angeordnet. Niemand kann die Werkzeuge, die seine Hand gebraucht, daran hindern, das von Ihm beschlossene Werk der Zerstörung auszuführen. Der Prophet weint bitterlich beim Anschauen des Zusammenbruchs der Tochter seines Volkes. Weinen nicht auch wir, wenn wir den Verfall betrachten, in dem sich die Christenheit heute befindet, und die Gerichte sehen, die über sie kommen werden?

Dieser Ausspruch gibt uns auch eine weitere Belehrung. Möchten wird doch Nutzen daraus ziehen. Die Bewohner des belagerten Jerusalem schauen nicht zu Dem auf, der das Gericht gesandt hat. Sie nehmen nur die menschlichen Hilfsquellen in Anspruch und denken, dass sie daraus einen Nutzen für ihre Befreiung ziehen können. Ihre Augen wenden sich zum Waldhaus (Zeughaus) und den Waffen, die sich darin befinden. Sie brechen die Häuser der Stadt ab, um die zahlreichen Risse in der Mauer auszubessern, machen Behälter, um das Wasser zu sammeln, und vergessen, auf den Herrn zu schauen. Er allein könnte für diese Stadt wie eine Mauer aus Feuer rundherum sein, und seine Diener – die Engel – würden in einem Augenblick alle ihre Feinde völlig vernichten.

Was wir hier vor uns haben, kann in der Vergangenheit eine teilweise Erfüllung gefunden haben; aber so wie in der ganzen Prophetie lenkt der Heilige Geist unsere Blicke auf die Zukunft, auf die Endzeit. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels haben wir in der Person Schebnas, des untreuen Verwalters, der abgesetzt und durch Eljakim, den treuen Diener, ersetzt wurde, ein Bild des Antichristen, der gestürzt und dem Messias Platz machen wird. Dieser wird für die Bewohner von Jerusalem und für das Haus Juda wie ein Vater sein. Mit wenigen Worten lässt der Heilige Geist zahlreiche Herrlichkeiten seiner Person vor unseren Augen aufleuchten und gibt uns einen kurzen Überblick des Segens, der seine Herrschaft kennzeichnen wird. Welch ein auffallender Gegensatz zu jenem Menschen, der bei der Ankunft des Christus gestürzt und alle, die sich auf ihn verlassen haben, in seinem Fall mitreißen wird.

Beide werden zwar als „ein Pflock an einem festen Ort“ genannt. Aber welche Standfestigkeit findet sich beim ersten, dem Messias, und welch ein Zusammenbruch beim zweiten, dem Antichristen!

Kapitel 23

Der Ausspruch über Tyrus. In der Schrift ist Tyrus ein Bild der Welt in ihren Handelsaktivitäten, ihren Geschäften, ihren Reichtümern, ihrer Verdorbenheit und ihrem Hochmut. Tyrus war der große Meereshafen, wo Handelsgüter aus den entferntesten Ländern eintrafen, das Handelszentrum der antiken Welt und der große Stapelplatz damaliger Luxusgüter. Diese Stadt war zur Kronenspenderin geworden, ihre Kaufleute waren Fürsten und ihre Händler die Vornehmen der Erde.

Tyrus musste eingenommen werden, und sein Fall würde notwendigerweise eine tiefe Erschütterung aller Völker längs der Küste des Mittelmeers mit sich bringen. Große Angst würde Ägypten aufgrund der Gerüchte über die Geschehnisse in Tyrus erfüllen. Wo wird man nun das Getreide verkaufen können, das in Ägypten in Hülle und Fülle wächst, und wer wird einen leichten Absatzmarkt in den großen Meereshäfen finden? Zidon, die Nachbarstadt, war in ihren Handelstätigkeiten ebenfalls zu sehr mit Tyrus verbunden, um die schmerzhaften indirekten Folgen ihres Sturzes nicht zu spüren. Der Zusammenbruch eines großen Handels hat notwendigerweise vielfältige und weitreichende Folgen. Die Tarsis-Schiffe, von denen die Schrift so oft spricht, können nicht mehr kommen und ihre Ladung löschen, noch können sie anderes für das Land Kanaan mitnehmen. Sie heulen in ihrer Bedrängnis, denn Tyrus war für sie eine Festung, und siehe da, sie ist zerstört.

Diese Schilderung lässt uns an das denken, was sich in der Zukunft abspielen wird, wenn die Kaufleute und die Schiffsbesitzer auf dem Meer trauern werden, weil niemand mehr ihre Güter kaufen wird (Off 18,11-13). Das hier angekündigte Gericht wurde durch Nebukadnezar ausgeführt, wie es uns der Prophet Hesekiel mitteilt (Hes 29,18). Aber nach 70 Jahren, als das Babylonische Reich unterging, wurde Tyrus, genau wie das jüdische Volk, von seiner Knechtschaft befreit. Während dieser Zeitspanne hat es nichts vergessen und auch nichts gelernt. Es hat seine Geschäftstätigkeiten und seine Ungerechtigkeiten wieder aufgenommen – wie eine Prostituierte, die eine Zeitlang vergessen wurde und nun ihr altes Leben von neuem beginnt, indem sie die schlimmsten menschlichen Mittel gebraucht, um ihre Ziele zu erreichen, und die sich allen Königreichen der Erde verkauft. Das Gericht, das auf die Stadt gefallen war, hatte keine Wirkung gezeigt und ihr Herz nicht geändert. Aber der Ausspruch über Tyrus geht noch viel weiter. Er beschränkt sich nicht auf das, was in verflossenen Zeitaltern geschehen ist, sondern er führt uns bis in die Endzeit, wie es der Heilige Geist so oft tut.

In jenen glücklichen Tagen werden die Reichtümer der Nationen nicht mehr zur Befriedigung der Habgier, des Hochmuts und der Leidenschaften der Gottlosen verwendet, im Gegenteil, die Tochter Tyrus und die Reichen der Völker werden mit Geschenken die Gunst des Königs der Herrlichkeit suchen (Ps 45,12). So werden jene, die vor dem Herrn wohnen, die Güter und Geschenke aus Tyrus erhalten. In dieser wohl nahen Zeit werden sie essen und gesättigt und prächtig bekleidet sein. Alles wird dann zur Verherrlichung des Herrn dienen.

Kapitel 24

Bisher haben wir Aussprüche gehört, die Gerichte über gewisse einzelne Völker ankündigten. In diesem Kapitel weitet sich der Bereich der Heimsuchung aus und erstreckt sich über die ganze bewohnte Erde. Sogar die Mächte in den himmlischen Örtern werden davon erschüttert. Diese Gerichte werden bei der Vollendung des Zeitalters stattfinden und der Aufrichtung der Regierung des Herrn der Heerscharen auf dem Berg Zion in Jerusalem vorausgehen. Das Volk Israel ist sozusagen der Mittelpunkt dieses Schauplatzes, aber niemand kann den Gerichten entrinnen: Im Land sind alle Schichten der Gesellschaft betroffen, sogar jene, die im Heiligtum dienen. Das Land ist bestürzt, und alles, was zur Freude des Menschen dient, ist verschwunden. Es ist ein totaler Verfall.

Wie wir gesagt haben, beschränkt sich dieses Gericht nicht auf das Land Israel; es wird über die ganze bewohnte Erde kommen, „denn die Fenster in der Höhe tun sich auf und es erbeben die Grundfesten der Erde. Die Erde klafft auseinander, die Erde zerberstet, die Erde schwankt hin und her; die Erde taumelt wie ein Trunkener und schaukelt wie eine Hängematte; und schwer lastet auf ihr ihre Übertretung: und sie fällt und steht nicht wieder auf.“ Hier sehen wir, was sich auf der Erde ereignen wird. Der Prophet beschreibt uns das Gericht, das sich über sie ergießen wird, und dies lässt uns an die Auflösung der Himmel und der Erde, wie es der Apostel Petrus in seinem zweiten Brief ankündigt, denken. Wir wissen jedoch, dass diese Zerstörung erst tausend Jahre nach den hier angesagten Gerichten stattfinden wird.

Nicht nur die Erde wird erschüttert werden, sondern auch der Himmel. „Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Ewige heimsuchen die Heerschar der Höhe in der Höhe, und die Könige der Erde auf der Erde.“ Wir wissen, dass es einen Kampf im Himmel geben wird: Michael und seine Engel werden gegen den Drachen kämpfen; und der Drache wird mit seinen Engeln streiten. Er wird unterliegen und sich nicht als der Stärkste erweisen. Seine Stätte und die seiner Engel wird nicht mehr im Himmel gefunden werden. Der Teufel und seine Engel werden auf die Erde geworfen. Später wird er mit einer großen Kette gebunden und im Abgrund eingeschlossen werden. Auch die Könige der Erde werden heimgesucht und in die Grube eingesperrt, wie Gefangene ins Gefängnis eingeschlossen werden. Und nach vielen Tagen (den tausend Jahren) werden sie heimgesucht werden.

Diese Dinge werden sich mit Bestimmtheit erfüllen, denn das Reich des Herrn der Heerscharen kann nur durch das Gericht über alle seine Feinde und die Reinigung der Himmel und der Erde aufgerichtet werden. Dieses Gericht wurde schon vor langer Zeit, sogar noch vor der Sintflut, von Henoch vorhergesagt: „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben“ (Jud 14.15).

Scheint es nicht, dass diese Worte für die Menschen unserer Tage geschrieben sind?

Wenn Gott wegen seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit das Gericht ausführen wird, teilt Er uns auch seine Beweggründe dafür mit: „Und die Erde ist entweiht worden unter ihren Bewohnern; denn sie haben die Gesetze übertreten, die Satzung überschritten, gebrochen den ewigen Bund. Darum hat der Fluch die Erde verzehrt, und es büßen ihre Bewohner“ (Jes 24,5.6).

Inmitten dieser Verwüstung finden wir einen Überrest von Gottesfürchtigen. Solche gibt es zu allen Zeiten. Diese Treuen gleichen den Früchten des Olivenbaums, sie sind wie die Nachlese nach der Weinernte. Sie sind kostbar für das Herz des Herrn, umso mehr, als sie nur eine kleine Anzahl sind, die inmitten der allumfassenden Ungerechtigkeit ihren Weg in Gerechtigkeit wandeln. Sie erheben ihre Stimme und jauchzen vor Freude über die Majestät des Herrn. Sie geben Ihm Ehre im Land, wo die Morgenröte seines wunderbaren Reiches erscheinen wird. Sie singen: „Herrlichkeit dem Gerechten!“ Sie kennen Ihn und freuen sich in Ihm, denn Er wird herrschen.

Möchten wir auch solche sein, die sein Erscheinen lieben, indem wir Ihn erwarten und mit Freude an sein Kommen denken.

Kapitel 25

Nachdem das Gericht sowohl über die Übeltäter in Israel als auch über alle Nationen und sogar über die Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern ausgeführt ist, können sich die Ratschlüsse Gottes gegenüber seinem Volk erfüllen. Diese Ratschlüsse wurden in längst vergangener Zeit gefasst; sie sind Treue und Wahrheit. Die Erwartung der Treuen mag sich lange hingezogen haben, ihr Glaube mag schweren Prüfungen unterworfen worden sein, aber der ersehnte Augenblick ist gekommen, und nichts kann der Erfüllung der Verheißungen, die der Herr seinem Volk gemacht hat, hindernd im Weg stehen.

Hier legt der Prophet die Worte des Liedes in den Mund des Überrests selbst. Dieses Lied besingt ihre Befreiung und den Namen des Herrn, der sich nicht verändert. Während dieser langen Zeit der Bedrängnis war Er „eine Feste gewesen dem Armen, eine Feste dem Dürftigen in seiner Bedrängnis, eine Zuflucht vor dem Regensturm, ein Schatten vor der Glut“. Jetzt sind sie erlöst.

Der Feind hatte seine Macht verstärkt, er hatte sich erhoben, die Stadt seines Hochmuts war in seinen Augen wie eine feste Stadt geworden. Doch alles stürzte ein, sie ist nun ein ständiger Trümmerhaufen. Die Bosheit der Feinde und ihr Hass nahmen ein Ende wie ein vorübergezogenes Gewitter und wie Regentropfen, die gegen eine Mauer geprallt sind.

Auf der Erde findet eine große Veränderung statt. Der Schleier der moralischen Finsternis, unter dem sich die Nationen während so langer Zeit befanden, die Decke, die auf den Augen und dem Herzen Israels lag, sowie die Kraft des Irrtums, die über die christlichen Völker ausgesandt war: Alles dieses wird wie eine Wolke vor dem Hervorbrechen der Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit, die auf der Erde erscheinen wird, verschwinden.

Die Erkenntnis des Herrn wird die Erde erfüllen, wie der Meeresgrund von Wassern bedeckt ist. Das Volk Israel, das heute noch geschmäht, verworfen und verachtet ist, wird unter den Nationen auf den höchsten Platz der Ehre gesetzt werden. Der Tod selbst wird in Sieg verschlungen sein. Die Heiligen, die ihr Zeugnis mit ihrem Blut besiegelt haben, und jene, die entschlafen sind, werden auferstehen, siegreich über die ganze Gewalt des Fürsten des Todes. Alle Tränen werden von jedem Gesicht weggewischt werden, denn der Herr hat gesprochen. Die Zeit des Wachens, während der die Treuen den Herrn sehnlicher erwarteten als die Wächter den Morgen, wird zu Ende sein. Der Herr wird sein Wort erfüllen.

Wie glücklich sind die, die während dieser Zeit ihre Hoffnung auf sein Wort gesetzt haben! Von nun an werden sie fröhlich sein und sich über seine Befreiung freuen.

Kapitel 26–27

Diese beiden Kapitel beenden den zweiten Abschnitt des Buches Jesaja. Wie schon der erste, schließt auch dieser mit einem Lied. Im einen wie im andern strahlt der Glaube in hellem Glanz hervor und ergreift Besitz von der endgültigen Segnung, bevor sie für die Treuen überhaupt Wirklichkeit geworden ist. Der Weg, auf dem sie wandeln, wird in dem Maß erleuchtet, wie sie voranschreiten.

Derselbe Grundsatz findet sich an anderen Stellen der Schrift, besonders im zweiten Buch der Psalmen. Zuerst hat ihr Glaube Dinge von fern her gesehen. Dann scheinen sich diese ihnen genähert zu haben, so dass sie sie begrüßen konnten (Heb 11,13). Die Heiligen haben schon in Kapitel 24, inmitten ihrer Prüfung, die Erschütterung all ihrer Feinde gesehen. Sie konnten die Freuden des „Mahls von Festspeisen“ kosten und die „geläuterten Hefeweine“ genießen (Jes 25,6); und dies angesichts des Todes, der für sie seine Schrecken verloren hatte, wie wir in Kapitel 25 lasen.

Hier gibt ihnen derselbe Glaube das Lied der Befreiung ein. „An jenem Tag wird dieses Lied im Land Juda gesungen werden.“ Sie nehmen den Zeitpunkt, an dem es gesungen wird, vorweg. In ihren Herzen feiern sie ihn schon in Gegenwart der starken Stadt ihrer Feinde. Diese wird einstürzen und ein Trümmerhaufen, eine beständige Ruine werden. Im Gegensatz zu dieser Stadt, die ihr Glaube schon vernichtet sieht, betrachten sie die unerschütterliche Stadt Gottes, in die sie bald eingeführt werden. Öffnet die Tore! Die Gerechten und die Treuen werden einziehen.

Es ist nicht nötig, das, was schon so oft gesagt worden ist, noch einmal zu wiederholen: dass man nur durch Glauben gerecht sein kann. Man muss jedoch hinzufügen, dass die Treue von unserem Gehorsam zum Wort abhängt. Dies kennzeichnet die Heiligen, um die es sich hier handelt. Sie können daher sagen: „Wir haben deiner nicht vergessen, noch betrüglich gehandelt wider deinen Bund. Nicht ist unser Herz zurückgewichen, noch sind unsere Schritte abgebogen von deinem Pfad“ (Ps 44,17.18).

Während sie den glücklichen Augenblick erwarten, wo sie durch die Tore der Stadt einziehen werden, bewahrt ihr Gott ihren „festen Sinn in Frieden“, denn sie rechnen auf Ihn. Diese Treuen fordern das ganze Volk auf, auf Ihn, den Unwandelbaren, zu vertrauen, denn Er ist der Fels der Ewigkeiten. Ihr Glaube erkennt auch die Vernichtung von allem, was sich überhebt, von allem Hochmut, wenn auch die Hoffärtigen für einen Augenblick zu triumphieren scheinen. Indem sie so auf dem Weg Gottes wandeln, betrachten sie die Wundertaten Dessen, der ihren Pfad ebnet.

Danach finden wir in Vers 8 die Erwartung, die die Gläubigen aller Zeiten kennzeichnete. „Meine Seele dürstet nach dir“, sagt der Psalmist. Die Gesetzlosen haben Gerechtigkeit nicht gelernt; nun müssen sie sie durch Gerichte lernen. Geblendet vom Fürsten der Finsternis, sehen sie die Hand Gottes, die im Gericht gegen sie erhoben ist, nicht. Aber es wird ein Tag kommen, da sie sehen werden, was Gott für jene, die Er liebt, getan hat; dies wird zur großen Beschämung für sie sein.

In Vers 12 spricht der prophetische Geist von der Segnung, die den Treuen zuteilwerden wird. Der Herr wird ihnen Frieden geben. Ihre vernichteten Feinde werden sich nicht mehr zu ihrer Bedrückung erheben; sie sind ausgetilgt, und man erinnert sich nicht mehr an sie. Das Volk hat sich vermehrt. Einst hatte Er „hinausgerückt alle Grenzen des Landes“ und das Volk zerstreut, aber wie Tote werden sie aufwachen und wieder aufleben. Die Morgendämmerung eines ewigen Tages wird erscheinen, und sie werden sich von allen Orten, wohin sie zerstreut worden sind, erheben, wie wenn sie aus einem langen, dem Tod ähnlichen Schlaf erwachten. Der Geist des Lebens kommt, haucht in die Toten, und sie leben. Für einen kleinen Augenblick, während der Zorn vorüberging, mussten sich diese Treuen verbergen; jetzt frohlocken sie mit einem Siegeslied.

An jenem Tag wird das Gericht über Satan, die alte Schlange, die seit dem Garten Eden uns allen bekannt ist, ausgeführt werden. Wir wissen, dass er, mit einer großen Kette gebunden, in den Abgrund geworfen wird, damit er während der tausend Jahre der ruhmreichen Herrschaft Christi die Völker nicht mehr verführen kann. Dies ist noch nicht der See von Feuer und Schwefel, in den er später geworfen wird, aber es ist schon ein erstes Gericht über ihn.

Aufs Neue finden wir hier den Weinberg und die Lieder über ihn. Aber es ist nicht mehr der Weinberg von Kapitel 5, der der Verantwortung des Menschen anvertraut ist und der nur wilde Trauben hervorgebracht hat. Es ist ein Weinberg reinen und feurigen Weines. Er ist nicht mehr in den Händen von schlechten Weinbauern; der Herr selbst behütet ihn. Er bewässert ihn, und seine Augen wachen Tag und Nacht über ihn. „In Zukunft wird Jakob Wurzel schlagen, Israel blühen und knospen; und sie werden mit Früchten füllen die Flächen des Erdkreises.“ Der Herr hatte ihn geschlagen, gezüchtigt, aber nicht getötet. Jetzt lebt er. Die Zeit der Götzen ist vorbei, die starke Stadt der Feinde ist verlassen, sie wurde vom Feuer verzehrt. Den Übeltätern wird keine Gnade erwiesen: Dies wird die gerechte Herrschaft unter dem Zepter des Sohnes Davids sein. Die Feinde der Treuen werden wie Dornen und Disteln sein, die da, wo sie sich befinden, vollständig mit Feuer verbrannt werden (2Sam 23,6.7). Es wird nur ein Mittel geben, um nicht vertilgt zu werden, und das ist, Frieden mit Christus zu schließen und sich Ihm zu unterwerfen. Das Lied endet mit einem Glaubensblick auf das ganze versammelte Israel. Die große Posaune erschallt, und man kommt von überall her, um sich vor dem Herrn auf seinem heiligen Berg in Jerusalem niederzuwerfen.

Welch glückliches Ende der Wege Gottes mit seinem Volk! Seine Ratschlüsse von alters her werden erfüllt werden. Sein Mund hat gesprochen!

Diese Dinge sind auch für uns geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben (Röm 15,4).

Dritter Abschnitt: Kapitel 28–35

Kapitel 28

Hier beginnt der dritte Abschnitt unseres Buches. Wie Kapitel 5 enthält dieser ganze Abschnitt sechs Wehe, die Wehen des Endes, die Zeit der Bedrängnis Jakobs, aus der der treue Überrest dann befreit werden wird.

Der erste Abschnitt ist in seinen großen Linien eine Prophezeiung gegen Israel, das Volk Gottes (Jes 1–12). Der zweite Abschnitt (Jes 13–27) enthält Aussprüche über die Nationen, die mit diesem Volk in Kontakt waren. Der dritte Abschnitt schließlich, den wir nun betrachten wollen, endet mit Kapitel 35. Dieses Kapitel offenbart uns die Ereignisse, die sich bald abspielen und zur Aufrichtung der Herrschaft Christi führen werden. Es ist also das, was am Ende geschehen wird. Wir können den Inhalt dieses dritten Abschnitts gewissermaßen mit den Worten „die Vollendung des Zeitalters“ zusammenfassen.

Die Kapitel 28 und 29, die eng miteinander verbunden sind, belehren uns über die beiden großen Sturmangriffe der Feinde Israels am Ende.

Weshalb muss das von Gott geliebte Volk so viele Schläge bekommen und von so vielen Gerichten heimgesucht werden? Dies ist eine sehr wichtige Frage, nicht nur für Israel, sondern auch für jeden von uns heute. Denn die Zucht ist uns gewiss nicht erspart worden, und die Schläge, mit denen wir geschlagen werden, vermehren sich. Der Grund dafür ist, dass Gott den Stolz derer, mit denen Er sich in Gnade beschäftigt, zerbrechen und alles Vertrauen auf das Fleisch in ihnen zerstören will. Es gibt nichts Schwierigeres als diese beiden giftigen Pflanzen, die uns die ganze Gemeinschaft mit Gott rauben und uns daran hindern, uns mit dem Brot des Himmels, der Person des Herrn Jesus selbst, zu nähren, aus unseren Herzen auszureißen.

Armes Ephraim, das stolz ist auf seine Vorrechte und auf das, was es vom Herrn zum Besitz empfangen hat! Es ist sein Hochmut, der ihm die richtige Kenntnis der Dinge raubt, eine wirkliche Betrunkenheit, die unendlich gefährlicher ist als jene, die durch alkoholische Getränke verursacht wird. Jene löst sich von selbst auf und dauert kurze Zeit, während der Hochmut nur durch die Schläge der Zucht Gottes ausgetrieben werden kann. Weil dieses abgestumpfte Volk nicht auf das Wort des Herrn hört, wird es von einem schrecklichen Gericht verschlungen werden. Der Assyrer wird wie ein Gewitter vorüberziehen und alles niederreißen. Er wird das Land und den törichten Stolz seiner Bewohner mit seinen Füßen zertreten. Warum? Weil der Herr die Krone des Ruhms und der Kranz seines Volkes sein wird, dieses Überrests, der auf sein Wort gehört hat.

In Jerusalem, dem Ort, wo der Herr seinen Namen hingesetzt hat, verhält man sich nicht besser und handelt nicht anders als die Betrunkenen Ephraims. Die Priester, die eingesetzt sind, um die Beziehungen des Volkes zu Gott aufrechtzuerhalten, und die Propheten, die dem Volk das Wort Gottes kundtun sollten, wanken und taumeln auch durch das, was ihnen – zu ihrer Schande und Beschämung – die Vernunft raubt. Dies ist geschehen, weil das Wort des Herrn bei ihnen keinen Eingang fand. Mit großer Geduld hatte Er sie belehrt wie Kinder, denen man Wort für Wort, Vorschrift auf Vorschrift, Gebot auf Gebot beibringt, um ihnen klarzumachen, wo sie Ruhe finden und was sie erfrischen könnte. Aber ach, sie wollten nicht hören. Die gerechte Folge davon ist, dass sie unter großen Schwierigkeiten die unverständliche Sprache ihres Feindes, wenn er in ihr Land eingefallen ist, lernen müssen. So wird ihr Unglaube gerichtet.

Aber in dieser unglücklichen Stadt Jerusalem befindet sich noch etwas anderes, was das Gericht auf die Menschen herabzieht: das, was man Spott nennt. Man handelt dort, wie wenn Gott nicht existierte. In seiner Torheit meint dieses unverständige Volk, die ihm drohenden Gerichte mit menschlichen Mitteln abwenden zu können. Es sieht, was sich im Land Ephraim abspielt, und mit dem Gedanken, „die überflutende Geißel“ aufzuhalten, macht es einen Bund mit dem römischen Tier und dem Antichristen, was hier ein Bund mit dem Tod genannt wird.

Die Bemerkung, dass es jegliche Vernunft und jedes Unterscheidungsvermögen verloren hat, ist hier wirklich berechtigt. Wie wäre es möglich, dass Falschheit und Lüge eine Zuflucht vor dem Gericht bieten könnten? Daher kann eine solche Verirrung ihnen nur Verwirrung, Gericht und Schrecken bringen. Sobald der Assyrer wie ein Wirbelsturm erscheint, verwüstet er Jerusalem, wie er es mit Ephraim gemacht hat. Dieses Gericht wird vonseiten Gottes ein befremdendes, außergewöhnliches, aber notwendiges Werk sein. Der Unglaube ist eine Torheit. Er setzt die, deren Herz davon erfüllt ist, schrecklichen Folgen aus.

Wenden wir unsere Blicke nun von diesem traurigen Schauplatz weg und richten wir sie auf das, was in Zion gegründet wurde, auf den bewährten Stein, den kostbaren Eckstein, die feste, unerschütterliche Stütze des Glaubens. Jene, die ihre Zuversicht auf ihn gesetzt haben, werden vor dem Gericht nicht fliehen müssen. Sie müssen vor dem Schwert der Feinde nicht ängstlich davoneilen. Es ist ein lebendiger Stein, verworfen von den Menschen, aber auserwählt und kostbar in den Augen Gottes. Für die Glaubenden hat er diesen Wert. Wüssten wir seinen Wert und seine Vollkommenheiten nur mehr zu schätzen und zu würdigen!

Lasst uns unser Ohr der Stimme der Weisheit leihen! Gott gibt sie dem Menschen, damit er weiß, wie er den Boden bebauen soll; Er unterweist ihn sogar in seiner Arbeit. Wüsste Er nicht, wie Er gegen sein Volk handeln sollte? Mit vollkommener Einsicht pflügt, eggt und schlägt Er es. Auch in diesem zeigt Er sich wunderbar in seinem Rat und groß an Verstand.

Kapitel 29

Dieses Kapitel beginnt wie das vorhergehende mit einem „Wehe“, aber diesmal nicht über Ephraim, sondern über Jerusalem, die Stadt, wo ein Größerer als David gewohnt und seinen Namen dahingesetzt hatte. Von Jahr zu Jahr beging man die feierlichen Feste zu seiner Ehre. Aber das Volk, das sich den Belehrungen Gottes verschloss und daher als Gericht von einem tiefen geistlichen Schlaf erfasst und zusätzlich durch seine Propheten und Vorsteher verwirrt wurde, begnügte sich mit äußerlichen Formen, während sein Herz weit vom Herrn entfernt war. Dieser wird es mit einem letzten Schlag heimsuchen.

Der furchtbare Feind aus dem Norden, der Assyrer, umzingelt Jerusalem und bedroht es mit gänzlicher Verwüstung, denn der Zorn Gottes gegen sein Volk hat sich noch nicht gelegt. Anscheinend ist alles verloren. Zutiefst erniedrigt, wird Jerusalem seine Stimme wie ein aus dem Staub emporsteigendes Flüstern hören lassen. Alle seine Hilfsquellen und sein ganzer Gottesdienst stellen sich als völlig unbrauchbar heraus, und der Tod scheint da zu sein. Es ist die letzte Bedrängnis.

Kapitel 30

Hier beginnt ein neues Thema. Der Heilige Geist blendet zurück, um den geistlichen Zustand des Volkes während der Ereignisse, mit denen wir uns bis jetzt beschäftigt haben, zu schildern. Wenn wir diese Zeilen lesen, verstehen wir besser, weshalb Israel durch eine lange und schmerzhafte, aber gerechte Züchtigung wird hindurchgehen müssen. „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen“, sagen die Seraphim in Kapitel 6 und bedecken dabei ihr Angesicht. Israel hatte auch dieses Wort vonseiten Gottes gehört: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (3Mo 11,45). Unglücklicherweise entsprach das Volk fast nie diesem Zustand, und der Prophet zeigt nun dessen ganze Torheit auf.

Die erste Sache, gegen die er prophezeit, sind die Bündnisse, die das Volk, um sich vor den auf sie lauernden Gefahren in Sicherheit zu bringen, unabhängig von Gott eingegangen ist. Eines dieser Bündnisse haben wir schon betrachtet (Jes 28,15). Es wurde ein „Bund mit dem Tod …, ein Vertrag mit dem Scheol“ genannt. Hier handelt es sich um ein anderes Bündnis. Das Volk sucht Hilfe in Ägypten, um sich unter den Schutz des Pharao zu stellen. Die Fürsten Israels ziehen in dieses Land der Bedrängnis hinab, wo die Macht Satans frei schaltet und waltet, und bringen ihre Schätze mit. Natürlich finden sie dort nichts als Beschämung; es kann gar nicht anders sein. Trotz all ihrer Entfaltung von Weisheit, Größe und Macht, ist die Welt nichts als Eitelkeit, die dem Glaubenden nichts gibt. Sie kann ihm im Gegenteil nur seine Schätze rauben und hinterlässt ihm nur Beschämung und Enttäuschung.

Leider sind die Söhne Israels nicht die Einzigen, die nach Ägypten hinabziehen, um dort Hilfe zu suchen. Wenn wir uns selbst prüfen, werden wir zu unserer Beschämung erkennen, dass wir für unsere Bedürfnisse und Nöte, anstatt allein auf Gott zu schauen, unsere Blicke oft auf die Welt und ihre Hilfsquellen richten. Häufig gebrauchen wir, anstatt ruhig und vertrauensvoll zu bleiben, für uns selbst solche Mittel, wie sie jene anwenden, die weder Gott noch seine Macht kennen und die es nicht mit der Weisheit und der Liebe eines zärtlichen und guten Vaters zu tun haben.

Der Prophet zeigt noch etwas anderes auf: die Auflehnung des Volkes, das nicht auf das Gesetz des Herrn hören will und sich weigert, den Heiligen Israels vor Augen zu haben. Es ist klar, dass die Söhne Israels dies nicht offen ausdrückten, aber sie sagten es sich in ihrem Innern; es war der tief in ihrem Herzen verborgene Gedanke.

Diese Haltung findet sich auch in der Christenheit, und zwar in den letzten Tagen, die wir nun erreicht haben: „Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden“ (2Tim 4,3.4).

In welcher Zeit und an welchem Ort das Herz des Menschen sich auch befindet, es ändert sich nicht. Wenn es in die gleichen Umstände kommt, bringt es dieselben Früchte hervor. Der Glaube und der Gehorsam dem Wort gegenüber sind der einzige Schutz vor den Gefahren einer solchen Verirrung. Wenn wir dieses Wort verwerfen, führt dies unabwendbar dazu, dass wir uns auf die Welt, wo nur Bedrückung und Armut herrschen, und auf ihre Hilfsquellen verlassen. Das Ergebnis davon wird über kurz oder lang der Zusammenbruch und eine gänzliche Zerstörung sein.

Die Gnade Gottes leuchtet auf allen Seiten der Schrift hervor. Es scheint, dass ihr Glanz umso heller strahlt, je dunkler und beängstigender die Umstände sind, in denen sie in Erscheinung tritt. Gott scheint zu seinem Volk zu sagen: Weshalb sich beunruhigen und bei Menschen Hilfe suchen, was doch nichts bringt, wenn ihr durch Umkehr und durch Stillsein und durch Ruhe gerettet werden könntet? „In Stillsein und in Vertrauen würde eure Stärke sein.“ Aber Israel hat dies nicht gewollt. Die Pferde Ägyptens scheinen ihnen ein besseres Mittel zu sein, ihren Gegnern zu entkommen, als die mächtige Hand des Herrn. Deshalb werden sie fliehen müssen, und wie! Vor dem Drohen eines Einzigen werden Tausend in die Flucht gejagt! Sie bleiben übrig wie eine Pinie auf einem Berg, wie ein Baum ohne Leben und ohne Äste auf einem erhöhten Ort, den alle Augen betrachten können, ein gut ersichtliches Panier, Zeugen der Folgen des Unglaubens.

In diesem Kapitel, wie fast in der ganzen Schrift, können wir drei wichtige Punkte erwägen, an die wir uns immer wieder erinnern sollten. Da sind zuerst die Eitelkeit und Bosheit der Welt; dann die Torheit des Volkes Gottes und schließlich die unwandelbare Treue Gottes gegen die Seinen. Der Herr übt Gnade aus gegen die, die auf Ihn vertrauen. Es kann sein, dass Er wartet, bevor Er zu ihren Gunsten eintritt, aber seine Handlungsweise wird umso wunderbarer sein. Wie glücklich sind jene, die sich auf Ihn verlassen!

Das Volk wird wiederhergestellt werden, und die Götzen werden weggeworfen sein. Das Glück, der Segen und die Herrlichkeit werden sein Teil sein. Die Frucht des Erdbodens, das Licht, die Wasser, alles wird ihnen vermehrt werden. Alle ihre Feinde werden dem Zorn und dem Unwillen des Herrn begegnen. In den letzten Versen wird uns eine kurze, aber erschreckende Beschreibung ihres Gerichts gegeben. Im Gegensatz dazu werden die Treuen „Gesang haben wie in der Nacht, da das Fest geweiht wird, und Freude des Herzens gleich denen, die unter Flötenspiel hinziehen, um zu kommen auf den Berg des Herrn, zum Felsen Israels“.

Auf der einen Seite finden wir Tamburin- und Lautenspiel, auf der anderen Seite tobende Kämpfe und einen Krieg, der die Feinde vernichtet. Alle Völker werden mit dem Gericht des Herrn zu tun haben. Zum Schluss finden wir Den, der König genannt wird. Es ist der unrechtmäßige Thronbesitzer, der falsche Messias Israels, der vom Teufel angestiftet wird. Er wird in seinem eigenen Namen kommen, und er wird tausend Jahre vor dem Verführer (Satan) in den See von Feuer und Schwefel geworfen werden, ein Thema, das in Offenbarung 19 und 20 behandelt wird. Welch elendes Ende des Menschen der Sünde! Diese Person wird bald auf dem Schauplatz dieser Welt erscheinen. Arme Welt, die von ihm regiert werden wird!

Kapitel 31

Dieses Kapitel ist wie eine kurze Zusammenfassung des vorhergehenden. Wieder spricht Gott über die, die nach Ägypten hinabziehen, ein „Wehe“ aus. Er wiederholt zweimal dasselbe, um uns die Wichtigkeit dessen, was Er soeben gesagt hat, klarzumachen. Wie töricht sind jene, die sich auf die Pferde Ägyptens stützen und ihr Vertrauen auf seine Wagen setzen, weil es viele gibt, und auf seine Reiter, weil sie zahlreich sind.

Diese Worte müssten heute mit großen Buchstaben auf allen Straßen unserer Städte angeschrieben und in die Herzen aller Menschen eingraviert werden. Leider hört man in der Christenheit nicht besser auf das Wort Gottes als damals in Israel. Die einen wie die andern werden zu ihrem eigenen Schaden lernen müssen, dass dieses Wort die Wahrheit ist. Was sind Menschen und Pferde, wenn der Herr seine Hand ausstreckt? Der, welcher hilft, und jene, die Hilfe suchen, fallen und kommen zusammen um vor Ihm. Gewiss wird Er kommen, um Jerusalem zu befreien. Wie der junge Löwe, der auch vor einer Schar Hirten, die sich gegen ihn versammelt hat, seine Beute nicht loslässt, so wird Er für seine geliebte Stadt kämpfen und sie befreien. Er wird sie beschirmen, wie Vögel ihre Flügel ausbreiten. Der große Feind seines Volkes wird schmählich vor Ihm fallen. Endlich wird Er sein Reich aufrichten und die Verheißungen, die Er den Vätern vor langer Zeit gegeben hat, erfüllen.

Kapitel 32

Nun sind die Gerichte beendet und alle Feinde vernichtet und vertilgt. Die lange Züchtigung, der das Volk Gottes unterworfen war, hat ihre Früchte getragen: Es ist zerschlagen, gedemütigt und setzt sein Vertrauen nicht mehr auf Menschen. Das Kommen seines Messias hat es überglücklich gemacht. Der König regiert in Gerechtigkeit, alles ist verändert, in Ordnung gebracht worden, und der Segen erstreckt sich bis weit in die Ferne und erreicht sogar die Nationen.

Es bereitet uns große Freude, diese glückliche Veränderung festzustellen, die der König, der jetzt noch in den Himmeln verborgen ist, bringen wird. Bald wird Er sich auf den Thron Davids setzen. Wir können uns auch am Gedanken freuen, dass der Augenblick seines Kommens in Herrlichkeit nahe ist. Und wie kostbar ist es für unsere Herzen, die vielfältigen Herrlichkeiten seiner Person zu betrachten, während wir auf Ihn warten! Dieses Kapitel ist voll solcher Herrlichkeiten. Wir werden einige davon erwähnen und dem Leser die Freude lassen, sie unter der Leitung des Heiligen Geistes zu erforschen. Er ist es ja, der von den Dingen des Herrn nimmt und sie unseren Seelen mitteilt.

Zuerst finden wir, dass es der König ist, der in Gerechtigkeit regiert. Es ist der einzige König, der durch Gerechtigkeit gekennzeichnet wird. Durch Gottes Gnade gab es treue Könige, die gerecht und rechtschaffen waren. Dennoch konnten ihnen manche Schwächen vorgeworfen werden. Nehmen wir zum Beispiel König David. Er war bestimmt ein Herrscher nach dem Herzen Gottes, und wenn von der Treue eines seiner Nachfolger gesprochen wird, heißt es, dass „er in den Wegen seines Vaters David wandelte“. Trotzdem war dieser, dem Gott selbst ein solch schönes Zeugnis ausstellt, mehr als einmal ungerecht. Aber der König, von dem der erste Vers unseres Kapitels handelt, versetzt uns in Erstaunen: Er regiert in Gerechtigkeit. Er wird unserer armen Menschheit, die unter der Sklaverei eines harten und grausamen Meisters seufzt, die Gerechtigkeit bringen, nach der heute alle Menschen verlangen. Wir können gut mit dem Psalmisten sagen: „Eile, zögere nicht!“ Möchten wir alle solche sein, die seine Erscheinung lieben!

Dieser herrliche König ist von Edlen und Fürsten umgeben. Sie nehmen einen Ehrenplatz in seinem Reich ein. Wer sind diese Personen? Fürsten sind nach der Schrift solche, die Siege errungen haben; Edle sind solche, die sein Wort gehört, bewahrt und verwirklicht haben. Sie halten die Rechte des Königs während der Zeit seiner Abwesenheit aufrecht. Nachdem sie mit Ihm gelitten haben, werden sie bald mit Ihm herrschen. Was für Ehrentitel und welch eine beneidenswerte Stellung! Sie können das Teil des einfachsten Gläubigen sein. Wenn wir solche Dinge mehr schätzen könnten, würden wir uns eifriger um die Erlangung dieser Ehrentitel bemühen.

Setzen wir unsere Untersuchung fort. Er ist ein Mann, aber was für ein Mann! „Ein Bergungsort vor dem Wind und ein Schutz vor dem Regensturm.“ Ist nicht Er allein fähig, uns inmitten der entfesselten Elemente in Sicherheit zu setzen, und zwar in vollkommener Weise?

Er ist Derselbe, der im Schiff auf einem sturmgepeitschten See schlief, dann aufstand und den Winden und dem Wasser gebot, und siehe, es trat eine große Stille ein. Wie glücklich sind jene, die Ihn kennen und sich in den stürmischen Tagen, durch die wir gehen, unter seiner mächtigen Hand befinden. Die Mühe, sich ganz nah bei Ihm zu halten, lohnt sich.

Die Schönheiten seiner Person sind unendlich. Er ist „wie Wasserbäche in dürrer Gegend“. Als Er in tiefster Erniedrigung war, sagte Er: „Wenn jemand dürstet, so komme er zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7,37.38). Weiter sagte Er auch: „Wer irgend aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit; sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm eine Quelle Wassers werden, das ins ewige Leben quillt“ (Joh 4,14). Er ist die übersprudelnde Quelle, der Strom des Lebens von heilsamen Wassern.

Nicht nur als Er sich auf der Erde befand, war Er die Quelle von Wassern, nein, Er wird auch in der Ewigkeit alle, die an Ihn geglaubt haben, erquicken. Er ist „wie der Schatten eines gewaltigen Felsens in lechzendem Land“. Schon hier können wir süße Ruhe in seinem Schatten finden und sie in seiner Nähe genießen. Bald werden wir seine Herrlichkeit schauen, unsere Augen werden Ihn betrachten, unsere Ohren werden die unaussprechlichen Worte hören, die aus seinem Mund hervorgehen. Wenn wir durch Ihn Verständnis erlangt haben und unsere Zunge nicht mehr stammelt, sondern deutliche Worte spricht, wie vieles werden wir Ihm dann zu sagen haben, und für wie vieles werden wir Ihn loben! Wir werden dies vollkommen ausdrücken können, denn dann werden wir erkennen, wie wir erkannt worden sind.

Dieser König der Gerechtigkeit wird alles an seinen richtigen Platz stellen. Die gemeinen Menschen, die Arglistigen, die Ruchlosen, die Frauen, die an Eitelkeiten Gefallen finden, und die Erde selbst, sie alle werden mit seiner Regierung, der niemand entkommen kann, zu tun haben. Das wird der König sein, der in Gerechtigkeit regiert. So werden die Segnungen des Tausendjährigen Reichs und die Freude überall sein. Aussaat und Ernte wird es an allen Orten auf dieser Erde des Friedens und des Glücks geben.

Kapitel 33

Wenn der Herr erscheint, um seine Herrschaft aufzurichten, wird durch den Akt seines Kommens nicht alles sofort in Ordnung gebracht werden, und es werden auch nicht alle seine Feinde in einem Augenblick vernichtet werden. Ganz im Gegenteil, Er wird nach und nach alle Feinde Israels niederwerfen. Das Tier und der falsche Prophet werden bei seinem Kommen vernichtet werden, aber es gibt andere Völker, die sein Gericht werden erdulden müssen. Mehrere unter ihnen werden durch die Treuen des Überrests aus Israel ausgerottet werden, wenn Er in ihren Mund Lobpreisungen Gottes und in ihre Hand ein zweischneidiges Schwert gelegt hat, „um Rache auszuüben an den Nationen, Bestrafungen an den Völkerschaften; ihre Könige zu binden mit Ketten, und ihre Edlen mit eisernen Fesseln; an ihnen auszuüben das geschriebene Gericht“ (Ps 149,6-9). Die Feinde werden also schrittweise vor ihnen niedergeschlagen. Dies hilft uns, den Anfang von Kapitel 33 sowie andere prophetische Stellen zu verstehen.

In den ersten Versen wird uns ein schrecklicher, noch nicht vernichteter Feind vorgestellt. Sein Name wird nicht erwähnt, aber wir können hier gewiss Gog sehen, den uns der Prophet Hesekiel schildert (Hes 38 und 39). An jenem Tag, wenn das Volk in seinem wiederhergestellten Land in Sicherheit wohnen wird, werden böse Gedanken im Herzen dieses Feindes aufsteigen. Er wird sagen: „Ich will hinaufziehen in das Land der offenen Städte, will über die kommen, welche in Ruhe sind, in Sicherheit wohnen, die allesamt ohne Mauern wohnen und Riegel und Tore nicht haben: um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten.“

Er glaubt, dass er die Reichtümer des Volkes Gottes an sich reißen, Silber und Gold, Vieh und Güter wegschaffen und eine große Beute davontragen kann. Er ahnt nicht, dass seine Habgier, sein Unglaube und seine Torheit ihn in das Land Israel führen werden, um selbst seine eigenen Reichtümer dorthin zu bringen und dort vernichtet zu werden. Er gedachte, große Beute zu machen, und nun ist er es, der beraubt wird. An jenem Tag wird sich der Zorn Gottes gegen ihn richten, und dieser unglückliche Feind wird auf den Bergen Israels vernichtet werden. Während sieben Monaten werden die Söhne Israels die Leichen dieser Heere begraben, und während sieben Jahren werden sie ihre Waffen verbrennen (Hes 38,11.12; 39,9.12).

Beim Anblick dieser unzählbaren Kriegsheere wird das Volk verständlicherweise in Bedrängnis geraten. „Sei uns gnädig, auf dich harren wir“, sagen sie aus tiefstem Herzen. Ihre Not wird umso größer sein, als sie schon in den Genuss des Segens gekommen sein werden und dieser ihnen in jenem Augenblick zu entgleiten droht. Die Helden schreien draußen, die Friedensboten weinen, die Straßen sind verlassen, das Land trauert und schmachtet. Der Feind hat vergessen, dass der Herr da ist. Dennoch weiß er, dass andere Feinde des Volkes schon vernichtet worden sind. Auch das Volk Israel steht in Gefahr, die Gegenwart des Herrn zu vergessen. Anstatt zu Ihm aufzuschauen, überprüft es die Hilfsquellen, die sich in seiner Hand befinden: Die Schreiber tragen die Kriegsheere ein, die Wäger errechnen das verfügbare Silber und Gold, der Zähler zählt die Türme der Stadt, die zur Verteidigung gebraucht werden können. Weshalb denn diese ganze Aktivität und diese Furcht? Die Feinde werden vom Herrn selbst vernichtet, und man wird sie nicht wieder sehen.

Wenn sich das Volk in der äußersten Not befindet, zeigt sich der Herr in seiner Macht. Er braucht weder Armeen noch Silber noch Mauern noch Türme, um sein Volk und die Stadt, wohin Er seinen Namen gesetzt hat und wo Er den Thron seiner Herrlichkeit aufrichtet, zu befreien.

Wir finden hier drei Personengruppen, deren moralischer Zustand hervorgehoben wird:

  1. die ungläubigen Feinde, die vernichtet sind;
  2. die ruchlosen Sünder, die noch in Zion und in Bedrängnis sind;
  3. die Treuen, die in Gerechtigkeit wandeln und befreit werden. Diese werden den König in seiner Schönheit sehen. Welche Freude für ihre Herzen!

Der Schluss dieses Kapitels gibt uns in wenigen Worten eine Beschreibung der Segnung, die in Zion, der Stadt der Festversammlungen des Volkes, während der Regierung der Gerechtigkeit und des Friedens sein wird. Es wird für immer eine ruhige Wohnstätte sein. Der Herr wird dort herrlich und das Alles seines Volkes sein: sein Gesetzgeber, sein Richter, sein König, sein Erretter. An jenem Tag werden die glücklichen Bewohner Jerusalems den Raub der großen Beute, den ihre Feinde mitgebracht haben, unter sich teilen. Krankheit wird es nicht mehr geben. Glückliches Volk, dem die Schuld vergeben ist! Es ist gesegnet, lebt in Frieden unter dem ruhmreichen Zepter des Messias. Also werden die dem Abraham und David gemachten Verheißungen erfüllt, und der Herr wird in seinem Volk verherrlicht werden.

Kapitel 34

In den prophetischen Schriften geschieht es oft, dass der Heilige Geist den Lauf des behandelten Gegenstands unterbricht, um zurückzugehen und uns ergänzende Angaben über etwas zu machen, was Er uns schon gezeigt hat, vor allem, wenn es sich um ein wichtiges Ereignis handelt. Dies ist im vorliegenden Kapitel der Fall. Wir haben bereits das Gericht über alle Nationen gesehen, aber unter ihnen befindet sich ein Volk, das eine spezielle Erwähnung verdient: das Volk Esaus, des Bruders Jakobs, das Edom genannt wird. Sein Name erinnert daran, dass er ein Unheiliger war, denn als Folge seines Handels mit Jakob, als er diesem für ein Linsengericht sein Erstgeburtsrecht verkaufte, wurde er Edom genannt, was „rot“ bedeutet (1Mo 25,30). Für ihn hatte dieses Linsengericht mehr Wert als die göttlichen Verheißungen. Auch in seinem weiteren Leben änderte er seine Geringschätzung den Dingen des Glaubens gegenüber nicht. Wir werden hier nicht auf diese Einzelheiten eintreten.

Edom war also ein Unheiliger, und seine Nachkommenschaft wurde einer der erbittertsten Feinde des Volkes Israel. Der Prophet Obadja zeichnet ein düsteres Bild der Bosheit Edoms in Bezug auf seinen Bruder Jakob. Und er kündet auch das Gericht an, das ihn wegen dieser Bosheit erreichen wird: „Wegen der an deinem Bruder Jakob verübten Gewalttat wird Schande dich bedecken, und du wirst ausgerottet werden auf ewig … Und du solltest nicht auf den Tag deines Bruders sehen am Tag seines Missgeschicks und dich nicht freuen über die Kinder Juda am Tag ihres Untergangs, noch dein Maul aufsperren am Tag der Bedrängnis; du solltest nicht in das Tor meines Volkes einziehen am Tag seiner Not und du, auch du, nicht auf sein Unglück sehen am Tag seiner Not, noch deine Hand ausstrecken nach seinem Vermögen am Tag seiner Not; und du solltest nicht am Kreuzweg stehen, um seine Flüchtlinge zu vertilgen, und solltest seine Entronnenen nicht ausliefern am Tag der Bedrängnis“ (Obad 10.12-14).

Als Folge dieser Feindschaft wird von den Nachkommen Esaus am Ende nichts übrigbleiben. In Psalm 83 finden wir Edom an der Spitze der gegen das Volk Gottes verbündeten Nationen. Doch anstatt es zu vernichten, wie sie es sich vorgenommen hatten, werden sie „wie die Spreu im Wind“ sein, sie werden vom Sturm verfolgt und vom Orkan erschreckt werden. Von diesem Gericht handelt das Kapitel, mit dem wir uns jetzt beschäftigen: der Tag der Rache des Herrn. Sein Schwert wird vom Blut seiner Feinde trunken sein. Dieses Blutbad wird im Land Edom stattfinden: „Edoms Bäche verwandeln sich in Pech, und sein Staub in Schwefel, und sein Land wird zu brennendem Pech. Tag und Nacht erlischt es nicht, ewiglich steigt sein Rauch empor. Von Geschlecht zu Geschlecht liegt es verödet.“ Die hier verwendeten Bilder sind furchtbar und zeigen uns den Schrecken des Gerichts, das über dieses unglückliche Volk, diesen Feind Gottes und der Seinen, kommen wird.

Kapitel 35

Die Kapitel 34 und 35 stehen im Gegensatz zueinander. Das erstere teilt uns das Los Edoms mit, das letztere das Los Jakobs.

Edom verachtete die göttlichen Verheißungen und zog sofortige Vorteile den ewigen Segnungen vor. Er hatte Erfolg in der Welt; seine Söhne wurden dort zu Fürsten (1Mo 36). Dies waren große Männer, bevor es einen König in Israel gab oder, anders ausgedrückt, bevor Christus regieren wird. Im Gegensatz dazu klammerte sich Jakob, trotz all seiner Fehler, an die Verheißungen des Herrn und an das Land, das Er Abraham und seinem Samen zum Erbteil gegeben hatte. Während Edom und seine Nachkommen auf dem Gebirge Seir groß und mächtig wurden, befand sich Jakob unter der Zucht Gottes in Schmerz und Verachtung.

Nun haben sich die Rollen vertauscht. Das Gericht hat Edom erreicht, und der Segen ist über Jakob gekommen. Die langmütige Geduld des Herrn gegenüber Esau hat überhaupt kein Ergebnis gezeigt, sein Herz hat sich nicht geändert. Daher können wir verstehen, dass der letzte der Propheten des Alten Testaments sein Buch mit den Worten beginnt: „Esau aber habe ich gehasst.“ War er während der langen Jahrhunderte, in denen er ertragen wurde, nicht hassenswürdig geworden?

Im Gegensatz dazu hat die Zucht, der Jakob unterworfen war, ihre Früchte getragen. Der Glaube wurde durch die Erprobung geläutert. Endlich kann dieses Volk, zerschlagen, verwundet und ohne jegliches Vertrauen in sich selbst, die völlige Erfüllung aller Verheißungen genießen, indem es sich allein auf die göttliche Gnade und das göttliche Erbarmen stützt. Dann wird es in die seit so langem erwartete Segnung eintreten, in dem gleichen Augenblick, da das Gericht Edom erreichen wird. Diese Segnung ist das Thema von Kapitel 35.

So schließt der dritte große Abschnitt unseres Buches. Wir werden nicht auf die uns hier gegebenen Einzelheiten eintreten, denn dies sind nicht die Segnungen, die wir erwarten. Die unseren sind geistlicher Art und befinden sich in den himmlischen Örtern, während jene von Israel materiell und irdisch sind.

Es wird dann eine moralische Veränderung im Herzen des Volkes und auf der Erde geben, sogar an den vom Land Israel am weitesten entfernten Orten. Es wird ein allumfassender Segen sein. Der Gott Jakobs wird in seiner Herrlichkeit erscheinen; überall werden Jubel und Freude herrschen. Alle Folgen der Sünde werden von der Erde verschwinden. Er, der sich einst erniedrigt und in Demut hier gelebt, aber seine Macht zur Befreiung all derer offenbart hat, die vom Teufel geknechtet waren, wird wiederkommen. An jenem Tag wird Er diese Macht in einer weit ausgedehnteren Weise entfalten. Von neuem wird Er die Augen der Blinden und die Ohren der Tauben öffnen, und die Lahmen werden springen wie Hirsche. In der Wüste werden Wasserströme hervorsprudeln. Die Gnade wird sich auf alle Orte ergießen. Die Erlösten werden nicht mehr wie jetzt auf einem eingeengten und von Gefahren umgebenen Weg wandeln. Auf einer breiten Straße werden sie alle zusammen nach Zion ziehen, demselben Weg folgend, um sich mit Jubel vor dem Herrn niederzuwerfen: „Ewige Freude wird über ihrem Haupt sein; sie werden Wonne und Freude erlangen, und Kummer und Seufzen werden entfliehen.“

Wer fasst, o Heiland, jetzt die Pracht,
die deinen Tag einst herrlich macht?
Wie groß wirst Du Dich zeigen,
wenn Du auf lichten Wolken einst
mit der Erlösten Schar erscheinst,
und alle Knie sich beugen!
Dann sieht die Welt die Majestät,
zu der Dich Gott, dein Gott, erhöht.

Herr, wann wird dies sein? 

Vierter Abschnitt: Kapitel 36–39

Kapitel 36

Die Kapitel 36–39 bilden ein geschichtliches Zwischenspiel, das in die Prophezeiungen Jesajas eingefügt ist. Neben der wichtigen praktischen Bedeutung haben die geschilderten Ereignisse auch einen ausgeprägten sinnbildlichen Charakter. Die Bücher der Könige und Chronika berichten die Ereignisse, die sich unter der Herrschaft des gottesfürchtigen Königs Hiskia abgespielt haben; der Prophet erwähnt sie hier nochmals. Dass Gott sich die Mühe nimmt, uns dreimal über das Gleiche zu informieren, zeigt uns die ganze Wichtigkeit der Sache. Unter anderem möchte Er uns seine Macht zugunsten derer erkennen lassen, die ihr Elend und ihre Unfähigkeit, vor ihren Feinden zu bestehen, fühlen und deshalb zu Ihm schreien und sich Ihm anvertrauen. Er prüft ihren Glauben, aber Er ist ihre Erlösung; eine Erlösung, die deshalb so geschätzt wird, weil jene, die sie erfahren, ihre Abhängigkeit von Gott so völlig und ganz gefühlt haben. Er ist es, der die Seinen von allen ihren Feinden, sogar vom „König der Schrecken“ befreit (Hiob 18,14).

In sinnbildlicher Hinsicht finden wir in dieser Schilderung sowohl ein Bild der Vernichtung des Assyrers der letzten Tage als auch des Todes und der Auferstehung des Sohnes Davids und schließlich der Übungen, die sich bald im Herzen Israels abspielen werden, wenn es zu neuem Leben erweckt wird und ihm alle seine Sünden vergeben werden.

Hiskia war ein treuer König, und dies vom Beginn seiner Herrschaft an. Er zeigte durch sein Handeln, dass er die Ehre Gottes am Herzen hatte. Im ersten Monat des ersten Jahres seiner Regierung öffnete er die Türen des Hauses Gottes und ließ sie wieder instand stellen. Dies ist die erste Tat, die uns von ihm in 2. Chronika 29,2.3 berichtet wird.

Aber hier sehen wir plötzlich seinen Glauben einer harten Prüfung unterworfen. Sanherib, der König der Assyrer, zieht herauf, nimmt die befestigten Städte Judas ein und entsendet ein großes Heer gegen Jerusalem. Der Rabsake, der den Oberbefehl hat, hält sich an der Wasserleitung des oberen Teiches, an der Straße des Walkerfeldes auf, an einem Ort, der den Lesern des Buches Jesaja gut bekannt ist. Hier hatte sich der Prophet mit seinem Sohn Schear-Jaschub aufgehalten und dem gottlosen König Ahas Worte voller Gnade mitgeteilt: „Hüte dich und halte dich ruhig; fürchte dich nicht, und dein Herz verzage nicht!“ Dennoch hatten weder er noch das Volk dem durch den Mund des Propheten gesprochenen Wort des Herrn geglaubt.

Der Feind kommt also an diesen selben Ort, um mit seinem Heer dort zu lagern und Gott und seinen frommen König zu beleidigen. Werden die Worte des Friedens, die früher durch den Propheten zum untreuen König gesprochen wurden, auch an seinen rechtschaffenen Sohn gerichtet? Die Diener des Königs hielten es für besser, dass das Volk die frechen Worte des Rabsake nicht höre; aber sie vergaßen, dass der Herr selbst sie in seiner heiligen Wohnung hörte. Wenn sie selbst nichts zu entgegnen wussten, übernahm es der Herr, sowohl dem unverschämten Frechling, der Ihn verachtete, als auch seinem treuen Knecht Hiskia eine Ihm würdige Antwort zu geben. Wir sehen hier die Weisheit des Königs. Er gebietet und sagt: „Ihr sollt ihm nicht antworten.“ Er überlässt es dem Herrn, dies zu tun.

Kapitel 37

Wenn der Rabsake schon keine Ahnung hatte, dass der Herr selbst seine Worte hörte, so wusste er ebenfalls nicht, dass der von ihm verhöhnte Gott ein Haus in Jerusalem stehen hatte, in der Stadt, die er mit seinem Heer belagerte. Hiskia dagegen kannte dieses Haus gut; es nahm einen großen Platz im Leben dieses gottesfürchtigen Königs ein. Jene, die den Herrn lieben, lieben auch den Ort, wo seine Herrlichkeit wohnt. Sie wissen, dass sie am Tag der Bedrängnis dort einen sicheren Schutz finden. Hiskia hätte mit dem Psalmisten, der gewünscht hatte, alle Tage seines Lebens in diesem Haus zu wohnen, sagen können: „Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Übels, er wird mich verbergen in dem Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen. Und nun wird mein Haupt erhöht sein über seine Feinde rings um mich her; und Opfer des Jubelschalls will ich opfern in seinem Zelt, ich will singen und Psalmen singen dem Ewigen“ (Ps 27,5.6).

Hiskia kannte Den, der in diesem Heiligtum wohnte, und flüchtet sich in seiner Not, mit Kleidern der Trauer bekleidet, zu Ihm. Hier an diesem Ort breitet er den Brief des Feindes aus. Er kennt auch den Wert des Gebets: Er sendet zum Propheten, um ihn zu bitten, ein Gebet für den Überrest in Jerusalem zu erheben. Sein Glaube wird durch das Wort des Herrn gestärkt, noch bevor dieser zur Befreiung einschreitet. Mit dem Glauben ist es immer so. Hiskia und seine Getreuen können über ihre Feinde spotten, sie verachten und den Kopf gegen sie schütteln. Sie sehen ihre Vernichtung, bevor sie tatsächlich stattfindet. Hiskia hat überhaupt nicht nötig, Heere und Mittel zur Verteidigung zu rüsten, denn der Kampf ist nicht seine Sache. Sein Haupt ist schon über seine Feinde erhoben, auch wenn sie zahlreich und mächtig sind.

Der Herr greift ein: Er vernichtet einen großen Teil von ihnen in einer einzigen Nacht und zwingt jene, die übrigbleiben, zu einem schmachvollen Rückzug. Sanherib kehrt geschlagen und gedemütigt nach Ninive zurück, um dort durch die Hand derer, die er gezeugt hatte, schmählich zu sterben, und dies sogar im Haus seines Gottes, der ihm überhaupt keine Hilfe gewesen war, ganz im Gegensatz zum Gott Hiskias. Dieser hatte im Haus des Herrn Befreiung und Trost gefunden, während Sanherib in der Wohnstatt seines Gottes nur Schmach und den Tod erfuhr.

Aus prophetischer Sicht gesehen haben wir hier ein Bild dessen, was am Ende der Zeiten stattfinden wird, wenn der große Feind des Volkes Gottes vor den Mauern Jerusalems durch die Hand des Herrn vernichtet werden wird. Für uns sind diese Seiten voll Ermunterung und voll wichtiger Belehrungen. Möchten wir doch Nutzen daraus ziehen!

Kapitel 38

Die beiden vorhergehenden Kapitel zeigen uns Hiskia, wie er mit dem König von Assyrien zu tun hatte. In diesem hier befindet er sich vor „dem König der Schrecken“.

Im einen wie im andern Fall wendet er sich zum Herrn, und jedes Mal wird er durch die mächtige Hand Gottes errettet. Der Vorhang des Tempels war noch nicht durch das Erlösungswerk am Kreuz zerrissen worden. Der Sohn des Menschen war noch nicht als Sieger dem Grab entstiegen, und alle Menschen, auch die treusten, waren während ihres ganzen Lebens durch Todesfurcht der Knechtschaft unterworfen. Sie konnten noch nicht in den Triumphruf des Glaubens einstimmen: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Zweifellos besaßen diese gottesfürchtigen Menschen Leben aus Gott, und sie werden auferstehen, wie es uns das Grabmal von Machpela deutlich verkündet. Aber das Jenseits war für sie ein unbekannter Ort voll Finsternis. Es war ein zum Tod verurteilter Räuber, der als Erster erfuhr, dass er am gleichen Tag, an dem seine Seele und sein Geist sich von seinem Körper trennten, im Paradies Gottes sein würde, eine Wahrheit, die heute allen bekannt ist.

Hiskia war treu gewesen und dachte, dass er durch das Verlassen des Landes der Lebendigen einen Verlust erleiden würde. Für ihn war der Tod noch „der König der Schrecken“. In dieser Lage wandte er sich an Gott, der ihn daraus befreite, und nun konnte er in das Haus des Herrn hinaufgehen, wie er es sich gewünscht hatte (Jes 38,22). Einen solch hohen Wert besaß dieses Haus für ihn! Hier konnte sein dankbares Herz alle Saiten seiner Harfe im Gleichklang zum Schwingen bringen.

Aber diese ganze Begebenheit kann noch unter einem andern Gesichtspunkt betrachtet werden. Christus, der Sohn Davids, der als Einziger treu gewesen war, musste sterben. Sehen wir hier nicht die Strahlen der Herrlichkeit unseres Herrn, der mit starkem Geschrei und Tränen zu Dem gebetet und gefleht hat, der Ihn aus dem Tod erretten konnte, und der wegen seiner Frömmigkeit erhört worden ist? „Erforscht die Schriften“, hat Er gesagt, „sie sind es, die von mir zeugen.“ Für jede gottesfürchtige Seele findet sich hier ein gewaltiges Thema der Andacht und des Nachsinnens.

Schließlich haben wir hier zweifellos auch ein Bild der Übungen, durch die der treue Überrest am Ende der Zeit hindurchgehen muss. Bevor er den Segen genießen kann, muss er in seiner Seele das ganze Gewicht des Todes als die unvermeidliche Folge eines übertretenen Gesetzes und den Lohn der Sünde fühlen. Er wird vor seiner Befreiung den ganzen Schrecken davon erfahren müssen und dann verstehen, dass der Sohn Davids, sein Messias, in Gnade gekommen ist, um die Folgen der Übertretungen seines Volkes zu erleiden und selbst die Strafe dafür zu tragen. Dieser Überrest wird die Vergebung des Herrn, der alle ihre Sünden hinter seinen Rücken geworfen hat, um seinen Erlösten das Leben zurückzugeben, ergreifen. Er wird auch verstehen, dass sie nicht in den Scheol hinabfahren werden. Dann werden sie den Herrn in seinem Tempel mit Saiteninstrumenten loben.

Haben die Gläubigen, die heute leben, nicht ähnliche Herzensübungen durchmachen müssen, um Loblieder gleichen Inhalts singen zu können?

Kapitel 39

Hier kommt Hiskia mit einem dritten König, dem König von Babel, in Berührung. Jener kommt nicht wie ein Feind, sondern wie ein Freund, mit einem Geschenk und einem Brief. Hiskia freut sich darüber, aber diesmal geht er mit dem Brief nicht in das Haus des Herrn hinauf und breitet ihn auch nicht vor Ihm aus. Er, der angesichts des Königs von Assyrien und sogar des Todes siegreich gewesen war, unterliegt nun dem König von Babel. Er verlässt die herrliche Stellung, die er bis dahin eingenommen hat, und steigt auf die Ebene derer hinab, die ihr Teil an den Dingen dieser Welt haben. Er zeigt den Gesandten sein Zeughaus, ein Zeughaus, das ihm angesichts seiner Feinde überhaupt nichts genützt hatte, und lässt sie auch seine Schätze sehen, Schätze, an denen er sich nicht lange erfreuen sollte.

Weshalb hat er ihnen nicht den Sonnenzeiger von Ahas gezeigt und ihnen von den 185.000 Assyrern, die vor den Mauern Jerusalems geschlagen worden waren, erzählt? Und weshalb hat er nicht vom mächtigen Gott, der in seinem Haus in Jerusalem wohnte, gesprochen? Die Schmeicheleien eines fremden Königs ließen ihn die Abhängigkeit vom Herrn vergessen. Und der Herr hat ihn für einen Augenblick verlassen, damit er das, was in seinem Herzen war, erkennen lernte. Wenn die Welt wie ein Freund kommt, ist sie gefährlicher, als wenn sie mit all ihren Kriegsheeren erscheint. Möchten wir uns stets daran erinnern! Als er vom Propheten ermahnt wird, anerkennt Hiskia, dass das Wort des Herrn gut ist. Der Friede und die Wahrheit sind wertvollere Schätze als alle Güter, die zur Wegführung nach Babel bestimmt waren.

Fünfter Abschnitt: Kapitel 40–48

Kapitel 40

Mit Kapitel 40 beginnt ein neues Thema. Bis jetzt haben wir, wie wir es nennen könnten, den geschichtlichen Teil der Prophezeiungen Jesajas betrachtet. Es sind Ereignisse, die schon eingetreten sind oder die sich am Ende der Zeiten ereignen werden. Nun werden wir mehr die moralische und innere Seite der Prophetie betrachten.

Es geht nicht mehr um die regierungsmäßigen Wege Gottes mit dem Volk, sondern um sein Werk in den Herzen.

Jedem Menschen, der die prophetischen Schriften mit einiger Aufmerksamkeit liest, stellen sich zwei hauptsächliche Fragen: Warum alle diese Dinge, weshalb alle diese Ereignisse, diese Prüfungen und diese Züchtigungen? Was wird das Endergebnis davon sein?

Der zweite Teil des Buches wird uns die Antwort darauf geben.

Gott führt zwei große Auseinandersetzungen mit seinem Volk. Die erste hat das Verlassen des Herrn, um den Götzen zu dienen, zum Thema (was in den Kapiteln 40 bis 48 behandelt wird). In der zweiten geht es um die Verwerfung des Messias, den das Volk durch die Hand ruchloser Menschen getötet hat (Kapitel 49 bis 57). Diese zwei Abschnitte enden jeweils mit der ernsten Erklärung: „Kein Friede den Gesetzlosen.“ Schließlich haben wir in den Kapiteln 58 bis 66 die Endergebnisse aller Wege Gottes mit seinem Volk. Sie entsprechen seiner Würde.

Kapitel 40 beginnt daher, wie bereits erwähnt, mit der gerichtlichen Verhandlung des Herrn mit seinem Volk wegen der Übertretung des ersten Gebots seines Gesetzes: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ (2Mo 20,3). Das Land war voller Götzen. Wird Gott den Fluch, den Er durch das Gesetz ausgesprochen hat, gegen sein schuldiges Volk ausführen? Die Heiligkeit des Herrn erlaubt es Ihm nicht, leichtfertig über die Sünde hinwegzugehen. Er muss sein Volk das ganze Gewicht und den ganzen Schrecken seiner Heiligkeit fühlen lassen. Er wird dies durch das Mittel seiner Züchtigung erreichen. Aber welch wunderbare Gnade: Bevor irgendetwas geschieht, möchte dieser Gott, der so schwer beleidigt worden ist, zum Herzen seines Volkes reden. In den ersten Worten seiner Anklagerede sagt Er ihm, dass seine Ungerechtigkeit vergeben ist und dass Er es trösten will.

Der Beginn des Kapitels ist voller „Ausrufe“, denn es sind wichtige Dinge darin enthalten, die weithin gehört werden müssen, Dinge, aus denen alle Nutzen ziehen sollten. Zuerst ruft Er: „Tröstet, tröstet mein Volk.“ Dies wird gewiss am Ende der Fall sein. Kostbare Ermunterung für die Treuen, selbst wenn sie durch die Prüfung hindurchgehen müssen. Dann ruft eine Stimme in der Wüste: „Bahnt den Weg des Herrn, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott“, denn die Herrlichkeit des Herrn wird sich offenbaren. Wir wissen, dass dieses Wort durch den Dienst von Johannes dem Täufer buchstäblich erfüllt worden ist. Aber man hat nicht auf ihn gehört und ihn getötet. Später hat man Den, dessen Vorläufer er war und dessen Kommen er verkündet hatte, ebenso behandelt. Der Erlöser und sein Diener wurden verworfen.

Wiederum: „Stimme eines Sprechenden: Rufe! Und er spricht: Was soll ich rufen? Alles Fleisch ist Gras und alle seine Anmut wie die Blume des Feldes … Fürwahr, das Volk ist Gras.“ Alles ist verloren, auf welche Seite soll man sich wenden? „Aber das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit.“ Was sein Mund gesprochen hat, wird seine Hand gewiss ausführen. Sein Volk mag das Gesetz übertreten, den Messias verworfen haben, der Knecht des Herrn mag verzehrt worden sein wie ein verdorrtes Blatt (der Knecht ist hier Israel), aber nichts wird ein Hindernis für die Erfüllung der Verheißungen sein, die der treue Gott dem Abraham und dem David gemacht hat.

„Erhebe mit Macht deine Stimme.“ Wieder müssen gute Nachrichten ausgerufen und verkündet werden: „Siehe da, euer Gott!“ Der da kommt, ist nicht nur der Sohn Davids, sondern Er ist der Gott seines Volkes. Wie ein Hirte wird Er seine Herde sammeln. Wer wird Ihn davon abhalten können, sein Volk zu trösten? Tatsächlich erstrahlt die Gnade Gottes gegen sein Volk aus den ersten elf Versen und seine Herrlichkeit aus den darauffolgenden.

Seine Größe, seine Weisheit und seine Macht werden in den Werken der Schöpfung gesehen. Die Himmel und die Erde sind eindrückliche Zeugen davon. Alle Nationen, die in Bewegung sind, werden vor Ihm wie ein Tropfen am Eimer und wie ein Sandkorn auf der Waagschale geachtet. Er braucht sie nur anzuhauchen, um sie zum Verschwinden zu bringen. Wie könnten sie daher ein Hindernis für den Segen sein, den Gott über sein Volk ausgießen will? Sie werden für weniger als Nichtigkeit und Leere gehalten.

Törichtes Volk Gottes! Was hast du also mit den Götzen zu schaffen? Siehst du deine Torheit nicht? „Wem wollt ihr Gott vergleichen? Und was für ein Gleichnis wollt ihr ihm an die Seite stellen?“ Trotz dieser Inkonsequenz ermüdet und ermattet dieser unwandelbare Gott seinem Volk gegenüber nicht. Durch seine Allmacht lässt Er die himmlischen Heere, die ruhig ihre tägliche Bahn im Weltall ziehen, in großer Zahl hervorkommen. Durch seine Größe fehlt kein Gestirn. Dieselbe Macht entfaltet sich für die Seinen, und nicht ein Einziger unter ihnen wird von Ihm vergessen. Er kennt alles, was sie betrifft, in vollkommener Weise, und nichts geschieht ohne sein Wissen. Alle, die auf Ihn harren, gewinnen neue Kraft. Sie erheben sich über die sichtbaren Dinge wie Adler, die sich zum Himmel emporschwingen, sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht.

Kapitel 41

Der Götzendienst war eine Beleidigung für die Heiligkeit Gottes. Als sein Volk sich den Gräueln der Nationen zuwandte und damit Gottes Herrlichkeit verachtete, musste Er es um seiner Gerechtigkeit willen züchtigen. Das Volk hätte den Herrn und seinen Namen bei den andern Völkern verherrlichen sollen, doch es tat genau das Gegenteil, indem es wie diese handelte.

Aus diesem Grund wurde Israel in die Gefangenschaft nach Babel, dem Zentrum und der Brutstätte des Götzendienstes, weggeführt. Es war die gerechte Vergeltung für seine Torheit. Aber es blieb trotz allem das vom Herrn erwählte Volk, sein Knecht, wie Er es in den Versen 8 und 9 dieses Kapitels nennt. Es war der Same Abrahams, seines Freundes. Trotz seiner Sünden und der Züchtigungen, mit denen Er es geschlagen hatte, verwarf Er es nicht. Wegen ihrer Väter sind die Söhne Israels heute noch Vielgeliebte. Der Herr, der Schöpfer der Enden der Erde, ermattet ihnen gegenüber nicht und wird niemals müde, sich um sie zu kümmern.

Dies sehen wir in besonderer Weise im ganzen vor uns liegenden Kapitel und auch in den darauffolgenden. Gott wird alle Nationen, die mit seinem Volk in Berührung kamen, richten, aber Er wird ein Werkzeug zur Befreiung der Seinen in seiner Hand halten.

In Kapitel 40 haben wir Zion, die Verkündigerin guter Botschaft gehört, wie sie das Kommen ihres Gottes mit den Worten ankündigt: „Siehe da, euer Gott!“ Hier, zu Beginn von Kapitel 41, werden die Völker aufgefordert, sich dem Herrn zu nahen und vor Gericht zu treten. Mögen sie reden! Aber wie könnten sie ihre Rechtssache vor Ihm begründen? Waren sie nicht Feinde seines Volkes? Danach wird von Kores (Cyrus) gesprochen, dessen Name hier nicht erwähnt ist; wir finden ihn aber ein wenig später genannt. Der Herr hat die Nationen vor ihm dahingegeben. Nichts konnte seinen Siegeszug aufhalten: Die Könige wurden seinem Schwert wie Staub überliefert und seinem Bogen wie vom Wind fortgetriebene Stoppeln.

Im ersten Jahr seiner Regierung ließ Kores durch ein Machtwort den wohlbekannten Aufruf ergehen, den Gott uns zweimal in der Schrift mitteilt: „So spricht Kores, der König von Persien: Alle Königreiche der Erde hat der Herr, der Gott des Himmels, mir gegeben; und er hat mich beauftragt, ihm ein Haus zu bauen zu Jerusalem, das in Juda ist. Wer irgend unter euch aus seinem Volk ist, mit dem sei sein Gott, und er ziehe hinauf nach Jerusalem“ (Esra 1,2.3; 2Chr 36,23). Mit diesem Aufruf beendigte er die lange und schmerzliche Gefangenschaft des Volkes Gottes in Babel. Als Werkzeug in der Hand des Allmächtigen, machte er dem Seufzen derer ein Ende, die fern vom Ort, wo der Herr seinen Namen hingesetzt hatte, unterdrückt wurden. Aber wenn wir unseren Gegenstand aufmerksamer betrachten, erkennen wir hinter der Gestalt des Königs von Persien einen Größeren als ihn, und so verstehen wir, weshalb der Name von Kores an dieser Stelle nicht erwähnt wird. Er ist nur ein Schatten Dessen, der das Volk Gottes in der Zukunft befreien wird. Selbstverständlich hat Kores, indem er zu seiner Zeit die Befreiung des Volkes Gottes bekanntmachte, das getan, was recht war in den Augen des Herrn. Aber er verschwindet und verblasst vor dem „Aufgang aus der Höhe“, vor Dem, der von Sonnenaufgang her kommt und den Gerechtigkeit auf Schritt und Tritt begleitet.

Auch hier haben die prophetischen Aussprüche nicht nur eine einzige Auslegung. Wenn sie von Kores und der Befreiung, die er dem Volk Gottes gewährt hat, sprechen, richten sie unsere Blicke auch auf die Zukunft. Dann werden alle Nationen Christus unterworfen sein, und das Volk Gottes wird durch Ihn befreit werden, nicht nur für eine bestimmte Zeit, wie das in der Vergangenheit der Fall war, sondern es wird eine ewige Befreiung erfahren. Der Heilige Geist richtet unsere Blicke immer auf diese herrliche Person. Glücklich sind die, die Augen haben, um seine Herrlichkeit zu sehen!

Er ist der ewig Seiende, der Erste, und bei den Letzten ist Er derselbe (Jes 41,4). Die feindlichen Nationen mögen sich fürchten, wenn sie Ihn kommen sehen; die Menschen mögen sich gegenseitig stärken und einander beistehen, doch ihr Werk ist nur Nichtigkeit. Sie tragen dieselben Charakterzüge wie ihre Götzen, die man mit Nägeln befestigen muss, damit sie nicht wanken. Jene, die gereizt gegen das Volk Gottes auftreten, werden beschämt und verwirrt werden; sie werden wie ein Nichts sein, und jene, die gegen das Volk Gottes streiten, werden umkommen.

Jakob mag ein elender Wurm genannt werden, aber trotzdem wird er am Ende alle Nationen, die sich gegen den Herrn erheben, zu Fall bringen und sie zerstreuen.

Wenn Gott einst alle Nationen in die Hand von Kores gegeben hat, wie viel mehr wird Er sie am Ende der Zeit den Händen des Heiligen Israels überliefern, wenn Er kommen wird, um sein Volk zu segnen! Dann wird Er auf die Bitten der Bedrängten und der Notleidenden antworten, Er wird sie erfrischen und seine unerschöpflichen Güter über sie ausgießen. Die Höhen und die Täler werden an diesem Segen teilhaben, und selbst die Wüste wird in einen Wasserteich verwandelt werden. Es werden dort Zedern, Akazien, Myrten und Olivenbäume wachsen.

Am Ende des Kapitels spricht Gott wieder zu den Nationen, um ihnen die Torheit ihres Götzendienstes zu zeigen (Jes 41,21-29). „Verkündet das späterhin Kommende, damit wir erkennen, dass ihr Götter seid!“ Im Gegensatz zu diesen Götzen bringt Der, der vom Aufgang der Sonne her kommt, seinem Volk eine Botschaft guter Dinge.

Kapitel 42

Dieses bemerkenswerte Kapitel stellt uns zum ersten Mal in der Schrift in klarer Form die drei Personen der Gottheit, ihre Dreieinheit, vor. Sie sind zwar noch nicht, wie im Matthäusevangelium, als der Vater, der Sohn und der Heilige Geist offenbart (Mt 3,16.17). Trotzdem finden wir hier Gott, der in der Ich-Form spricht. Er legt seinen Geist auf Ihn. Dieser ist der Knecht Gottes und wird uns im Gegensatz zu Kores und seinem Kriegsruhm vorgestellt. Jener hat in Wirklichkeit nur eine teilweise und vorübergehende Befreiung herbeigeführt.

Der Knecht, den Gott auserwählt hat, wird in Demut und Niedrigkeit kommen, aber Er wird auch eine unermüdliche Geduld besitzen. Er wird alle Völker dazu bringen, seine Autorität anzuerkennen. Er wird zum Bund des Volkes und zum Licht der Nationen werden, um die Augen der Blinden zu öffnen, um Gefangene aus dem Kerker herauszuführen und die, die in der Finsternis sitzen, aus dem Gefängnis. Hier tritt das, was der Herr während seines Dienstes auf der Erde vollbracht hat, klar hervor. Es war ein Dienst der Liebe, der, wie wir wissen, durch seine Verwerfung und seinen Tod unterbrochen wurde. Diese Wahrheiten werden zwar an dieser Stelle nicht erwähnt, aber sie sind stillschweigend in den Worten von Vers 9 enthalten: „Das Frühere, siehe, es ist eingetroffen, und Neues verkündige ich; ehe es hervorsprosst, lasse ich es euch hören.“ Es gibt also eine Unterbrechung in der Erfüllung seines Dienstes der Liebe. Die bereits eingetroffenen Dinge sind jene, die sich während seines Kommens in Niedrigkeit hier auf der Erde erfüllt haben. Dann folgen die, die sich noch ereignen werden und die uns der Herr im Voraus mitteilt.

Während jener noch zukünftigen Zeit wird die ganze Erde dazu aufgefordert, in das neue Lied einzustimmen. Auf dem Meer, in der Umgebung des Meeres, in der Wüste, in den Städten, in den Dörfern, auf den Felsen, auf den Berggipfeln: Überall soll dieses Lied, das Christus an seinem Auferstehungstag selbst angestimmt hat, gesungen werden. „In meinen Mund hat er gelegt ein neues Lied, einen Lobgesang unserem Gott“ (Ps 40,3). Er ist also nicht der Einzige, der es singt, denn Er sagt: „unserem Gott“. Er möchte, dass wir es mit Ihm singen, während wir auf die endgültige Befreiung seines Volkes warten. „Geht hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15). Die Botschaft der Freude ist für alle Menschen gedacht. Aber wer hat dem geglaubt, was der Knecht des Herrn verkündet hat? Arme Welt, die nichts von der guten Botschaft wissen will, die heute noch verkündigt wird, und dies seit bald tausend Jahren!

Der Herr, der während dieser ganzen Zeit in Bezug auf sein Volk Israel still geblieben ist und geschwiegen hat, wird sich von neuem mit ihm beschäftigen. Er wird mit Macht aufstehen, und wie ein Kriegsheld wird Er kommen und die Sache seines Volkes in die Hand nehmen. Dann werden alle jene, die sich auf nichtige Götzen stützen, beschämt werden. In Wirklichkeit ist sein Knecht Israel ebenso blind wie die feindlichen Nationen. Wie diese hat er den Götzen gedient; er war taub und hat nicht auf die warnende Stimme seines Gottes gehört. Ein untreuer Knecht, der darin versagt hat, seinen Gott vor den Nationen zu verherrlichen, und nicht auf all das achtgab, was er von Ihm gesehen hat.

Trotz alledem hat der Herr wegen seiner Gerechtigkeit an ihm Gefallen gefunden. Er sieht ihn in der Vollkommenheit seiner Vorrechte und seiner Stellung vor Ihm als sein Volk. Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen. Er kann sein Volk züchtigen, und Er tut dies in Gerechtigkeit wegen dessen Verfehlungen. Aber Er findet Gefallen an ihm aufgrund seiner eigenen Gerechtigkeit, wohlgemerkt, der Gerechtigkeit Gottes, nicht der seines Volkes, das in sich selbst überhaupt keine besitzt.

Er hat sein Gesetz groß und herrlich gemacht, während sein Volk dies nicht getan hat. Aber es ist ein beraubtes und ausgeplündertes Volk. Weshalb ist es denn zur Beute geworden und niemand spricht: „Gib wieder heraus!“? Der Herr hat es auf diese Weise ausgeliefert, weil es nicht auf seinen Wegen wandeln und nicht auf sein Gesetz hören wollte. Deshalb hat Er die Glut seines Zornes über dieses Volk ausgegossen.

Kapitel 43

Wegen seiner Untreue zieht das Volk den Zorn Gottes auf sich herab. Verblendet durch seinen Götzendienst ist es sich dessen nicht einmal bewusst und nimmt es sich auch nicht zu Herzen. Dennoch wird Gott ihm, auch wenn Er es züchtigt, seine Treue erweisen, weil es sein Volk ist.

Inmitten aller Völker gehört es als einziges Ihm an, und trotz der Treue Gottes ist es der untreue Zeuge gewesen. In seiner beständigen göttlichen Treue ließ der Herr es durchs Wasser gehen, aber es wurde nicht überflutet, und durchs Feuer, aber es wurde nicht verbrannt, denn der Heilige Israels, sein Heiland, war mit ihm. Er war mit seinem Volk in derselben Weise wie im brennenden Dornbusch, den das Feuer nicht verzehren konnte. Er war mit den Seinen, als sie die Folgen ihrer Verfehlungen zu tragen hatten, um sie zu beschützen und zu befreien. Er wird noch mit ihnen sein, wenn Er wiederkommt, um sie zu sammeln. Dann wird Er zum Norden sagen: „Gib heraus!“, und zum Süden: „Halte nicht zurück!“ Auf diese Weise werden alle zurückgeführt werden, auch jene, die sich am Ende der Erde befinden, da sie mit seinem Namen genannt und zu seiner Ehre geschaffen sind.

Nach diesem wird Er sich vor allen Völkern verherrlichen, indem Er die Augen seines Volkes öffnet und ihm auch Ohren gibt, um seine Stimme zu hören. So werden sie vor allen Zeugnis ablegen, dass der Herr Gott ist.

Zu seiner eigenen Verherrlichung wird Er noch Größeres wirken als in der Vergangenheit, als Er sein Volk aus Ägypten herausgeführt hatte, um es die großen Wasser durchqueren zu lassen, von denen der Pharao und seine ganze Armee verschlungen wurden. Das, was Er aufs neue für sein Volk wirken wird, ist noch viel wunderbarer. Er ist „Derselbe“. Das ist hier sein Name.

Dieses Volk, das Gott sich gebildet hat, damit es sein Lob verkünde, hat versagt und es nicht getan. Der Herr muss im Gegenteil zu ihm sagen: „Du hast mir zu schaffen gemacht mit deinen Sünden, du hast mich ermüdet mit deinen Missetaten … Dein erster Vater hat gesündigt, und deine Mittler sind von mir abgefallen.“

Wie ist es möglich, dass der Herr inmitten einer solchen Untreue verherrlicht werden wird? Indem Er alle ihre Übertretungen um seinetwillen austilgt. Er will sich nicht mehr an ihre Sünden erinnern.

Ja, Er ist wirklich immer „Derselbe“. Hat Er nicht gegen jeden von uns genauso gehandelt? Wie groß wird sein Ruhm sein, wenn Er in denen, die geglaubt haben, bewundert und in seinen Heiligen verherrlicht werden wird!

Kapitel 44

„Und nun höre, Jakob, mein Knecht, und du, Israel, den ich erwählt habe.“

Sollten diese ersten Verse nicht zum Herzen dieses so untreu gewordenen Volkes reden? Sie sind wie eine Zusammenfassung von allem, was ihm in den vorangegangenen Kapiteln gesagt worden ist. Die Beweggründe, um auf diese Weise gegenüber seinen Auserwählten zu handeln, hat Gott aus seinem eigenen Herzen und seiner unendlichen Gnade geschöpft. Er gibt Jakob neuen Mut und gießt reiche Segnungen über seinen Samen aus. Diese sind seine Zeugen. Deshalb sagt Gott zu ihnen: „Dieser wird sagen: Ich bin des Herrn; und der wird den Namen Jakobs ausrufen; und jener wird mit seiner Hand schreiben: Ich bin des Herrn, und wird den Namen Israels ehrend nennen.“

Dieser Gott war vor allem Geschaffenen. Er ist es, der alles gebildet hat, sogar Jakob im Schoß seiner Mutter. Wenn sich alle seine Vorsätze erfüllt haben werden, wird Er immer noch derselbe Gott sein. Es gibt keinen andern außer Ihm. Durch diese Worte voller Gnade möchte Er die Seinen stärken und alle Furcht aus ihrem Herzen vertreiben.

Dieser Abschnitt wird eine große Ermunterung für die Treuen in der Zukunft sein. Diese Aussagen werden das Unterpfand für eine größere Befreiung sein als jene, die durch die Hand von Kores stattfand.

Nach diesem gibt der Prophet eine ironische Beschreibung der Götzen und brandmarkt die, die auf sie vertrauen. Wie kann ein Wesen, das von Gott einen Verstand erhalten hat, um Ihn zu kennen und Ihm zu dienen, in einen solchen Irrtum verfallen? Da wird mit viel Mühe ein Bild gegossen oder ein Stück Holz geschnitzt und daraus ein Gott gemacht, vor dem man sich niederwirft und zu dem man betet, während man den anderen Teil des gleichen Holzes zum Aufwärmen und zum Kochen des Essens benutzt! Man nimmt es nicht zu Herzen, um sich zu fragen: „Ist nicht Lüge in meiner Rechten?“

Israel war nicht nur kein Zeuge des wahren Gottes; die Götzenbilder legten zudem Zeugnis von der Torheit dieses Volkes ab. Wir können sehr wohl hinzufügen, dass sie auch die Zeugen für die Torheit eines großen Teils der Christenheit sind. „Gedenke dessen, Jakob und Israel! Denn du bist mein Knecht.“ Bist nicht auch du abgeirrt, diesen Gräueln nach? Israel erinnert sich nicht daran. Wenn der Dämon des Götzendienstes, der das Volk für eine Zeit verließ, zurückkehrt, wird Israel in noch hemmungsloserer Weise als das erste Mal in seine Torheit zurückfallen (Mt 12,43-45). Es wird den anbeten, der in seinem eigenen Namen kommen wird. Wir wissen, dass dieser Tag nahe ist.

Ach, dieses Volk ist auch heute noch blind und taub. Aber trotz allem bleibt Israel der Knecht des Herrn, und es gefällt Ihm, das Volk in diesen Kapiteln daran zu erinnern: „Du wirst nicht von mir vergessen werden. Ich habe deine Übertretungen getilgt wie einen Nebel, und wie eine Wolke deine Sünden“. Nebel und Wolke verhüllten ihm die Herrlichkeit Dessen, der im Himmel ist. Doch das Herz Gottes kann sich nicht zurückhalten, so zärtlich liebt Er sein Volk: „Kehre um zu mir, denn ich habe dich erlöst!“

Gott bestimmt alles und verfügt über alles, wobei Er alles vollkommen kennt. Er nennt den, der das Volk aus Babel befreien wird, bei seinem Namen: Kores! O Ungläubige, freiwillig Verblendete, bis wann verschließt ihr eure Augen vor der Wahrheit und dem, was offen zutage liegt? Dreihundert Jahre im Voraus hat der Prophet in Bethel Josia bei seinem Namen genannt (1Kön 13), und mehr als hundertfünfzig Jahre vor seiner Geburt nennt Jesaja den Namen von Kores. Eines Tages wird das Wort der Wahrheit jene, die die Liebe zur Wahrheit nicht annehmen wollten, um errettet zu werden, wie ein Schwert durchbohren. Lieber Freund, wie steht es mit dir?

Kapitel 45

Der Herr hatte also Kores gerufen und ihm seinen Namen gegeben. Dies zeigt das Interesse, das Er ihm entgegenbringt, denn er würde ein Werkzeug zur Befreiung Jakobs, seines Knechtes, und Israels, seines Auserwählten, in seiner Hand sein. Er ist vor ihm hergezogen, indem Er die Riegel der Tore geöffnet hat. Das Höckerige machte Er eben, und Er gab ihm die notwendigen Reichtümer, um den Auftrag zu erleichtern, den Er ihm im Blick auf sein Volk anvertraut hatte.

So hatte der Herr den Herrscher Kores mit Kraft umgürtet, aber jener kannte Ihn nicht, denn die Perser verehrten Gott nicht; sie hatten ihre eigene Religion. Sie konnten die Götzenbilder der Babylonier hassen und mit Verachtung zerstören, aber es waren hier nur Streitigkeiten zwischen Menschen, sündigen und sterblichen Menschen. An allen Orten, wo die Sonne scheint, gibt es nur einen Gott. Er ist einzigartig, und es gibt keinen anderen neben Ihm. Da Er alles geschaffen hat, ist Er würdig, alle Herrlichkeit zu empfangen, und niemand wird mit Ihm rechten können. Er hat Kores erweckt und wird Jerusalem bauen. Wer könnte daher mit Ihm über seine Handlungsweise diskutieren?

Barmherzig, wie Er ist, fordert Er sein Volk auf, sich bei Ihm nach seiner Handlungsweise und dem Werk seiner Hände zu erkundigen. Alles, was von Ihm kommt, ist Gnade und Weisheit. Bald werden die Götzenmacher beschämt dahingehen, aber Israel mit einer ewigen Errettung gerettet, wird nicht beschämt werden. Die Nationen werden sich vor ihm niederwerfen und zu ihm flehen: „Fürwahr, Gott ist in dir; und sonst ist kein, gar kein Gott!“

Diese Szene erinnert uns an jene, die in Philipper 2,10.11 beschrieben wird, wo jedes Knie der himmlischen, irdischen und unterirdischen Wesen sich vor Ihm, der einen Namen besitzt, der über jeden Namen ist, beugen und Ihn als Herrn bekennen wird, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters. Er ist ein gerechter Gott und ein Heiland, nicht nur für Israel, denn alle Enden der Erde werden aufgefordert, sich zu Ihm zu wenden, um errettet zu werden. Dies wird besonders am Ende der Zeit in Erfüllung gehen; aber durch das Evangelium wird jetzt allen Völkern ein noch herrlicheres Heil verkündigt.

Kapitel 46

Der Herr zeigt hier ein weiteres Mal die Torheit und das Nichts der babylonischen Götzen auf. Sie halfen ihnen überhaupt nichts und kosteten sehr viel. Man musste, um sie zu besitzen, viel Silber und Gold ausgeben.

Die Babylonier werfen sich vor ihnen nieder, beten sie an und richten ihre Bitten an sie. Aber der Ratschluss des Herrn muss sich unwiderruflich erfüllen. Er wird von Osten her einen Raubvogel kommen lassen und aus fernem Land den Mann seiner Pläne. Dieser wird in einem Raubzug über die götzendienerische Stadt herfallen. Natürlich können die behauenen Bilder die Gefahr weder von der Stadt noch von ihren Bewohnern abwenden. Im Gegenteil, jene werden vergebliche Anstrengungen unternehmen, um die Götzen vor dem Eroberer zu retten. Die Bilder werden zur schweren Last für die Tiere, auf die sie für die Flucht geladen wurden. Gemeinsam werden sie zusammenbrechen, und so werden die Götzen zur Beute, und die, die auf sie vertrauten, werden in Schmach und Schande in die Gefangenschaft geführt werden.

Im Gegensatz zu diesen falschen Göttern wissen wir jetzt, was der Herr für sein Volk ist. Er hatte den Überrest des Hauses Israel getragen, und da Er schon vor dessen Geburt für ihn gesorgt hat, wird Er ihn bis in sein Alter, bis zu seinem grauen Haar, tragen. Er hat es in der Vergangenheit getan, Er wird es weiter tun, jetzt und in der Zukunft, denn Er ist Derselbe. „Hört auf mich!“, sagt Er. „Gedenkt dessen … Mein Ratschluss soll zustande kommen.“ Ich werde Kores senden, der euch aus allen Orten befreien wird, wohin ich euch in die Gefangenschaft geschickt habe. Ich habe meine Gerechtigkeit und mein Heil nahe gebracht. „Ich gebe in Zion Heil, und Israel meine Herrlichkeit.“ So ist das herrliche Ende, das Er sich für sein Volk, trotz seines Götzendienstes, seiner Torheit und seiner vielen Fehler, vorgesetzt hat. Er hat es getragen wie eine Mutter. Oh, wie lange! Bald wird Gott in ihnen verherrlicht werden, und seine Herrlichkeit in diesem für Ihn auserwählten Volk, von dem gesagt wird, „was Gott gewirkt hat“ (4Mo 23,23), hervorstrahlen lassen.

Kapitel 47

Drei Dinge begleiten den Götzendienst immer: das Verderben, der Hochmut und die Verführung durch die Lust. Der Prophet zeigt dies hier deutlich auf und spricht das Gericht darüber aus.

Babel hatte von Gott die Herrschaft über die Völker empfangen. Die Stadt war in der Hand Gottes sogar ein Werkzeug zur Züchtigung seines untreuen Volkes gewesen, aber sie dachte nicht daran, was ihr eigenes Ende sein würde. In ihrem Hochmut erhob sie sich und sprach in ihrem Herzen: „Ich bin’s, und gar keine sonst.“ Wurde sie nicht Herrin der Königreiche genannt?

Sie lebte in Üppigkeit, sie vertraute nur auf ihre Weisheit und ihr Wissen und war sicher, ihre Stellung durch die große Zahl von Zaubersprüchen aufrechterhalten zu können. Außerdem hatte sie, verblendet durch ihren Hass gegen das Volk Gottes, überhaupt kein Erbarmen gegen dasselbe walten lassen.

Der Herr hat all dies gesehen, und der Tag wird kommen, wo Er seine Rache ausüben wird. Es wird niemanden geben, der Ihn aufhalten könnte. Die Schande der Ehrlosen wird von allen gesehen werden. Sie wird entblößt vom Sockel heruntersteigen müssen, obwohl sie gedacht hatte, diese Stellung durch ihre Ungerechtigkeit aufrechterhalten zu können, und wird sich stumm und beschämt auf die Erde setzen, um in Finsternis zu versinken. Zwei Dinge werden sie in einem Augenblick treffen, an einem einzigen Tag: Kinderlosigkeit und Witwentum.

Kein Zauberspruch wird sie befreien können, und eine Verwüstung, von der sie weder gewusst noch sie geahnt hat, wird plötzlich über sie kommen. Ihre ganze sogenannte Kenntnis der Himmel (Astrologie) und der Zukunft wird zu ihrer Beschämung ausschlagen. Diese Dinge werden wie Stoppeln sein, die das Feuer verbrennt und von denen nichts zurückbleibt, weder Glut, um sich zu wärmen, noch Feuer, das Licht gibt. Wenn wir dieses Kapitel lesen, haben wir dann nicht den Eindruck, an der in der Offenbarung beschriebenen Szene teilzunehmen, wo uns das Gericht mitgeteilt wird, das das auf sieben Bergen sitzende Babel ereilen wird?

Das Herz des Menschen hat sich in der jahrhundertelangen Geschichte nicht geändert, und dieselben Verfehlungen ziehen dieselben Gerichte nach sich.

Trotz des vollständigen Lichts durch das Evangelium handelt man heute wie inmitten der schlimmsten Finsternis des Heidentums. Was wird daher das Gericht sein, das sich über die jetzige Christenheit ergießen wird?

Kapitel 48

Der Herr spricht in diesem Kapitel nicht von den Götzen Babels und seiner Bosheit, sondern von den Götzen der Juden, den Nachkommen Judas. Dieser Stamm vertritt die ganze Nation, denn die zehn andern Stämme waren schon seit langem in der Gefangenschaft, als die Bewohner von Juda nach Babel verschleppt wurden. Sie schworen beim Namen des Herrn, erwähnten den Gott Israels und nannten sich nach der heiligen Stadt. Da sie die Aussprüche Gottes besaßen, kannten sie Dinge, die andern niemals offenbart worden waren. Dadurch wussten sie, dass der Herr, der sich ihrer annahm, Gott war.

Doch ihre Verantwortlichkeit wurde durch ihre Vorrechte vergrößert, denn sie handelten nicht besser als die sie umgebenden Völker. Wie jene dienten sie den Götzen und verstockten ihre Herzen. In einer solch törichten Haltung wären sie imstande gewesen, das, was sie von Gott empfangen hatten, den Götzen zuzuschreiben. Seit dem Beginn ihres Weges wurden sie Übertreter genannt. Warum hatte der Herr sie dann nicht ausgerottet? Es war wegen seines Namens und wegen seines Ruhms, weil Er nicht durch ein anderes Volk verherrlicht werden wollte. Er schiebt seinen Zorn auf und läutert das Volk im Schmelzofen des Elends. In seiner zärtlichen Fürsorge ruft er es, wie eine Mutter ihr Kind ruft: „Höre auf mich, Jakob. Versammelt euch, ihr alle, und hört! Naht euch zu mir und hört dieses!“

Aber Israel schenkte seinen Geboten kein Gehör. Hätte es dies getan, was wäre dann sein Teil gewesen? Sein Friede wäre wie ein Strom gewesen und seine Gerechtigkeit wie des Meeres Wogen. Sein Same wäre wie der Sand und die Sprösslinge seines Leibes wie seine Körner gewesen. Sein Name wäre vor dem Angesicht des Herrn weder ausgerottet noch vertilgt worden.

Aber Israel hat nicht gehört, und die Folge davon ist, dass es sich jetzt in Babel befindet. Ist dies nun das Ende der Wege Gottes mit seinem Volk? Nein! „Zieht aus Babel, flieht aus Chaldäa mit Jubelschall; verkündigt, lasst dieses hören, bringt es aus bis an das Ende der Erde! Sprecht: Der Herr hat seinen Knecht Jakob erlöst.“ Er ist Derselbe und verherrlicht sich angesichts der ganzen Torheit seines Volkes. Die Befreiung aus Babel, die Er wirkt, ist für Ihn größer als jene aus Ägypten; und sie ist nur ein vereinfachtes Bild einer andern, noch größeren Befreiung, die erst am Ende der Zeiten stattfinden wird. Also wird sich das Wort des Psalmisten erfüllen: „Als der Herr die Gefangenen Zions zurückführte, waren wir wie Träumende. Da wurde unser Mund voll Lachens, und unsere Zunge voll Jubels; da sagte man unter den Nationen: Der Herr hat Großes an ihnen getan! Der Herr hat Großes an uns getan: Wir waren fröhlich!“ (Ps 126,1-3). Aber „kein Friede den Gesetzlosen! spricht der Herr“.

Sechster Abschnitt: Kapitel 49–57

Kapitel 49

Mit diesem Kapitel beginnt der sechste große Abschnitt des Buches. Die vorhergehenden Kapitel waren, wie wir feststellen konnten, eine Anklagerede des Herrn gegen sein Volk wegen seines abscheulichen Götzendienstes. Wir sehen, dass sich Israel in seiner Torheit vom einzig wahren Gott, mit dem es in Verbindung war, abgewandt hat, und dies, um Götzen zu dienen, die keine Götter sind. Es sind nichtige Täuschungen, Betrügereien, hinter denen sich Dämonen verstecken.

Anderseits erstrahlt die Gnade und Barmherzigkeit Gottes auf diesen Seiten in unvergleichlichem Glanz. Gott ist größer als der Mensch. Wenn dieser groß ist in seiner Torheit, so ist Er noch größer in seinem Erbarmen und seiner Gnade gegen seine Auserwählten. Ihr Elend ist für Ihn eine Gelegenheit, alles zu offenbaren, was Er für sie in seinem Herzen hat.

Die Kapitel 49 bis 57 zeigen uns ein noch leidvolleres Thema als das zuvor behandelte: die Verwerfung des Messias, der in Gnade und Güte zu den Seinen gekommen ist. Das Volk hat Ihn verachtet und verworfen. Wir finden hier eine erschreckende Feststellung von der Bosheit des menschlichen Herzens. Der Mensch ist der Feind Gottes, auch wenn sich dieser in Gnade offenbart. In seiner Treue wird der Herr dem Volk sowohl sein Vergehen kundtun: die Verwerfung des Messias als auch die Vorzüglichkeit dieser Person aufzeigen, denn Er war der Knecht, der weise handelte und Gott vollkommen verherrlichte. Dies ist es, was dem Thema, mit dem wir uns beschäftigen, einen ganz besonderen Wert gibt. Wir haben hier das Evangelium, wie es verkündet werden konnte, bevor sich der vollkommene Diener als Mensch offenbarte. Möge der Heilige Geist uns in dieser Betrachtung leiten, damit wir Jesus darin sehen.

Dieses Kapitel 49 ist wie der Umriss oder Entwurf des ganzen Bildes, das Gott nun vor unseren Augen entstehen lässt. Wir sehen darin die großen Linien seiner Wege mit seinem Volk, beginnend mit der Geburt Jesu bis zum Tag seines Triumphs am Ende der Zeiten. Es erübrigt sich, zu sagen, dass wir hier nicht die Versammlung finden, denn sie war noch „das Geheimnis, das von den Zeitaltern her in Gott verborgen war“ und das vor der Verwerfung des Messias nicht offenbart werden konnte. Seine Versammlung ist noch in Christus selbst.

Der erste Vers ist eine Aufforderung zum Hören, die sich nicht nur an Israel richtet, sondern auch an die Gegenden des Meeres und die Völkerschaften in der Ferne. Hier wendet sich Gott also an alle Menschen, denn Er wird vom Erretter sprechen.

Vor seiner Geburt wurde sein Name vom Engel Gabriel genannt: Jesus! Ein großer und kostbarer Name! Für das Herz des Erlösten ist es lieblich, diesen Namen schon im Alten Testament vorauszusehen. Als ein treuer Knecht war Jesus Dem gehorsam, der Ihn gesandt hatte. Gott trug Ihm auf, was Er sagen und wie Er reden sollte. „Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben“ (Joh 17,8). Es sind kraftvolle Worte, die in die härtesten Herzen und Gewissen eindringen. Aber sie durchbohren sie nicht, um den Tod zu bringen wie die Waffen der Menschen, sondern um darin Leben, ewiges Leben, hervorzubringen. Er war der wahre Israel und der Weinstock, der allein Frucht für Gott getragen hat, der wahre Knecht, der Gott verherrlicht hat. Er hat mit Mühe gearbeitet und wie ein Tagelöhner seinen Tag beschlossen. Ein einziges Mal sehen wir Ihn, wie Er sich einen Augenblick Ruhe gönnt, als Er auf einem Schiff schläft, das auf einem stürmischen See hin und her geworfen wird. Es ist eine Ruhe von kurzer Dauer, die zudem durch die Torheit der Jünger gestört wird. „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“, sagt Er. Wegen seines Unglaubens wurde Israel nicht gesammelt. Dafür ist Er zum Licht für die Nationen und das Heil Gottes bis an das Ende der Erde geworden. Er wurde von seinem Volk verworfen, aber sein Evangelium ist der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, gepredigt worden. Eine wunderbare Zeit der Gnade, die heute noch andauert, aber bald zu Ende gehen wird! Israel wollte dieses Heil nicht; also hat es sich über die Nationen ausgebreitet. Dies ändert jedoch nichts an den Ratschlüssen Gottes gegenüber seinem Volk, denn es ist geliebt wegen seiner Väter.

Das zu seinem Heil notwendige Werk wurde am Kreuz vollbracht, und bald wird sich Der, der Israel erkauft hat, sein Erlöser, der von jedermann Verachtete und der Abscheu der Nation, mit seinem Volk beschäftigen. Er wird zu den Gefangenen sagen: „Geht hinaus!“, und zu denen, die in Finsternis sind: „Kommt ans Licht!“ Sie werden sogar aus dem weit entfernten China kommen, und so werden sie schließlich in Zion versammelt sein. Die Himmel werden jubeln, die Erde wird frohlocken, und die Berge werden in Jubel ausbrechen. Der Herr wird sein Volk trösten und sich über die Elenden erbarmen.

Die Zeit des Wartens war lang, und die Auserwählten konnten sich fragen, ob Gott seine Verheißungen in Treue erfüllen werde. Könnte Er Zion vergessen? Nein, das ist nicht möglich, die Malzeichen in seinen Händen erinnern Ihn beständig an das, was Er gelitten hat, um sein geliebtes Volk zu erlösen. Bald werden die Kinder Zions zu dem Ort eilen, nach dem sich ihr Herz während langen Jahrhunderten gesehnt hat. Aber woher kommen denn alle diese Kinder, die zur geliebten Stadt eilen? Das Land wird zu eng, um sie alle aufzunehmen. Es ist der Herr selbst, der sein Panier zu den Völkern hin aufrichten wird, und sie werden seine Kinder herbeibringen.

Wir finden hier nicht nur die Juden, sondern auch die zehn Stämme, ganz Israel, am Tag, da es versammelt wird. Die Nationen werden ihre Knechte werden; sogar ihre Könige werden sich mit dem Gesicht zur Erde vor Zion niederwerfen. Alle, die dies verweigern, werden das Gericht dafür tragen, indem sie vernichtet werden. Alles Fleisch wird erkennen, dass Er der Retter, der Erlöser, der Mächtige Israels, ist.

Kapitel 50

Im vorangegangenen Kapitel wurde der Messias von seinem Volk verachtet und verabscheut. In diesem Kapitel leidet Er vonseiten seines Volkes.

Weshalb wird das Volk hier von Gott getrennt und an die Nationen verkauft gesehen? Ist es wegen der Härte des Herzens seines Gottes? Gab Er ihnen einen Scheidebrief? Niemand könnte einen solchen ausstellen. Es ist nicht Gott, der sich von seinem Volk trennen wollte, sondern dieses hat sich wegen seiner Missetaten verkauft; wegen der Menge seiner Übertretungen wurde es entlassen. Durch sein eigenes Tun zeugt das Volk gegen sich, denn als sein Messias voll Gnade kam, um es zu rufen, antwortete Ihm niemand.

Er war in der Mitte der Seinen mit all seiner Macht, und seine Hand, die gegen sie ausgestreckt war, hätte sie von all ihren Feinden befreien können. Er war es, der einst in Ägypten seine Macht entfaltet hatte, um das Meer auszutrocknen und um im Augenblick der Befreiung seines Volkes tiefe Dunkelheit über das ganze Land zu senden. Hier nun lässt sich ihr Messias dazu herab, in der Gestalt eines gehorsamen Knechts zu ihnen zu kommen. Er erfüllte in allem den Willen seines Vaters, der Ihn gesandt hatte, und führte die Werke, die Er Ihm zu tun gegeben hatte, in vollkommener Weise aus. Aber gehorchen hieß für Ihn leiden, denn Er befand sich in einer Welt, die sich gegen Gott auflehnte. Selbst durch die Vollkommenheit seines Gehorsams zog Er nur Hass auf sich. Als Lohn für seine Werke der Gnade erfuhr Er nur Verachtung, Schmach und Speichel. Aber nichts hielt Ihn auf. Er machte sein Gesicht wie einen Kieselstein und richtete es gegen Jerusalem hin, der Stadt, deren großer König Er war; aber nicht, um dort den Thron zu besteigen, sondern um mit Dornen gekrönt und auf das Kreuz erhöht zu werden. Er ist in seinem Dienst der Liebe bis zum Ende gegangen, indem Er sein Leben hingegeben hat. Die Menschen haben Ihn getötet, aber Gott hat Ihn auferweckt, wie wir es später sehen werden.

Der Herr Jesus wird nicht beschämt werden, denn Der, der Ihn rechtfertigt, ist nahe. Wer wird mit Ihm rechten? Weil Er immer und in allen Nöten und Mühen, die seinen herrlichen Dienst begleitet haben, auf Gott vertraut hat, konnte Er sogar angesichts des Todes sagen: „Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens; Fülle von Freuden ist vor deinem Angesicht, Lieblichkeiten in deiner Rechten immerdar“ (Ps 16,11). Seine Feinde werden veralten und zerfallen wie ein Kleid, die Motte wird sie fressen. Aber Er, lebt Er nicht von Ewigkeit zu Ewigkeit?

Wir sehen, dass die Seinen eng mit Ihm verbunden sind, denn in Römer 8,33.34 finden wir ein ähnliches, auf die Gläubigen bezogenes Wort: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt; wer ist es, der verdamme?“ Er ist auferstanden, wo sind die Menschen, die Ihn zu Tode bringen wollten? Die den Herrn fürchten, vertrauen auf Ihn und haben ihr Teil mit Ihm; wer könnte sie verdammen?

Im Gegensatz dazu suchen die Übeltäter ihre Quellen in sich selbst und bei ihresgleichen. Sie zünden ein Feuer an, das sie nicht erleuchten kann, denn die Brandpfeile verschwinden alsbald, ein Bild der vergänglichen Lichter, mit denen die Menschen sich brüsten. Sie werden sich in Finsternis niederlegen und im Unglück daliegen.

Kapitel 51; 52,1-12

Das Kapitel 51 und die ersten zwölf Verse von Kapitel 52 umfassen ein einziges Thema, das sich in sieben deutlich unterscheidbare Abschnitte unterteilen lässt: Jesaja 51,1-3; 51,4-6; 51,7.8; 51,9-16; 51,17-23; 52,1-10; 52,11.12. Es sind verschiedene Aufrufe, in denen man einen geistlichen Fortschritt in der Seele des gläubigen Überrests verfolgen kann. Dies wird am Ende der Zeit in Israel stattfinden, bis das volle Licht mit der Erkenntnis der Gedanken Gottes scheint, um dann die verheißene Herrlichkeit zu erreichen.

Der erste Aufruf beginnt mit den Worten: „Hört auf mich!“ Wie viele Male wurde er wiederholt und an das ungehorsame Volk gerichtet, aber ach, ohne Erfolg! Hier ertönt er für den treuen Überrest, der mit den folgenden Worten bezeichnet wird: „die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die ihr den Herrn sucht“. Gott möchte sie schrittweise zur vollen Erkenntnis seiner Gedanken führen. Man könnte glauben, dass Er jene, die sich mit ihren eigenen Lichtern verherrlichen und die am Ende des vorhergehenden Kapitels im Schein ihrer selbst angezündeten Brandpfeile wandeln, in der Dunkelheit und im Herzeleid lässt.

Gott offenbart sich nur denen, die Ihn suchen. Sie werden zwar in einer tiefen Bedrängnis sein, aber der Herr selbst wird sie trösten. Sie verwirklichen bereits die ersten Glückseligpreisungen von Matthäus 5: „Glückselig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden … Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, denn sie werden gesättigt werden.“ Blickt hin auf Abraham, euren Vater, sagt Gott zu ihnen, und auf Sara, die euch geboren hat. Er wurde gesegnet und vermehrte sich. Wie er verlasst auch ihr euch auf Gottes Verheißungen, und bald werden Wonne und Freude mit Dankliedern und Gesang der Traurigkeit folgen.

Zweiter Aufruf (Jes 51,4-6): „Merkt auf mich, mein Volk, und meine Nation, horcht auf mich!“ In diesen Abschnitten anerkennt der Herr diesen Überrest als sein Eigentum. Tatsächlich wird er als das Volk Gottes angesehen werden. Der Herr möchte, dass diese Treuen sicher sind, dass sie Ihm angehören, auch wenn der Prophet Hosea einst das Wort „Lo-Ammi“ ausgesprochen hatte (Kapitel 1 und 2). Der Überrest ist sein volles Eigentum und der Herr hat für ihn ein Heil und eine Gerechtigkeit, die noch fortbestehen werden, wenn Himmel und Erde vergehen werden. Diese Gerechtigkeit wird auch für die Völker die gleiche sein (Jes 51,4).

Der dritte Aufruf (Jes 51,7.8) beginnt von neuem mit den Worten: „Hört auf mich!“ Er richtet sich an einen treuen Überrest, der wie folgt umschrieben wird: „die ihr Gerechtigkeit kennt, du Volk, in dessen Herzen mein Gesetz ist“. Wenn man sich in einer Umgebung befindet, wo der Eigenwille des Menschen wirksam ist, setzt man sich unweigerlich der Schande und den Leiden aus, wenn man in der Gerechtigkeit wandelt. Ein weiteres Mal spricht der Herr ihnen Mut zu. Fürchtet nicht die Menschen, die veralten werden wie ein Kleid, das die Motte verzehrt. Es ist der große Gott, der Schöpfer der Himmel und der Erde, der diese Feinde richten und euch befreien wird.

Der vierte Aufruf (Jes 51,9-16) ist das erste „Wache auf!“. Er richtet sich an den Arm des Herrn. Wie in den Tagen der Vorzeit, bei den Geschlechtern vergangener Zeitalter, ist es der Geist des Herrn, der ihn auf die Lippen des Überrests legt. Er richtet sich an die Macht Dessen, der sein Volk einst mit starker Hand und ausgestrecktem Arm aus Ägypten errettet hat. Um für den Durchzug seiner Erlösten einen Weg zu ebnen, trocknete Er die Tiefen des Meeres aus. „Wache auf, kleide dich in Macht, du Arm des Herrn!“, um auch uns zu befreien.

In Vers 11 verkündet ihr Glaube ihre Befreiung im Voraus. Sie denken bereits an die Zeit, da ewige Freude auf ihrem Haupt sein wird, wenn sie zurückkehren und nach Zion kommen werden.

Von Vers 12 an ist es der Herr selbst, der auf ihren Ruf antwortet: „Wer bist du, dass du dich „vor dem Menschen fürchtest, der hinstirbt …, und dass du den Herrn vergissest, der dich gemacht, der die Himmel ausgespannt und die Erde gegründet hat?“ Ihr seid in Fesseln gekrümmt, doch bald werdet ihr losgelassen werden. Seid ihr nicht mein Volk?

Der fünfte Aufruf gleicht dem vierten, aber er richtet sich an Jerusalem: „Erwache!“ Die Stadt wird aufgefordert, aus ihrem Schlaf zu erwachen. Es ist in diesem Fall nicht mehr der Arm des Herrn, der es vollbringen muss. Er ist da, um sein Volk zu befreien. Sein Heil ist nahe gekommen. Die geliebte Stadt muss aus einer langen Betäubung herauskommen. Sie befand sich unter der Hand des Herrn, der sie den Becher seines Grimmes trinken ließ, und sie war betrunken, aber nicht von Wein. Die Völker bedrückten sie und behandelten sie wie „eine Straße für die darüber Schreitenden“ und schritten erbarmungslos über ihren Rücken hinweg. Erwache! Du wirst von jetzt an den Taumelbecher nicht mehr trinken. Ich werde ihn in die Hand derer geben, die dich bedrängen. Der Herr, dein Gott, wird die Rechtssache seines Volkes führen.

Der sechste Aufruf ergeht an Zion (Jes 52,1-10). Das erste „Wache auf“ war an den Arm des Herrn gerichtet, der darauf antwortete und seine Macht zeigte. Nun wird Zion aufgefordert, zu erwachen und sich mit Macht und Pracht zu bekleiden. Die heilige Stadt wurde von den Unbeschnittenen, die von nun an nie mehr in sie eintreten werden, mit Füßen getreten. Das Volk wird nie mehr etwas mit Ägypten zu tun haben, wohin es einst hinabgezogen ist, und auch nicht mit dem Assyrer, der es nach Babylon, dem Ort seiner Unterdrückung, weggeführt hat.

So wird es den Namen des Herrn kennenlernen, Ihn selbst, der sagt: „Hier bin ich!“ Der Bote des Friedens bringt frohe Botschaft. Es ist der Messias, der kommt und die Worte „Hier hin ich!“ spricht. Er bringt frohe Botschaft von Gutem und Heil. Er sagt zu Zion: „Dein Gott herrscht als König!“ Es ist die Verwirklichung dessen, was im vierten Buch der Psalmen oft wiederholt wird: „Der Herr regiert.“ Die Wächter müssen nicht mehr wachen, wie sie es während der langen, dunklen Nacht, die dem herrlichen Tag des Messias vorausging, getan haben. Ihre Stimmen jauchzen freudig. Glückliche Knechte! Nachdem sie während der Zeit des Leidens treu waren, genießen sie jetzt eine ungetrübte Freude. Wer von uns sehnte sich nicht nach einer solchen Freude? Der Tag ist nahe gekommen, die Nacht wird bald zu Ende sein.

Der siebte Aufruf (Jes 52,11.12) richtet sich schließlich an den treuen Überrest, der sich aus allen jenen zusammensetzt, die aus den Orten, wohin sie zerstreut worden waren, zurückgeführt worden sind. Der Ausdruck „die ihr die Geräte des Herrn tragt“ ist zweifellos eine Anspielung auf jene, die anlässlich des Aufrufs von Kores aus Babel nach Jerusalem zurückkehrten. Sie brachten die Geräte des Heiligtums mit sich. Aber in diesem Abschnitt haben wir den Hinweis auf eine größere Befreiung als die Befreiung aus Babel. Die gottesfürchtigen Juden werden am Ende der Zeit aus allen Orten kommen, wohin sie zerstreut worden sind, um in das verheißene Land zurückzukehren.

Dies wird ein noch wunderbarerer Aufbruch sein als jener aus Ägypten, das sie in Eile verließen. Hier werden sie nicht wie Fliehende davongehen, sondern der Herr wird vor ihnen herziehen und der Gott Israels ihre Nachhut sein. Denen, die so nach Jerusalem kommen, um dem Herrn dort zu dienen, geziemt Heiligkeit. Alles in ihrer Handlungsweise muss im Gegensatz zu den gottlosen Orten stehen, die sie verlassen haben, und in vollkommener Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes stehen, der sie so befreit hat.

Kapitel 52,13-15; 53

Die drei letzten Verse von Kapitel 52 sind eng mit Kapitel 53 verbunden und bilden mit diesem zusammen ein Ganzes. Wir kommen nun zu der erhabensten Stelle dessen, was der Prophet sah. Es sind nicht mehr Ereignisse, die vor seinen Augen vorüberziehen; es handelt sich vielmehr um eine Person, die sein Glaube betrachtet und deren Schönheit er uns beschreibt.

Es war genau dieser Abschnitt, den der Verwalter über alle Schätze der Kandaze, der Königin der Äthiopier, las, als er aus Jerusalem zurückkehrte (Apg 8). Er besaß mit dieser Schriftrolle einen kostbareren Schatz als alle Reichtümer, die er am Hof dieser Fürstin verwaltete. Er las, aber ohne zu verstehen, denn er besaß den „Schlüssel“ zu diesem Buch noch nicht. Gott, der die Herzen kennt und die Bedürfnisse dieses Mannes sah, sandte ihm in der Person von Philippus, dem Evangelisten, einen Boten. „Von wem sagt der Prophet dieses, von sich selbst oder von einem anderen?“, fragte der Leser den Philippus. Dies ist die wesentliche Frage, sowohl für ihn als auch für alle Leser des Buches Jesaja. Philippus verkündete ihm nun, indem er mit dieser Schrift begann, das Evangelium von Jesus.

Es ist hier also wirklich von Ihm die Rede. Sein Name konnte zur Zeit, da der Prophet sein Buch schrieb, noch nicht genannt werden. Trotzdem erfüllt seine Person diese ganze Seite, und zwar durch das kleine Wörtchen „er“, das in diesem Kapitel so oft wiederholt wird. So wird alles klar, einfach, wunderbar. Wie der Schatzmeister der Königin Kandaze können wir unseren Weg freudig weiterziehen, wenn wir Ihn kennengelernt haben.

Jesus war der wahre Knecht Gottes und hat seine Herrlichkeit kundgemacht. Während seines Dienstes erniedrigte Er sich zutiefst und war ganz demütig. Sein Aussehen war entstellter als das irgendeines Mannes und seine Gestalt entstellter als die der Menschenkinder. Nun ist Er erhoben und hoch erhöht im Himmel, sitzend zur Rechten Gottes. Das Auge des Glaubens schaut Ihn dort. Wir können sagen: „Wir sehen aber Jesus … mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.“ Wie groß wird das Erstaunen derer sein, die Ihn sehen werden, wenn Er in seiner Herrlichkeit kommen wird! Selbst Könige werden ihren Mund verschließen, wenn sie die Erhöhung Dessen sehen, der einst so tief erniedrigt war.

Aber wer hat dem geglaubt, was Gott von Ihm verkündigt hat? Überall traf sein Zeugnis auf vollständigen Unglauben. Es gab nur einen kleinen Überrest, der in den Augen der Menschen ohne Weisheit und ohne Verstand war, dem der Vater die Dinge, die diese herrliche Person betreffen, offenbart hat. Jesus besaß keine Pracht, wenn man Ihn sah. Er hatte kein Ansehen, dass wir Gefallen an Ihm gefunden hätten. Auch wurde Er verachtet, und wir haben Ihn für nichts geachtet. Im Gegensatz dazu ist Er für die, deren Herz von seiner Gnade berührt wurde, schöner als alle Menschensöhne, und seine ganze Person ist begehrenswert. Er ist es, der unsere Leiden getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen hat. Es ist der Herr Jesus, der für unsere Übertretungen verwundet und für unsere Missetaten zerschlagen wurde und der die Strafe zu unserem Frieden tragen musste. Durch seine Striemen sind wir von einer unheilbaren und schrecklicheren Krankheit als dem Aussatz geheilt worden. Armselige Wesen, die wir waren! Von Satan in die Irre geführt, gingen wir alle unseren eigenen Weg und taten unseren eigenen Willen. „Und der Herr hat ihn treffen lassen unser aller Ungerechtigkeit.“

Dieser Jesus war das heilige Opfer, das sich alles rauben ließ, ohne den Mund zur Widerrede zu öffnen. Wenn Er gewollt hätte, hätte Er seine Feinde mit einem Wort vernichten und sogar die Welten ins Nichts zurückkehren lassen können, aus dem Er sie erschaffen hatte. Aber was wäre aus dem Menschen in Bezug auf die Ewigkeit geworden? Was für einen Abschnitt haben wir doch vor Augen! Welch ein großartiges Thema für unsere Herzen, um darüber nachzusinnen und anzubeten! Der Herr Jesus wurde aus dem Land der Lebendigen abgeschnitten. Dies geschah durch die Hand ungerechter Menschen. Weshalb wurde Er geschlagen? Wegen der Übertretung seines Volkes; doch die Ergebnisse seines Todes sehen wir ein wenig später. Wer wird sein Geschlecht aussprechen, und wer kennt die Zahl derer, die in seinem Tod das Leben, ewiges Leben, gefunden haben? Wegen uns allen ist der Herr Jesus gestorben. Bewahren wir dieses Wort tief in unseren Herzen: Er wurde abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen!

Die Menschen haben ihren Hass vollständig an Ihm ausgelassen, aber als sein Werk vollbracht war, konnten sie Ihm nichts weiteres mehr antun. Gott wachte über seine heilige Person. Man wollte Ihm sein Grab bei Gesetzlosen geben, aber als es Abend geworden war, kam Joseph von Arimathia, der reiche Mann, von dem der Prophet hier spricht, um sich um seinen Leib zu kümmern. Er umhüllte ihn mit feiner Leinwand, legte ihn in eine neue Gruft, die er in den Felsen hatte hauen lassen, und entfernte sich dann, nachdem er einen großen Stein davorgerollt hatte. „Bei einem Reichen ist er gewesen in seinem Tod.“ Gott hatte es so angeordnet und es mehr als siebenhundert Jahre im Voraus durch den Mund seines Propheten verkündigt. Ihr Ungläubigen, was werdet ihr tun, wenn ihr Ihn sehen werdet? Ihr Gläubigen, betet an!

„Doch dem Herrn gefiel es, ihn zu zerschlagen.“ Hier müssen wir vor einem Geheimnis stillstehen. Der Herr Jesus litt nicht nur vonseiten der Menschen, sondern auch vonseiten Gottes. Wieso gefiel es Gott, Den leiden zu lassen, der immer die Ihm wohlgefälligen Dinge getan hatte und an dem Er sein ganzes Wohlgefallen, seine ganze Freude gefunden hatte? Diese Leiden offenbarten die unendlichen Vollkommenheiten seines Gehorsams. Sie waren wie das Feuer, das, vom Altar genommen, den Weihrauch verzehrte und ihn als eine Wolke von auserlesenem Wohlgeruch und angenehmem Duft vor Gott emporsteigen ließ. Nur Gott konnte dies wertschätzen. Wer sonst könnte es? Das Leben des Herrn Jesus war ein Gott wohlgefälliges Speisopfer. In seinem Tod war Er ein heiliges Brandopfer, ein Feueropfer, ein Wohlgeruch für Gott. Gott wurde in diesem allem vollkommen verherrlicht.

Aber bei diesem Opfer geht es auch um uns. „Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird“ – das betrifft uns. Seine heilige Seele musste den ganzen Schrecken des Todes als Gericht Gottes und Lohn der Sünde erfahren. Nicht nur sein Leib musste die Leiden erdulden, sondern auch seine Seele litt, als sie vom Schwert Gottes durchbohrt wurde.

Mit diesem Werk, das am Kreuz in vollkommener Weise vollbracht wurde, verbindet sich das Wohlgefallen Gottes. Wie hätte Er uns ohne dieses Gnade erweisen und seine Liebe kundtun können? Dieses Wohlgefallen liegt in der Hand des Herrn Jesus.

Jetzt lebt Er von Ewigkeit zu Ewigkeit. Bald wird Er die Frucht der Mühsal seiner Seele sehen, wenn Er seine Erlösten um sich versammelt haben wird. Was wird zu unserem Glück noch fehlen, wenn wir sein Glück sehen, und was wird zu seinem Glück noch fehlen, da Er ja vollkommen zufriedengestellt sein wird, wenn Er uns in seiner eigenen Herrlichkeit sieht?

Das Ende von Vers 12 stellt Ihn uns unter den Charakterzügen vor, wie wir Ihn in den vier Evangelien finden:

  1. Johannes: Er hat seine Seele in den Tod ausgeschüttet; niemand konnte Ihm das Leben nehmen.
  2. Markus: Er ist den Übertretern beigezählt worden (Mk 15,28).
  3. Matthäus: Er hat die Sünden getragen. In diesem Evangelium trägt sein Sterben am Kreuz den Charakter des Sündopfers.
  4. Lukas: Er hat für die Übertreter Fürbitte getan, sogar für jene, die Ihn umbrachten (Lk 23,34).

Kapitel 54

Als wir mit der Betrachtung des Buches Jesaja begannen, haben wir festgestellt, dass das Gesicht des Propheten „über Jerusalem“ ist. Es ist die Stadt, wohin der Herr seinen Namen gesetzt hat, die geliebte Stadt. Wegen ihrer Vergehen war sie während langer Jahrhunderte als Witwe in Trauer, untröstlich, ihrer Kinder beraubt und tiefbetrübt, wie vom Sturm geschlagen. An sie wendet sich der Erlöser an allererster Stelle nach seiner Auferstehung. Der Christus musste leiden und am dritten Tag aus den Toten auferstehen und in seinem Namen musste allen Nationen Buße und Vergebung gepredigt werden, „angefangen von Jerusalem“ (Lk 24,47). Jetzt, nachdem der Prophet vom Sühnungswerk gesprochen hat, das der Messias Israels vollbracht hat, wendet er sich unverzüglich an diese tiefbetrübte Stadt: „Brich in Jubel aus und jauchze.“ Sie wird nicht mehr Witwe sein, und ihre Kinder werden zahlreich sein; denn alle jene, die während der Zeit des Elends gesammelt wurden, werden ihr als ihre Kinder angerechnet. Sie sind es, weil sie in Christus sind, der in ihr geboren ist (Ps 87). Die Menge der Kinder Israels wird so groß sein, dass Jerusalem sich nach rechts und nach links ausbreiten muss und alle Städte des Landes Israel bewohnt sein werden.

Nachdem das Versöhnungswerk vollbracht und die Zeit ihres Elends beendet ist, wird sie mit ewiger Güte getröstet werden. Mit einem Schwur wird ihr versichert, dass sich der Herr nicht mehr über sie erzürnen wird. Dieser Schwur ist ebenso unwiderruflich wie jener, der Noah gemacht und mit dem ihm versprochen wurde, dass die Wasser des Gerichts die Erde nicht mehr bedecken würden. Die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber seine Güte wird nicht von ihr weichen. Die lange Prüfungszeit, die sie durchgemacht hat, wird im Vergleich zur ewig dauernden Güte, die sie dann genießen wird, wie ein kurzer Moment erscheinen. Fest gegründet wird sie die Herrlichkeiten ihres Messias widerspiegeln und die Ergebnisse seines Werkes am Kreuz für alle sichtbar erstrahlen lassen. Dies wird dann der Friede und die vollkommene Erkenntnis des Herrn sein.

In Vers 15 sehen wir die letzte, aber vergebliche Anstrengung der Feinde des Herrn. Er, der Schöpfer des Schmieds, der das Kohlenfeuer anbläst und eine Waffe zu ihrem Gebrauch formt, wird einen Verderber erschaffen, um die Feinde Jerusalems zu vernichten. Keine Waffe, die hergestellt wird, um sie gegen die Stadt einzusetzen, wird Erfolg haben, und jene, die sich gegen sie erheben, um sie zu richten, werden schuldiggesprochen.

Kapitel 55

In diesem Kapitel finden wir eine andere Segnung als Resultat des Werkes des vollkommenen Knechtes Gottes: die freie und kostenlose Gnade Gottes, die sich auf alle Völker erstreckt. Sie wird jetzt schon durch das Evangelium angeboten, doch wird sie es von neuem zur Zeit der Aufrichtung der Herrschaft Christi. Das Gesetz wurde einem einzigen Volk, Israel, gegeben; die Gnade und die Ergebnisse des Todes Christi werden sich bis an das Ende der Erde ausdehnen. Sie sind für alle Elenden, Zerstörten, Verlorenen. „He! Ihr Durstigen alle.“ Damit ist jeder, der durstig ist, angesprochen. Im Johannesevangelium finden wir den Ausdruck „jeder, der“ wiederholt. Er ermöglicht uns, das Maß der Liebe des Herzens Gottes zu erfassen. Wie schön, dass derselbe Gott der Liebe sowohl durch den Propheten Jesaja als auch durch den geliebten Jünger Johannes jeden Menschen, der Bedürfnisse hat, anspricht. Das Erbarmen Gottes gegen alle Menschen, das sein Herz erfüllt, sollte ungehindert offenbart werden. Sogar schon vor dem Werk am Kreuz musste Er davon reden. Dies alles ist so wunderbar, dass der Heilige Geist uns bereits in diesen Versen, noch bevor der Heiland kam, das Evangelium verkündet.

In den drei ersten Versen wendet sich die Gnade Gottes an alle Menschen. Kostenfrei bringt sie ihnen alles, was ihre Seelen nötig haben, um erquickt, genährt und froh zu sein. Weshalb sollten sie sich abmühen für das, was das Herz nicht erfüllen kann?

„Hört doch auf mich … Neigt euer Ohr und kommt zu mir.“ Diesen Ausdrücken begegnen wir oft in den Evangelien. Das Ergebnis davon ist, dass „eure Seele leben wird. Und ich will einen ewigen Bund mit euch schließen: die gewissen Gnaden Davids.“ Dies wird sich in den letzten Tagen wortgetreu erfüllen, doch schon jetzt kommt dies all denen zugute, die dem Evangelium glauben. Die Gnade Gottes macht uns nicht nur mit den Segnungen bekannt, sie bringt uns auch mit einer Person, dem göttlichen David, dem Herrn Jesus, in Beziehung.

Dies ist das Thema der Verse 4 und 5, die von Ihm sprechen. Wir haben hier noch nicht das Evangelium in seiner ganzen Fülle, wie wir es im Neuen Testament finden, aber es wird uns hier die gleiche Person vorgestellt. In diesem Bericht ist Er zum Zeugen und zum Gebieter von Völkerschaften gesetzt. Wir sehen Ihn in seiner königlichen Beziehung zu Israel und erkennen gleichzeitig, dass sich seine Herrschaft auf alle Nationen erstreckt.

Danach wird uns gezeigt, was die notwendigen Bedingungen sind, um von seiner Gnade Nutzen zu haben. Heute, nicht erst morgen, müssen wir Ihn suchen, unseren bösen Weg verlassen und zu Ihm zurückkehren. Er ist voll Erbarmen und reich an Vergebung. Wer kann seine Gedanken der Gnade ergründen, und wer kann die herrlichen Resultate des Werkes des Sohnes Gottes verstehen? Welches werden die Früchte sein, die sein lebendiges Wort während des ganzen Laufs der Weltgeschichte hervorgebracht hat? Wie wird die Offenbarung derselben sein, wenn unter der herrlichen Regierung des Christus die Sünde von der Erde weggetan sein wird?

Kapitel 56

In den ersten acht Versen dieses Kapitels wird das Thema des vorhergehenden weiter behandelt. Es ist ein Aufruf an die Treuen, das Recht zu wahren und Gerechtigkeit zu üben; was übrigens die Heiligen zu allen Zeiten kennzeichnen sollte. Dieses Ausüben der Gerechtigkeit wird uns hier vor allem in Verbindung mit dem Halten des Sabbats vorgestellt, der das greifbare Zeugnis des Bundes Gottes mit seinem Volk ist. Es ist nicht ein gesetzlicher Zwang, sondern die Freiheit der Gnade, die in den Herzen wirkt. Diese Gnade ist nicht nur für das Volk Gottes, sondern auch für die Fremden und für die, die am wenigsten von Gott gesegnet zu sein scheinen. Eines der offenbaren Kennzeichen dieses Segens wird sein, dass Er „seine Geschlechter Herden gleichmachen“ wird (Ps 107,41) und dass „der Kleinste zu einem Tausend werden wird und der Geringste zu einer gewaltigen Nation“ (Jes 60,22). Jene, die so den Bund des Herrn halten, werden ein kostbares Teil in seinem Haus haben, das „ein Bethaus für alle Völker“ genannt werden wird.

Die vier letzten Verse stehen im Gegensatz zu dem, was die Treuen zu Beginn des Kapitel kennzeichnet. Wir finden hier die geistliche Führungsschicht (den Klerus), die wegen der Stellung, die sie innehat, zu allen Zeiten die verantwortlichste und schuldigste Volksschicht ist. Als der Herr hier auf der Erde war, tadelte Er ihre Mitglieder ernst, indem Er sie anklagte, den ersten Platz bei den Gastmählern, die ersten Sitze in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten zu lieben. Sie rauben in den Herzen der Treuen das, was Gott allein besitzen soll.

In diesen Versen werden sie mit blinden Wächtern verglichen, die sich deutlich von den wachsamen Wächtern unterscheiden, denen wir im Lauf dieser Betrachtung begegnet sind. Weiter werden sie mit stummen Hunden verglichen, die die Treuen nicht vor den Gefahren warnen können, auf die sie zulaufen. Sie verhalten sich wie gefräßige Hunde, die keine Sättigung kennen. Sie sehen nicht, wie das Gericht über sie kommt, und wissen nicht, dass die Tiere des Feldes (die äußeren Feinde) sie verschlingen werden.

Kapitel 57

Dieses Kapitel enthüllt uns den wachsenden Abfall Judas nach der Verwerfung seines Messias. Für die Gerechten ist es nur Gewinn, wenn sie sterben, denn sie werden vor dem Gericht hinweggenommen. Dieses Gericht muss über das Volk kommen, weil es die Gnade, die ihm nach dem Werk am Kreuz angeboten wurde, verworfen hat. An dieser Stelle ist nicht mehr die Rede von einem langen Leben auf der Erde, wie es unter dem Gesetz versprochen war, sondern von Ruhe und Frieden. Die Welt achtet nicht auf diese Dinge. Das himmlische Teil des Gläubigen, das uns im Neuen Testament offenbart wird, wird hier nicht weiter erwähnt. Aber es ist schon ein kostbares Vorrecht, vor dem angekündigten schrecklichen Gericht in Sicherheit gebracht zu sein. Wie wohltuend ist die Gewissheit, dieses Gericht nicht durchmachen zu müssen, wenn es sich über die Erde ergießt.

In den folgenden Versen haben wir, wie wir glauben, den Götzendienst vor uns. Am Ende der Zeit wird er in seiner schrecklichsten Form wieder erscheinen, denn dann wird der Mensch der angebetete Götze sein. Es ist der Same des Götzendienstes und der Hurerei, der von neuem aufschießt und giftigere Früchte hervorbringt als zur Zeit der Könige von Israel und Juda. Der Mann, der in seinem eigenen Namen kommen wird, wird angebetet werden, und man wird ihm mit Öl und wohlriechenden Salben Ehrbezeugungen darbringen, die nur Gott gebühren. Dieses unglückliche Volk, das durch die Verführungen des Antichristen den schlimmsten Verirrungen preisgegeben ist, wird es wie eine Erneuerung seiner Lebenskraft empfinden, wenn es den Götzen nachjagt. Indem es an der Lüge Gefallen findet, wird es den Herrn vergessen. Diese Götzen werden ihm am Tag der Bedrängnis, wenn das Gericht es wie der Wind wegbläst, überhaupt keine Hilfe sein.

Inmitten dieses Zustands finden sich fromme, gerechte und treue Seelen: Sie sind es, die befreit werden. Sie werden auf den Herrn vertrauen, das Land erben und den heiligen Berg besitzen. Diese Treuen werden „mein Volk“ genannt. Der Weg, um in den Besitz des Erbes des Herrn zu gelangen, wird ihnen bereitet. Er wird sie heilen und sie alle zurückführen, auch die, die weit entfernt sind, und Er wird ihnen den Frieden geben.

Aber die Gesetzlosen sind wie das aufgewühlte Meer, das nicht ruhig sein kann und dessen Wasser Schlamm und Kot aufwühlen. „Kein Friede den Gesetzlosen! spricht mein Gott.“ Es heißt nicht mehr wie am Ende von Kapitel 48: „spricht Jehova“, sondern: „mein Gott“, denn Juda hat „seinen Gott“, in der Person seines Messias, verworfen.

Trotz alledem trägt die Stadt hier einen herrlichen Namen: „Ariel“ (= Gotteslöwe). Ein verwundeter, geschlagener, zu Boden geworfener Löwe, aber trotzdem ein Löwe Gottes. Seine Verfehlungen und seine Züchtigungen haben seinen Namen nicht geändert. Seine Feinde werden dies bitter erfahren. In dem Augenblick, da sie ihre Ziele erreicht zu haben glauben, fallen sie vernichtet vor den Mauern der Stadt zu Boden. Sie sind verwirrt und verschwinden wie ein Traum, wenn man erwacht. Als sie kamen, um Jerusalem zu belagern, dachten sie kaum daran, dass sie jene Stadt angriffen, von der gesagt ist: Der Herr ist da. Sie erwarteten wohl nicht, dass diese für sie ein Ariel, ein Gotteslöwe, werden würde.

Ihre Verwirrung wird größer sein als die von Sanherib, der erleben musste, dass vor derselben Stadt in einer einzigen Nacht 185.000 seiner Männer von einem Engel getötet wurden. Man kann sich nicht ungestraft an den „Gotteslöwen“ heranwagen, auch wenn sein Gott ihn züchtigt. Wir finden hier die endgültige Befreiung des Volkes. Jerusalem ist, wie wir gesehen haben, bis in den Staub erniedrigt, der Verstand seiner Verständigen verborgen und die Weisheit seiner Weisen zunichtegemacht. Diese lange und schmerzliche Züchtigung ist nötig gewesen, damit ihr ganzer Unglaube, ihr Hochmut und ihre Torheit völlig gerichtet würden. Nach der Vernichtung all seiner Feinde wird der wahre David sein Heerlager im wiederhergestellten Jerusalem aufrichten, und dieses wird der Sitz seiner herrlichen Regierung sein. An jenem Tag wird der Libanon in ein fruchtbares Land verwandelt werden. Taube werden die Worte des Buches hören, das ihnen für lange Zeit verschlossen war. Ihre blinden Augen werden sich dem Licht öffnen. Die Sanftmütigen werden ihre Freude im Herrn vermehren, und die Armen unter den Menschen werden in dem Heiligen Israels frohlocken. Die Schriften werden für sie nicht mehr wie ein versiegeltes Buch sein, das niemand lesen kann, oder wie ein offenes Buch, das niemand zu lesen versteht. Der Heilige Geist wird es ihnen verständlich machen. Jene, die einen verirrten Geist hatten, werden Verständnis erlangen, und die Murrenden werden die gute Lehre annehmen.

Siebter Abschnitt: Kapitel 58–66

Kapitel 58

Mit diesem Kapitel beginnt der letzte große Abschnitt des Buches Jesaja. In den vorangegangenen Abschnitten haben wir die beiden großen Anklagereden des Herrn gegen sein Volk gesehen: die erste wegen seines Götzendienstes und die zweite, die mit Kapitel 57 endet, wegen der Verwerfung und der Tötung des Christus. Nun werden wir die Schlussfolgerungen betrachten, die sich aus dem bisher Behandelten ergeben. Es wird also keinen Frieden für die Gesetzlosen geben, spricht Gott, der von seinem Volk so schwer beleidigt worden ist. Aber es wird am Ende einen treuen Überrest geben – wir haben es durch das ganze Buch hindurch gesehen –, einen frommen Überrest, der zurückkommen wird, an dem der Herr sein Wohlgefallen finden und den Er segnen wird. Jene, die ihn bilden, werden diesen Segen erst vollkommen genießen können, wenn sie dazu geführt worden sind, nicht nur ihre eigenen Verfehlungen, sondern auch die des ganzen Volkes zu verurteilen. Deshalb muss der Prophet „aus voller Kehle“ rufen und dem Volk seine Übertretung und dem Haus Jakob seine Sünden kundtun. Diese sind zahlreich und schwerwiegend. Wir haben ihre ganze Schrecklichkeit in den beiden vorher betrachteten Anklagereden gesehen.

Bei all diesem war es ein Volk, das nach außen sehr religiös schien, wie es uns die ersten Verse dieses Kapitels schildern. Wenn wir sie lesen, fällt es uns nicht schwer, darin das Pharisäertum zu erkennen, das von Gott, dem Herzenskenner, bloßgestellt wird. Er tut es auf die gleiche Weise wie bei den Sadduzäern am Ende von Kapitel 56. Diese ganze äußere Scheinfrömmigkeit verbirgt die schrecklichste Verderbtheit und die schlimmste Boshaftigkeit. Diese skrupellosen Pharisäer fürchteten sich nicht, den einzig Gerechten zu töten. Dann, als sie wussten, dass Er auferstanden war, haben sie die Wachsoldaten mit Geld bestochen und ihnen befohlen zu sagen: „Seine Jünger kamen bei Nacht und stahlen ihn, während wir schliefen.“

Der treue Überrest wird den Zustand, in dem sich das Volk befindet, vollkommen erkennen und auf den Ruf, den der Prophet hier „aus voller Kehle“ erschallen lässt, hören. Dann wird das Licht über ihm hervorbrechen wie die Morgenröte, und seine Heilung wird eilends sprossen. Er wird sein „wie ein bewässerter Garten und wie ein Wasserquell, dessen Gewässer nicht trügen“. Er wird alles das, was während Jahrhunderten zerstört worden ist, wiederherstellen. Der Messias wird „Vermaurer der Lücken“ und „Wiederhersteller bewohnbarer Straßen“ genannt werden. Dies wird sich in kurzer Zeit ereignen, denn der Herr hat geredet.

Kapitel 59

Der erste Teil dieses Kapitels ist die Fortsetzung des Themas des vorhergehenden: Dem Volk werden seine Übertretungen und dem Haus Jakob seine Sünden verkündet. Es sind diese Sünden, die eine Trennung zwischen ihnen und Gott verursacht haben. Von seiner Seite her mangelte nichts, denn seine Hand ist nicht zu kurz geworden, um zu retten, noch sein Ohr zu schwer, um ihre Gebete zu hören.

Er musste sein Angesicht vor ihnen verbergen, denn alles an ihnen ist beschmutzt, verderbt und sogar teuflisch. Ihre Hände, ihre Finger, ihre Zungen, ihre Füße, ihre Herzen, alles ist in einem schlechten Zustand. Deshalb schritt Gott nicht ein, um sie von ihren Feinden zu erretten.

In den Versen 9 bis 15 ergreift der treue Überrest das Wort und anerkennt die vollkommene Gerechtigkeit der Worte des aus voller Kehle rufenden Propheten. Er macht sich eins mit der Sünde des Volkes. Gleich anderen Treuen, wie Esra, Nehemia oder Daniel, die in früherer Zeit lebten und sich gedemütigt hatten (Esra 9; Neh 9; Dan 9), sind jene, die den Überrest bilden, in Trauer. Diese Haltung berührt das Herz. Weit davon entfernt, ihre Verfehlung auf andere abzuwälzen, wie unsere Ureltern, Adam und Eva, dies taten, sagen sie: „Darum ist das Recht fern von uns, und die Gerechtigkeit erreicht uns nicht. Wir harren auf Licht, und siehe, Finsternis; auf Helle, aber in dichtem Dunkel wandeln wir.“ Obwohl das Leben dieser Treuen zur Ehre Gottes war, trauern sie beim Vernehmen der Worte des Herrn. Sie empfinden den ganzen Schrecken der Verfehlungen des Volkes, zu dem sie gehören und mit dem sie sich unter dem Tadel des Herrn einsmachen.

Von Vers 16 an bereitet sich der Messias, der Erlöser Israels, auf sein Kommen zur Befreiung seiner Treuen vor. Weil es im Volk niemanden gibt, der die Gerechtigkeit aufrechterhält, greift Er in seiner Souveränität und Macht ein, um alle seine Feinde zu vernichten. Er zieht für sein Volk, das Er liebt, Gewänder der Rache und des Eifers an, und „nach den Taten, danach wird er vergelten: Grimm seinen Widersachern, Vergeltung seinen Feinden; den Inseln wird er Vergeltung erstatten“. Er wird für die aus dem Haus Jakob, die von ihrer Übertretung ablassen, nach Zion kommen. Und Er wird sie nach den Anordnungen des neuen Bundes segnen, nach dem Wort des Herrn und in der Kraft des Heiligen Geistes, der wie der Spätregen auf sie herabkommen wird.

Kapitel 60

Nun kommen wir zur Herrlichkeit, die Jerusalem während der wunderbaren Herrschaft des Messias Israels erfüllen wird. Im vorhergehenden Kapitel haben wir gesehen, wie Er sich aufmacht, um Zion zu befreien. Hier ist Er mitten in der Stadt: Sie wird zum Zentrum aller irdischen Herrlichkeit, zur Hauptstadt der ganzen Welt. Dies wird die Verwirklichung des ersten Gesichts des Propheten sein, das wir beim Lesen von Kapitel 2 betrachtet haben. Die Söhne Zions sind in der geliebten Stadt versammelt. Die Fremden bemühen sich eifrig und auf alle Arten, ihre Rückkehr zu erleichtern, indem sie ihnen alles, was sie besitzen, zur Verfügung stellen: Güter, Schiffe, Gold, Herden. Diese werden dem Herrn als Opfergabe wohlgefällig sein und auf seinem Altar geopfert werden. Sein Haus, das seit so langer Zeit verwüstet war, muss wieder aufgebaut und mit Pracht geschmückt werden. Die seit Jahrhunderten eingefallenen Mauern werden durch die Hand von Fremden wieder aufgerichtet. Über die Feinde wird sich das Gericht ergießen, und eine tiefe Finsternis wird sie bedecken. Die Herrlichkeit des Herrn wird über der Stadt erstrahlen, die Völker werden zu ihrem Licht kommen und die Könige der Erde zum Glanz ihres Aufgangs. Die Sonne der Gerechtigkeit, mit Heilung in ihren Flügeln, wird in ihrem ganzen Glanz erscheinen und diesen herrlichen Tag beleuchten.

So tief die Stadt Jerusalem in Erniedrigung und Leid gebeugt war, so hoch wird sie geehrt werden. Die Kinder ihrer Bedrücker werden sich vor ihr niederbeugen und alle ihre Schmäher zu ihren Fußsohlen niederfallen und sie Stadt des Herrn, Zion des Heiligen Israels, nennen. Alle Menschen, die zu seinem Volk gehören, werden Heilige und Gerechte sein, Nutznießer des Werkes, das allein einen Schuldigen rechtfertigen kann. Sie werden das Land nicht nur für eine bestimmte Zeit besitzen, sondern es wird im Gegenteil ihr vollständiges Eigentum für immer sein. Da werden sie so fruchtbar sein, dass der Kleinste zu einem Tausend wird und der Geringste zu einer gewaltigen Nation. „Ich, der Herr, werde es zu seiner Zeit eilends ausführen.“

Kapitel 61; 62; 63,1-6

Diese Kapitel beinhalten zusammen ein einziges Thema: die beiden Kommen des Messias Israels.

In Jesaja 61,1.2a ist von seinem ersten Kommen die Rede. Der Herr selbst hat diese Stelle in der Synagoge von Nazareth vorgelesen und hinzugefügt: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“ (Lk 4,16-21). Es ist bemerkenswert, dass Er mitten in Vers 2 aufgehört hat zu lesen. Zweifellos geschah dies, weil Er in Gnade zu seinem Volk gekommen war. Die Wunder, die Er zur Befreiung der Menschen vollbrachte, lieferten den unwiderlegbaren Beweis, dass Er der war, von dem der Prophet sprach. Das Weitere hat Er nicht gelesen, weil die Stunde der Rache noch nicht gekommen war.

Jene Stunde wird erst bei seinem zweiten Kommen zur Aufrichtung seines Reiches anbrechen. Dann wird Er in Macht erscheinen, nachdem Er das erste Mal in Gnade gekommen war. Diese Macht wird sich in der Befreiung der Seinen und dem Gericht über seine Feinde erweisen. Dann werden die, die ein zerbrochenes Herz haben, die Sanftmütigen, die Unterdrückten und die Trauernden die Gegenstände der Offenbarung seiner Gnade sein. Für sie wird es Befreiung und Freiheit bedeuten: Freudenöl. Sie werden die uralten Trümmer wieder aufbauen, die verwüsteten Städte aufrichten und die Orte, die von Geschlecht zu Geschlecht verwüstet lagen, erneuern. Die Fremden, die sie unterjocht hatten, werden als ihre Knechte ihre Herden hüten und ihre Weinberge bebauen. Die Befreiten selbst werden Priester des Herrn genannt, und alle, die sie sehen, werden erkennen, dass sie ein vom Herrn gesegneter Same sind.

Aber nach Vers 19 werden sie eine noch größere Freude als den Segen an sich besitzen: Sie werden sich im Herrn erfreuen und in Gott frohlocken. Den Segen mit Freude zu genießen, ist sehr kostbar, aber Den zu genießen, der den Segen austeilt, ist noch herrlicher und übersteigt den Segen an sich. Das Heil zu besitzen, ist eine große Gnade, aber sich am Heiland zu erfreuen, ist noch vorzüglicher.

Haben wir bemerkt, wie das Heil und die Gerechtigkeit nebeneinander auftreten und in diesen Abschnitten häufig erwähnt werden? Diese beiden Tatsachen werden vor den Augen aller Völker im reinen Licht der Gnade erglänzen. Diese wird dem Volk vom Messias, der einst bei seinem ersten Kommen gelitten hat, gebracht werden. Er wird ein zweites Mal kommen, um ihm die verheißenen Segnungen zu bringen. Größer als Boas, wird Er sich keine Ruhe gönnen, bevor Er nicht das, was Er sich für sein Volk vorgenommen hat, abgeschlossen hat. Dann wird Jerusalem „eine prachtvolle Krone in der Hand des Herrn und ein königliches Diadem in der Hand seines Gottes“ sein.

Ganz im Unterschied zu dem, was sie war – eine Verlassene und Witwe –, wird man sie nun als jene kennen, die dem göttlichen Salomo angehört, wenn er mit der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens, erscheinen wird (Hld 3,11).

Jerusalem, heilige Stadt, Ort der vollkommenen Sicherheit für das Volk Gottes, du wirst für die ganze Erde zum Thema ihres Lobes. Wie glücklich sind deine Bewohner! Sie werden den Herrn in seinen heiligen Vorhöfen loben. Aber was wird mit denen sein, die ihr Teil in der himmlischen Stadt haben, der Stadt aus Gold, deren Grundlagen mit kostbaren Steinen geschmückt sind? Alle werden während des herrlichen Reiches, dessen Morgenröte am Horizont bereits erkennbar ist, ein gesegnetes und wunderbares Vorrecht besitzen. Der Herr wird sich nicht verspäten, denn „der Kommende wird kommen und nicht zögern“ (Heb 10,37).

Dann werden die Himmel der Erde antworten und die Erde dem Himmel. „Lobt den Herrn von den Himmeln her! Lobt den Herrn von der Erde her!“, sagt der Psalmist. An jenem Tag wird Israel als das Volk, das sich nahe bei seinem Messias aufhält, diesem Lobgesang, der sich von der Erde erhebt, einen besonderen Klang geben. Und wie intensiv wird das Lob sein, das von denen hervorgebracht wird, die sich mit Ihm im Himmel befinden! Herr, komm eilends, zögere nicht!

Doch bis zu dieser nahen Stunde, lasst uns wie aufmerksame Wächter Nacht und Tag auf der Mauer rufen, auf einer wichtigeren Mauer als jener, die Jerusalem umgehen wird. Lassen wir Ihm keine Ruhe, während wir den Augenblick erwarten, da Er seine Versammlung in die himmlische Herrlichkeit einführen wird.

Im ganzen Kapitel 62 sehen wir, wie der Messias, der Erlöser Israels, eilt, um sein Volk in die Segnungen, die Er ihm erworben hat, eintreten zu lassen. „Zieht, zieht durch die Tore, bereitet den Weg des Volkes; bahnt, bahnt die Straße, reinigt sie von Steinen; erhebt ein Panier über die Völker! Siehe, der Herr hat eine Kunde erschallen lassen nach dem Ende der Erde hin: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung geht vor ihm her. Und man wird sie nennen: das heilige Volk, die Erlösten des Herrn; und dich wird man nennen: die Gesuchte, Stadt, die nicht mehr verlassen wird.“

Aber es ist auch der Tag der Rache unseres Gottes. Der Herr hat bei seinem ersten Kommen nicht von Rache gesprochen. Wegen seiner Gerechtigkeit muss sie jedoch unwiderruflich ausgeführt werden. In Kapitel 34 kündet der Prophet diese Rache an und sagt uns, dass sie in Edom stattfinden muss. Hier in Jesaja 63,1-6 hat der Messias diese Rache soeben ausgeführt; es ist eine abgeschlossene Sache. Er ist prächtig in seinen Gewändern, die zwar in Blut getaucht sind, weil Er seine Feinde zertreten hat wie die Trauben in der Kelter und ihr Blut auf seine Kleider spritzte. Er war allein am Kreuz, um zu erretten; Er ist hier allein, um seine Feinde zu vernichten. Das Land Edom wird der Ort sein, wo sich die Menge der Widerspenstigen gegen Ihn versammeln wird, und dort ist es, wo sie Ihm im Gericht begegnen werden.

Man darf diese Begebenheit nicht mit jener in Offenbarung 19 verwechseln, wo Er mit seinem in Blut getauchten Gewand erscheint, um seine Feinde daran zu erinnern, dass sein Blut und das seiner treuen Zeugen von ihnen vergossen wurde. Er befindet sich dort auf dem Weg, um mit ihnen zusammenzutreffen, und zeigt sich ihnen daher als Der, der Rechenschaft von ihnen fordern wird.

Hier ist also der Tag der Bestrafung seiner Feinde; es ist auch das Jahr seiner Erlösten. Vers 6 beschließt dieses Thema, das mit Kapitel 61 beginnt.

Kapitel 63,7-19

Mit dem 7. Vers dieses Kapitels beginnt das letzte Teilstück der Prophezeiungen Jesajas. Es umfasst zwei Abschnitte.

Bis zum Ende von Kapitel 64 sehen wir ein fürbittendes Flehen aus dem Mund des Propheten, der hier in gewisser Weise ein Werkzeug ist, um die Gefühle des Überrests zur Zeit des Endes auszudrücken. Es sind Herzens- und Gewissensübungen, durch die die Treuen gehen werden. Sie werden auch in einem großen Teil der Psalmen erwähnt, dort sogar noch detaillierter, als der Prophet dies hier tut. Durch die gleichen Übungen gehen auch all jene, in deren Herzen Gott durch seinen Geist wirkt, solange sie noch keinen vollkommenen Frieden und keine wahre Ruhe besitzen. Gott ist treu, und Er möchte das Herz von Grund auf prüfen, um alle Finsternis in uns zu zerstreuen und uns in den Genuss einer vollständigen Gemeinschaft mit sich zu führen.

Die beiden letzten Kapitel geben uns die Antwort des Herrn auf dieses Gebet des Propheten; eine Antwort der Gnade, aber auch der Wahrheit.

Der Überrest beginnt damit, die Gütigkeiten des Herrn gegenüber seinem Volk und die große Güte, die Er dem Haus Israel erwiesen hat, aufzuzählen. Dann spricht Er von seinem Mitgefühl ihnen gegenüber, von seiner Liebe und seinem Erbarmen. Doch das Volk hat sich trotz all diesem gegen Ihn aufgelehnt und den Geist seiner Heiligkeit betrübt.

Dieses Thema wird in Psalm 106 auf ergreifende Weise entfaltet. Dieses Bekenntnis führt die Treuen dazu, sich an Den zu wenden, den sie so oft beleidigt haben; und dennoch, wie viele Male hatte Er Erbarmen mit seinem Volk! „Blicke vom Himmel herab und sieh, von der Wohnstätte deiner Heiligkeit und deiner Majestät! Wo sind dein Eifer und deine Machttaten? Die Regung deines Inneren und deine Erbarmungen halten sich gegen mich zurück.“ Nur der Geist Gottes bringt solche Gefühle hervor und legt solch herzzerreißende Worte in den Mund eines Schuldigen. Welch heilige Unerschrockenheit kann eine von der Sünde überführte Seele kennzeichnen, die aber durch den Glauben von allem, was das Herz Gottes ist – unendlich wie Er selbst –, Besitz ergreift. Selbst Abraham würde sich von seiner Nachkommenschaft lossagen, was der Herr trotz allem nicht tun würde. Der Überrest anerkennt die Verstocktheit, die als Gericht über das Volk gekommen ist (davon hat der Prophet in Kapitel 6 gesprochen), und bekennt auch, dass es während sehr langer Zeit vom Herrn abirrte und seines Erbteils beraubt wurde, an dem es sich nur kurze Zeit erfreuen konnte, weil seine Feinde es wegen seiner Treulosigkeiten in Besitz nahmen. Dennoch hoffen sie auf den Herrn.

Kapitel 64

„O dass du die Himmel zerrissest!“ Es steht hier nicht mehr: „Blicke vom Himmel herab“, wie im vorhergehenden Kapitel (Jes 63,15). Der Glaube der Treuen wird mitten in ihrer Bedrängnis stärker und kühner. „Dass du herniederführest, dass vor deinem Angesicht die Berge erbebten, wie Feuer Reisig entzündet, Feuer die Wasser wallen macht, um deinen Namen kundzutun deinen Widersachern: damit die Nationen vor deinem Angesicht erzittern.“

In diesem Moment sind sie noch wie das Volk, wenn der große Hohepriester hinter dem Vorhang des Heiligtums verborgen ist. Sie können keine Gewissheit haben, von Gott angenommen und gesegnet zu sein, bevor Er nicht herausgekommen ist. Es ist ein Augenblick ängstlicher Erwartung, der mit einer unaussprechlichen Freude endet. Wenn der Messias aus dem Heiligtum hervortritt, in dem Er jetzt noch verborgen ist, werden sie die Dinge, die Gott für die auf Ihn Harrenden zubereitet hat, in Wahrheit erkennen. Es sind Dinge, die das Auge nie gesehen und das Ohr noch nie gehört hat. Wir kennen sie jetzt schon durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt. Aber sie werden sie erst dann genießen, wenn sie Den sehen werden, der jetzt noch in den Himmeln verborgen ist.

Trotz ihres traurigen Zustands, von dem sie ein vollständiges Bekenntnis ablegen, erkennen sie, dass sie in der Hand des Herrn sind wie der Ton in der Hand des Töpfers. Er kann aus einem missratenen Gefäß eines bilden, das in seinen Augen wohlgefällig ist. Aus einem Gefäß des Zorns kann Er ein Gefäß des Erbarmens formen. Das ist übrigens genau das, was Er sich vorgenommen hat. Diese verlassene Stadt Jerusalem wird der Sitz seines herrlichen Thrones werden. Diese schuldige Nation, zerstreut und tief betrübt, wird dorthin gesammelt werden. Er wird es tun. Er kommt aus seiner Herrlichkeit und geht dorthin, denn Er ist für das Volk gestorben und „damit er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“.

Kapitel 65

Hier sehen wir jetzt die Antwort des Herrn auf das Flehen der Treuen.

Wie ein Strom, dessen Quelle nichts verstopfen kann, hat sich seine Gnade während der Zeit der Verwerfung durch sein Volk zu den Nationen hingewandt. Er hat die gesucht, die nicht nach Ihm fragten, und gab sich ihnen zu erkennen. Diese Zeit dauert noch an, und wir sind die glücklichen Nutznießer davon.

Dies fand statt, während der Herr seine Hand zu einem ungehorsamen und widersprechenden Volk ausstreckte. Bis jetzt erhält es gegenüber den anderen Völkern noch eine äußerliche Trennung aufrecht. Es trägt eine scheinbare Heiligkeit zur Schau, wandelt aber gleichzeitig auf einem schlechten Weg und fordert den Herrn durch seine bösen Taten heraus. Gott war daher gerecht, indem Er seine Gnade den Nationen kundtat, während sein Volk auf die Seite gesetzt wurde.

Trotz alledem wird sich diese Gnade am Ende von neuem seinem Volk gegenüber offenbaren. Der Herr wird dies wegen seiner Knechte und aufgrund seiner Verheißungen an Juda und Jakob tun.

Aber jene, die den Götzen dienen, werden für das Schwert aufbewahrt und zur Schlachtung niedersinken, weil sie nicht hören wollten und Dinge taten, die böse waren in den Augen des Herrn.

Dann werden die Knechte des Herrn völlig gesättigt sein und sich freuen.

Die Bezeichnung „Knecht“ im Buch des Propheten Jesaja verdient eine nähere Beachtung. Sie wird zunächst auf Israel angewandt, das als solches die Herrlichkeit Gottes hätte kundtun sollen, aber darin versagt hat. Dann wird der Messias „Knecht“ genannt; Er ist der treue Knecht. Am Ende wird der Überrest von neuem „Knecht“ genannt werden können.

„Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde; und der früheren wird man nicht mehr gedenken, und sie werden nicht mehr in den Sinn kommen.“ Dies wird sich später erfüllen, wenn das Reich zu Ende geht und der ewige Zustand aufgerichtet wird. Zuvor wird es eine moralische Veränderung, eine ganz neue Ordnung der Dinge in den Himmeln und auf der Erde geben. Satan wird mit seinen Engeln vom Himmel hinabgeworfen und später im Abgrund eingeschlossen werden: Auf der Erde wird die Gerechtigkeit herrschen. Aber „der neue Himmel und die neue Erde“ werden erst dann erscheinen, wenn die jetzigen Himmel und die jetzige Erde vom Feuer zerstört worden sind.

Dann, am Ende des Kapitels, haben wir eine Beschreibung der Merkmale, die das Reich des Messias Israels kennzeichnen werden. Zuerst finden wir eine Aufforderung, sich zu freuen und zu frohlocken, nicht mit einer vergänglichen Freude wie in der jetzigen Zeit, sondern mit einer ewigen Freude. Jerusalem, als der Mittelpunkt der Prophetie, wird frohlocken, aber auch der Herr selbst wird sich über sein Volk freuen. Die Zeit, wo Er über diese Stadt weinte, wird vorüber sein. Die angekündigten Übel, die über sie kommen sollten, werden zu Ende sein. Es wird kein Weinen und kein Schreien mehr geben, und der Tod wird seine Macht nur noch in außergewöhnlichen Fällen ausüben. Er wird die besondere Strafe für Sünder sein. Ein Mann von hundert Jahren wird in seiner Jugendblüte stehen und jene, die in dieses herrliche Reich eingeführt wurden, werden noch nach tausend Jahren auf dieser Erde leben.

Dennoch wird dies noch nicht der ewige Zustand sein, wo es den Tod nicht mehr gibt. Weil sie so lange auf der Erde leben, werden die Menschen das, was sie gebaut haben, genießen und das, was sie gepflanzt haben, ernten können: Ihre Söhne werden nicht mehr zum Krieg bestimmt werden, wie dies heute der Fall ist.

Indem sie in fortwährender Verbindung zum Herrn stehen, werden die Menschen seine Antwort schon erhalten, während sie noch zu Ihm beten. Der Wolf wird mit dem Lamm zusammen wohnen; der Löwe wird die Menschen und Tiere mit seinem Gebrüll nicht mehr in Angst und Schrecken versetzen. Die ganze Schöpfung wird aus der Gegenwart des Schöpfers und Erlösers Nutzen ziehen. Die Menschen, die Tiere und selbst die Pflanzen werden an seiner Macht teilhaben. Nur die Schlange wird noch der Zeuge von dem Geschehen im Garten Eden sein und Staub fressen. Auf dem ganzen Gebirge des Herrn wird es keine Ungerechtigkeit und keine Gewalt geben.

Kapitel 66

Die Juden, die gegenwärtig in das Land, das der Herr ihren Vätern gegeben hat, zurückkehren, werden in kurzer Zeit in Jerusalem einen Tempel bauen, um dort Opfer darzubringen. In diesem Tempel wird der schlimmste aller Gräuel aufgerichtet werden: das Götzenbild – der Gräuel der Verwüstung –, das ein Abbild des römischen Tieres sein wird. Es ist deshalb dieses Haus, gegen das der Herr in diesem Kapitel seine Stimme erhebt. Wie könnte Gott, der den Himmel zu seinem Thron und die Erde zum Schemel seiner Füße hat, seine Ruhe in einem solchen Haus finden und durch den Dienst, der dort ausgeübt wird, befriedigt werden? Für Ihn werden das abscheuliche Dinge sein. So wie sie ihren eigenen Weg gewählt haben und ihre Seele an diesen Dingen Wohlgefallen gefunden hat, ohne sich um die Stimme des Herrn zu kümmern, wird Er ihr Unglück wählen und es über sie kommen lassen. „Stimme eines Getöses von der Stadt her! Stimme aus dem Tempel! Stimme des Herrn, der Vergeltung erstattet seinen Feinden!“ Aber der treue Überrest, der vom Volk gehasst und ins Lächerliche gezogen wurde, wird vom Herrn befreit werden. Seine Feinde werden seine Freude sehen, aber sie werden beschämt werden.

An jenem Tag wird Zion wie am Gebären sein, aber eine Geburt ohne Schmerzen, und die Menge ihrer Kinder wird in ihren Mauern versammelt sein. Die Nation wird wie an einem Tag geboren werden. Der lebendige Gott wird auf diese Weise, wenn der Augenblick gekommen sein wird, seine Macht offenbaren. Ein zahlreiches Volk wird ins Leben gerufen und versammelt werden, um die Segnungen des Reiches zu genießen. Alle, die Jerusalem geliebt und die während der Zeit ihrer Verwüstung getrauert haben, werden sich mit ihr und wegen ihr freuen. Sie werden genährt und gesättigt werden wie neugeborene Kinder und werden sich über ihre Herrlichkeit freuen. Friede und Trost wird ihr Teil sein, ihre Herzen werden sich freuen, und sie werden die Macht des Herrn zur Befreiung kennenlernen.

Aber über seine Feinde wird Er seinen Zorn ausgießen. Dieser wird wie ein Feuer kommen, und der Wagen seiner Regierung wird einem Sturmwind gleichen. Alles Fleisch wird mit Ihm zu tun haben. Das ungläubige Volk, das vorgibt, Gott zu dienen, und dabei heidnische und götzendienerische Praktiken ausübt, wird vernichtet werden.

Unterdessen ist die Zeit gekommen, um alle Nationen zu versammeln, damit sie die Herrlichkeit des Herrn sehen. Er kennt ihre Werke und ihre Gedanken und schickt die Entronnenen von Juda sogar zu den fernen Inseln, um ihnen seine Herrlichkeit zu verkünden. Der Herr wird die Herzen ihrer Bewohner dahin lenken, dass sie ihre Brüder aus allen Nationen zum heiligen Berg zurückbringen werden. Für diesen Dienst werden sie alle Verkehrsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, benützen. So wird ganz Israel versammelt werden, wie wir es in Kapitel 18 gesehen haben, und als ein Geschenk dem Herrn dargebracht werden. Diesen Ausdruck „Opfergabe“ benützt auch der Apostel Paulus: „das Opfer der Nationen“ (Röm 15,16). Gott wird also eine erste Opfergabe erhalten: das Opfer der Nationen, die Ihm während der jetzigen Zeitperiode zugeführt werden; und eine zweite Opfergabe: das Opfer seines treuen Überrests. Er wird sowohl an dem einen als auch an dem andern sein Wohlgefallen finden.

Diese glücklichen Erlösten aus Israel werden vor dem Herrn fortbestehen wie der neue Himmel und die neue Erde, die Er schaffen wird, also ewig. Von Neumond zu Neumond und von Sabbat zu Sabbat wird alles Fleisch kommen, um vor dem Herrn anzubeten. Er wird sowohl durch sein Volk als auch durch die Nationen verherrlicht werden, obwohl Israel während jenen glücklichen Zeiten einen besonderen Segen genießen wird. Solche, die sich gegen Gott auflehnen, werden für alles Fleisch zu einem Gegenstand ewigen Schreckens sein. Ihr Feuer wird nicht erlöschen und ihr Wurm nicht sterben.

So endet das Buch des Propheten Jesaja. So enden auch die Wege Gottes mit seinem irdischen Volk und mit allen Menschen.


Originaltitel: „Der Prophet Jesaja“
aus Halte fest; Jg. 1995, S. 272ff.; 1996, S. 25ff.; 1997, S. 23ff.; 1998, S. 23ff.

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Artikel wurde im Jahr 1937 geschrieben.

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