Das Problem der Sünde (3)
Römer 7: Die Sünde, das Gesetz, das Ich und wie weiter?

Frank Binford Hole

© CSV, online seit: 24.09.2002, aktualisiert: 20.09.2023

Leitverse: Römer 7

Die einleitenden Worte von Kapitel 7 lenken unsere Gedanken auf den vierzehnten und fünfzehnten Vers des vorhergehenden Kapitels zurück, wo der Apostel deutlich dargelegt hatte, dass der Gläubige nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade ist. Ein heftiger Streit war um diesen Punkt ausgetragen worden, wovon die Apostelgeschichte Zeugnis gibt, besonders in Kapitel 15.

Diese Streitfrage ist für die Gläubigen aus den Nationen in Jerusalem mit bindender Autorität entschieden worden. Sie sollten nicht unter das Gesetz gestellt werden. Aber war diese Frage genauso klar in Bezug auf jüdische Gläubige?

Offensichtlich war dies den jüdischen Gläubigen selbst durchaus nicht klar. Apostelgeschichte 21,20 beweist das. Deshalb war es dringend nötig, dass Paulus die Angelegenheit gründlich und endgültig vorstellte. Er kommt deshalb am Anfang dieses Kapitels auf dieses Thema zurück.

Vers 1

Röm 7,1: Oder wisst ihr nicht, Brüder (denn ich rede zu denen, die Gesetz kennen), dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt?

Der in Vers 1 eingeschobene Satz zeigt an, dass er sich jetzt besonders an seine jüdischen Brüder wendet. Sie allein kannten das Gesetz im engeren Sinn des Wortes. Die Heiden mochten einiges darüber wissen, gleichsam als Beobachter von außen. Israel kannte es von innen her, da sie als Volk unter das Gesetz gestellt waren. Diese Bemerkung des Apostels liefert uns einen wichtigen Schlüssel zu diesem Kapitel, weil sie den Gesichtspunkt angibt, von dem aus die Frage behandelt wird.

Die ersten sechs Verse des Kapitels tragen einen lehrmäßigen Charakter und zeigen, auf welche Weise der Gläubige von der Knechtschaft des Gesetzes losgemacht und in Verbindung mit Christus gebracht worden ist. In Römer 7,7 beginnt ein Abschnitt, der in hohem Maß mit unserer Erfahrung zu tun hat. Die Wirkungen des Gesetzes auf das Herz und Gewissen eines gottesfürchtigen Menschen werden im Einzelnen beschrieben. Wir bekommen einen Einblick in die praktischen Auswirkungen des Gesetzes, die schließlich den Gläubigen für die Erfahrung der Befreiung zubereiten, die in Christus und im Geist Gottes gefunden wird. Auffällig ist die Tatsache, dass der Heilige Geist in dem ganzen Kapitel Römer 7 nicht ein einziges Mal erwähnt wird, während Er in Römer 8 wahrscheinlich häufiger erwähnt wird als in irgendeinem anderen Kapitel der Bibel.

Der Apostel nimmt als Ausgangspunkt die wohlbekannte Tatsache, dass das Gesetz über einen Menschen herrscht, solange er lebt. Der Tod, und zwar nur der Tod, beendet diese Herrschaft. Sehr klar ist dies am Beispiel des göttlichen Ehegesetzes zu sehen, das in den Versen 2 und 3 angeführt wird.

Vers 4

Röm 7,4: Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.

Derselbe Grundsatz trifft bei den geistlichen Dingen zu, wie Vers 4 darlegt, obwohl in etwas abweichender Form. Das Gesetz nimmt die Stellung des Ehemannes ein, und wir, die wir glauben, sind in der Stellung der Ehefrau. Doch es ist nicht so, dass der Tod über das Gesetz gekommen wäre, sondern dass wir gestorben sind. Das macht Vers 4 ganz klar. In demselben Sinn stellt auch Vers 6 fest, dass wir gestorben sind.

Wir sind „durch den Leib des Christus“ dem Gesetz gestorben. Auf den ersten Blick erscheint dieser Ausdruck etwas undeutlich. Paulus bezieht sich hier, wie wir glauben, auf den Leib des Herrn, der für Ihn bereitet war und den Er annahm, als Er Mensch wurde. Er nahm diesen Leib im Hinblick darauf an, darin den Tod zu erleiden, und von daher wird der Ausdruck „Leib des Christus“ hier in der Bedeutung seines Todes gebraucht. Es ist dasselbe sprachliche Bild, das wir in Kolosser 1,22 haben, wo von uns gesagt wird, dass wir versöhnt sind „in dem Leib seines Fleisches durch den Tod“.

Verse 2.3

Röm 7,2.3: Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. So wird sie denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei von dem Gesetz, so dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird.

Im Tod Christi sind wir der Herrschaft des Gesetzes gestorben. Dadurch ist die Verbindung mit dem ersten Ehemann beendet worden. Zugleich sind wir damit in eine neue Verbindung eingetreten, mit und unter dem auferstandenen Christus. Jeder Jude fand den alten Ehemann, das Gesetz, streng und unbeugsam, gleichsam ein „Frauenschläger“. Dennoch mussten sie zugeben, dass sie reichlich verdienten, was sie empfingen. Als Gläubige aus den Nationen können wir uns kaum vorstellen, wie groß die Erleichterung gewesen sein muss, wenn ein bekehrter Jude entdeckte, dass er jetzt unter Christus war und nicht mehr unter Gesetz. Nachdem er einem aus den Toten auferstandenen Christus „angetraut“ war, lag der vorgegebene Standard höher, als das Gesetz ihn je gefordert hatte, aber von Christus her floss ihm jetzt eine uneingeschränkte Fülle an Gnade und Kraft zu, wie er deren bedurfte, um so für Gott Frucht bringen zu können. Im Bild des „Ehemannes“ ist Christus die Quelle aller Hilfe, Leitung und Kraft sowie allen Trostes.

Vers 5

Röm 7,5: Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen.

Wie eindrucksvoll ist der Gegensatz, den Vers 5 vorstellt! Dieser Vers ist in der Tat sehr beachtenswert, denn er nennt vier Dinge, die zusammengehören: Fleisch, Gesetz, Sünden, Tod. Das Gesetz war einem Volk „im Fleisch“ auferlegt worden. Dieses regte dann die Sünde, die stets im Fleisch verborgen ruht, zur Betätigung an. Folglich wurden die „Regungen“ oder „Leidenschaften“ der Sünde geweckt, und allem folgte der Tod als Gottes Gericht. „Fleisch“ bedeutet hier nicht unsere Leiber, sondern unsere gefallene Natur, die in unseren gegenwärtigen Leibern wohnt. Jede unbekehrte Person ist „im Fleisch“, das heißt, sie ist vom Fleisch beherrscht und in ihrem Zustand dadurch gekennzeichnet. Aber wir beachten, dass dieser Zustand für Gläubige der Vergangenheit angehört. Der Apostel sagt: „als wir im Fleisch waren“.

Vers 6

Röm 7,6: Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in welchem wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens.

Ein weiterer Gegensatz tritt hervor, wenn wir uns Vers 6 zuwenden: „Denn als wir … waren“ (Röm 7,5), „Jetzt aber“ (Röm 7,6). Da wir mit Christus gestorben sind, sind wir nicht nur der Sünde gestorben, wie Römer 6 gezeigt hat, sondern sind wir auch dem Gesetz gestorben und deshalb von ihm befreit. Folglich können wir Gott in einer völlig neuen Weise dienen. Wir erfüllen nicht nur neue Aufgaben, wir tun das auch in einem neuen Geist. Im vorhergehenden Kapitel lasen wir von „Neuheit des Lebens“ (Röm 7,4). Jetzt lesen wir von dem „Neuen {oder: der Neuheit} des Geistes“.

Im Alten Testament lesen wir von Personen, die von einem Leben der Ruchlosigkeit und Sünde zur Gottesfurcht umkehrten, zum Beispiel von Manasse, dem König von Juda, wie es in 2. Chronika 33,11-19 berichtet wird. Man könnte vielleicht von ihm sagen, dass er während der letzten Jahre seiner Regierung in Neuheit des Lebens wandelte. Doch konnte er Gott nur dienen nach den Grundsätzen und Möglichkeiten der Ordnung des Gesetzes, dem er unterstand. Neuheit des Geistes konnte ihn daher unmöglich kennzeichnen. Wenn wir einen Dienst in Neuheit des Geistes sehen möchten, dann müssen wir uns einem bekehrten Juden der gegenwärtigen Gnadenzeit zuwenden. Er mag einmal sein Bestes versucht haben, Gott im Geist strenger Gesetzesbeobachtung zu dienen. Nun hat er sich selbst als einen Sohn und Erben Gottes in Christus Jesus erkannt, und er dient im Geist eines Sohnes vor seinem Vater ein ganz und gar neuer Geist.

Ein Arbeitgeber mag zwei Männern eine bestimmte Aufgabe übertragen, wobei der eine der beiden sein Sohn ist. Wenn der junge Mann sich dieser besonderen Beziehung in gewissem Grad bewusst ist, wird er seine Arbeit mit einer ganz anderen Einstellung in Angriff nehmen als ein Angestellter. Dieses Bild wird vielleicht noch treffender, wenn wir das Beispiel einer Ehefrau nehmen, die den Interessen ihres Mannes dient. Vom Gesetz frei gemacht durch den Tod, den Tod Christi, sind wir mit dem auferstandenen Christus verbunden, damit wir Gott in einem neuen Geist dienen und für Ihn Frucht bringen.

Vers 7

Röm 7,7: Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: „Du sollst nicht begehren.“

Bei solch einer Belehrung tritt Christus deutlich in den Vordergrund und das Gesetz wird in den Schatten gestellt. Wird das Gesetz dadurch irgendwie herabgesetzt? Lässt sich daraus sogar folgern, dass etwas an dem Gesetz falsch sei? Diese Frage wird in den Versen Römer 7,7-13 erörtert, und es wird sehr deutlich herausgestellt, dass es in den Grenzen seiner Bestimmung vollkommen war. Die Ursache des Unheils lag nicht beim Gesetz, sondern bei der Sünde, die sich gegen das Gesetz erhoben hat. Allerdings hat die Sünde in dem Gesetz sowohl das gefunden, was sie herausforderte, als auch das, was sie verurteilte.

Vers 7 sagt uns, wie das Gesetz die Sünde aufgedeckt und verurteilt hat. Bevor das Gesetz kam, sündigten wir, doch erkannten wir nicht, was für Sünder wir waren. Als aber das Gesetz sprach, erkannten wir sogleich unseren wahren Zustand. Geradeso wie ein Senkblei anzeigt, wie schief eine wackelige Mauer ist, so entlarvt das Gesetz uns.

Vers 8

Röm 7,8: Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot.

Doch es war die Sünde, die das Unheil verursacht hat, nicht das Gesetz, wie Vers 8 uns belehrt, obwohl die Sünde das dadurch zu verschleiern suchte, dass sie gerade dann, wenn sie mit einem klaren Verbot des Gesetzes konfrontiert wurde, plötzlich aktiv wurde. Genau die Tatsache, dass uns befohlen wurde, eine Sache nicht zu tun, forderte uns heraus, sie gerade doch zu tun!

Verse 9-11

Röm 7,9-11: Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf; ich aber starb. Und das Gebot, das zum Leben gegeben war, dieses erwies sich mir zum Tod. Denn die Sünde, durch das Gebot Anlass nehmend, täuschte mich und tötete mich durch dasselbe.

Wir hatten somit einer zweifachen Weise mit dem Gesetz zu tun. Erstens regte es die Sünde zur Betätigung an. Es zog eine Linie und verbot uns, sie zu überschreiten. Unverzüglich reizte uns die Sünde zur Übertretung, und wir überschritten die Linie. Zweitens verkündete das Gesetz angesichts dieser Übertretung in aller Form das Todesurteil über uns. Es ist wahr, das Gesetz stellte Leben vor uns mit den Worten: „Tu dies und du wirst leben.“ Doch die Tatsache bleibt, dass alles, was es jemals im Blick auf uns ausrichtete, sich darin erschöpfte, uns zum Tod zu verurteilen, weil wir gänzlich darin versagten, das zu tun, was es befahl. Diese beiden Resultate des Gesetzes werden kurz und bündig am Ende von Vers 9 formuliert: „Die Sünde lebte auf, ich aber starb.“

Vers 12

Röm 7,12: Also ist also das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut.

Da sich die Sache so verhält, trifft das Gesetz selbst kein Tadel, denn es ist „heilig, gerecht und gut“. Die Sünde ist schuld, nicht das Gesetz.

Vers 13

Röm 7,13: Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot.

Die Sünde bewirkte den Tod, obwohl das Todesurteil vom Gesetz verkündet wurde. Wohl wirkte die Sünde schon, bevor das Gesetz gegeben wurde, aber in dem Augenblick, als es gegeben war, hatte die Sünde keine Entschuldigung, und ihr frecher Widerstand wuchs ins Maßlose. Durch das gegebene Gebot wurde die Sünde überaus sündig, wie Vers 13 sagt.

Wir haben hier einen Abschnitt dieses Kapitels vor uns, in dem der Apostel in der ersten Person der Einzahl spricht. In Römer 7,5 und 6 hieß es: „wir … wir … wir“, nach der Frage am Anfang von Vers 7 jedoch: „ich … ich … mir … ich“. Der Wechsel ist darin begründet, dass er jetzt über Erfahrungen spricht, und wenn es um Erfahrung geht, muss jeder für sich selbst sprechen.

Vers 14

Röm 7,14: Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft; …

Die ersten Worte von Vers 14 bilden nur scheinbar eine Ausnahme von dem, was wir gerade gesagt haben, doch sie sind es nicht. Es ist eine Tatsache, dass das Gesetz geistlich ist, das ist nicht nur eine Sache der Erfahrung, und es wird festgestellt als eine Tatsache, die wir kennen. Im Gegensatz dazu steht das, was „ich bin“, und das wird durch traurige Erfahrung gelernt: „fleischlich, unter die Sünde verkauft“.

Wie lernen wir, was wir sind? Nun, indem wir uns aufrichtig bemühen, uns der geistlichen Forderung, die das Gesetz stellt, zu unterwerfen. Je ernster uns das ist, umso wirksamer ist die Lektion, die in unsere Herzen gebrannt wird. Wir lernen unsere Sündhaftigkeit dadurch kennen, dass wir versuchen, gut zu sein.

Erinnern wir uns an das, was wir in Römer 6 gelernt haben, denn dort wird uns der Weg gezeigt. Wenn wir uns im Glauben vergegenwärtigen, dass wir mit Christus in seinem Tod einsgemacht sind, verstehen wir, dass wir uns selbst der Sünde für tot halten, Gott aber leben sollen, und folglich haben wir uns selbst und unsere Glieder Gott darzustellen zu seinem Willen und Wohlgefallen. Unsere Herzen stimmen dem voll zu als recht und angemessen, und wir sagen zu uns selbst, vielleicht sogar mit lebhafter Begeisterung: „Genau! Das werde ich tun.“

Wir versuchen aufrichtig, den Entschluss in die Tat umzusetzen, und siehe da, wir erleiden einen sehr unangenehmen Schock. Unser Vorsatz ist bestens, aber irgendwie haben wir keine Kraft, ihn auszuführen. Wir sehen das Gute und anerkennen es in unserem Geist, aber wir versagen darin, es zu tun. Wir erkennen auch das Böse und missbilligen es, und doch sind wir darin verstrickt – eine sehr schmerzliche und demütigende Lage, die wir in Römer 7,19 beschrieben finden.

In Römer 7,14-23 finden wir „ich“ nicht weniger als vierundzwanzigmal. „Mir“ und „mein“ kommen zehnmal vor. Offensichtlich beschreibt der Verfasser eine Erfahrung, während der er sich in Beschäftigung mit sich selbst verloren hatte. Alle Gedanken wandten sich nach innen, zu ihm selbst hin. Das überrascht nicht, denn genau das ist normalerweise die Wirkung des Gesetzes auf eine erweckte, gewissenhafte Seele. Wenn wir diese Verse näher untersuchen, stellen wir fest, dass mit den beschriebenen Erfahrungen wertvolle Entdeckungen verbunden waren.

Vers 16

Röm 7,16: Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es recht ist.

1. Er entdeckte durch Erfahrung den guten und heiligen Charakter des Gesetzes. Es ist gut, wie Römer 7,12 sagt, aber jetzt muss er sagen: „Ich stimme dem Gesetz bei, dass es recht ist.“

Vers 15

Röm 7,15: … denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht, was ich will, tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus.

2. Er entdeckte durch Erfahrung seinen eigenen gefallenen Zustand nicht nur als „fleischlich“, sondern als „unter die Sünde verkauft“. Jemand, der bekennen muss, dass er so überwältigt ist, dass er das nicht ausüben kann, was er will, und das ausüben muss, was er hasst, und der so in die demütigende Lage kommt, seine eigenen Handlungen beständig zu verurteilen, der ist tatsächlich versklavt. Wir gleichen Sklaven, die auf dem Markt einem tyrannischen Herrn verkauft wurden – unter die Sünde verkauft.

Vers 17

Röm 7,17: Nun aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde.

3. Doch er lernt zu unterscheiden zwischen dem, was in ihm von Gott gewirkt ist, was wir „die neue Natur“ nennen, und dem Fleisch, der alten Natur. Vers 17 zeigt dies. Er anerkennt, dass es sein wahres „Ich“ gibt, das mit der neuen Natur verbunden ist, und ein „Ich“ oder ein „Mir“, das zurückzuweisen ist, weil es der alten Natur angehört.

Verse 18-21

Röm 7,18-21: Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte ausüben will, dass das Böse bei mir vorhanden ist.

4. Er erfasst durch Erfahrung den wahren Charakter jener alten Natur. Wenn es um „mich“ geht, dann ist das „mein Fleisch“ (hier siehst du, dass es das alte „Ich“ ist, das er zurückweisen muss), in dem nichts Gutes wohnt, wie Vers 18 uns sagt. Gutes ist einfach nicht da. Daher ist es zwecklos, danach zu suchen. Haben einige von uns beschwerliche Monate oder sogar Jahre damit verbracht, nach dem Guten an einer Stelle auszuschauen, wo es gar nicht vorhanden war?

Vers 22

Röm 7,22: Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen …

5. Er lernt weiter, dass, obwohl er jetzt eine neue Natur besitzt, einen „inneren Menschen“ (Röm 7,22), diese in sich selbst ihm aber noch keine Kraft verleiht. Der innere Mensch mag sich an Gottes heiligem Gesetz erfreuen. Sein Geist mag dem Gesetz zustimmen, dass es gut ist, aber dennoch gibt es eine stärkere Kraft, die in seinen Gliedern wirkt und die ihn versklavt.

Wie herzzerbrechend ist dieser Sachverhalt! Einige unter uns haben seine Bitterkeit zur Genüge kennengelernt. Andere mögen sie jetzt schmecken müssen. Und wenn einige bis jetzt davon gar nichts berichten können, so sollten sie beunruhigt sein, denn es erhebt sich sofort die Frage, ob sie die neue Natur überhaupt besitzen. Wenn da nichts ist außer der alten Natur, dann sind naturgemäß Kämpfe und Erfahrungen dieser Art unbekannt.

Solche Erfahrungen sind von großem Wert, weil sie die Seele für die Glückseligkeit einer göttlich bewirkten Befreiung vorbereiten.

Vers 23

Röm 7,23: … ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.

Wenn wir uns jetzt dem Schluss von Römer 7 nähern, ist es wichtig, noch zu beachten, dass in diesem Abschnitt das Wort Gesetz in zweifachem Sinn gebraucht wird. In der Mehrzahl der Beispiele bezieht es sich natürlich auf das Gesetz Gottes durch Mose. In Römer 7,2 und 3 haben wir jedoch das „Gesetz“ des Ehemanns, in Römer 7,21 „das Gesetz“, in Römer 7,23 und 25 „ein anderes Gesetz“, das „Gesetz meines Sinnes“ und das „Gesetz der Sünde“. In diesen Fällen wird das Wort offensichtlich gebraucht, um eine Macht oder eine Kraft zu bezeichnen, die gleichmäßig in einer vorgegebenen Richtung wirkt: in genau demselben Sinn, in dem wir das Wort gebrauchen, wenn wir von „Naturgesetzen“ sprechen.

Wenn wir die genannten Verse noch einmal lesen und dabei das Wort „Gesetz“ durch „steuernde oder beherrschende Kraft“ ersetzen, können wir noch etwas klarer verstehen, was der Apostel sagen will. Nehmen wir Römer 7,23. Unser Geist sollte für jeden von uns die steuernde Kraft sein: Unsere Leiber sollten in Unterwürfigkeit gehalten werden. Das sollte in besonderer Weise so sein bei solchen, deren Geist durch die Kraft Gottes erneuert worden ist. Wir müssen aber mit der Sünde rechnen, die unsere Glieder beherrschen möchte. Dieser schlimmen Tatsache gilt es ins Auge zu sehen und durch Erfahrung zu lernen, dass die Sünde sich, wenn wir uns selbst überlassen sind, als die stärkere Kraft erweist, die Herrschaft an sich reißt und uns in Gefangenschaft hält.

Vers 24

Röm 7,24: Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?

Kein Wunder, wenn der Apostel in Erinnerung daran qualvoll ausruft: „Ich elender Mensch!“ Sicherlich kennen auch wir dieses unglückselige Elendsgefühl. Wir könnten es der jammervollen Not einer Seemöwe vergleichen, die durch auslaufendes schmutziges Öl von Motorschiffen vom Kopf bis zum Schwanz bedeckt wurde. Das grässliche Gesetz des klebrigen Öls verhindert, dass das Gesetz ihres Sinnes und die physikalischen Gesetze für den Flug in der Luft zur Geltung kommen! Und wer soll sie retten? In sich selbst hat sie keine Kraft. Wenn nicht jemand sie einfängt und säubert, muss sie sterben.

Vers 24 enthält nicht nur den gequälten Ausruf, sondern auch die wichtige Frage: „Wer wird mich retten?“ Der Wortlaut dieser Frage ist bedeutsam. Im früheren Teil dieses Berichtes, als der Sprecher durch jene Erfahrungen ging, die beispielsweise in Römer 7,14-19 ausführlicher beschrieben sind, hätte diese Frage wohl gelautet: „Wie werde ich mich selbst retten?“ Da suchte er noch nach einem Hilfsmittel in sich selbst, das die Rettung bewirken könnte, aber solches Suchen war vergeblich. Jetzt beginnt er, nach einem Retter außerhalb seiner selbst auszuschauen.

Vers 25

Röm 7,25: Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! Also nun diene ich selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.

Wenn nicht nur unser Selbstvertrauen, sondern auch jede Hoffnung auf uns selbst erschüttert worden ist, dann haben wir einen großen Schritt nach vorn getan. Unvermeidlich blicken wir jetzt von uns weg nach außerhalb. Zuerst sehen wir uns vielleicht nur nach Hilfe um und schauen daher in die falschen Richtungen. Doch früher oder später entdecken wir, dass es nicht Hilfe ist, deren wir bedürfen, vielmehr brauchen wir eine unbedingte Befreiung durch eine Macht, die durchaus nicht die unsere ist. Dann finden wir sehr bald die Antwort auf unser Schreien. Die Befreiung ist unser durch Jesus Christus, unseren Herrn, Gott sei gepriesen dafür! Er vermag uns ebenso aus der Sklaverei der Sünde zu befreien, wie Er uns von der Schuld unserer Sünden frei gemacht hat.

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Aus Grundzüge des Neuen Testaments, Bd. 3: Römerbrief – Korintherbriefe,  S. 45–53
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