Das Leben und Wirken Jeremias (3)
Teil 3: Jeremia 13–20

Willem Johannes Ouweneel

© Soundwords, online seit: 07.11.2017, aktualisiert: 17.02.2022

Leitverse: Jeremia 13–20

Kapitel 13,1-11

Jer 13,1-11: So hat der HERR zu mir gesprochen: Geh und kaufe dir einen leinenen Gürtel und lege ihn um deine Lenden; aber ins Wasser sollst du ihn nicht bringen. Und ich kaufte den Gürtel, nach dem Worte des HERRN, und legte ihn um meine Lenden. Und das Wort des HERRN geschah zum zweiten Male zu mir also: Nimm den Gürtel, den du gekauft hast, der um deine Lenden ist, und mache dich auf, geh an den Euphrat und verbirg ihn daselbst in einer Felsenspalte. Da ging ich hin und verbarg ihn am Euphrat, wie der HERR mir geboten hatte. Und es geschah am Ende vieler Tage, da sprach der HERR zu mir: Mache dich auf, geh an den Euphrat und hole von dort den Gürtel, den ich dir geboten habe daselbst zu verbergen. Und ich ging an den Euphrat und grub und nahm den Gürtel von dem Orte, wo ich ihn verborgen hatte; und siehe, der Gürtel war verdorben, taugte zu gar nichts mehr. – Und das Wort des HERRN geschah zu mir also: So spricht der HERR: Also werde ich verderben die Hoffart Judas und die große Hoffart Jerusalems. Dieses böse Volk, das sich weigert, meine Worte zu hören, das da wandelt in dem Starrsinn seines Herzens und anderen Göttern nachgeht, um ihnen zu dienen und sich vor ihnen niederzubeugen: Es soll werden wie dieser Gürtel, der zu gar nichts taugt. Denn gleichwie der Gürtel sich an die Lenden eines Mannes anschließt, so habe ich das ganze Haus Israel und das ganze Haus Juda an mich geschlossen, spricht der HERR, damit sie mir zum Volk und zum Namen und zum Ruhm und zum Schmuck seien; aber sie haben nicht gehört.

Wir haben hier in Kapitel 13, liebe Geschwister, liebe Freunde, das erste von verschiedenen Beispielen, wo der Prophet Jeremia eine sinnbildliche Handlung verrichten musste, eine sichtbare Handlung, wodurch er in einer Art Bildersprache dem Volk eine wichtige Belehrung beibringen musste. Wir werden später in Kapitel 16 und dann auch wieder in den Kapiteln 18 und 19 ähnliche Beispiele finden. Und hier sehen wir, dass der Prophet den Auftrag bekommt, sich einen leinenen Gürtel zu kaufen. Gürtel heißt es hier, es ist eigentlich ein kleiner Leibrock, also wirklich ein Kleidungsstück. Er sollte ihn sich um die Lenden legen, aber nichts ins Wasser bringen. Es sollte zuerst also nicht durch das Wasser verderben, er sollte es zuerst rein und sauber um seine Lenden tragen. Aber dann heißt es, dass er diesen Gürtel, den er gekauft und eine Zeit getragen hatte – dass er sich aufmachen und an den Euphrat gehen sollte –, daselbst in einer Felsenspalte verbergen sollte. Man hat sich oft die Frage gestellt, ob man denn wirklich annehmen muss, dass der Prophet diese entsetzlich lange Reise, die er auch noch zweimal machen musste, buchstäblich zum Fluss Euphrat gemacht hat. Das sind insgesamt, einmal hin und zurück, 2200 Kilometer zum Laufen. Es ist möglich, dass es sich hier um ein Gesicht handelt; das haben manche vermutet. Andere sagen, das hebräische Wort für Euphrat, Phrat, bezieht sich auf einen Brunnen, der nur 6 Kilometer nördlich von Anathoth gelegen war, und das sollte die Bedeutung sein. Allerdings ist der Gedanke an den Euphrat doch auch einleuchtend, weil der Euphrat ja in der Richtung Assyriens liegt, so dass Gott dann durch diese Handlung andeutet, dass das Verdorbenwerden dieses Gürtels erklärt, wie das Volk verdorben worden war durch die bösen Einflüsse des Götzendienstes aus Assyrien. Und zweitens weist der Euphrat ja auch in die Richtung Babyloniens, und es wird dadurch auch klargemacht, dass Gott selbst – wie dieser Gürtel zum Euphrat gebracht wird – auch sein Volk, weil es verdorben ist, nach Babylonien in die Gefangenschaft führen wird. Wie es auch sein möge, die Handlung an sich ist klar genug. Wir haben die Erklärung hier in Vers 11:

Jer 13,11: … gleichwie der Gürtel sich an die Lenden eines Mannes anschließt, so habe ich das ganze Haus Israel und das ganze Haus Juda an mich geschlossen …

Hier wird Israel – sowohl die zehn Stämme, die schon in Gefangenschaft weggeführt waren – als auch die zwei Stämme Juda mit einem Kleidungsstück verglichen. Es heißt: … sie waren

Jer 13,11: … mir zum Volk und zum Namen und zum Ruhm und zum Schmuck …

Es ist schön, das mit dem zu vergleichen, was wir in Kapitel 2, Vers 32 fanden. Dort war Gott sozusagen das Kleidungsstück, der Schmuck seines Volkes. Sie trugen Gott wie ihren Schmuck, so wie eine Braut, so wie es dort heißt, ihren Bräutigam trägt:

Jer 2,32: Vergisst auch eine Jungfrau ihres Schmuckes, eine Braut ihres Gürtels? aber mein Volk hat meiner vergessen Tage ohne Zahl.

Da vergleicht Gott sich mit dem Gürtel seines Volkes. Und hier vergleicht Er sein Volk mit einem eigenen Gürtel. So eng sind die beiden miteinander verbunden. Aber dann stellte Gott fest, dass dieses Volk so wie dieser Gürtel verdorben war, den Jeremia zum Phrat, oder zum Euphrat, bringen musste und in einer Felsenspalte verbergen musste. Und dann nach vielen Tagen sollte er sich aufmachen und von dort den Gürtel holen. Und er tat es. Und der Gürtel war verdorben – taugte zu gar nichts mehr. Und man kann sich so vorstellen, wie Jeremia diesen Gürtel zum Volk mitgebracht hat und ihn zeigte. Und sie sagen: Was ist damit geschehen, Jeremia? Du hast doch diesen Gürtel selbst getragen? Was ist geschehen? – Dort aus dem Norden her ist dieser Gürtel ganz verdorben. Und so hat Gott euch als einen Leibrock an sich tragen wollen. – Gott wollte sich schmücken mit seinem Volk. Er wollte ein Wohlgefallen an seinem Volk haben. Er möchte, wenn ich es ganz menschlich sagen darf, stolz sein auf sein Volk. Und ihr seid vom Norden her ganz verdorben. Das ist die Belehrung. Wir sind so darauf eingestellt, auf solch eine buchstäbliche Bildersprache. Aber im Osten spricht es ganz direkt, wir werden das später auch sehen, ganz direkt zu den Herzen, solch eine öffentliche Bildersprache. Und wir haben das hier auch in den nächsten Versen, Verse 12-14:

Kapitel 13,12-14

Jer 13,12-14: Und sprich dieses Wort zu ihnen: So spricht der HERR, der Gott Israels: Jeder Krug wird mit Wein gefüllt. Und wenn sie zu dir sagen: Wissen wir nicht sehr wohl, dass jeder Krug mit Wein gefüllt wird?, so sprich zu ihnen: Also spricht der HERR: Siehe, ich werde alle Bewohner dieses Landes, und die Könige, die auf dem Throne Davids sitzen {eig. die dem David (od. von David) auf seinem Throne sitzen}, und die Priester und die Propheten und alle Bewohner von Jerusalem mit Trunkenheit erfüllen. Und ich werde sie zerschmettern einen gegen den anderen, die Väter und die Kinder allzumal, spricht der HERR; ich werde nicht Mitleid haben, noch schonen, noch mich erbarmen, dass ich sie nicht verderbe.

Vielleicht war das zur Gelegenheit eines Festes, wobei viel Wein getrunken wurde. Und da machte der Jeremia so eine beiläufige Bemerkung. Es war vermutlich ein Sprichwort. So ohne Anlass, so schien es, rief er dieses Sprichwort aus. Jeder Krug wird mit Wein gefüllt, sagt er in Vers 12. Das hört sich fast so an wie die Sprache eines Betrunkenen. Krüge sind da, um mit Wein gefüllt zu werden. Und die Menschen staunen. Was ist das für eine Sprache aus dem Mund Jeremias? Was will er damit sagen? Und spöttisch sagen sie zu ihm: Ja, was soll das heißen, Jeremia? Es ist doch klar, dass jeder Krug mit Wein gefüllt sein sollte. Und dann kommt die ernste Erklärung, diese neue Erklärung, die Jeremia für dieses Sprichwort gibt. Er sagt:

Jer 13,13: … Also spricht der HERR: Siehe, ich werde alle Bewohner dieses Landes, und die Könige, die auf dem Throne Davids sitzen {eig. die dem David (od. von David) auf seinem Throne sitzen},

Also die verschiedenen Söhne Josias, den einen nach dem anderen, ich werde sie

Jer 13,13: und die Priester und die Propheten und alle Bewohner von Jerusalem mit Trunkenheit erfüllen.

Das ist der Wein des Grimmes, des Zornes des HERRN über dieses Volk.

Jer 13,14: Und ich werde sie zerschmettern einen gegen den anderen, die Väter und die Kinder allzumal, spricht der HERR; ich werde nicht Mitleid haben, noch schonen, noch mich erbarmen, dass ich sie nicht verderbe.

Und dann in den nächsten Versen gibt er nochmals eine letzte Warnung an dieses Volk:

Kapitel 13,15-19

Jer 13,15-19: Höret und nehmet zu Ohren, überhebet euch nicht! Denn der HERR hat geredet. Gebet dem HERRN, eurem Gott, Ehre, bevor er finster macht, und bevor eure Füße sich an Bergen der Dämmerung stoßen und ihr auf Licht wartet und er es in Todesschatten verwandelt und zur Dunkelheit macht. Wenn ihr aber nicht höret, so wird meine Seele im Verborgenen weinen wegen eures Hochmuts; und tränen wird mein Auge und von Tränen rinnen, weil die Herde des HERRN gefangen weggeführt ist. Sprich zu dem König und zu der Königin: Setzet euch tief herunter; denn von euren Häuptern ist herabgesunken die Krone eurer Herrlichkeit. Die Städte des Südens sind verschlossen, und niemand öffnet; Juda ist weggeführt insgesamt, ist gänzlich weggeführt.

Aber in Vers 18 und 19 haben wir eingeklemmt in einem ganz anderen Zusammenhang zwei Verse, die sich ausnahmsweise auf den Sohn Jojakims beziehen. Jojakim hat 11 Jahre regiert, und da kam der König von Babel, wollte ihn gefangennehmen, aber Jojakim ist vorzeitig gestorben, vermutlich in einem Aufstand des Volkes. Und während der König Nebukadnezar schon den Ring der Belagerung um die Stadt legte, wurde der ganz junge Sohn Jojakims, der Jojakin heißt, aber in diesem Buch Jekonja oder kurz Konja genannt wird, König – wenn man ihn König nennen kann – nur drei Monate in einer belagerten Stadt. Und nach drei Monaten musste dieser junge gottlose König mit seiner Mutter, Nechuschta (2Kön 24,8) – so wie sie in 2. Könige genannt wird, also das war die Frau von Jojakim –, in Gefangenschaft gehen. Es war eine neue Gefangenschaft, die zweite Gefangenschaft. Die erste war schon einige Jahre vorher geschehen, das war der Anlass, dass auch Daniel mit seinen Freunden in Gefangenschaft ging. Hier war es die zweite Gefangenschaft. Und diese Verse sagen:

Jer 13,18: Sprich zu dem König …

Das ist also Jekonja oder Jojakin.

Jer 13,18: … und zu der Königin:

Das war seine Mutter Nechuschta.

Jer 13,18a: Setzet euch tief herunter; …

Das heißt: Demütigt euch unter dem Gericht.

Jer 13,18.19: … denn von euren Häuptern ist herabgesunken {eig. denn herabgesunken ist, was euch zu Häupten war} die Krone eurer Herrlichkeit. Die Städte des Südens {das hebr. Wort bezeichnet stets den Süden Palästinas} sind verschlossen, und niemand öffnet; Juda ist weggeführt insgesamt, ist gänzlich weggeführt.

Da waren viele, viele, die schon zu jener Gelegenheit in die Gefangenschaft gingen. Aber die arme Bevölkerung blieb noch immer übrig. Und Nebukadnezar nahm einen Onkel von Jekonja, einen Bruder Jojakims, Matthanja, und nannte ihn Zedekia. Er wurde der letzte König aus dem Haus Davids über Juda. Und er hat auch 11 Jahre regiert, bis zu der völligen Zerstörung Jerusalems und des Tempels. Wir bleiben jetzt noch ganz, mit kleinen Ausnahmen, wie hier, in der Regierung Jojakims.

Kapitel 13,20-22

Jer 13,20-22: Hebet eure Augen auf und sehet die von Norden Kommenden! Wo ist die Herde, die dir gegeben war, deine herrliche Herde? Was willst du sagen, wenn er die zum Haupte über dich bestellt, welche du als Vertraute an dich gewöhnt hast? Werden nicht Wehen dich ergreifen, einer Gebärenden gleich? Und wenn du in deinem Herzen sprichst: Warum ist mir dieses begegnet? Um der Größe deiner Ungerechtigkeit willen sind deine Säume aufgedeckt und haben deine Fersen Gewalt gelitten. –

In den nächsten Versen wird wieder klargemacht, dass Jerusalem unheilbar krank ist. Und dass diese unheilbare Krankheit nur zum Tod führen kann. Es heißt in Vers 23:

Kapitel 13,23

Jer 13,23: Kann ein Mohr {eig. ein Äthiopier} seine Haut wandeln, ein Pardel seine Flecken? Dann könntet auch ihr Gutes tun, die ihr an Bösestun gewöhnt seid.

Das ist eine ernste Sache. Man würde denken, ein Mensch kann doch immer Buße tun. Ein Mensch kann sich doch bekehren und dann kann er sich doch völlig ändern. Ja, aber dieses Wort sagt zwei Dinge eigentlich aus: zuerst, dass Buße nie eine Verbesserung des alten Menschen ist. Insoweit ist dieses Wort auch schon wahr. Ein Mohr kann seine Haut nicht wandeln, ein Pardel seine Streifen nicht. Gott kann mit dem Menschen nach dem Fleisch nichts anfangen. Darum macht Er aus uns eine neue Schöpfung. Aber die eigentliche Bedeutung ist hier noch eine tiefere. Dieses Volk konnte sich nicht mehr bekehren. Für ein Volk und für einzelne Personen, wenn sie ihre Herzen verstocken, kommt der Augenblick, dass sie keine Buße mehr tun können. Das ist eine Verhärtung, eine Verstockung des Herzens, die wie ein Gericht Gottes über sie kommt. Hier spricht Gott aus, dass das Volk, im Großen und Ganzen natürlich, sich nicht mehr bekehren konnte. Es gab für sie keine Hoffnung mehr. Und wir wissen aus 2. Thessalonicher 2, dass dieses Gericht der Verstockung oder Verhärtung auch über die Christenheit kommen wird, in gewisser Hinsicht schon jetzt über die Christenheit besteht, aber sicher nach der Entrückung der wahren Gläubigen massenhaft über das Namenschristentum kommen wird. So wie es hier auch bei Israel in ihrer Endphase war. Gott sagt:

Kapitel 13,24-27

Jer 13,24-27: Darum werde ich sie zerstreuen wie Stoppeln, welche durch den Wind der Wüste dahinfahren. Das ist dein Los, dein von mir zugemessenes Teil, spricht der HERR, weil du meiner vergessen und auf Lüge vertraut hast. Und so werde auch ich deine Säume aufstreifen über dein Angesicht, dass deine Schande gesehen werde. Dein Ehebrechen und dein Wiehern, die Schandtat deiner Hurerei auf den Hügeln im Felde: Deine Greuel habe ich gesehen. Wehe dir, Jerusalem! Du wirst nicht rein werden – wie lange wirdʼs noch währen?

Dann haben wir mit Kapitel 14 und 15 zwei Kapitel, die zusammengehören und wohl letztlich in einer schrecklichen Dürre geschrieben worden sind.

Kapitel 14,1-6

Jer 14,1-6: Das Wort des HERRN, welches zu Jeremia geschah {eig. Was als Wort des HERRN zu Jeremia geschah} betreffs der Dürre {w. der Dürren}. Juda trauert, und seine Tore schmachten, liegen in Trauer am Boden, und Jerusalems Klagegeschrei steigt empor. Und seine Vornehmen schicken seine Geringen nach Wasser; sie kommen zu den Zisternen, finden kein Wasser, sie kommen leer zurück mit ihren Gefäßen; sie sind beschämt und mit Scham bedeckt und verhüllen ihr Haupt. Wegen des Erdbodens, der bestürzt ist, weil kein Regen im Lande war, sind die Ackerleute beschämt, verhüllen ihr Haupt. Ja, auch die Hindin auf dem Felde, sie gebiert und verlässt ihre Jungen; denn kein Gras ist da. Und die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen, schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen schmachten hin, denn kein Kraut ist da.

Es war ein Gericht Gottes. Er versuchte, das Herz seines Volkes oder einzelner Personen in diesem Volk noch zu erreichen. Wir können nicht mit irgendwelcher Sicherheit, Gewissheit sagen, wann dieses geschehen ist. Also tut das auch nichts zur Sache. Was aber wichtig ist, sind wieder die ganz persönlichen Äußerungen Jeremias in Vers 7-9. Wir möchten immer wieder ganz besonders diese Äußerungen Jeremias, die er nicht laut unter dem Volk ausgesprochen hat, genauer betrachten. Es sind seine persönlichen Übungen in der Gegenwart Gottes. Aber der Geist Gottes hat ihn dazu gebracht, diese Übungen auch für uns aufzuschreiben. Und hier begegnen wir einer zweiten wichtigen Warum-Frage. Wir hatten solch eine Frage in Jeremia 12,1. Da ist es die Frage Hiobs, die Frage Asaphs: Warum ist der Weg der Gesetzlosen glücklich? Auf dieses Warum antwortet Gott, dass er in sein Heiligtum hineingehen sollte und das Ende der Gottlosen anschauen sollte, so wie Asaph es entdeckt hat. Hier ist es eine andere Warum-Frage. In Kapitel 14, Vers 7 steht:

Kapitel 14,7

Jer 14,7: Wenn unsere Missetaten gegen uns zeugen, HERR, so handle um deines Namens willen; denn viele sind unserer Abtrünnigkeiten, gegen dich haben wir gesündigt.

Wie wir schon öfters gesehen haben, macht Jeremia sich hier wie Daniel in Daniel 9 eins mit dem sündigen Volk. Was sie hätten tun sollen, tut er. Er vertritt den treuen Überrest und er bekennt die Sünde seines Volkes. Aber jetzt kommt die Warum-Frage:

Kapitel 14,8

Jer 14,8: Du Hoffnung Israels, sein Retter in der Zeit der Bedrängnis, warum willst du sein wie ein Fremdling im Lande und wie ein Wanderer, der zum Übernachten eingekehrt ist?

Das heißt: Warum benimmst du dich, HERR, wie ein Fremdling, der sich über dieses Volk gar nicht kümmert, der nur vorübergehend hier unter uns in einer Herberge wohnt? – Ein Fremdling auf der Durchreise. Das ist eine ganz andere Warum-Frage. Hier sagt er nicht, hier spricht er nicht über das Gesetz, über den Weg der Gesetzlosen. Er spricht über das Volk Gottes. Er sagt: Wenn wir auch gesündigt haben, Gott, so kannst du uns doch nicht endgültig beseitigen. Du kannst uns doch nicht den Garaus machen. Warum handelst du so? Wir haben es zwar verdient, aber haben wir dieses harte Urteil verdient? Das ist eine ganz andere Warum-Frage. Und eine ganz rührende Frage, die das Herz Gottes bewegen sollte, die die Sünden bekennt und sagt: Gott, sei uns doch gnädig. Wir haben das Gericht verdient, aber handle doch mit uns nach deiner Gnade.

Kapitel 14,9.10

Jer 14,9.10: Warum willst du sein wie ein bestürzter Mann, wie ein Held, der nicht zu retten vermag? Du bist doch in unserer Mitte, HERR, und wir sind nach deinem Namen genannt; verlass uns nicht! So spricht der HERR zu diesem Volke: Also haben sie geliebt umherzuschweifen, sie hielten ihre Füße nicht zurück; und der HERR hat kein Wohlgefallen an ihnen: Nun wird er ihrer Missetaten gedenken und ihre Sünden heimsuchen. –

Er hatte noch nicht völlig mit seinem Volk abgerechnet, Er wohnte noch in Jerusalem, in dem Tempel. Er hatte noch diese Beziehung zu seinem Volk. Und wie herrlich ist das, wenn auch wir dieses Vorrecht haben, zu sagen: Herr, Du bist doch noch in unserer Mitte; handle dann nicht mit uns nach unseren Schwachheiten. Handle mit uns nach deiner Gnade, nach der Größe deines Erbarmens. – Und es ist herzensbewegend, wenn man so zu Gott kommen kann. Nicht sich auf Verdienst beruft, sondern sich beruft auf die Gnade des Herrn. Und da gibt Gott seine Antwort. Und wir haben öfters gesehen, Gott gibt Jeremia harte Antworten. Das muss auch sein, damit der Prophet so dem Volk gegenüber stehen wird, wie der HERR das selbst in der Strenge seines Gerichts tun muss. Und aufs Neue, zum letzten Mal sagt Gott hier in Vers 11:

Kapitel 14,11.12

Jer 14,11.12: Und der HERR sprach zu mir: Bitte nicht für dieses Volk zum Guten. Wenn sie fasten, werde ich nicht auf ihr Flehen hören; und wenn sie Brandopfer und Speisopfer opfern, werde ich kein Wohlgefallen an ihnen haben;

– wir haben das schon früher in diesem Buch gesehen –

Jer 14,12: sondern ich werde sie durch das Schwert und durch den Hunger und durch die Pest vernichten.

Und da spricht der Prophet:

Kapitel 14,13

Jer 14,13: Und ich sprach: Ach, Herr, HERR! Siehe, die Propheten

– das sind die falschen Propheten hier –

Jer 14,13: sprechen zu ihnen: Ihr werdet kein Schwert sehen, und Hunger wird euch nicht treffen, sondern ich werde euch einen sicheren Frieden geben an diesem Orte.

Das „ich“ sollte angeblich das „ich“ des HERRN sein. Und Jeremia klagt diese falschen Propheten vor Gott an. Und er sagt glattweg in den Versen 14-16, dass gerade über diese falschen Propheten sein besonders schlimmes Gericht kommen würde.

Kapitel 14,14-18

Jer 14,14-18: Und der HERR sprach zu mir: Die Propheten weissagen Lüge in meinem Namen; ich habe sie nicht gesandt und sie nicht entboten, noch zu ihnen geredet; sie weissagen euch Lügengesicht und Wahrsagung und Nichtigkeit und Trug ihres Herzens. Darum spricht der HERR also über die Propheten, welche in meinem Namen weissagen, und ich habe sie doch nicht gesandt, und die da sprechen: Weder Schwert noch Hunger wird in diesem Lande sein –: Die Propheten sollen durch das Schwert und durch den Hunger aufgerieben werden. Und das Volk, welchem sie weissagen, soll wegen des Hungers und des Schwertes hingeworfen liegen auf den Straßen von Jerusalem; und niemand wird sie begraben, sie, ihre Weiber und ihre Söhne und ihre Töchter; und ich werde ihre Bosheit über sie ausschütten. Und du sollst dieses Wort zu ihnen sprechen: Nacht und Tag rinnen meine Augen von Tränen und hören nicht auf; denn die Jungfrau, die Tochter meines Volkes, ist mit großer Zerschmetterung, mit einem sehr schmerzlichen Schlage zerschmettert. Wenn ich aufs Feld hinausgehe, siehe da, vom Schwert Erschlagene; und wenn ich in die Stadt komme, siehe da, vor Hunger Verschmachtende. Denn sowohl Propheten als Priester ziehen im Lande umher und wissen nicht Rat.

Und darum sagt Er, dass dieses Gericht, Schwert und Hunger, über diese Propheten kommen werden, die gerade gesagt hatten: Weder Schwert noch Hunger wird in diesem Land sein. – Und dann kommt der Prophet wieder mit seinen Warum-Fragen. Und jetzt haben wir eine dritte Warum-Frage. Wir müssen die alle genau unterscheiden. Auf jede Warum-Frage kommt eine andere Antwort. Und hier in Vers 19-22 haben wir wieder so einen Ausguss der inneren Gefühle des Propheten. Und er sagt:

Kapitel 14,19

Jer 14,19: Hast du Juda gänzlich verworfen? Oder verabscheut deine Seele Zion? Warum hast du uns geschlagen, dass keine Heilung für uns ist? Man hofft auf Frieden {o. Wohlfahrt}, und da ist nichts Gutes, und auf die Zeit der Heilung, und siehe da, Schrecken.

Was ist hier die Antwort? Warum schlägt Gott das Volk? Wenn man sagt: Warum lässt Gott die Gesetzlosen in Ruhe? – das ist eine schwierige Frage. Aber diese Frage ist gar nicht schwierig. Auf diese Frage kann Jeremia selbst die Antwort geben. Und er tut das auch in Vers 20:

Kapitel 14,20.21

Jer 14,20.21: HERR, wir kennen unsere Gesetzlosigkeit, die Ungerechtigkeit unserer Väter; denn wir haben gegen dich gesündigt. Verschmähe uns nicht um deines Namens willen.

Nicht um unsertwillen. Wir haben das nicht verdient, wir haben nur verdient, verschmäht zu werden, aber wegen der Größe deines Namens verschmähe uns doch nicht:

Jer 14,21: entehre nicht {eig. mache nicht verächtlich} den Thron deiner Herrlichkeit;

Das ist ja die Bundeslade, wo Gott zwischen den Cherubim thronte.

Jer 14,21: gedenke, brich nicht deinen Bund mit uns!

Wieder ein rührendes Wort. Denn Jeremia hatte vor dem Volk bezeugen müssen, wie oft sie den Bund mit dem HERRN gebrochen hatten. Und da sagt Jeremia: Was sie auch irgend getan haben, sie haben es alles zerbrochen. Aber HERR, brich du deinerseits nicht den Bund mit deinem Volk.

Kapitel 14,22

Jer 14,22: Gibt es unter den Nichtigkeiten

Das heißt unter den Götzen.

Jer 14,22: der Nationen Regenspender, oder kann der Himmel Regengüsse geben?

Also, der Zusammenhang ist noch immer diese schreckliche Dürre. Die Götzen können keinen Regen bringen, obwohl die Israeliten es glaubten. Das Himmelsgewölbe kann von sich selbst aus keine Regengüsse geben.

Jer 14,22: Bist du es nicht, HERR, unser Gott? Und wir hoffen auf dich; denn du, du hast dieses alles gemacht.

Und wieder diese harte Antwort. Wir selbst, liebe Freunde, wir empfinden diese Antworten fast wie Schläge auf unsere eigenen Seelen. Es tut uns leid, menschlich gesprochen, den Propheten so zu Gott reden zu hören und dann diese Antworten zu hören. Aber gleichzeitig macht die Härte dieser Antwort uns umso deutlicher, wie der Zustand des Volkes war. Und wir sollten uns darunter beugen, wenn wir ähnliche Verhältnisse heutzutage unter dem Volk Gottes sehen. Und wieder sagt Gott so hart:

Kapitel 15,1-4

Jer 15,1-4: Und der HERR sprach zu mir: Wenn auch Mose und Samuel vor mir ständen, so würde meine Seele sich nicht zu diesem Volke wenden. Und es soll geschehen, wenn sie zu dir sagen: Wohin sollen wir fortgehen?, so sage ihnen: So spricht der HERR: Wer zum Tode bestimmt ist, gehe zum Tode; und wer zum Schwerte, zum Schwerte; und wer zum Hunger, zum Hunger; und wer zur Gefangenschaft, zur Gefangenschaft. Denn ich bestelle über sie vier Arten von Übeln, spricht der HERR: das Schwert zum Würgen und die Hunde zum Zerren und das Gevögel des Himmels und die Tiere der Erde zum Fressen und zum Vertilgen. Und ich will sie zur Misshandlung hingeben allen Königreichen der Erde,

Erinnern wir uns daran, wie in 2. Mose 32 und 33 Mose zu Gott für das Volk gefleht hatte. Und wie Gott, obwohl sie damals so schrecklich gesündigt hatten, ihnen Vergebung schenkte. Und Gott sagt jetzt: Diesmal nicht. Wenn auch Mose käme. Wissen wir das nicht von Samuel, in 1. Samuel 7 und auch später in 1. Samuel 12? Zweimal hat er Fürbitte für das Volk getan und Gott hat gehört und Gnade erwiesen. Und Gott sagt: Wenn Samuel diesmal zu mir beten würde, ich würde nicht hören. Und den Grund gibt Er in Vers 4:

Jer 15,4: um Manasses willen, des Sohnes Hiskias, des Königs von Juda, wegen dessen, was er in Jerusalem getan hat. –

Das lag eine große Zeit zurück. Aber es ist so gut, dass wir, wenn böse Umstände herrschen, manchmal weit in die Geschichte zurückgehen, um die Ursprünge zu finden. Auch in Versammlungsschwierigkeiten liegen manchmal die Ursprünge Jahre zurück in Dingen, die nie richtig bereinigt worden sind. Die Ursprünge gehen zurück auf Streitigkeiten, die nie wirklich bekannt wurden. Und wenn sie nicht echt beseitigt wurden oder schon bekannt wurden, aber nicht wirklich vergeben wurden und deshalb auch vergessen, dann tauchen sie wieder auf, nach Jahren. Gott sagt: Da lagen die Ursprünge in jener schrecklichen Zeit Manasses. Und die ganze Wiederherstellung unter Josia war nur äußerlich, hat nie die eigentlichen Herzen des Volkes im Großen und Ganzen berührt – schrecklich ist das. Aber wie praktisch und wie wichtig für uns, zu sehen, dass Gott bis auf die Wurzeln des Bösen immer wieder zurückgeht.

Kapitel 15,5-9

Jer 15,5-9: Denn wer wird sich über dich erbarmen, Jerusalem, und wer dir Beileid bezeigen, und wer wird einkehren, um nach deinem Wohlergehen zu fragen? Du hast mich verstoßen, spricht der HERR, du gingst rückwärts; und so werde ich meine Hand wider dich ausstrecken und dich verderben; ich bin des Bereuens müde. Und ich werde sie mit der Worfschaufel zu den Toren des Landes hinausworfeln; ich werde mein Volk der Kinder berauben, es zugrunde richten. Sie sind von ihren Wegen nicht umgekehrt. Ihre Witwen werden mir zahlreicher sein als der Sand der Meere; ich bringe ihnen über die Mütter der Jünglinge einen Verwüster am hellen Mittag, lasse plötzlich Angst und Schrecken auf sie fallen. Die sieben gebar, verschmachtet, sie haucht ihre Seele aus; ihre Sonne ist untergegangen, als es noch Tag war; sie ist beschämt und zuschanden geworden. Und ihren Überrest werde ich dem Schwerte hingeben angesichts ihrer Feinde, spricht der HERR.

Und dann haben wir in Vers 10 eine dieser sehr rührenden Äußerungen Jeremias, wo er seine Klage äußert, dass er solch einen Dienst ausüben muss. Er ist jetzt sehr tief/schlecht dran. Und dabei kann man nicht sagen, wie wir sehen werden, dass er seinen Mund ganz vor Verunreinigung bewahrt hat. Auch Diener, so wie wir sagen, sind Menschen. Aber Menschen heißt: sündige Menschen von Natur. Und auch sie können manchmal so mutlos werden. Hebräer 13,17 sagt, dass wir dazu beitragen sollten, dass die Diener des Herrn, die Führer, nicht mutlos werden. Das ist unsere Verantwortung. Aber wenn sie doch mutlos werden, dann haben sie auch ihre eigene Verantwortung vor dem Herrn. Und so spricht Jeremia hier in Vers 10:

Kapitel 15,10

Jer 15,10a: „Wehe mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann des Haders und einen Mann des Zankes für das ganze Land! Ich habe nicht ausgeliehen, und man hat mir nicht geliehen; …

Das ist so ein Ausdruck: Ich habe keine Streitigkeiten verursacht. Und trotzdem:

Jer 15,10b: … alle fluchen mir.“

Eigentlich ist das eine ganz liebliche Sprache. Er sagt: Mutter, meine Mutter, ich bedauere es für dich, dass du solch einen Sohn in diese Welt gebracht hast, einen Sohn, der eine Ursache des Haderns und der Streitigkeiten für das ganze Volk geworden ist. – Vielleicht lebte seine Mutter noch. Ist das nicht schrecklich, wenn ein Diener des Herrn zu seiner Mutter sagen müsste: Ich bedauere es für dich, dass ich der Mittelpunkt von Zwisten und Zänkereien und Streitigkeiten geworden bin, ich bin nicht schuld daran, aber es tut mir leid für dich? Und da sagt Gott zu ihm:

Kapitel 15,11-14

Jer 15,11: Der HERR spricht: Wenn ich dich nicht zum Guten stärken {nach and. Lesart: befreien}, wenn ich nicht machen werde, dass zur Zeit des Unglücks und zur Zeit der Bedrängnis der Feind dich bittend angeht!

Gott ermuntert ihn.

Jer 15,12-14: Kann man Eisen, Eisen aus Norden, und Erz zerbrechen? Dein Vermögen und deine Schätze will ich zur Beute geben ohne Kaufpreis, und zwar wegen all deiner Sünden und in allen deinen Grenzen. Und ich werde es deine Feinde in ein Land bringen lassen, das du nicht kennst; denn ein Feuer ist entbrannt in meinem Zorn, über euch wird es brennen. –

Aber er kommt doch noch tiefer, er geht ganz tief. Er ist wie Hiob, über den in den ersten Kapiteln gesagt wird [Hiob 2,10]: Er sündigte nicht mit seinem Mund. Aber in den späteren Kapiteln hat er Gott doch regelrecht angeklagt. Und so sagt der Prophet in Vers 15:

Kapitel 15,15.16

Jer 15,15.16: HERR, du weißt es ja; gedenke meiner und nimm dich meiner an und räche mich an meinen Verfolgern! Raffe mich nicht hin nach deiner Langmut {d.h. indem du meinen Feinden gegenüber langmütig bist}; erkenne, dass ich um deinetwillen Schmach trage. Deine Worte waren vorhanden, …

Das heißt: Sobald ich deine Worte hörte, sobald sie mir gegeben wurden,

Jer 15,16a: … und ich habe sie gegessen, …

habe ich sie in mein Herz, in mein Inneres aufgenommen.

Jer 15,16b: … und deine Worte waren mir zur Wonne und zur Freude meines Herzens; denn ich bin nach deinem Namen genannt, HERR, Gott der Heerscharen.

Das heißt: Ich bin doch ein Prophet des HERRN. Dein Name ist über mir ausgerufen worden, ich stehe doch in deinem Dienst. Was habe ich nicht Gutes für dich getan. Ich habe dein Wort aufgenommen, es war mir zur Wonne, ich habe es auch verkündigt, und ich habe auch nicht an den Freudigkeiten des Volkes teilgenommen, ich habe mich davon ferngehalten:

Kapitel 15,17

Jer 15,17: Ich saß nicht im Kreise der Scherzenden und frohlockte; wegen deiner Hand saß ich allein, weil du mit deinem Grimm mich erfüllt hast.

Das heißt: Deinen Grimm musste ich weiter verkündigen, dem Volk gegenüber. Und dann kommt seine vierte Warum-Frage. Aber das ist wohl die schlechteste von diesen vieren. Wir zitieren vielleicht manchmal gerne Vers 16 aus dem Zusammenhang heraus und sagen: Wie schön ist das, wenn das Wort Gottes zu uns kommt, es aufzuessen. Aber der Geist, womit Jeremia diese Worte spricht, ist nicht gut. Es ist eine Anklage. Er sagt: Ich bin doch so treu gewesen, wie kannst du das nur mit mir machen, Gott, dass ich so zur Schmach geworden bin? „Warum“, sagt er jetzt in Vers 18:

Kapitel 15,18

Jer 15,18a: Warum ist mein Schmerz beständig und mein Schlag tödlich? Er will nicht heilen.

Und dann kommt es. Da geht er zu weit.

Jer 15,18b: Willst du mir wirklich wie ein trügerischer Bach sein, wie Wasser, die versiegen {eig. nicht andauern}? –

Gott ein trügerischer Bach?! Nun, liebe Geschwister, passen wir auf. Es wäre wohl sehr billig, wenn wir jetzt den großen Propheten, einen der größten aus dem Alten Testament, kritisieren würden. Das geziemt uns gar nicht. Wenn wir nur einigermaßen versuchen, uns vorzustellen, was dieser Mann mitgemacht hat, dann können wir uns menschlich vorstellen, dass ein Mensch so tief kommt wie ein Hiob, ein großer Mann Gottes, der doch in seiner Not so tief kommen kann, dass er Gott beschuldigt und anklagt. Aber was wir uns vorstellen können, ist deshalb noch nicht richtig. Es gibt fast keine Sünde, die man sich nicht vorstellen kann. Für alle Sünden, die es gibt, gibt es Entschuldigungen. Aber darum sind sie nicht richtig. Wir Menschen haben für jede Sünde eine Entschuldigung. Wir sagen: Dieser große Prophet hat so gelitten – und es ist wahr. Wir Menschen hätten schon längst nicht mehr ausgehalten – und das ist vermutlich auch wahr. Wir können es verstehen, dass er dann so weit kommt – das ist auch wahr, aber richtig ist es nicht. Und da gibt Gott ihm die härteste Antwort. Gott darf man nicht trügerisch nennen.

Kapitel 15,19

Jer 15,19a: Darum spricht der HERR also: Wenn du umkehrst, so will ich dich zurückbringen, dass du vor mir stehest {d.h. mir dienest}; …

Ich würde fast sagen, dass das eine ganz nüchterne Sprache ist. Das bedeutet einfach: Jeremia, wenn du so weiterredest, kann ich dich gar nicht mehr gebrauchen. Liebe Geschwister, einer der größten Propheten im Alten Testament war Elia. Er sprach zweimal zu Gott ein sündiges Wort auf Horeb, und Gott machte seinem Dienst ein Ende. Und er sollte Elisa salben statt seiner selbst. Wir haben es mit einem hochheiligen Gott zu tun. Dieser Gott gibt Jeremia noch eine neue Chance, wenn ich so sagen darf. Er sagt: Jeremia, wenn du dich sofort bekehrst von dieser Sprache, von dieser stolzen Sprache, dann kann ich dich gebrauchen; dann werde ich dich zurückbringen, dass du vor mir stehst; dann darfst du mein Prophet bleiben; aber dann will ich solch eine Sprache nie wieder aus deinem Mund hören.

Jer 15,19b: … und wenn du das Köstliche vom Gemeinen ausscheidest {o. absonderst}, …

… wenn du eine scharfe Trennung von meinem köstlichen Wort machen wirst, das du ja gegessen hast. Wenn du das dagegen nicht trennst von gemeinen Worten – so wie du die gerade gesprochen hast, mit welchen du mich sogar beschuldigt hast –, wenn du nicht sofort eine scharfe und klare Trennung zwischen den beiden machst, kann ich dich nicht gebrauchen. Aber wenn du nur noch das Kostbare sprichst und das Gemeine von nun an völlig vergisst,

Jer 15,19b: … so sollst du wie mein Mund sein.

Es ist nicht so, dass Gott mit seinen höchsten Dienern, menschlich gesprochen, eben mehr von ihnen verträgt als mit geringeren Dienern, genau umgekehrt. Je größer unsere Verantwortung, umso strenger sind die Anforderungen Gottes. Und es hätte mit Jeremia so ausgehen können wie mit Elia: dass sein Dienst damit plötzlich zu Ende war. Aber Gott sagt zu ihm: Sofort muss dieses aufhören, Jeremia, und ich kann dich weiterhin benutzen. – Er war eigentlich in dieser Sprache von dem Volk beeinflusst worden. Die sprachen ja ständig in dieser Weise über Gott. Und darum sagt Gott:

Jer 15,19c: Jene sollen zu dir umkehren, du aber sollst nicht zu ihnen umkehren.

Das ist es, was Absonderung ist. Das ist hier, wie die Bemerkung es auch sagt, in Verbindung mit dem Wort „ausscheiden“. Absonderung bedeutet nicht nur, dass man eine gewisse Stellung einnimmt, sondern dass in seine Aussagen – und das ist hier die Rede seines Mundes – nichts von diesem bösen Volk hineindringt; dass wir nicht die Sprache der Welt übernehmen, auch nicht die Sprache der sogenannten christlichen Welt. Sondern dass wir die Worte Gottes sprechen, dass unsere Münder das Kostbare und nicht das Gemeine sprechen, wie das in der Welt üblich ist und oft auch in der christlichen Welt. Wir sollen diese Stellung der Heiligung vor Gott einnehmen. Und wir heißen da einen jeden willkommen, der auch kommen möchte, um diese Stellung einzunehmen; die sollten zu dir kommen, umkehren, aber du sollst keine gemeine Sache mit ihnen machen. – Das heißt nicht, dass er buchstäblich sich absondern sollte, getrennt wohnen sollte, er war ja ständig unter dem Volk. Aber man kann ständig inmitten der Leute dieser Welt wohnen und gleichzeitig moralisch von ihnen getrennt sein: indem unsere Häuser anders aussehen, indem wir anders aussehen, und besonders wie es hier ist: anders reden, das Kostbare reden – und nicht das Gemeine reden, das Vulgäre, das, was von der Welt, der Sünde, vom Satan ist –: die Worte Gottes. Und ganz besonders gilt das hier für diesen Diener Jeremia. – Meine Worte sollst du reden, Jeremia. – Und solch eine Sprache, darf ich es mal so sagen, solch eine Sprache, Jeremia, ist einfach die Sprache der Welt. Die beschuldigt Gott ständig: Wenn Gott ein Gott der Liebe wäre usw. Aber wenn Gläubige zu solch einer Sprache kommen, besonders wenn sie solche Diener sind – das gibt es nicht. Und so redet Gott zu diesem Mann:

Kapitel 15,20.21

Jer 15,20: Und ich werde dich

– wenn du nicht (dich) umkehrst –

Jer 15,20.21: diesem Volke zu einer festen ehernen Mauer machen, und sie werden gegen dich streiten, aber dich nicht überwältigen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten und dich zu befreien, spricht der HERR. Und ich werde dich befreien aus der Hand der Bösen und dich erlösen aus der Faust der Gewalttätigen.

Ach dieser Gott. Der Herr seines Dieners ermuntert ihn doch auch wieder.

In Kapitel 16 sehen wir aufs Neue, wie auch eigentlich in Kapitel 13, dass das persönliche Leben Jeremias ein Beispiel für das Volk sein sollte. In dreierlei Hinsicht. Zuerst heißt es in Kapitel 16, Verse 1 und 2:

Kapitel 16,1.2

Jer 16,1.2: Und das Wort des HERRN geschah zu mir also: Du sollst dir kein Weib nehmen und weder Söhne noch Töchter haben an diesem Orte.

Das war damals sehr ungewöhnlich, unverheiratet zu bleiben. Da fiel man sehr auf. Man war eigentlich gesellschaftlich ausgeworfen (ausgeschlossen). Keine Nachkommen zu haben, das war eben das Schreckliche dabei. Was ist der Grund? Die Menschen würden fragen: Ja, Jeremia, warum bist du denn nicht verheiratet? Was ist das nun für eine unnormale Sache? Und da würde er dieses sagen müssen:

Kapitel 16,3.4

Jer 16,3.4: Denn so spricht der HERR über die Söhne und über die Töchter, die an diesem Ort geboren werden, und über ihre Mütter, die sie gebären, und über ihre Väter, die sie zeugen in diesem Land: Sie sollen an schmerzhaften Krankheiten[1], sie sollen nicht beklagt und nicht begraben werden, zu Dünger auf der Fläche des Erdbodens sollen sie werden; und durch Schwert und durch Hunger sollen sie vernichtet werden, und ihre Leichname sollen dem Gevögel des Himmels und den Tieren der Erde zur Speise dienen.

Zweiter Auftrag: Er sollte keinen Beerdigungen mehr beiwohnen.

Kapitel 16,5-7

Jer 16,5: Denn so spricht der HERR: Geh nicht in ein Haus der Klage, und geh nicht hin, um zu trauern, und bezeige ihnen kein Beileid; denn ich habe meinen Frieden von diesem Volk weggenommen, spricht der HERR, die Gnade und die Barmherzigkeit.

In einem kleinen Dorf wie Anathoth war das natürlich sehr auffällig. Wer kann sich da, gesellschaftlich gesprochen, einer Beerdigung entziehen? Und wieder würden sie böse fragen: Jeremia, warum bist du nicht gekommen? – Und er würde sagen: Gott hat seinen Frieden von diesem Volk weggenommen.

Jer 16,6: Und Große und Kleine werden in diesem Lande sterben, ohne begraben zu werden; und man wird nicht um sie trauern und sich nicht ritzen und sich nicht kahl scheren ihretwegen.

Das waren die heidnischen Gewohnheiten bei Beerdigungen.

Jer 16,7: Und man wird ihnen nicht Brot brechen bei der Trauer, um jemand zu trösten über den Toten, noch ihnen zu trinken geben aus dem Becher des Trostes über jemandes Vater und über jemandes Mutter.

Ein bemerkenswertes Wort, weil es uns zeigt, dass „Brot brechen“ und aus einem „Kelch trinken“, um sich eines Toten zu gedenken, vielleicht mit Anlass für den Herrn Jesus geworden ist, das Mahl des Herrn einzusetzen. Wo wir das Brot brechen und einen Kelch trinken zum Gedächtnis des geliebten Verstorbenen, um seinen Tod zu verkündigen. Aber das ist nur so nebenbei bemerkt. Das dritte Verbot war: Er durfte keinen Hochzeiten mehr beiwohnen. Das Gastmahl hier ist wohl ein Festmahl und da kann man besonders in Vers 8 an Hochzeiten denken.

Kapitel 16,8.9

Jer 16,8: Auch in ein Haus des Gastmahls sollst du nicht gehen, bei ihnen zu sitzen, um zu essen und zu trinken.

In einem kleinen Dorf auf dem Land ist ja die ganze Bevölkerung an einer Hochzeit beteiligt. Und wieder bleibt dieser einsame Mann zu Hause und man kommt und sagt: Warum warst du nicht dabei, Jeremia? – Und er sagt:

Jer 16,9: Denn so spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich werde an diesem Ort vor euren Augen und in euren Tagen aufhören lassen die Stimme der Wonne und die Stimme der Freude, die Stimme des Bräutigams und die Stimme der Braut.

Wir können uns vorstellen, dass die Menschen sagten: Dieser Prophet ist immer so pessimistisch. Was man irgend auch hat, wenn es eine Beerdigung ist, dann sagt er: Bald werden die Menschen gar nicht mehr beerdigt werden. Wenn es um Hochzeiten geht, dann sagt er: Bräutigam und Braut werden im Land aufhören. Wenn es um Söhne und Töchter geht, dann sagt er: Die werden sterben. Und wie ekelhaft muss das für den Propheten selbst gewesen sein, immer der Pessimist zu sein, so wie man das ausdrückt. Immer negativ, immer zu warnen, immer zu drohen und dabei selbst manchmal entmutigt zu werden. Jona brauchte nur vierzig Tage zu warten, um sein Wort in Erfüllung gehen zu sehen, aber Jeremia hat vierzig Jahre gewarnt, vor dem kommenden Gericht gewarnt und manchmal selbst daran gezweifelt, ob es überhaupt kommen würde. Das sagte er nicht dem Volk, aber diesen Zweifel brachte er vor Gott zum Ausdruck. Gibt es einen Propheten im Alten Testament, der solch einen schwierigen Dienst hat ausüben müssen?

Kapitel 16,10-13

Jer 16,10-13: Und es soll geschehen, wenn du diesem Volk alle diese Worte verkünden wirst und sie zu dir sprechen: Warum hat der HERR all dieses große Unglück über uns geredet? Und was ist unsere Missetat, und was unsere Sünde, die wir gegen den HERRN, unseren Gott, begangen haben? So sollst du zu ihnen sprechen: Darum, dass eure Väter mich verlassen haben, spricht der HERR, und anderen Göttern nachgegangen sind und ihnen gedient und sich vor ihnen niedergebeugt, mich aber verlassen und mein Gesetz nicht beobachtet haben; und ihr es ärger getrieben habt als eure Väter – und siehe, ihr geht ein jeder dem Starrsinn seines bösen Herzens nach, so dass ihr nicht auf mich hört –: So werde ich euch aus diesem Land wegschleudern in ein Land, das ihr nicht gekannt habt, weder ihr noch eure Väter; und dort werdet ihr anderen Göttern dienen Tag und Nacht, weil ich euch keine Gnade schenken werde.

Er sagt: und dann plötzlich wieder ein Lichtstrahl. Wir haben öfters solche Edelsteine gefunden. Er sagt hier in Vers 14:

Kapitel 16,14.15

Jer 16,14: Darum siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da nicht mehr gesagt werden wird: So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israel aus dem Lande Ägypten heraufgeführt hat!

Das feiern die Juden noch jedes Jahr bei dem Passahfest, den Auszug aus Ägypten. Aber einmal werden die Kinder Israel sagen:

Jer 16,15a: Sondern: So wahr der HERR lebt, der die Kinder Israel heraufgeführt hat aus dem Lande des Nordens und aus all den Ländern, wohin er sie vertrieben hatte!

Also, nicht nur aus der babylonischen Gefangenschaft, das ist ein Wort auch noch für die Zukunft, wenn Gott sein Volk aus allen Nationen zurückbringen wird.

Jer 16,15b: Und ich werde sie in ihr Land zurückbringen, das ich ihren Vätern gegeben habe.

Das macht dieses Buch so merkwürdig. Inmitten der schlimmsten Klagen plötzlich diese Lichtstrahlen der herrlichen Verheißungen Gottes für die Zukunft.

Kapitel 16,16-18

Jer 16,16-18: Siehe, ich will zu vielen Fischern senden, spricht der HERR, dass sie sie fischen; und danach will ich zu vielen Jägern senden, dass sie sie jagen von jedem Berge und von jedem Hügel und aus den Felsenklüften. Denn meine Augen sind auf alle ihre Wege gerichtet; sie sind vor mir nicht verborgen, und ihre Ungerechtigkeit ist nicht verhüllt vor meinen Augen. Und zuvor will ich zweifach vergelten ihre Ungerechtigkeit und ihre Sünde, weil sie mein Land mit den Leichen ihrer Scheusale entweiht und mein Erbteil mit ihren Gräueln erfüllt haben.

Kapitel 16,19–17,4

Und dann in Vers 19:

Jer 16,19: HERR, meine Stärke und mein Hort {eig. Feste od. Bergungsort}, und meine Zuflucht am Tage der Bedrängnis!

Ja, das hören wir lieber aus dem Mund Jeremias, wenn er sich in der Gemeinschaft seines Gottes wieder sicher fühlen kann und erfreuen kann.

Jer 16,19–17,4: Zu dir werden Nationen kommen von den Enden der Erde und sprechen: Nur Lüge haben unsere Väter ererbt, nichtige Götter; und unter ihnen ist keiner, der etwas nützt. Soll ein Mensch sich Götter machen, die doch keine Götter sind? Darum siehe, dieses Mal werde ich ihnen kundtun, werde ihnen kundtun meine Hand und meine Macht; und sie werden wissen, dass mein Name HERR ist. Die Sünde Judas ist geschrieben mit eisernem Griffel, mit diamantener Spitze; sie ist eingegraben in die Tafel ihres Herzens und an die Hörner eurer Altäre. Wie ihrer Kinder, so gedenken sie ihrer Altäre und ihrer Ascherim bei den grünen Bäumen, auf den hohen Hügeln. Meinen Berg im Gefilde, dein Vermögen, alle deine Schätze werde ich zur Beute geben – deine Höhen, um der Sünde willen in allen deinen Grenzen. Und du wirst, und zwar durch dich selbst, dein Erbteil fahrenlassen müssen, welches ich dir gegeben habe, und ich werde dich deinen Feinden dienen lassen in einem Lande, das du nicht kennst; denn ihr habt ein Feuer angezündet in meinem Zorn, es wird ewiglich brennen.

Aber dann sehen wir in Kapitel 17, ein sehr bekanntes Kapitel in diesem unbekannten Buch, dass er doch wieder über die unauslöschbare Schuld Judas sprechen muss. Und da sagt Gott in Vers 5:

Kapitel 17,5.6

Jer 17,5: So spricht der HERR: Verflucht ist der Mann, der auf den Menschen vertraut und Fleisch zu seinem Arme macht und dessen Herz von dem HERRN weicht!

Vielleicht bezieht sich das auf die falsche Hoffnung des Volkes, entweder auf Ägypten oder auf ihre Könige oder sogar auf Babylonien, auf die falschen Propheten; was irgend es auch sein möge, die Belehrung bleibt auch für uns bestehen: Hoffnung auf Menschen zu setzen, wenn es auch Diener des Herrn sind, wenn es auch die besten Menschen sind, die wir kennen: Verflucht sind wir. Das ist eine harte Sprache.

Jer 17,6: Und er wird sein wie ein Entblößter in der Steppe und nicht sehen, dass Gutes kommt; und an dürren Örtern in der Wüste wird er wohnen, in einem salzigen und unbewohnten Lande.

Kapitel 17,7.8

Aber unsere Hoffnung, unser Vertrauen sollten wir auf den HERRN stellen.

Jer 17,7: Gesegnet ist der Mann, der auf den HERRN vertraut und dessen Vertrauen der HERR ist!

Ich denke gerne, dass hier der bekehrte Jeremia spricht, der eine Belehrung aus Kapitel 15 gezogen hat. Denn er benutzt hier dasselbe Wort:

Jer 17,8: Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bache seine Wurzeln ausstreckt.

Hier ist Gott für ihn nicht mehr ein trügerischer Bach, sondern ein Bach, der immer Wasser gibt, immer Erfrischung, Erquickung, Nahrung. Der Mensch, der auf Gott vertraut, sagt ein bekehrter Jeremia, der das persönlich in seinem Leben erfahren hat, sei es auch durch mühsame Erfahrungen – dieser Prophet kann jetzt sagen: Ich habe es empfunden: „gesegnet ist der Mann“, der doch letztendlich, wenn alles verzweifelt ist, „auf den HERRN vertraut“. Das sind Worte, die man im Zusammenhang lesen muss. Jeder von uns, der jüngste Bekehrte unter uns, kann solche Worte auf die Lippen nehmen. Und sie sind Wahrheit. Aber es ist schön, diese Worte aus dem Mund eines Menschen zu hören, der fast an Gott verzweifelt wäre, wie Asaph im Psalm 73, und dann durch bittere Erfahrungen, aber auch durch herrliche Erfahrungen lernen muss, dass es der Mühe wert ist, auf Gott zu vertrauen und seine Wurzeln an diesem Bach auszuschlagen. Wir haben hier ähnliche Worte wie im ersten Psalm, die ja sehr bekannt sind.

Jer 17,8: Und er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bache seine Wurzeln ausstreckt, und sich nicht fürchtet, wenn die Hitze kommt; und sein Laub ist grün, und im Jahre der Dürre ist er unbekümmert, und er hört nicht auf, Frucht zu tragen. –

Kapitel 17,9.10

Aber dann kann Jeremia auch sagen, nachdem er selbst erfahren hatte, was in seinem Herzen war:

Jer 17,9: Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verderbt {eig. bösartig} ist es; wer mag es kennen?

Auch das ist ein Wort der Erfahrung. Jeder kann diesen Vers auswendig lernen, aber es ist ein Wort der Erfahrung, wenn dieser große Mann Gottes gestehen muss: Ich habe es empfunden, dass auch mein Herz zu allem imstande ist. Wer von uns würde sagen, dass er sein eigenes Herz kennt? Jeremia sagt in Vers 10:

Jer 17,10: Ich, der HERR, erforsche das Herz und prüfe die Nieren, und zwar um einem jeden zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Handlungen. –

Es ist für uns demütigend, aber auch ermunternd, zu wissen, dass Gott unser Herz kennt. Kennen wir das als eine Ermunterung, liebe Geschwister? Vielleicht ist es beschämend für uns, aber doch auch eine Ermunterung, wenn wir selbst manchmal über das staunen, was aus unseren Herzen hervorkommt und was glücklicherweise oft in unseren Gedanken steckenbleibt und nicht hinauskommt, dann aber zu wissen, dass, wenn wir manchmal uns selbst nicht verstehen, Gott das Herz und die Nieren erforscht und prüft. Und zwar um einem jeden zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Handlungen.

Kapitel 17,11-13

Jer 17,11: Ein Rebhuhn, das Eier brütet, die es nicht gelegt hat, so ist, wer Reichtum erwirbt und nicht mit Recht: In der Hälfte seiner Tage wird er ihn verlassen, und an seinem Ende wird er ein Tor sein.

Und dann darf Jeremia in Vers 12 sagen:

Jer 17,12a: Thron der Herrlichkeit, …

das ist wieder Gott, thronend zwischen den Cherubim,

Jer 17,12b: … Höhe {vergl. Hes 17,23; 20,40} von Anbeginn, du Ort unseres Heiligtums!

Gott, der in seinem Tempel wohnt, der die Hoffnung Israels ist,

Jer 17,13a: Hoffnung Israels, HERR! Alle, die dich verlassen, werden beschämt werden. – Und die von mir weichen, werden in die Erde geschrieben werden {d.h. so, dass die Schrift bald verwischt od. verweht wird}; …

man wird ihrer bald vergessen,

Jer 17,13b: … denn sie haben den Born lebendigen Wassers, den HERRN, verlassen.

Herrliche Worte der Hoffnung. Man freut sich, sie zu hören. Und dann – es ist ein Buch der Gegensätze – heißt es im nächsten Vers:

Kapitel 17,14.15

Jer 17,14.15: Heile mich, HERR, so werde ich geheilt werden; rette mich, so werde ich gerettet werden; denn du bist mein Ruhm. Siehe, jene sprechen zu mir: Wo ist das Wort des HERRN?

Er hat jetzt etwa 22 Jahre gesprochen, und er wusste es noch nicht, aber es würde noch 18 Jahre dauern. 40 Jahre insgesamt hat er gesagt: Das Gericht aus dem Norden kommt, aber die Leute sagten: Es sind jetzt schon 22 Jahre vorbei, Jeremia, du redest schon so lange – wo bleibt denn die Erfüllung? – Und die falschen Propheten sagten: Es kommt kein Gericht. Und sie hatten bis jetzt immer recht gehabt. Das wirkt demotivierend, wie die Leute heute sagen, entmutigend. Und hier kommt der Prophet zu Gott und sagt: HERR, wo bleibt dein Wort denn auch?

Jer 17,15: Wo ist das Wort des HERRN? Es möge doch kommen!

Kapitel 17,16

Aber dann sagt er drei Dinge von sich selbst. In Vers 16:

Jer 17,16a: Ich aber habe mich nicht entzogen, Hirte hinter dir her zu sein {and. üb.: mich nicht beeilt, vom Hirtenberuf dir nachzugehen}, …

Der König hätte er sein sollen, aber Jeremia, der Prophet, war eigentlich der geistliche Führer seines Volkes hinter dem großen Hirten Gottes her geworden. Er war der Hirte seines Volkes. Er hatte sich dieser Aufgabe nie entzogen. Und dann sagt er zweitens:

Jer 17,16b: … und habe den unheilvollen Tag nicht herbeigewünscht; …

Wie selbstverständlich wäre das gewesen, wenn er wie Jona sich darauf gefreut hätte, die Umkehrung Ninives zu sehen. Aber das war auch Ninive. Hier ging es um Jerusalem. 40 Jahre hat er über diesen Tag gesprochen. Und über den Tag des Gerichts, aber sein Herz konnte sich nicht auf dieses Gericht freuen. Wie wir das später sehen, nachdem die Stadt zerstört worden war im Buch der Klagelieder, weint der Prophet über die zerstörte Stadt. Und dann sagt er drittens:

Jer 17,16c: … du weißt es ja. Was aus meinen Lippen hervorging, war vor deinem Angesicht.

Du hast es ja alles gehört. Ich habe treu meinen Dienst vollführt.

Kapitel 17,17-27

Jer 17,17-27: Sei mir nicht zum Schrecken, du bist meine Zuflucht am Tage des Unglücks! Lass meine Verfolger beschämt werden, aber lass mich nicht beschämt werden; lass sie verzagt werden, aber lass mich nicht verzagt werden; bringe über sie den Tag des Unglücks, und zerschmettere sie mit zwiefacher Zerschmetterung! So spricht der HERR zu mir: Geh hin und stelle dich in das Tor der Kinder des Volkes, durch welches die Könige von Juda einziehen und durch welches sie ausziehen, und in alle Tore Jerusalems, und sprich zu ihnen: Höret das Wort des HERRN, ihr Könige von Juda, und ganz Juda und alle Bewohner von Jerusalem, die ihr durch diese Tore einziehet! So spricht der HERR: Hütet euch bei euren Seelen, und traget keine Last am Sabbattage, dass ihr sie durch die Tore Jerusalems hereinbringet! Und ihr sollt am Sabbattage keine Last aus euren Häusern hinausbringen und sollt keinerlei Arbeit tun; sondern heiliget den Sabbattag, wie ich euren Vätern geboten habe. Aber sie haben nicht gehört und ihr Ohr nicht geneigt, und sie haben ihren Nacken verhärtet, um nicht zu hören und Zucht nicht anzunehmen. Und es wird geschehen, wenn ihr fleißig auf mich höret, spricht der HERR, dass ihr am Sabbattage keine Last durch die Tore dieser Stadt hereinbringet und dass ihr den Sabbattag heiliget, indem ihr keinerlei Arbeit an demselben tut: So werden durch die Tore dieser Stadt Könige und Fürsten einziehen, welche auf dem Throne Davids sitzen, auf Wagen fahrend und auf Rossen reitend, sie und ihre Fürsten, die Männer von Juda und die Bewohner von Jerusalem; und diese Stadt wird bewohnt werden ewiglich. Und sie werden aus den Städten Judas kommen und aus den Umgebungen von Jerusalem und aus dem Lande Benjamin und aus der Niederung und vom Gebirge und aus dem Süden, indem sie Brandopfer und Schlachtopfer und Speisopfer und Weihrauch bringen und Lob bringen in das Haus des HERRN. Wenn ihr aber nicht auf mich höret, den Sabbattag zu heiligen und keine Last zu tragen und nicht durch die Tore Jerusalems einzugehen am Sabbattage: So werde ich ein Feuer in seinen Toren anzünden, dass es die Paläste Jerusalems verzehren und nicht erlöschen wird.

Nun, in dem letzten Teil dieses Kapitels handelt es sich um die Sabbatsheiligung, darüber möchte ich jetzt nicht sprechen.

Aber dann, in Kapitel 18 bis 20, die alle drei zusammengehören, haben wir eine neue Bildersprache. Es sind die Erfahrungen Jeremias bei dem Töpfer. Es sind zwei große Belehrungen, die wir bei dem Töpfer machen können: die Belehrung des Tons und die Belehrung des Kruges. So nenne ich sie jetzt mal. Die zwei sind sehr unterschiedlich. Er bekommt den Auftrag von Gott, zum Haus des Töpfers zu gehen, und da sollte er die Worte Gottes hören.

Kapitel 18,1-4

Jer 18,1-3: Das Wort, welches vonseiten des HERRN zu Jeremia geschah, also: Mache dich auf und geh in das Haus des Töpfers hinab, und daselbst werde ich dich meine Worte hören lassen. Und ich ging in das Haus des Töpfers hinab, und siehe, er machte eine Arbeit auf der Scheibe.

Wahrscheinlich werden sich die meisten von uns dabei was vorstellen können. Die horizontale Scheibe, die sich schnell dreht, durch die Füße in Bewegung gebracht, und dann kommt der Ton darauf, und daraus macht der Töpfer ein Gefäß.

Jer 18,4: Und das Gefäß, das er aus dem Ton machte, missriet in der Hand des Töpfers; und er machte wiederum ein anderes Gefäß daraus, wie es zu machen den Töpfer gut dünkte.

Und er schaute zu und dachte: Das war ein ganz bekanntes Bild; was will Gott mir damit sagen? Und da kommt das Wort Gottes zu ihm.

Kapitel 18,5-10

Jer 18,5-10: Und das Wort des HERRN geschah zu mir also: Vermag ich euch nicht zu tun wie dieser Töpfer, Haus Israel?, spricht der HERR; siehe, wie der Ton in der Hand des Töpfers, also seid ihr in meiner Hand, Haus Israel. Einmal rede ich über ein Volk {anderswo mit „Nation“ üb.; so auch V. 8.9.} und über ein Königreich, es auszureißen und abzubrechen und zu zerstören; kehrt aber jenes Volk, über welches ich geredet habe, von seiner Bosheit um, so lasse ich mich des Übels gereuen, das ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es zu bauen und zu pflanzen; tut es aber, was böse ist in meinen Augen, so dass es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das ich ihm zu erweisen gesagt hatte.

Wenn wir genau lesen, werden wir die Belehrung verstehen können. Denn wenn wir oberflächlich lesen – und so haben manche das auch aus dieser Geschichte geschlossen –, dann sieht das aus, als ob unser Gott nach vollkommener Willkür handelt. Manche haben das auch so bei der Lehre der Auserwählung gedacht: Gott wählt so willkürlich den einen aus und den anderen verwirft Er. Und nach seiner Freimacht, seiner Souveränität, wäre Gott auch berechtigt, das zu tun. Aber es gibt bei Gott keine Willkür. Dieses Kapitel ist ein ganz feines Kapitel, eine ganz genaue, aber schwierige Belehrung über ein Thema, das wir überall in der Schrift finden. Und das ist das Thema des schwierigen Verhältnisses zwischen der Souveränität Gottes und der Verantwortung des Menschen. Warum ist das Bild so schwierig? Weil Ton völlig passiv ist. Der Ton hat ja nichts zu sagen, der Töpfer macht sich ein Gefäß, und wenn es misslingt, dann fängt er einfach von neuem an. Da macht er es wieder zusammen zu Ton und fängt von neuem an; er macht einen neuen Versuch daraus, ein Gefäß zu machen. Aber in der Anwendung stellt sich heraus, dass der Ton gar nicht passiv ist. Der Ton, das sind wir alle. Und hier wird gesagt: Wenn ein Volk oder auch einzelne Personen sich bekehren, dann kann Gott, der Töpfer, aus ihnen etwas Neues machen. Und das müssen wir verstehen, um die Belehrung richtig zu ergreifen. Es ist hier nicht, dass Gott mit Willkür das eine Volk verwirft; es ist nicht so, dass Gott Israel verwirft, weil ihm das Volk einfach nicht mehr gefällt. Er verwirft das Volk, weil es böse ist, und sogar die Bosheit des Volkes ist nicht einfach etwas, wofür Gott verantwortlich ist. 40 Jahre lang ruft Er zu dem Volk, dass es sich bekehren sollte, und wenn es sich bekehrt, da macht der Töpfer aus diesem Ton ein neues Gefäß. Das ist seine Freimacht, seine Autorität. Ja, unser Gott ist souverän in dieser Hinsicht, aber es ist die Verantwortung des Menschen, sich zu bekehren. Letztendlich kann man sogar sagen, dass, wenn ein Mensch Buße tut, sogar das Gottes Gnade ist, Gottes Gabe. Und das macht ebendieses Problem so kompliziert. Es ist über unseren Verstand erhaben, das müssen wir gut verstehen. Aber hier zeigt Gott, dass Er als Töpfer das machen kann und das auch macht mit Völkern und mit einzelnen Menschen, aber dass sie sich bekehren müssen. Und wenn ein Gefäß misslungen ist, so wie auch Israel misslungen war, dann konnte Gott doch aus diesem Ton ein neues Gefäß machen, wenn sie sich nur bekehren wollten.

Kapitel 18,11

Und so sollte Er zu dem Volk in Vers 11 sagen:

Jer 18,11: Und nun rede zu den Männern von Juda und zu den Bewohnern von Jerusalem und sage: So spricht der HERR: Siehe, ich bereite ein Unglück gegen euch und sinne wider euch einen Anschlag; kehret doch um, ein jeder von seinem bösen Wege, und machet gut eure Wege und eure Handlungen.

Dieses Wort „ich bereite“ ist im Hebräischen genau dasselbe Wort wie das Wort „Töpfer“. Der Töpfer bereitet ein Gefäß aus Ton. Und so sagt Gott: … bin ich wie ein Töpfer mit euch beschäftigt. Um nämlich euch wieder zu vernichten, so wie der Töpfer ein anderes Gefäß daraus macht, es alles wieder zum Ton zusammenstampft und das Gefäß vernichtet, weil es missraten ist. – So ist Gott der Töpfer seines Volkes, aber Er sagt: Kehret doch um. – Der Ton ist nicht passiv; das Volk kann sich bekehren, damit Gott ein neues Gefäß aus ihnen machen kann. Und dann klagt Gott aufs Neue das Volk an, weil es sich nicht bekehren lässt.

Kapitel 18,12-17

Jer 18,12-17: Aber sie sagen: Es ist umsonst; denn unseren Gedanken wollen wir nachgehen und ein jeder nach dem Starrsinn seines bösen Herzens tun. Darum, so spricht der HERR: Fraget doch unter den Nationen! Wer hat dergleichen gehört? Gar Schauderhaftes hat die Jungfrau Israel getan. Verlässt wohl der Schnee des Libanon den Fels des Gefildes? Oder versiegen weither kommende kalte, rieselnde Wasser? Denn mein Volk hat mich vergessen, sie räuchern den nichtigen Götzen; und diese haben sie straucheln gemacht auf ihren Wegen, den Pfaden der Vorzeit, um Steige zu gehen, einen Weg, der nicht gebahnt ist, damit sie ihr Land zum Entsetzen machen, zu ewigem Gezisch: Jeder, der an demselben vorüberzieht, wird sich entsetzen und den Kopf schütteln. Wie der Ostwind werde ich sie vor dem Feinde zerstreuen; mit dem Rücken und nicht mit dem Angesicht werde ich sie ansehen an dem Tage ihres Verderbens.

Aber dann sehen wir in Vers 18, dass, nachdem der Prophet vermutlich diese harte Sprache zum Volk geredet hatte, sie aufs Neue sagten: Dieser Mann darf nicht leben bleiben.

Kapitel 18,18

Jer 18,18a: Da sprachen sie: Kommt und lasst uns Anschläge gegen Jeremia ersinnen; denn nicht geht dem Priester das Gesetz verloren noch der Rat dem Weisen und das Wort dem Propheten.

Wir brauchen doch diesen Mann gar nicht. Wir haben doch den Priester. Wenn wir Unterricht aus dem Gesetz haben wollten, dann gehen wir zu unseren Priestern. Ja, das waren böse Priester. Wenn wir praktische Ratschläge für das Leben haben wollen, das tagtägliche Leben, dann haben wir unsere Weisen. Wir kennen diese Weisheitsliteratur, in den Sprüchen zum Beispiel. Hier haben wir solche Weisen, Ratschläge für das praktische Leben. Wir brauchen doch einen Jeremia nicht dafür?! Und wenn es um die Zukunft geht, dann haben wir das Wort der Propheten – falsche Propheten. In jeder Hinsicht ist dieser Jeremia einfach überflüssig. Lasst uns doch mit ihm abrechnen.

Jer 18,18b: Kommt und lasst uns ihn mit der Zunge schlagen und nicht aufmerken auf alle seine Worte! –

Kapitel 18,19-23

Und was spricht der Prophet (nicht zum Volk)? Zu seinem Gott!

Jer 18,19.20: Merke du, HERR, auf mich, und höre die Stimme meiner Gegner! Soll Böses für Gutes vergolten werden? Denn sie haben meiner Seele eine Grube gegraben. Gedenke, dass ich vor dir gestanden habe, Gutes über sie zu reden, um deinen Grimm von ihnen abzuwenden.

Wir erinnern uns daran, wie Gott dreimal zu ihm gesagt hatte: Bitte nicht für dieses Volk. – Und Jeremia sagt: Ich habe es doch gemacht, ständig. Und, Gott, das ist jetzt mein Lohn. Sie wollen mich ermorden.

Jer 18,21.22: Darum übergib ihre Kinder dem Hunger, und gib sie preis der Gewalt des Schwertes, damit ihre Weiber kinderlos und Witwen werden und ihre Männer vom Tode erwürgt, ihre Jünglinge vom Schwerte erschlagen werden im Kriege. Es erschalle ein Geschrei aus ihren Häusern, wenn du plötzlich Kriegsscharen über sie bringst; denn sie haben eine Grube gegraben, um mich zu fangen, und meinen Füßen haben sie heimlich Schlingen gelegt.

Und dann beruft er die Rache Gottes über diese bösen Menschen aus. Wie ist das zu verstehen? Mein ist doch die Rache, sagt Gott, auch im Alten Testament, im Buch der Sprüche. Ja, aber pass auf. Es ist ein großer Unterschied, ob wir uns selbst rächen wollen. Es ist schwierig, zu sagen, dass davon gar nichts in dem Herzen Jeremias hier vorhanden war. Aber es ging ihm doch ganz besonders um die Sache des HERRN. Diese Menschen hatten sich nicht nur gegen den Propheten aufgelehnt, sondern damit gegen Gott selbst. Es ist die Rache Gottes, weil es hier die Sache Gottes betrifft. Und das müssen wir gut unterscheiden. Das ist auch wichtig für jeden Versammlungsbeschluss. Das ist wichtig für jede Entscheidung, die getroffen wird, dass wir uns fragen: Geht es um uns, sind irgendwelche Gefühle der Rache bei uns vorhanden? Sind unsere Motive, Beweggründe lauter, rein vor Gott? Geht es uns ausschließlich um die Sache Gottes? Oder doch auch ein bisschen um unsere Sache? Und so wichtig ist das auch hier bei dem Propheten, das zu unterscheiden.

Jer 18,23: Und du, HERR, du kennst alle ihre Mordanschläge wider mich; vergib nicht ihre Missetat, und tilge ihre Sünde nicht aus vor deinem Angesicht, sondern lass sie niedergestürzt vor dir liegen; zur Zeit deines Zornes handle mit ihnen!

Und dann in Kapitel 19 die zweite Belehrung. Das ist jetzt nicht die Belehrung des Tons. Aus dem Ton kann man immer etwas Neues machen. Aber es ist hier die Belehrung des Kruges. Und das ist eine andere Sache. Wenn ein Krug verdorben ist, kann man daraus nichts Neues machen. Man kann aus dem gebackenen Krug nicht wieder Ton machen, um daraus ein neues Gefäß zu machen. Da haben wir wieder zwei Seiten einer Sache. Die eine Seite ist, dass Gott immer zur Bekehrung aufruft. Da kommt ein neues Gefäß aus dem alten hervor. Aber die andere Seite ist, dass ein Augenblick kommen kann, dass Bekehrung nicht möglich ist, nicht mehr möglich ist, wie wir schon gesehen haben. Und das ist die Belehrung des Kruges. Wenn der Krug kaputtgeschlagen ist, kann nie wieder ein neuer Krug daraus gemacht werden.

Kapitel 19,1-5

Jer 19,1.2a: So sprach der HERR: Geh und kaufe einen irdenen Krug {eig. einen Töpferkrug}, und nimm mit dir von den Ältesten des Volkes und von den Ältesten der Priester; und geh hinaus in das Tal des Sohnes Hinnoms, welches vor dem Eingang des Tores Charsuth liegt, …

Wir erinnern uns: Das war ein Tal in der Nähe von Jerusalem, wo man früher seine Kinder den Götzen geopfert hatte. In der Zeit Josias hatte man da die Abfälle hingebracht, so dass dort ständig ein Feuer brannte, um die Abfälle zu verbrennen. Und darum nannte man später im Hebräischen die Hölle – auch im griechischen Neuen Testament heißt die Hölle noch – gehenna, das bedeutet: Land Hinnoms. Also, dieses brennende Tal gab seinen Namen der Hölle. Das Wort für „Hölle“ im Griechischen stammt aus dem Hebräischen. Es war also ein Ort des Schreckens. Und es ist bemerkenswert, dass Gott seinen Propheten dort hinabgehen lässt. Dort,

Jer 19,2b: … vor dem Eingang des Tores Charsuth {d.h. des Scherbentores} …

Da wohnte der Töpfer. Und all seine misslungenen Krüge, die lagen dort, die Scherben, die Abfälle, das, womit man nichts mehr anzufangen weiß. Eine ganz ernste Belehrung. Eine ganz verletzende Belehrung für den Stolz des Volkes.

Jer 19,2c.3: … und rufe daselbst die Worte aus, die ich zu dir reden werde, und sprich: Höret das Wort des HERRN, ihr Könige von Juda und ihr Bewohner von Jerusalem!

Da sollte er das Wort des HERRN ausrufen, zu den Königen von Juda, wieder Mehrzahl: Alle Söhne von Josia sind betroffen.

Jer 19,3.4a: So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich bringe Unglück über diesen Ort, dass einem jeden, der es hört, seine Ohren gellen werden. Darum, dass sie mich verlassen und diesen Ort verkannt … haben …

Den wahren Charakter nämlich verkannt haben. Es sollte ein Ort für den HERRN gewesen sein.

Jer 19,4b.5: … und in ihm anderen Göttern geräuchert haben, die sie nicht kannten, weder sie noch ihre Väter noch die Könige von Juda, und diesen Ort mit dem Blute Unschuldiger erfüllt haben und die Höhen des Baal gebaut, um ihre Kinder als Brandopfer für den Baal im Feuer zu verbrennen, was ich nicht geboten noch geredet habe und mir nicht in den Sinn gekommen ist:

Kapitel 19,6-9

Und dann spricht Gott das Gericht über diesen Ort.

Jer 19,6-9: Darum siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da dieser Ort nicht mehr Topheth noch Tal des Sohnes Hinnoms, sondern Würgetal genannt werden wird. Und ich werde den Rat von Juda und Jerusalem vereiteln an diesem Orte und werde sie durchs Schwert fallen lassen vor ihren Feinden und durch die Hand derer, welche nach ihrem Leben trachten; und ich werde ihre Leichname dem Gevögel des Himmels und den Tieren der Erde zur Speise geben. Und ich werde diese Stadt zum Entsetzen und zum Gezisch machen: Jeder, der an ihr vorüberzieht, wird sich entsetzen und zischen über alle ihre Plagen. Und ich werde sie das Fleisch ihrer Söhne und das Fleisch ihrer Töchter essen lassen, und sie sollen einer des anderen Fleisch essen in der Belagerung und in der Bedrängnis, womit ihre Feinde und die, die nach ihrem Leben trachten, sie bedrängen werden. –

An diesem so unheiligen Ort würde man später sogar nach der Belagerung die Leichname mancher Israeliten verbrennen müssen. Und dann sagt Gott in Vers 10, nachdem du all diese Worte ausgesprochen hast, Jeremia:

Kapitel 19,10-14

Jer 19,10.11: Und du sollst den Krug zerbrechen vor den Augen der Männer, die mit dir gegangen sind, und zu ihnen sprechen: So spricht der HERR der Heerscharen: Also werde ich dieses Volk und diese Stadt zerschmettern, wie man ein Töpfergefäß zerschmettert, das nicht wiederhergestellt werden kann.

Das ist der Unterschied zu dem Ton. Das Volk hätte sich bekehren können, jetzt war es zu spät. Jetzt würde Gott es wie einen Krug zerschmettern. Und das Volk verstand solch eine Bildersprache ganz genau. Es ist auch der Grund, dass der Herr Jesus so viel in Gleichnissen geredet hat. Diese Menschen im Osten sind ja ganz empfindsam für solche Bildersprache, die oft sehr viel direkter zu ihren Gewissen und Herzen redet als mehr abstrakte Worte. Und so musste er reden:

Jer 19,11a: So spricht der HERR der Heerscharen: Also werde ich dieses Volk und diese Stadt zerschmettern, …

Und Jeremia tat es.

Jer 19,11-14: … und man wird im Topheth begraben, aus Mangel an Raum zu begraben. Also werde ich diesem Orte tun, spricht der HERR, und seinen Bewohnern, um diese Stadt dem Topheth gleich zu machen. Und die Häuser von Jerusalem und die Häuser der Könige von Juda sollen unrein werden wie der Ort Topheth: alle die Häuser, auf deren Dächern sie dem ganzen Heere des Himmels geräuchert und anderen Göttern Trankopfer gespendet haben. Und Jeremia kam vom Topheth, wohin der HERR ihn gesandt hatte zu weissagen, und er trat in den Vorhof des Hauses des HERRN und sprach zu dem ganzen Volke:

Er kam von Topheth, wohin der HERR ihn gesandt hatte, das war in diesem Tal. Er hatte es da alles hinausgeführt, und dann kommt er zum Tempel, er kehrt wieder zurück in die Stadt, steigt empor den Berg hinauf bis auf den Tempelberg, und dann wiederholt er auf dem Tempelplatz nochmals dieselben Worte.

Kapitel 19,15

Jer 19,15a: So spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich will über diese Stadt und über alle ihre Städte …

Das heißt die Städte Judas.

Jer 19,15b: … all das Unglück bringen, welches ich über sie geredet habe; denn sie haben ihren Nacken verhärtet, um meine Worte nicht zu hören.

Da haben wir dieses Gericht der Verhärtung. Sie waren wie ein Krug, der verdorben war, womit man nur noch eines machen kann: ihn zerschmettern.

Nun, auf dem Tempelplatz befand sich Paschchur. Er war das Haupt der Oberaufseher im Haus des HERRN. Das ist das Haupt der Tempelpolizei. Er war dafür verantwortlich, dass auf dem Tempelplatz absolute Ruhe herrschte. Und jetzt kam da dieser hässliche Prophet, der immer diese bösen Worte redete. Nun, so weit, so gut, aber dass er das jetzt auch noch am Heiligtum tat, das war wohl sehr schrecklich.

Kapitel 20,1.2

Jer 20,1.2: Und als Paschchur, der Sohn Immers, der Priester (er war Oberaufseher im Hause des HERRN), Jeremia diese Worte weissagen hörte, da schlug Paschchur den Propheten Jeremia,

… vielleicht persönlich ins Gesicht. Vielleicht sogar, nach dem Wort in 5. Mose 25,3, mit den vierzig Schlägen, oder, wie Paulus in 2. Korinther 11,24 sagt, mit vierzig Schlägen, Streichen, weniger einen: „Mit vierzig Schlägen mag er ihn schlagen lassen, nicht mehr; damit nicht, wenn er fortführe, ihn über diese hinaus mit vielen Schlägen zu schlagen, dein Bruder verächtlich werde in deinen Augen“ (5Mo 25,3); und: „Von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Streiche weniger einen“ (2Kor 11,24).

Und dann heißt es:

Jer 20,2: und legte ihn in den Stock im oberen Tore Benjamin, das im Hause des HERRN ist.

Später wird auch gesagt: mit einem Halseisen: „… damit du ihn in den Stock und in das Halseisen legest“ (Jer 29,69).

Hände, Füße in dem Stock, in einem Holzblock festgekettet, den Hals in einem Halseisen. Und so wird der Körper zusammengebeugt. Eine schreckliche Haltung, in welcher Jeremia die ganze Nacht verbringen sollte. Jetzt lernt er, was Gott gesagt hatte. Er war zuerst noch mit Fußgängern spaziert. Jetzt musste er rennen. Jetzt musste er entdecken, wie die wilden Tiere aus der Pracht des Jordan auf ihn zukamen. Es war das erste Mal, dass Jeremia gefangen worden war. Und das sind nicht unsere luxuriösen Gefängnisse. Wie gesagt: Hände, Füße und Hals im Block, in einen Block gesetzt und so den Körper gebeugt – schrecklich, eine ganze Nacht. Da konnte Paschchur sich darauf verlassen, dass er am nächsten Tag, so wie das üblich war bei Übeltätern, einen Menschen finden würde, der buchstäblich zusammengebrochen war. Was wird jetzt aus diesem Jeremia? Wissen wir, wenn ein Mensch ganz alleine mit seinem Gott ist, dann ist er manchmal tief am Boden. Aber wenn dann dieser Mensch, von Gott ermuntert, wieder in die Öffentlichkeit tritt – da sieht man Helden Gottes. Nun, glücklicherweise wissen wir oft nicht, was die Männer Gottes in der Stille mit ihrem Gott so alles erleben. Aber das sollten wir sehen, wie sie in der Öffentlichkeit vor ihrem Gott gestanden haben.

Kapitel 20,3

Jer 20,3a: Und es geschah am folgenden Tage, als Paschchur Jeremia aus dem Stock herausbringen ließ, …

Wenn er morgens wieder befreit wird,

Jer 20,3b: … da sprach Jeremia zu ihm: Nicht Paschchur {Erlösung, Wohlfahrt} heißt der HERR deinen Namen, sondern Magor-Missabib.

Und die Bemerkung sagt: Das heißt „Schrecken ringsum“. Noch viermal hat Jeremia dieses Wort in diesem Buch benutzt. Und jetzt gibt er diesen Ausdruck als Namen dem Paschchur. Du bist „Schrecken ringsum“. Du bist ein lebendiges Zeichen, dass Gott einmal Schrecken ringsumher legen wird, wie eine buchstäbliche Belagerung um die Stadt. Und du, Paschchur, mit deinen Verwandten, du wirst in die Gefangenschaft nach Babylonien weggeführt werden. Du wirst es erfahren, wer ich bin und was ich gesprochen habe, was Gott gesprochen hat.

Kapitel 20,4

Jer 20,4a: Denn so spricht der HERR: Siehe, ich mache dich zum Schrecken, dir selbst und allen deinen Freunden; und sie sollen durch das Schwert ihrer Feinde fallen, indem deine Augen es sehen; und ich werde ganz Juda in die Hand des Königs von Babel geben, …

Soweit ich mich erinnere, ist das das erste Mal, das Babel hier mit Namen genannt wird. Es war ja so, dass während der Regierung Jojakims die Macht Babels immer größer wurde, besonders durch die große Schlacht im Jahr 605, wobei die Ägypter völlig zerschlagen wurden.

Jer 20,4b: … damit er sie nach Babel wegführe und sie mit dem Schwerte erschlage.

Und dann: Sie würden nach Babel weggeführt werden, und mit dem Schwert werde ich sie erschlagen.

Kapitel 20,5.6

Jer 20,5.6: Und ich werde den ganzen Reichtum dieser Stadt dahingeben und all ihren Erwerb und alle ihre Kostbarkeiten; und alle Schätze der Könige von Juda werde ich in die Hand ihrer Feinde geben; und sie werden sie plündern und wegnehmen und nach Babel bringen. Und du, Paschchur, und alle Bewohner deines Hauses, ihr werdet in die Gefangenschaft gehen; und du wirst nach Babel kommen und daselbst sterben und daselbst begraben werden, du und alle deine Freunde, welchen du falsch geweissagt hast. –

Was weiter geschehen ist, hören wir nicht. Aber wir bekommen am Ende dieses Abschnitts des Buches – denn die Kapitel 1–20 bilden eine geschlossene Einheit – noch einmal einen Einblick in das Herz Jeremias. Es ist der längste Abschnitt. Es ist auch der Abschnitt, der uns am meisten in diesem Buch bewegt. Ich habe das öfters gesagt: Ich weiß, und doch, wenn wir […] diesen Abschnitt nochmal ganz ruhig auf uns einwirken lassen, mit Gefühl, versuchen, etwas nachzuempfinden von dem, was Jeremia erfahren hat …

Kapitel 20,7.8

Jer 20,7a: HERR, du hast mich beredet, und ich habe mich bereden lassen; …

Das bezieht sich auf Kapitel 1. Ich wollte gar nicht, HERR, du weißt es. Ich hatte gar keine Lust, 40 Jahre lang dem Volk das Gericht anzukündigen und dabei ein ganz einsamer Mann zu werden. Aber du hast mich beredet. Ich habe mich bereden lassen.

Jer 20,7b.8a: … du hast mich ergriffen und überwältigt. Ich bin zum Gelächter geworden den ganzen Tag, jeder spottet meiner. Denn sooft ich rede, muss ich schreien, Gewalttat und Zerstörung rufen; …

Das ist meine Botschaft: nichts Erquickendes, nichts Erfreuendes darf ich sagen, immer muss ich Gewalttat ankündigen, immer muss ich Zerstörung ankündigen. Wer hält es dabei aus? Welcher von uns würde das aushalten? 40 Jahre lang?

Jer 20,8b: … denn das Wort des HERRN ist mir zur Verhöhnung und zum Spott geworden den ganzen Tag.

Das heißt: Die Menschen, die mich hören, verhöhnen und verspotten mich jeden Tag.

Kapitel 20,9.10

Jer 20,9a: Und spreche ich: Ich will ihn nicht mehr erwähnen, noch in seinem Namen reden, …

Das kann man sich denken. Einmal denkt man: Ich höre auch damit auf, ich mache es nicht wieder. Es bringt alles nichts. Ich möchte auch mal ein normales Leben führen, ich möchte auch mal einen Tag ohne diese Verhöhnung und ohne diesen Spott leben. Aber als ich solche Dinge dachte,

Jer 20,9b: so ist es in meinem Herzen wie brennendes Feuer; eingeschlossen in meinen Gebeinen; und ich werde müde, es auszuhalten, und vermag es nicht.

Und dieses Feuer brannte und ich konnte es nicht löschen. Ich konnte die Worte Gottes nicht für mich selbst behalten, ich musste, musste wieder reden. Du hast mich beredet, du hast mich überwältigt, immer wieder. Ich muss, ich habe keine Wahl. Ich muss dein Diener sein. – Wer von uns möchte nicht der Diener Gottes sein? Jeremia musste es sein. Er hatte keine Wahl. Schrecken ringsum.

Jer 20,10a: Denn ich habe die Verleumdung {o. Schmähung} vieler gehört, Schrecken ringsum: …

Vielleicht haben sie ihm das als Beinamen gesagt: Da geht wieder der alte „Schrecken ringsum“, das ist der Mann, der immer über „Schrecken ringsum“ redet. Sie haben ihn verspottet. Die Kinder haben ihm nachgerufen: Da geht wieder der „Schrecken ringsum“.

Jer 20,10b: … „Zeiget an, so wollen wir ihn anzeigen!“

Sie suchten nach einer Anklage, dass sie ihn greifen konnten, dass sie ihn beschuldigen konnten, dass sie ihn verurteilen konnten – wenn es möglich wäre. Alle meine Freunde sogar, Freunde. Es ist, als ob wir den Herrn Jesus in manchen Psalmen hören.

Jer 20,10c: Alle meine Freunde lauern auf meinen Fall: „Vielleicht lässt er sich bereden, so dass wir ihn überwältigen und uns an ihm rächen können.“

Kapitel 20,11-13

Aber, ein herrliches „Aber“ ist das. Wenn Gott einen doch wieder aus dem Tal herausnimmt:

Jer 20,11-13: Aber der HERR ist mit mir wie ein gewaltiger Held, darum werden meine Verfolger straucheln und nichts vermögen {o. nicht die Oberhand haben}; sie werden sehr beschämt werden, weil sie nicht verständig gehandelt haben {o. weil es ihnen nicht gelungen ist}: eine ewige Schande, die nicht vergessen werden wird. Und du, HERR der Heerscharen, der du den Gerechten prüfst, Nieren und Herz siehst, lass mich deine Rache an ihnen sehen; denn dir habe ich meine Rechtssache anvertraut. Singet dem HERRN, preiset den HERRN! Denn er hat die Seele des Armen errettet aus der Hand der Übeltäter.

Liebe Geschwister, ich hätte gerne gewollt, dass ich mit diesen Worten enden könnte. Mit einem Lobpreis. Aber die Geschichte der Männer Gottes ist nie eine billige Geschichte. Ich habe öfters gesagt: Es ist ein Buch von schrecklichen Gegensätzen. Himmelhoch jauchzend – ach, ein Gläubiger kennt das – und zu Tode betrübt zu sein, das kennt er auch. Zum letzten Mal solch einen Übergang. Und jetzt trauriger, hoffnungsloser, verzweifelter als je.

Kapitel 20,14-18

Jer 20,14a: Verflucht sei der Tag, an welchem ich geboren wurde.

Er ist wie Hiob, der Ähnliches in Hiob 3 sagte.

Jer 20,14b.15: Verflucht sei der Tag, an welchem ich geboren wurde; der Tag, da meine Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet! Verflucht sei der Mann, der meinem Vater die frohe Botschaft brachte und sprach: „Ein männliches Kind ist dir geboren“, und der ihn hoch erfreute!

Er verflucht noch gerade nicht seine Eltern, wie es in 2. Mose 21,17 ja auch verboten war: „Und wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, soll gewisslich getötet werden“, aber wohl den Mann, der seinem Vater die frohe Botschaft seiner Geburt brachte.

Jer 20,16a: Und jener Mann werde den Städten gleich, die der HERR umgekehrt hat,…

Das ist also Sodom und Gomorra.

Jer 20,16b: ohne sichʼs gereuen zu lassen; und er höre ein Geschrei am Morgen und Feldgeschrei zur Mittagszeit: …

Das ist das Kriegsgeschrei.

Jer 20,17: … weil er mich nicht tötete im Mutterleibe {w. von Mutterleibe an}, so dass meine Mutter mir zu meinem Grabe geworden und ihr Leib ewig schwanger geblieben wäre!

Wäre doch der Mutterleib ein Grab geworden. Es kann tief mit einem Menschen kommen. Mit Hiob kann ich mir kaum einen Abschnitt in der Schrift denken, wo ein Mensch, außer den Weissagungen über den Herrn Jesus selbst, so tief geraten ist, dass er es sich erwünscht, nie gelebt zu haben. Und das sind nicht die Menschen dieser Welt, die manchmal verzweifelt sind und sich das Leben nehmen. Hier ist es einer der größten Diener Gottes aus der Schrift. Verflucht sei der Tag meiner Geburt.

Jer 20,18a: Warum bin ich doch aus dem Mutterleibe hervorgekommen …?

Es ist die letzte Warum-Frage. Es kommt auch keine Antwort. In Kapitel 21 haben wir ganz eine andere Sache, sehr viel später. Hier ist ein Strich, hier bleibt eine Warum-Frage stehen, worauf keine Antwort kommt.

Jer 20,18b: Warum bin ich doch aus dem Mutterleibe hervorgekommen, um Mühsal und Kummer zu sehen und dass meine Tage in Schande vergingen? –

Ich kann es nicht ändern. Es ist das Letzte, das wir zu betrachten haben. Fröhlich, erfreuend ist es nicht, aber es ist die Realität des Lebens. Und wenn wir einigermaßen in unseren Seelen empfinden würden, wo wir heute dran sind – vielleicht, dass wir dann etwas von den Gefühlen dieses großen Mannes verstehen, der seine Größe nie verlor. Selbst wenn sich herausstellte, dass er seine schwachen Augenblicke wie wir alle kannte. Der Geist Gottes hat uns auch diese Schwachheiten mitgeteilt. Die Männer der Schrift sind keine vollkommenen Helden. Es sind keine Märchenfiguren, es sind Menschen aus Fleisch und Blut, die eben in ihren Schwachheiten noch groß sind, weil sie einen großen und starken Herrn haben. Das gibt mir doch Freimütigkeit, zum Schluss eben doch noch einmal dieses Wort aus Vers 13 zu lesen, denn das ist doch letztendlich der Grundton seines Lebens gewesen, trotz allem:

Jer 20,13: Singet dem HERRN, preiset den HERRN!

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Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Siehe die Anmerkung in der Elberfelder: eig. an Toden (der Plural drückt das Qualvolle der Todesart aus).

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