Das Buch Hiob (4)
Die besondere Botschaft des vierten Freundes Elihu

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 04.10.2008, aktualisiert: 01.06.2020

Leitverse: Hiob 32–37

Einleitung

Elihu: der unerwartete vierte Freund

Es ist offensichtlich, liebe Freunde, liebe Geschwister, dass diese Kapitel des Buches Hiob einen auf sich allein gestellten Abschnitt bilden. Daher liegt es auf der Hand, diese Kapitel mit den Reden Elihus heute Abend zusammen zu behandeln.

Elihu ist der vierte Freund Hiobs, der unerwartet auf der Bühne erscheint. Unerwartet deshalb, weil Hiob zu Beginn dieses Gedichtsbuchs von seinen drei Freunden umringt ist: Eliphas, Bildad und Zophar. Am Ende von Kapitel 2 finden wir sie bei ihm. In den nachfolgenden Kapiteln finden wir, wie diese drei Freunde mit Hiob ins Gespräch kommen. Über diesen Elihu vernehmen wir nichts. Erst als diese drei Freunde ausgeredet haben und sie – wie wir das zu Beginn von Kapitel 32 gelesen haben – Hiob nichts mehr mitzuteilen und kein einziges Argument mehr übrig haben, kommt dieser Elihu, der, weil er so viel jünger als die anderen war, die ganze Zeit geschwiegen hat und nicht einmal erwähnt wurde. Das nicht nur, weil er jung war, sondern zweifellos auch deswegen, weil er von einem ganz anderen Kaliber ist als die drei Freunde, die ich soeben nannte.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn wer die Ansprachen Elihus oberflächlich liest, könnten leicht den Eindruck bekommen, dass Elihu nicht viel Neues zu erzählen hat und dass seine Ermahnungen in demselben Bereich liegen wie die von Eliphas, Bildad und Zophar. Das wäre eine total falsche Schlussfolgerung. Wenn das so wäre, hätten wir die Ansprachen Elihus nach allem, was die drei Freunde schon so ausführlich gesagt hatten, nicht noch einmal nötig.

Nein, Elihu hat durchaus etwas ganz Neues zu erzählen. Er ist der Einzige der vier Freunde, der wirklich im Namen Gottes sprechen kann, auch wenn er nur ein Mensch ist, der in seiner Erkenntnis wie wir alle beschränkt ist. In Kapitel 42 sehen wir später, dass Gott die Art und Weise, wie die drei Freunde gesprochen haben, ihnen ernsthaft übel nimmt. Davon ist bei Elihu nicht die Rede. Diesen erwähnt Gott mit keinem Wort. Elihu hat einen ganz besonderen Platz und darf mit einer Botschaft Gottes zu Hiob und zu den drei Freunden kommen. Er hat eine Botschaft für alle vier. Darin ist er, wie gesagt, ein Knecht Gottes.

Gott überlässt Elihu den Unterricht über seine Regierung

Diese Kapitel dürfen deswegen bestimmt nicht fehlen. Sie sind sogar noch klarer, wenn es um Unterweisung geht, als die späteren Kapitel, in denen Gott selbst zu Wort kommt, nachdem Elihu ausgeredet hat. Gott weist dort auf seine Schöpfergröße und Majestät hin, die weit über das kleine, nichtige und geringe Geschöpf erhaben sind. Gott hat den eigentlichen Unterricht über das, was die Absicht seiner Regierung mit den Menschen, den Ungläubigen und den Gläubigen betrifft, an Elihu überlassen. Das ist wunderbar! Gott hätte all dieses selbst sagen können, was Elihu hier sagt. Gott kommt ja später auch selbst zu Wort. Aber Er überlässt diese Unterweisung einem Menschen.

Das ist schon eine ganz einfache, aber wichtige Lektion. Wenn es um die Erziehung seiner Kinder geht, gebraucht Gott dafür seine Knechte. So ist es heute immer noch. Es ist absolut nicht gebräuchlich, dass Gott uns ganz direkt im Sturm antwortet. Die gebräuchliche Weise, auf die Gott zu unseren Herzen spricht und durch die Gott uns ermahnt, ermuntert und in allgemeinem Sinn unterweist, ist mittels seiner Knechte.

So sendet Er nun diesen Elihu, seinen Knecht, zur rechten Zeit zu diesen vier Männern, die so lange miteinander gesprochen hatten, um durch ihn sein Wort weitergeben zu können. Die klarsten Unterweisungen über die Regierung Gottes finden wir in diesen Kapiteln, in denen Elihu zu Wort kommt.

Elihus Zorn über Hiob und die drei Freunde

Ich habe schon gesagt, dass er ganz anders redet als seine Freunde. Bereits zu Beginn von Kapitel 32 lesen wir, dass sein Zorn entbrannte (Hiob 32,2). Das geschah aus zwei Gründen. Das ist ganz wichtig! Erstens entbrannte sein Zorn, weil Hiob sich Gott gegenüber für gerecht hielt (Hiob 32,2). Tatsächlich war das den anderen drei Freunden auch aufgefallen. Sie waren darüber auch erbost. In dieser Hinsicht scheint Elihu auf derselben Linie zu stehen wie seine drei Freunde. Wir werden aber sehen, dass er Hiob auf ganz andere Weise angreift und zurechtweist, als die drei Freunde. Zunächst einmal war er zornig auf Hiob.

Jetzt kommt etwas dazu, aus dem wir erkennen, dass Elihu einen ganz anderen Einfallswinkel hat. Er ist nämlich zweitens auf seine drei Freunde zornig, weil sie keine Antwort fanden, das heißt Hiob nicht widerlegen konnten, ihn aber dennoch für schuldig erklärt hatten (Hiob 32,3). Sie hatten keine echte Antwort auf Hiobs Worte – Hiob war übrigens der letzte Sprecher gewesen, denn die drei Freunde hatten alles gesagt. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte Elihu hier absolut nicht das Wort ergreifen dürfen. Die drei Freunde hatten aber ausgeredet. Sie hatten nichts mehr zu sagen. Doch obwohl sie kein wirkliches Widerwort gegen Hiob vorbringen konnten, waren sie nicht davor zurückgeschreckt, Hiob die schrecklichste Beschuldigung, die es gibt, an den Kopf zu werfen. Darüber war Elihu entrüstet.

Elihu widerlegt Hiob ohne Unterstellungen

Hier haben wir jetzt schon einen ersten gewaltigen Unterschied: Elihu tut nicht das, was diese drei Freunde tun, die Hiob unterstellen, schreckliche Sünden getan zu haben, was offensichtlich dazu geführt hat, dass er das Gericht Gottes über sich herabgerufen hat.

Ich werde euch noch einmal kurz wiederholen, was wir in den vergangenen Betrachtungen gesehen haben. Die drei Freunde hatten eine ganz naive und einfache Theorie über die Regierung Gottes. Wenn jemand gut lebt, wird Gott ihn belohnen, und wenn jemand schwer sündigt, wird Gott ihn strafen. Diese Argumentation kann man ihrer Meinung nach auch umkehren, das heißt, wenn jemand so schwer zu leiden hat, kann das nur diese eine Ursache haben, dass er schrecklich gesündigt haben muss. Obwohl Hiob hundertmal seine Unschuld beteuerte, haben die Freunde ihm dennoch in stets krasserer Ausdrucksweise und immer direkter ins Gesicht gesagt: Du kannst erzählen, was du willst. Du musst schreckliche Sünden auf dem Gewissen haben, sonst hätte Gott dir dieses Übel nicht geschickt.

Elihu unterstellt nie, dass Hiob allerlei verborgene Sünden begangen hat, die er nicht zugeben will. Was Elihu aufgreift, ist das, was Hiob gesagt hat und was wir alle schwarz auf weiß in diesem Buch vor uns haben. Elihu beschränkt sich auf die Worte Hiobs, die tatsächlich völlig falsch waren. Hiob wusste, dass er keine groben Sünden auf dem Gewissen hatte. Er wusste, dass die Theorie nicht aufgeht, dass Gott ihn wegen seiner Sünden schwer strafen musste. Aber das Entscheidende ist, dass Hiob genauso wenig von Gott weiß wie seine drei Freunde. Hiob geht im Prinzip von derselben Argumentation aus. Er zieht nur eine ganz andere Schlussfolgerung.

Hiob: Gott ist ungerecht

Er spricht sozusagen zu Gott: Wenn ich nicht gesündigt habe, warum werde ich dann so schrecklich gestraft? Du schickst mir ungerechterweise und unverdient Strafe! Seine Anklage ist, dass Gott eigentlich ungerecht ist, wenn Er ihm so schwere Prüfungen schickt.

Das durfte nicht gesagt werden! Elihu geht dagegen vor. Er geht nicht gegen vermeintliche Sünden Hiobs vor, die er gar nicht getan hat. Das machten die drei Freunde. Die beschuldigten Hiob mittels allerlei Unterstellungen. Elihu beschuldigt Hiob – und zwar zu Recht! – wegen seiner vermessenen Sprache Gott gegenüber. Er hatte es gewagt, den Herrn zur Verantwortung zu ziehen für das, was ihn überkam. Er beschuldigte Gott, ihn ungerechterweise zu behandeln, indem Er ihm dies Leiden zugefügt hat. So bekommen es beide Seiten zu hören, die Freunde einerseits und Hiob andrerseits, wobei wir bedenken müssen, dass er vor allem zu Hiob spricht. Seine Worte sind nur indirekt auch ein ernster Verweis an die Adresse der Freunde Hiobs. Dies ist wichtig, von Anfang an zu berücksichtigen. Elihu spricht auf einer ganz anderen Wellenlänge, hat Hiob wirklich verstanden und weiß ihn daher in rechter Weise zu ermahnen. Deswegen sind diese Kapitel besonders wichtig und verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit.

Kapitel 32

Gründe für Elihus Schweigen

„Ich bin jung an Jahren, und ihr seid Greise; darum habe ich mich gescheut und gefürchtet, euch mein Wissen mitzuteilen“ (Hiob 32,6). Wir sehen darin seine Bescheidenheit und Geduld. Er kann warten. „Ich sagte: Mögen die Tage reden und die Menge der Jahre Weisheit verkünden“ (Hiob 32,7). Er zeigt auch, dass er um Gottes Werk am Herzen eines Menschen durch Gottes Geist weiß: „Jedoch der Geist ist es in den Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht“ (Hiob 32,8). Er hat diese Einsicht und gibt sie preis. Und weil er recht hat, darf er sie auch preisgeben. Er hat entdeckt, dass die Alten die Weisheit nicht in sich hatten. Deswegen hat er Freimütigkeit, zu sagen, dass sie jetzt mal auf ihn hören sollen: Ich habe auf euch gewartet. Ihr habt nichts zu sagen. Jetzt hört mir zu, was ich euch zu sagen habe: „Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf euch“, das heißt: Ich habe euch andächtig zugehört, „und siehe, keiner ist unter euch, der Hiob widerlegt“ (Hiob 32,12). Eure Widerlegungen waren verkehrt. Eure Widerlegungen bestanden nur aus Unterstellungen. Aber das, was Hiob gesagt hat, das hättet ihr widerlegen müssen, denn so darf ein Mensch nicht zu Gott reden! Keiner von euch beantwortete seine Reden. „Dass ihr nur nicht sagt: Wir haben Weisheit gefunden. Gott wird ihn aus dem Feld schlagen“ (Hiob 32,13). Ja, diesen Eindruck konnte man tatsächlich von den drei Freunden bekommen, die gewissermaßen sagten: Ganz oder gar nicht. Der Mann ist uns mit seinen weisen und schlauen Argumenten zu glatt. Nur Gott kann ihn noch widerlegen. Nein! Über so einen Gedanken ist Elihu entrüstet. Er hat sehr wohl fundierte Argumente Hiob gegenüber ins Feld zu führen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass Hiob darauf keine Antwort mehr gegeben hat. Vielleicht hat er die Chance auch nicht erhalten, weil der Herr selbst in Kapitel 38 Elihu direkt folgt.

In Vers 14 sagt Elihu: „Er hat ja an mich keine Worte gerichtet, und mit euren Reden werde ich ihm nicht erwidern.“ Das bedeutet: Er hat sich mir gegenüber noch nicht geäußert. Wenn ich Hiob gegenüber jetzt das Wort ergreife, werde ich dabei sicherlich nicht eure Argumente gebrauchen. Das sagt er zu den drei Freunden. Ich habe ganz andersartige Argumente, um Hiob zu antworten. Die anderen waren besiegt und als sie ausgeredet hatten, kam Elihu.

Elihus Einsichten aus der Gegenwart Gottes

„Auch ich will mein Teil erwidern, auch ich will mein Wissen kundtun“ (Hiob 32,17). Mehr nicht. Er ist auch nur ein Mensch von Fleisch und Blut. Er ist auch nur ein Mensch mit unvollkommenen Einsichten, jedoch mit Einsichten, die durch den Geist Gottes und in der Gegenwart Gottes gebildet wurden. Selbst der beste Knecht des Herrn kann nicht mehr antworten, als er weiß. Aber was er weiß, hat er in der Gegenwart Gottes selbst empfangen. Er fühlt sich auch berufen, zu antworten: „Denn ich bin voll von Worten; der Geist meines Innern drängt mich. Siehe mein Inneres ist wie Wein, der nicht geöffnet ist; gleich neuen Schläuchen will es bersten“ (Hiob 32,18.19) – wie durch einen Gärungsprozess will es nach außen dringen. „Ich will reden, dass mir Luft werde, will meine Lippen auftun und antworten. Dass ich nur ja für niemand Partei nehme!“ (Hiob 32,2021) – sei es aufgrund des Alters, des Ansehens oder des Rufs. Das berührt mich alles nicht. Es gibt bei ihm kein Ansehen der Person. Er ist Hiob und den Freunden gegenüber nicht voreingenommen. „Und keinem Menschen werde ich schmeicheln“ (Hiob 32,21b). Schmeicheln kann ich nicht. Und wenn ich es tun würde, „sehr bald würde mein Schöpfer mich wegnehmen“ (Hiob 32,22). Dann wäre ich als Knecht für Ihn unbrauchbar.

Kapitel 33

Elihu stellt sich mit Hiob auf eine Stufe

„Nun aber, Hiob, höre doch meine Reden“ (Hiob 33,1). In Vers 4 sagt er: „Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des Allmächtigen belebt mich.“ Das bedeutet: Ich bin auch nur ein Mensch. Ich bin ein Mensch, der von Gottes Geist abhängig ist, der mich gebildet hat, der mich führt und der mir echte Einsicht gibt. Elihu stellt sich mit Hiob auf eine Stufe. Er stellt sich nicht über ihn. Das hatten die drei Freunde getan. Die fühlten sich himmelhoch über Hiob erhaben und meinten, ihn aus einem hohen Turm herab allerlei Übels beschuldigen zu können, das er nie getan hatte. Elihu nimmt einen anderen Standpunkt ein. Das ist ein ganz wichtiger Standpunkt für jeden Knecht, sich neben den Menschen zu stellen. Er stellt sich neben Hiob: „Siehe, ich bin Gottes wie du; vom Ton abgekniffen bin auch ich“ (Hiob 33,6). Ich bin auch nur ein Mensch, der aus dem Staub des Erdbodens zubereitet ist. Ich stehe nicht über dir, Hiob. Höre auf mich, was ich dir zu sagen habe. Im Übrigen brauchst du auch keine Angst vor mir zu haben: „Siehe, mein Schrecken wird dich nicht ängstigen, und mein Druck wird nicht schwer auf dir lasten“ (Hiob 33,7). Auch darin zeigt er verdeckt an, dass er ganz anders als die drei Freunde reden wird. Denn dies war in der Tat schrecklich: Jeder Mensch kann verstehen, wie schlimm es ist, wenn die eigenen Freunde zu Unrecht Dinge vorbringen, die man nicht getan hat. Sie lassen sich auch nicht überzeugen, sondern kommen immer wieder auf diese Anschuldigungen zurück. Das ist sehr schlimm. Es ist schrecklich, so etwas ertragen zu müssen.

Elihu sagt: Hiob, ich werde so nicht reden. Mein Druck wird nicht schwer sein. Es wird eine sanfte Ermahnung sein. Er hat zwar auch krasse Ausdrücke gebraucht. Er ist nicht auf oberflächliche Heilung aus. Doch es sollte eine Ermahnung sein, die direkt vom Herrn zu Hiob kam. Hiob hat darüber geschwiegen und den Worten von Gott selbst zugehört, die über diesen Knecht zu ihm kamen.

Elihu ergreift für Gott Partei

Jetzt kommt Elihu zum Kern der Sache. Die gesamten Ansprachen Elihus könnte man in diesen Worten zusammenfassen: Elihu ergreift Partei für Gott. Das ist das Thema. Ich gebe euch dazu ein Beispiel. Hiob 36,3: „Ich will mein Wissen von weither holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit geben.“ Hier ist jemand, der für Gott Partei ergreift. Beide hatten falsch über Gott geredet. Gott hat es selbst gesagt und ich habe es mehrfach zitiert: „Denn nicht geziemend habt ihr von mir geredet wie mein Knecht Hiob“ (Hiob 42,7). Das sagt Gott zu den drei Freunden. Sie hatten falsch von Gott gesprochen. Sie stellten Gott lediglich als einen strafenden Richter vor, das heißt, Hiob musste wohl schreckliche Dinge getan haben. So über Gott zu sprechen und Ihn als solchen vorzustellen, der seine Kinder nur strafen kann für das, was sie falsch gemacht haben, ist schrecklich. Solche haben von dem erziehenden, liebenden Gott keine Ahnung.

Aber auch Hiob hat verkehrt über Gott gesprochen. Er hat Gott ungerecht genannt, weil Er ihn so gestraft hatte. Beide haben Gott verkehrt besehen. Das ist das große Thema Elihus. Er nimmt die Sache für Gott auf. Er beleuchtet, wer Gott wirklich ist. Damit ist dieser junge Elihu weit mehr in Gottes Gedanken und seinem Wesen eingeführt als die vier anderen Männer.

Man muss immer bedenken, dass die Ereignisse dieses Buches aus einer Zeit stammen, als das geschriebene Wort Gottes noch nicht existierte. Es war eine schwierige Sache, in Gottes Gedanken eingeführt zu sein. Elihu war es. Wenn wir es nicht sind, Geschwister, sind wir weit mehr zu tadeln als Hiob. Wir haben all diese Dinge in Gottes Wort, vor allem in dem Buch Hiob, aber auch in vielen anderen Büchern der Schrift. Wenn wir so über Gott reden würden, wie Hiob es tat, würden wir noch viel schuldiger sein als Hiob, weil wir das offenbarte Wort Gottes haben. Daher ist es umso wichtiger, zu beachten, dass dieser Knecht Elihu diese Dinge verstehen durfte, ohne das geschriebene Wort Gottes zu besitzen

Gott ist gerecht, Hiob!

Wir kommen jetzt zu einem ersten Kernpunkt seiner Abhandlung. In Hiob 33,8-13 findet man diesen ersten Kernpunkt. Hier geht er, wie gesagt, nicht auf vermeintliche, verborgene Sünden Hiobs ein, sondern auf das, was Hiob öffentlich gesagt hat und das nicht zu bezweifeln war.

„Gewiss, du hast vor meinen Ohren gesprochen, und ich hörte die Stimme der Worte: Ich bin rein“ – hier spricht jetzt also Hiob – “ohne Übertretung; ich bin makellos, und keine Ungerechtigkeit ist an mir. Siehe“ – jetzt kommen Hiobs Anschuldigungen an Gottes Adresse – „er erfindet Feindseligkeiten gegen mich; er hält mich für seinen Feind. Er legt meine Füße in den Stock, beobachtet alle meine Pfade“ (Hiob 33,8-11). Nun, sagt Elihu, egal, wie schrecklich ein Mensch leidet, Hiob, so darf ein Mensch niemals über Gott sprechen. Niemals darf ein Mensch seine Stimme gegen Gott erheben und Gott zur Verantwortung rufen. Elihu sagt das in Vers 12 folgendermaßen: „Siehe, darin hast du nicht Recht, antworte ich dir; denn Gott ist erhabener als ein Mensch.“ Gott ist kein Mitmensch, den du zur Verantwortung ziehen kannst, den du vor den Richter zitieren und anklagen kannst. Bei welcher höheren Instanz würdest du Gott anklagen können? Gott ist selbst der Richter, der Schöpfer und der Verfasser des Rechts. Er ist die Norm für alles, was gerecht ist. Wie könnte ein Mensch Gott ungerecht nennen? Auf welcher Grundlage? Gott selbst ist die Quelle, der Schöpfer und Maßstab allen Rechts. Wer so über Gott spricht, kennt Gott nicht. Hiob sagt später, als er Gott wirklich kennengelernt hat, dass er die Hand auf seinen Mund legen und nicht mehr das Wort Gott gegenüber ergreifen will.

Ein Mensch kann nur so zu Gott sprechen, wenn er Gott aus der Ferne kennt und nicht tief in seiner Seele vor Gott gedemütigt und unter den Eindruck der Größe, Majestät und Erhabenheit Gottes gekommen ist. Das ist später das ganze Ziel Gottes, wenn Er selbst zu Hiob spricht. Er will Hiob ganz klein machen, so dass er sich tief vor Gott in den Staub niederbeugt und die Hand auf den Mund legt, um nicht weiter diese schrecklichen Beschuldigungen an Gottes Adresse zu richten. Elihu ist das erste Instrument in Gottes Hand, um ihm das klarzumachen. „Warum hast du gegen ihn gehadert? Denn über all sein Tun gibt er keine Antwort“ (Hiob 33,13). Denkst du wirklich, Hiob, dass Gott sich für sein Handeln bei dir entschuldigen wird?

Gottes Handeln ist bestimmt von der Liebe zu den Menschen

Im zweiten Teil dieses Kapitels liefert Elihu ein herrliches Kennzeichen dessen, was Gott tatsächlich tut. Er zeigt, dass Gott nicht der strafende und richtende Gott ist, der fast Genugtuung daran findet, Menschen das Leben sauer zu machen, sondern dass Gott der Gott ist, der den Menschen aufsucht und auf seine Bekehrung, Versöhnung und Wiederherstellung aus ist. Bitte beachtet immer noch, dass Elihu kein geschriebenes Wort Gottes kannte. Dennoch wird er hier sehr evangelistisch und legt uns in fast neutestamentlichen Ausdrücken das Evangelium aus. Es ist wunderbar, dass ein Mensch durch Gottes Geist so in Gottes Gedanken eingeführt sein kann. Er will damit nicht sagen, dass Hiob per se ein Ungläubiger ist, der zur Bekehrung gebracht werden muss. Er wendet das gar nicht auf Hiob an, obwohl wir später sehen werden (Hiob 36), dass man die Grundsätze des Evangeliums auch auf einen Gläubigen anwenden kann, der von Gott abgewichen ist und der genauso gut wieder zu Gott zurückkehren muss. Es geht ihm aber in erster Linie darum, wie Gott in Wirklichkeit mit Menschen handelt. Gott beugt sich in Liebe zu den Menschen herab – ich möchte fast sagen, erniedrigt sich –, um die Menschen zu ziehen und zu locken, zu Ihm zu kommen, damit ihre Sünden gesühnt werden können. Wir finden das in neutestamentlicher Sprache in 2. Korinther 5, wo Gott die Menschen anfleht: Lasst euch mit mir versöhnen. Gott beugt sich zu den Menschen herab, um sie im Evangelium mit den Banden seiner Liebe zu ziehen. So ist Gott und so geht Gott mit dem Menschen um. Er ist nicht der Gott, der gern straft oder richtet. Er ist der Gott, der gern vergibt, versöhnt und rettet.

Gottes Hilfsmittel des Handelns

Gott benutzt dazu allerlei Mittel: einen Traum, ein Nachtgesicht … Gott spricht wie zum Beispiel zu Nebukadnezar in einem Traum, um ihn von seiner Sünde abzubringen bzw. ihn zu warnen, was passieren könnte. In Daniel 4 will Er Nebukadnezar vor seinem Hochmut bewahren. Mehrmals kann Gott so den Menschen warnen, zweimal oder dreimal. „Dann öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die er ihnen gibt, um den Menschen von seinem Tun abzuwenden und damit er Übermut von dem Mann verberge“ (Hiob 33,16). Das ist Bekehrung. Er will den Menschen von seinen Taten, seinem Handeln und Wandeln umkehren lassen, „dass er seine Seele zurückhalte von der Grube“, um den Menschen vom Tod, ja vom ewigen Tod zu erretten, damit sein Leben nicht durch „das Geschoss“ umkommt (Hiob 33,18).

In Vers 19 sehen wir dann, dass es ein anderes Mittel gibt, durch das Gott zu dem Menschen spricht, das in diesem Buch im Vordergrund steht. Er kann durch Menschen sprechen oder wie hier im alttestamentlichen Verbund durch Träume und Visionen. Er kann aber auch durch etwas zu Menschen sprechen, was heutzutage ebenso noch als Gottes Stimme wahrgenommen werden kann: durch Krankheit. Das kommt den Erfahrungen Hiobs schon näher: „Auch wird er gezüchtigt mit Schmerzen auf seinem Lager“ (Hiob 33,19). Gott ermahnt einen Menschen, indem Er ihm Krankheit schickt: „… mit beständigem Kampf in seinen Gebeinen.“ Das ist das Wühlen der Krankheit in seinem Körper. Dann mag der Mensch nichts mehr und Essen ist ihm zuwider: „Sein Leben verabscheut das Brot, und seine Seele die Lieblingsspeise; sein Fleisch zehrt ab, dass man es nicht mehr sieht, und entblößt sind seine Knochen, die nicht gesehen wurden; und seine Seele nähert sich der Grube, und sein Leben den Würgern“ (Hiob 33,20-22). Krankheit ist hier nicht Strafe oder Gericht. Das ist völlig neu in diesem Buch. Es gilt nicht mehr die simple Theorie, dass Krankheit Gericht bedeutet, sondern Krankheit ist die lockende und liebevolle Stimme Gottes.

Ich sage nicht, dass jede Krankheit die Bedeutung hat, Strafe oder Gericht zu sein, denn das würde bedeuten, dass jeder Kranke von Gott abgewichen sein würde. Aber Krankheit kann ein Mittel in Gottes Hand sein, um den Menschen zu Gott zurückzubringen. Krankheit ist hier nicht Strafe, sondern ein Liebesbeweis Gottes. Das ist ein harter Liebesbeweis – eine merkwürdige und gegensätzliche Ausdrucksweise. Es ist jedoch auch ein schweres Mittel, das manchmal nötig ist, um den Menschen zur Buße zu bringen.

Hiobs Rechtsanwalt – anders als gedacht

Danach steht in Vers 23 ein wunderschönes Wort. Es ist ein Wort, dass Hiob selbst in einer viel früheren Phase dieses Buches schon gesagt hatte. Wir haben das in Kapitel 9 gelesen, wo Hiob um einen Schiedsrichter zwischen Gott und sich selbst gefleht hatte: „Denn er ist nicht ein Mann wie ich, dass ich ihm antworten dürfte, dass wir miteinander vor Gericht gehen dürften“ (Hiob 9,32). Hiob hatte das schon begriffen, dass man Gott nicht einfach so zur Verantwortung ziehen kann. Man kann Gott nicht vor den Richter schleifen. Deswegen fragt Hiob: Wie kann ich meine Sache denn dann bei Gott anhängig machen? Wenn ich doch einen Schiedsrichter hätte! Hätte ich doch einen Anwalt oder einen Mittler, der seine Hand auf beide von uns legen könnte. Hätte ich doch einen Schiedsrichter zwischen Gott und mir.

Warum wollte Hiob den Schiedsrichter? Das ist jetzt der wichtige Punkt. Warum wollte gerade er diesen Schiedsrichter? Er wollte ihn haben, um seine Sache bei Gott zu verteidigen. Er brauchte einen Schiedsrichter, der Gott gegenüber argumentieren würde, dass an seinem Klienten Hiob kein Fehl ist, dass er keine Sünde auf seinem Gewissen hat und unschuldig ist. Er will den Schiedsrichter, um für seine Unschuld bei Gott zu plädieren.

Hier in Kapitel 33 greift Elihu das Wort „Schiedsrichter“ auf: „Wenn es nun für ihn einen Gesandten (man könnte auch Engel übersetzen, vielleicht ist es sogar der Engel des Herrn selbst; darauf komme ich gleich zurück) gibt, einen Ausleger (das ist der Schiedsrichter, der Anwalt [die NL-Übersetzung hat für „Ausleger“ das Wort „Fürsprecher“; Anm. des Übers.]), einen aus tausend, um dem Menschen seine Geradheit kundzutun“ (Hiob 33,23).

Hier geht es um eine ganz andere Fürsprache. Hier geht es nicht um die Fürsprache, uns bei Gott freizusprechen. Es kann sein, dass die Worte „um dem Menschen seine Geradheit kundzutun“ darauf hinweisen. Es geht hier jedoch gerade nicht um einen Menschen, der meint, unschuldig zu sein. Es geht hier nicht darum, dass der Anwalt Gott dies klarmachen soll, sondern hier steht, dass der Anwalt dies umgekehrt dem Menschen klarmacht. Hier geht es um einen Schiedsrichter, der nicht im Namen des Menschen seine Unschuld Gott gegenüber bezeugt, sondern im Namen Gottes dem Menschen seine Unschuld bezeugen darf. Das ist eine Unschuld, die der Mensch aufgrund eines bezahlten Lösegelds, aufgrund von Rechtfertigung, Vergebung und Versöhnung empfängt. Das ist etwas ganz anderes. Das ist genau das Gegenteil. Hier ist kein Anwalt, der unsere Unschuld bei Gott bezeugt, sondern ein Anwalt, der uns im Namen Gottes unschuldig macht, indem er uns die Sünden wegnimmt. Das ist der Fürsprecher, „einer aus tausend“.

In gewisser Hinsicht ist Elihu das selbst. Er ist einer dieser seltenen Menschen auf dem Erdboden. Würde man in den Niederlanden einen aus Tausend von ihm finden, der auf eine derartig eindringliche Weise, direkt aus der Gegenwart Gottes sprechend, den Menschen klarmachen kann, dass er durch das bezahlte Lösegeld der Versöhnung unschuldig werden kann? Das ist ein Gesandter, ein Botschafter und Fürsprecher im Namen Gottes. Wie schon gesagt kann dieser Engel auch der Engel des Herrn sein. Denn dieser Schiedsrichter, nach dem Hiob auf höchstem Niveau suchte (Hiob  9), ist der Herr Jesus selbst. Ist im Herzen Hiobs vielleicht ein Vermuten über den Einen aufgekommen, der später in die Welt kommen würde, um Mittler zu sein zwischen Gott und Menschen, wie 1. Timotheus 2 das sagt? „Gott ist einer, und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus“.

Der gerechte Gott fordert Lösegeld

Eigentlich ist Elihu damit selbst ein Bild, ein Hinweis (etwas schwächer und passender ausgedrückt) auf den Herrn Jesus Christus, der als göttlicher Botschafter uns Vergebung und Versöhnung ankündigt. Aber nicht nur das, Er ist auch derjenige, der die Erlösung bewerkstelligt hat. Beachte den merkwürdigen Vers 24: „So wird er [Gott] sich seiner erbarmen und sprechen: Erlöse ihn, dass er nicht in die Grube hinabfahre; ich habe eine Sühnung gefunden [oder: das Lösegeld habe ich erhalten]“ (Hiob 24,33). Gott sagt, das Lösegeld erhalten zu haben. Hier sehen wir Gott als den fordernden Gott, der sagen kann, dass der sündige Mensch nicht einfach so versöhnt werden kann. Gott kann Sünde nicht übersehen. Gott hat dafür ein gerechtes Fundament nötig. Ein Lösegeld muss bezahlt werden. Gott muss ein Lösegeld, ein Sühngeld bekommen, damit der Mensch vom ewigen Gericht freigekauft werden kann. Hier sagt Gott nun, dass Er das Lösegeld erhalten hat.

Elihu geht nicht darauf ein, wie das sein kann. Es wäre interessant gewesen, ihn das zu fragen: Elihu, wie stellst du dir das vor, dass Gott das Lösegeld erhalten hat? Vielleicht hätte Elihu geantwortet: Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass es so ist. Ich weiß, dass Gott sich selbst das Lösegeld beschaffen wird, wodurch Menschen versöhnt werden und für ewig gerettet werden können. Wer das Neue Testament kennt, hat die Antwort auf die Frage, wo Gott das Lösegeld bekommen hat, nämlich auf dem Kreuz von Golgatha. Hier ist der Herr Jesus der Fürsprecher, der Eine aus Tausend, der Eine aus Milliarden, der Eine, der selbst das Lösegeld bezahlt hat, wodurch wir versöhnt werden, und der als heiliger Botschafter Gottes den Menschen aufgrund seines eigenen Werkes auf dem Kreuz das Heil verkündigen darf. Ist das nicht ein neutestamentliches Evangelium in diesem vielleicht ältesten Buch der Bibel? Das ist ein wunderbares Vorausbild.

Der Jubelgesang der Erlösten

Danach sehen wir, was von dem befreiten Menschen gesagt wird: „Sein Fleisch wird frischer sein als zu den Tagen seiner Jugend; er wird zurückkehren zu den Tagen seiner Jünglingskraft“ (Hiob 33,25). Das ist das, was wir neutestamentlich Wiedergeburt nennen, eine Erneuerung des Lebens. Hier sehen wir den neuen Menschen vor uns. „Gott wird ihn wohlgefällig annehmen, und er wird sein Angesicht schauen mit Jauchzen; und er wird dem Menschen seine Gerechtigkeit vergelten“ (Hiob 33,26). Hier hat man die Wahrheiten von Paulus in einer Nussschale: der gerechtfertigte Mensch, der gerecht genannt werden darf, der seine Unschuld und Gerechtigkeit zurückerhält. Darüber jubelt dieser Mensch und singt das Lied der Erlösung: „Er wird vor den Menschen singen und sagen: Ich hatte gesündigt und die Geradheit verkehrt, und es wurde mit nicht vergolten; er hat meine Seele erlöst, dass sie nicht in die Grube fahre, und mein Leben erfreut sich des Lichts“ (Hiob 33,27.28). Das ist der frohe Jubelgesang der Erlösung, den der Gläubige singen kann.

Siehst du, Hiob, sagt Elihu, so ist Gott. Gott ist nicht so, wie du Ihn beschrieben hast, und Gott ist auch nicht so, wie deine Freunde Ihn beschrieben. Er ist der versöhnende, der vergebende und der zurückrufende sowie rettende Gott. Er ist der Gott, der nicht straft, weil Er Freude daran hat, sondern der, der seine Hand zur Erlösung ausstreckt. „Siehe, das alles tut Gott, zwei, dreimal mit dem Mann, um seine Seele abzuwenden von der Grube, dass sie erleuchtet werde vom Licht der Lebendigen. Merke auf, Hiob, höre mir zu; schweig, und ich will reden. Wenn du Worte hast, so antworte mir; rede, denn ich wünsche dich zu rechtfertigen. Wenn nicht, so höre du mir zu; schweig, und ich werde dich Weisheit lehren“ (Hiob 33,29-31).

Kapitel 34

Hiob schweigt, Elihu fährt fort

In Kapitel 34 hört sich das jetzt so an, als würde Elihu in Hiob 34,1 von vorn anfangen. Es sieht so aus, als wenn er kurz gewartet hat und kurz still gewesen ist, um zu sehen, was Hiob antworten würde. Es geschieht aber etwas Merkwürdiges: Hiob sagt nichts. Er schweigt. Wir würden vielleicht sagen, dass er merkt, dass Elihu ihm überlegen ist. Hier ist ein Mann, der ihn direkt in seinem Gewissen anrührt. Hier ist nicht ein Mann, der anfängt, ihn zu beschuldigen. Wie viele Gläubige hat es nicht schon gegeben, die schwer gekränkt und entrüstet waren, weil andere mit erhobenem Zeigefinger zu ihnen kamen, um sie wegen allerlei Dingen zu beschuldigen, zum Teil vielleicht zu Recht und zum Teil zu Unrecht, noch dazu auf eine harte und hochmütige Weise. Dagegen begehrt man auf. Von solch einem Besuch nimmt man nichts mit. Es macht die Sache nur schlimmer.

Hier kommt ein anderer Mann, der sich neben Hiob stellt und einer wie er ist und nicht sagt: Hiob, ich komme, um dich zu beschuldigen. Du hast dies und das getan. Er klagt ihn nur in einer Sache an: So wie du Gott beschrieben hast, kannst du das nicht machen. So ist Gott nicht. Wenn Elihu dann über die Liebe Gottes spricht, hat Hiob keine Antwort mehr. Der junge Elihu begegnet einem schweigenden Hiob. Das gibt ihm jetzt Freimütigkeit, weiterzumachen.

Erster Irrtum Hiobs wird widerlegt

In Kapitel 34 finden wir jetzt, wie Hiobs erster Irrtum widerlegt wird. In Kapitel 35 wird der zweite Irrtum Hiobs widerlegt.

Der erste Irrtum Hiobs (so steht es auch in der NBG-Übersetzung als Überschrift) ist, dass Gott ihm gegenüber ungerecht handeln würde. Das, was Gott Hiob angetan hatte, war in seinen Augen Ungerechtigkeit. Dieser erste Irrtum wird hier durch Elihu widerlegt. Zunächst wiederholt er, was Hiob gesagt hat. Das haben wir vorher auch schon sehen können. Das geschieht hier erneut. In den ersten Versen leitet er seine Rede ein und konzentriert die Aufmerksamkeit auf das, was er zu sagen hat.

In Vers 5 sagt er dann, was Hiob alles gesagt hat: „Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir mein Recht entzogen“ (Hiob 34,5). Das bedeutet so viel wie: Ich bin gerecht, aber Gott ist ungerecht. „Trotz meines Rechts soll ich lügen; meine Wunde ist unheilbar“ (Hiob 34,6). So kann man nicht über Gott reden. Der Punkt, der in Kapitel 33 nur kurz berührt wurde und den Elihu dadurch beantwortete, dass er über die Liebe Gottes sprach, wird hier nun näher ausgearbeitet. So darf man Gott nicht beschuldigen. Er sagt in Vers 7: „Wer ist ein Mann wie Hiob, der Hohn [= Gotteslästerung in der NBG-Übersetzung, Anm. d. Übers.] trinkt wie Wasser?“ Er schwelgt in Gotteslästerung. Es ist Gotteslästerung, Gott der Ungerechtigkeit zu beschuldigen. Dadurch landet man „in Gesellschaft mit denen, die Frevel tun und Umgang mit gottlosen Menschen“ haben. „Denn er [Hiob] hat gesagt: Keinen Nutzen hat ein Mann davon, dass er Wohlgefallen an Gott hat“ (Hiob 34,9). Das heißt, man hat einfach nichts davon, ob man Gott dient oder nicht, denn Gott ist sowieso ungerecht und straft dich sogar, wenn du nichts getan hast.

Nun kommt Elihu aber wieder zum Kern seiner Widerlegung. Er sagt: „Darum hört mir zu, Ihr Männer von Verstand!“ (Hiob 34,10a). Das ist natürlich ironisch gemeint. „Fern sei Gott von Gottlosigkeit und der Allmächtige von Unrecht! Sondern des Menschen Tun vergilt er ihm, und nach jemandes Weg lässt er es ihn finden. Ja, wirklich, Gott handelt nicht gottlos, und der Allmächtige beugt nicht das Recht“ (Hiob 34,10-12). Jetzt muss man gut verstehen, was hier steht. Denn es scheint so, als wäre das genau das, was die drei Freunde schon gesagt haben. Die drei Freunde hatten das auch so gesagt, jedoch mit einer anderen Absicht. Die drei Freunde sagten: Gott ist gerecht und wenn er dich straft, musst du wohl schreckliche Dinge getan haben. Das sagt Elihu nicht. Niemals! Nie beschuldigt er Hiob öffentlich oder versteckt irgendwelcher schrecklichen Dinge, die er getan haben soll. Das ist der kardinale Unterschied. Aber auch Elihu muss als allgemeinen Grundsatz der Regierung Gottes dies aufrechterhalten, dass Gott das Böse straft und das Gute belohnt. Das ist ja auch so.

Wenn jemand sagen würde: Gott ist ungerecht, dann müssen wir sagen: Nein! Gott ist gerecht, weil er das Gute belohnt und das Böse bestraft. Wie auch immer du argumentierst, Hiob, dieser Grundsatz bleibt bestehen. Elihu behandelt hier nicht den Unterschied zwischen einer direkten und indirekten Regierung Gottes. Er redet auch nicht über Hiob selbst. Er wendet diesen Grundsatz auch nicht auf Hiob an, indem er sagt: Also musst du schrecklich gesündigt haben; er gibt das nur als Antwort auf Hiobs Anklage, dass Gott ungerecht sei.

Gott ist kein menschlicher Richter

Jetzt muss man aber beachten, wie er diese Antwortet weiter ausarbeitet. Das ist sehr merkwürdig. Er sagt: „Wer hat ihm die Erde anvertraut? Und wer hat den ganzen Erdkreis gegründet?“ (Hiob 34,13). Das bedeutet dies: Wer war es eigentlich, der die Autorität und Regierung der Erde in Gottes Hände gelegt hat? Welche Instanz hat das getan?

Seht, bei irdischen Richtern ist das so. Irdische Richter werden durch die Königin in den Niederlanden angestellt. Richter können nicht so Recht sprechen, wie es ihnen beliebt, sondern sie sind dabei an Gesetze gebunden. Diese Gesetze haben sie nicht selbst gemacht – das ist in unserer Staatsform sehr wesentlich –, sondern sie werden durch die Volksvertreter gemacht. Dann wird der Richter mit diesen Gesetzen konfrontiert und hat nur eine Aufgabe, nämlich die Übertretungen und Übeltaten anhand der Gesetze zu prüfen und festzustellen, ob das Gesetz übertreten wurde, um dann zu sehen, welches Strafmaß angewendet werden muss. So ein angestellter Richter hat seine eigene Anstellung nicht in der Hand und ist auch nicht der Gesetzgeber und Verfasser der Normen.

Elihu macht klar, dass es sich so mit Gott nicht verhält. Du kannst Gott nicht zur Verantwortung rufen. Welcher höheren Instanz gegenüber willst du das rechtfertigen? Einen irdischen Richter kann man anklagen, und wenn dieser Richter für schuldig befunden wird, wird er abgesetzt, weil dieser Richter eine Instanz über sich hat. Diese ist schlussendlich der König. Richter können nicht tun, was sie wollen, sondern sind an die Gesetze gebunden, die sie selbst nicht erstellt haben. So ist Gott aber nicht. Gott ist kein angestellter Richter. Niemand hat Ihn in die Position der Regierung über diese Erde gebracht. Gott ist Gott. Er hat die Erde selbst gemacht. Er hat die Menschheit geschaffen. Er hat dich gemacht, Hiob. Gott ist nicht an Gesetze anderer gebunden; Gott ist selbst der Gesetzgeber. Gott bestimmt selbst, was Recht oder Unrecht ist.

Deswegen sprechen wir von einer christlichen Nation, wenn so eine Nation durch Gesetze regiert wird, die auf das Recht Gottes basieren. Eine Abtreibungsgesetzgebung oder Euthanasie-Gesetzgebung und eine Diskriminierungs-Gesetzgebung, jedenfalls in der Form, in der sie nun verabschiedet wurde, sind nicht mit dem Recht Gottes in Einklang. Damit hört unser Land auf, eine christliche Nation zu sein. Da sehen wir, wie menschliches Recht von Gottes Recht abweichen kann. Aber Gott ist der Einzige, der bestimmt, was Recht und was Unrecht ist. Richtige Gesetze sind Gesetze, die eine Ausarbeitung der allgemeinen Rechtsgrundsätze sind, wie Gott sie bestimmt. Deswegen ist es so töricht, Gott ungerecht zu nennen. Wer Gott ungerecht nennt, zeigt, dass er seine eigenen Rechtsnormen handhabt und seine eigenen Maßstäbe an Gott anlegt. Er nimmt seinen eigenen Maßstab, um Gott damit zu prüfen. So funktioniert das nicht! Was getraut sich der Mensch, wenn er so töricht ist, Gott ungerecht zu nennen, der selbst die Quelle und der Verfasser allen Rechts ist und der einzige Maßstab für Recht und Unrecht? Auf der Grundlage welcher Normen und Maßstäbe wagt der Mensch, dies zu tun?

Das ist Gotteslästerung. Hiermit erhebt sich der Mensch über Gott. Was kann der Mensch Schrecklicheres tun als dies? Deswegen hat Elihu den Finger hier genau auf die wunde Stelle gelegt. „Wenn er sein Herz nur auf sich selbst richtete, seinen Geist und seinen Odem an sich zurückzöge, so würde alles Fleisch insgesamt verscheiden“ (Hiob 34,14). Gott ist nicht irgendein Richter. Er hat deinen Atem in seiner Hand, Hiob. Gott trägt und stützt dich. Wenn du verständig sein willst, unterwirfst du dich diesem Gott. „Und wenn du doch dies einsehen und hören, der Stimme meiner Worte Gehör schenken wolltest!“ (Hiob 34,16).

Bei Gott gibt es keine Gewaltenteilung

„Sollte auch herrschen, wer das Recht hasst?“ (Hiob 34,17). Gott ist der Herrscher dieser Welt! Wie traust du dich, zu behaupten, dass Gott das Recht hasst? Gott, der die ganze Welt in seiner Hand trägt und alles lenkt, wie kannst du sagen, dass Er ein Feind des Rechts ist? Hiob, willst du übrigens „den Allgerechten verdammen“ (Hiob 34,17b)? Wer bist du, dass du dich das traust? Das ist doch der Gott, der zu einem König sagt: Belial [Nichtswürdiger]. Jeder König und die höchsten Regenten dieser Erde sind im Vergleich zu diesem Gott Staub und Asche. „… zu Edlen: Gottloser […], der Fürsten nicht ansieht und den Vornehmen nicht vor dem Geringen berücksichtigt! Denn sie alle sind das Werk seiner Hände. In einem Augenblick sterben sie; in der Mitte der Nacht wird ein Volk erschüttert und vergeht, und Mächtige werden beseitigt ohne Menschenhand. Denn seine Augen sind auf die Wege des Menschen gerichtet, und er sieht alle seine Schritte. Da ist keine Finsternis und kein Todesschatten, dass sich darin verbergen könnten, die Frevel tun“ (Hiob 34,18-23).

Nein! Dies ist kein Gott, der mit irdischen Richtern vergleichbar ist und den man gegenüber der ein oder anderen höheren Instanz zur Verantwortung ziehen könnte. Das ist der Gott, der als Regent der Welt weit über alles Getümmel und die guten und bösen Taten der Menschen erhaben ist. „Schafft er Ruhe, wer will beunruhigen? Und verbirgt er das Angesicht, wer kann ihn schauen? So handelt er sowohl gegen ein Volk als auch ebenso gegen einen Menschen“ (Hiob 34,29). Vers 31: „Denn hat er wohl zu Gott gesagt: Ich trage meine Strafe, ich will nicht mehr Böses tun; was ich nicht sehe, zeige du mir.“ Das ist ein schönes Gebet, wenn ein Mensch dies zu beten lernt und Gott nicht zur Verantwortung zieht oder seine Faust gegen Ihn hebt, sondern sagt: Gott ich bin nur ein kleiner Mensch. Hilf mir, deine Gedanken zu verstehen. Hilf mir, mich in deinem Licht zu sehen. Hilf mir – so wie der Psalmist in Psalm 19 betet: „Verirrungen, wer sieht sie ein? Von verborgenen Sünden reinige mich!“ O Gott, mach uns die verborgenen Verirrungen unseres Lebens bekannt. „Wenn ich Unrecht verübt habe, so will ich es nicht mehr tun?“ (Hiob 34,32). „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne meine Gedanken!“, sagt der Psalmist in Psalm 139. Das ist die Haltung, die dem Menschen gegenüber dem großen und mächtigen Gott geziemt.

Hiobs mangelnde Gotteserkenntnis

Am Ende sehen wir: „Hiob redet nicht mit Erkenntnis“ (Hiob 34,35). Das ist die Beschuldigung seitens Elihu. Die drei Freunde sagten: Hiob hat im Verborgenen schreckliche Sünden begangen. Das sagt Elihu nie. Er sagt: Hiob, ich verurteile dich nicht bezüglich vermeintlicher Sünde, sondern bezüglich dessen, was du selbst gesagt hast – hier und jetzt, in Gegenwart von uns allen und was ich aus deinem eigenen Mund gehört habe. Du redest ohne Verstand. Du sprichst wie ein Mensch, der Gott nicht richtig kennt. Das bedeutet nicht, Hiob, dass du kein Gläubiger bist. Aber wenn du ein Gläubiger bist, bist du einer, der von Gott nicht viel kennt. Und das stimmt, denn Hiob sagt später: Ich habe nur aus der Ferne von dir gehört. Aber wo ich dir jetzt persönlich begegnet bin und Auge in Auge mit dir stehe, bereue ich in Staub und Asche.

Elihu ist der Mann, der Hiob wirklich durchschaut und der durch Gott gebraucht wird, um den Finger genau in die Wunde zu legen. „Ach, dass doch Hiob immerfort geprüft würde wegen seiner Antworten nach Frevlerart. Denn er fügt seiner Sünde Übertretung hinzu, klatscht unter uns in die Hände und mehrt seine Worte gegen Gott“ (Hiob 34,36.37). Darum geht es. Er hat Gott gegenüber die Hand erhoben.

Kapitel 35

Zweiter Irrtum Hiobs wird widerlegt

In Kapitel 35 sehen wir einen zweiten Irrtum Hiobs, den wir ausführlich in den vielen Darlegungen finden, die Hiob in den vorigen Kapiteln von sich gegeben hat. Der zweite Irrtum ist eigentlich dieser (ich sage eigentlich, weil Elihu diesen etwas anders ausdrückt, was aber auf das Gleiche rauskommt): Hiob hatte zu Gott gesagt: Wenn ich denn schon Sünden begangen habe, was stört dich das? Was macht es dir aus, wenn sich ein Mensch gegen dich auflehnt? Warum kümmerst du dich um mich? Warum bist du so hinter mir her? Warum hast du es auf mich abgesehen? Was machen dir die Sünden aus? Sie berühren dich doch gar nicht!

Elihu gibt diesem Argument eine andere Wendung, die aber auf dasselbe rauskommt, indem er sagt: Wenn ein Mensch Gutes tut, was macht Gott das aus? Wenn ein Mensch gerecht ist, dann nützt das Gott doch nichts. Kurzum: Er sagt, dass Hiobs Argument folgendes ist: Ob ein Mensch nun gut oder schlecht lebt, was macht das Gott schon aus? Gott ist doch weit darüber erhaben. Was bringt Gott das und inwiefern können wir Gott durch unsere Sünden nun wirklich beleidigen? Das beinhaltet aber auch: Wenn wir gut leben, was nützt uns das? Was bringt uns das? Welchen Vorteil bringt uns das? Auf welche Weise kann Gott einen Vorteil für sich daraus ziehen? Welchen Vorteil hat Er, wenn wir gerecht leben? Auch dieses Argument weist auf große Unkundigkeit in Bezug auf Gott hin. Hier hat die NBG-Übersetzung es in der Überschrift des Kapitels trefflich zusammengefasst: Gerechtigkeit nützt zwar dem Menschen, aber nicht Gott. In gewisser Hinsicht hatte Hiob recht. Gerechtigkeit auf sich allein gestellt bringt Gott nichts. Gott hat davon nichts, wenn wir gerecht sind. Gott hat für sich persönlich keinen Vorteil, der Mensch für sich aber wohl. Gerechtigkeit nützt einem Menschen. Hiob hat gedacht: Ich habe immer gerecht gelebt. Sieh nur, Gott hat nur gestraft und bringt mir nur Elend. An Gerechtigkeit hat man nichts und es bringt einem keinen Vorteil. Falsch! Kurzsichtig, so zu argumentieren.

Wem nützt es, gerecht zu sein?

Lesen wir gemeinsam mal den ersten Vers, wie Elihu das Argument zusammenfasst: „Hältst du das für recht? Du hast gesagt: Meine Gerechtigkeit ist größer als diejenige Gottes. Denn du fragst, was sie dir nütze“ (Hiob 35,2.3). Hiob hat also gesagt, dass die Gerechtigkeit Gott gegenüber, die er eingehalten hat, ihm nichts gebracht hat. In Vers 3b zitiert er Hiob wörtlich: „Was gewinne ich mehr, als wenn ich gesündigt hätte?“ Bringt es nun einen Vorteil, wenn ein Mensch nicht sündigt, sondern gerecht handelt?

„Ich will dir Worte erwidern“, sagt Elihu, „und deinen Genossen mit dir. Blick zum Himmel und sieh, und schau die Wolken an – sie sind höher als du“ (Hiob 35,4.5). Eigentlich meint er Gott selbst, der über den Wolken im Himmel ist. „Wenn du sündigst, was tust du ihm an? Und mehren sich deine Übertretungen, was fügst du ihm zu? Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder was empfängt er aus deiner Hand?“ (Hiob 35,6.7). In gewisser Hinsicht scheint es, als wenn er Hiob recht gibt, indem er sagt: In der Tat, wenn du gerecht bist, hat Gott selbst davon gar nichts. Aber Hiob, du hast selbst doch etwas davon. In der Tat, wenn du Gott gegenüber gerecht bist, bringt Ihm das nichts. Du tust eigentlich nichts anderes als deine Pflicht als Geschöpf und das, was du Gott gegenüber schuldig bist. Aber du hast für dich selbst einen Vorteil davon. Denkst du, dass ein gerechtes Leben keinen Vorteil hat, Hiob? Guckst du nur auf dein heutiges Leid, um abzumessen, welchen Vorteil dir das gebracht hat? „Für einen Mann wie dich gilt deine Gottlosigkeit etwas und für ein Menschenkind deine Gerechtigkeit“ (Hiob 35,8). Denkst du, dass du, wenn es nichts ausmacht, wie du lebst, dann genauso gut gottlos leben kannst? Hiob, ich sage dir, wenn du gottlos lebst, wirst du damit selbst Elend über dich bringen. Dann wirst du selbst auf lange Sicht die schrecklichen Folgen tragen müssen.

Zeitliches Leid kontra ewige Perspektive

Wenn man sich im Elend befindet, beklagt man sich. Viele Menschen beklagen sich, weil sie Gott nicht kennen und, genau wie Hiob, Gott zur Verantwortung ziehen. „Wegen der Menge der Bedrückungen schreit man; man ruft um Hilfe wegen des Armes der Großen. Aber man spricht nicht: Wo ist Gott …“ (Hiob 35,9.10). Man sagt schon: Wo ist Gott? Jedoch fragt man nicht: „Wo ist Gott, mein Schöpfer?“ (Hiob 35,10b). Das ist das Wesentliche. Gott ist unser Schöpfer. Er ist derjenige, aus dessen Hand wir hervorgekommen sind. Er ist nicht derjenige, den wir zur Verantwortung ziehen können. Ihn können wir nicht beschuldigen. Wir können Ihm gegenüber auch nicht für uns selbst bestimmen, ob wir gerecht oder gottlos sein wollen, schon gar nicht mit dem Argument, dass Gott das sowieso egal ist. Wir haben Gott gegenüber einfach die Pflicht und die Schuldigkeit, gerecht zu leben gemäß der Gebote, die Er uns gegeben hat. Aber – das ist nicht das Einzige – wenn ein Mensch nach Gottes Geboten lebt, Hiob, und sei es, dass du das in deiner Krankheit jetzt nur schwierig bejahen und begreifen kannst, wirst du gewaltige Segnungen dabei erleben können. Er zählt sie hier auf: Man kann dann Gesänge in der Nacht singen; man wird verständiger als die Tiere, weiser als die Vögel. In Vers 10 und 11 zählt er die Segnungen auf, die die Folge sind, wenn man in der Tat Gott so dient. Wenn dem nicht so ist und man Gott anruft, ohne Ihn als Schöpfer zu bekennen, antwortet Er nicht: „Jedoch auf Eitles hört Gott nicht“ (Hiob 35,13).

Vers 14: „Wenn du auch sagst, du schaust ihn nicht – die Rechtssache ist vor ihm; so harre auf ihn. Und nun, wenn sein Zorn nicht heimgesucht hat, sollte er nicht sehr wohl um den Übermut wissen? Und so sperrt Hiob in eitler Weise seinen Mund auf, häuft Worte ohne Erkenntnis.“ Hiob denkt, dass er einfach damit weitermachen kann, Gott so zu beschuldigen. Gott antwortet nicht, Gott straft ihn dafür nicht und Hiob wird sozusagen immer brutaler. Gott schweigt ihm gegenüber und die Sprache Hiobs wird immer hochmütiger und vermessener.

Was ist darauf die Antwort Elihus? Elihu hat die zwei Irrtümer Hiobs widerlegt. Es macht durchaus etwas aus, ob ein Mensch gerecht oder gottlos lebt. Das ist die Antwort auf den zweiten Irrtum.

Kapitel 36

Gottes Liebe erzieht seine Kinder zur Einsicht

Elihu fügt dem jetzt aber etwas ganz Wichtiges hinzu, was das weiter ausführt, was wir in Kapitel 33 schon hatten: den liebenden Gott, der die Bekehrung des Menschen im Auge hat. Es geht um den liebenden Gott, der sich damit beschäftigt, den Menschen zum Glauben zu bringen und – das ist das Neue in Kapitel 36 – sich auch mit den Kindern beschäftigt, die abgewichen sind. Gottes Liebe zieht Ungläubige, damit sie zum Glauben kommen und versöhnt werden. Gottes Liebe zieht aber auch seine Kinder, damit sie von ihren Irrwegen zurückkommen.

Zu Beginn von Kapitel 36 rechtfertigt Elihu seinen Schöpfer: „Gott ist mächtig, und doch verachtet er niemand – mächtig an Kraft des Verstandes. Er erhält den Gottlosen nicht am Leben, und das Recht der Elenden gewährt er“ (Hiob 36,5). Hier hat man wieder den allgemeinen Grundsatz der Regierung Gottes.

Leiden – Unterweisung Gottes

Ab Vers 7 geht es dann nicht mehr um den Gottlosen, sondern um den Gerechten, um den Gläubigen, der leider genau wie der Gottlose von dem Herrn abweichen kann. Das findet man ab Vers 8: „Und wenn sie mit Fesseln gebunden sind, in Stricken des Elends gefangen werden …“ Was macht Gott dann? Straft er sie? Das ist die Theorie der drei Freunde. Bringt Er nur Elend über sie, um sie zu schlagen? Hat Er Freude daran? Nein! Genauso, wie wir das in Kapitel 33 bei den Ungläubigen gefunden haben, sehen wir jetzt, dass Gott mit den Gläubigen ins Gespräch kommt. Er stellt ihnen ihre Taten und Übertretungen vor Augen, weil sie sich „trotzig gebärden“ (Hiob 36,9). „Er öffnet ihr Ohr der Zucht und spricht, dass sie vom Frevel umkehren sollen“ (Hiob 36,10).

Das ist das, was Gott tut. Gott spricht zu dem Menschen. Auch das Leid, das ein Mensch erleben kann, kann so ein Ruf Gottes gegenüber dem Gläubigen sein, der das Leid gerade erlebt. Das ist, damit der Gläubige in Gottes Absichten mit seinem Leben unterwiesen werden kann. Das ist keine Strafe, sondern Unterweisung. Wir werden das in diesem Kapitel gleich sehen. Gott ist hier nicht der Strafebringende – das ist die Theorie der drei Freunde Hiobs –, sondern Er ist der Erzieher. Leiden ist hier zur Erziehung. Wir singen das im Lied 113 des Gesangbuchs „Geistliche Lieder“: „… der uns durch Leiden erzieht“. Das ist das, was wir hier haben. Gott spricht durch das Leid zu unseren Herzen. Leiden ist, wie C.S. Lewis es ausgedrückt hat, Gottes Megafon. Gott kann unter normalen Umständen leise zu uns sprechen; wenn aber ein Mensch schrecklich leiden muss, dann ruft Gott laut durch ein Megafon zu ihm. Dann ruft Gott mit lauter Stimme und erhebt sie zu ihm. Leiden ist die laute Stimme Gottes, jedoch nicht die des strafenden Gottes, sondern die des Gottes, der uns, seine Kinder, in seine Schule bringen will. Man braucht dann noch nicht einmal an konkrete Sünden zu denken, die korrigiert werden müssen. Das war bei Hiob auch nicht der Fall. Bei Hiob gab es keine konkreten Sünden, die weggetan werden mussten.

Das Ziel der Unterweisung

Bei Hiob war es jedoch wohl nötig, sein eigenes Herz und Gott besser kennenzulernen und sich dem großen Gott gegenüber zu demütigen. Hiob sollte sich verkriechen und sich in Staub und Asche erniedrigen und sollte begreifen, wie klein und nichtig er dem großen und mächtigen Gott gegenüber ist. Das ist Gott als Erzieher, der uns zu dieser Einsicht bringen will: „Den Elenden errettet er in seinem Elend, und in der Drangsal öffnet er ihnen das Ohr“ (Hiob 36,15). Er rettet und straft nicht. Das Leid ist ein Versuch, den Menschen aus allerlei falschen Umständen zu erretten.

Das Wohlergehen Hiobs – Hindernis für Gotteserkenntnis

Die nachfolgenden Verse sind schwierig zu übersetzen. In Vers 16 steht: „So hätte er auch dich aus dem Rachen der Bedrängnis in einen weiten Raum geführt, wo keine Beengung gewesen wäre.“ So war das mit dir, Hiob. Du hattest keinen Mangel, du hattest alles, was dein Herz begehrte. „Und die Besetzung deines Tisches wäre voll Fett.“ Aber was wusstest du von Gott? Du dientest Gott, du warst fromm, gottesfürchtig, das Böse miedest du, aber was wusstest du von Gott?

Vers 17 ist vermutlich auch falsch übersetzt. Es kann nicht sein, dass er ein Gottloser war, denn dann würde Elihu doch denselben Fehler machen wie die drei Freunde. Man könnte besser so übersetzen: Du bist voll des Rechts der Gottlosen. Du bist vollständig davon besessen, was das deiner beschränkten Einsicht nach das wahre Recht ist und wie Gott bezüglich des Gottlosen und bezüglich seiner Kinder zu handeln hat, die nicht in Gottlosigkeit wandeln. Aber Hiob, dies alles zeigt nur an, dass du Gott nicht wirklich kennst. Deswegen hat dir Gott den ruhigen Tisch mit der fetten Speise weggenommen. Solange du all die Wohlfahrt und Bequemlichkeit hattest, konnte Gott nicht zu dir sprechen. Da flüsterte Gott zu dir, aber du hörtest nichts. Jetzt benutzt Gott das Megafon. Jetzt spricht Gott lauthals zu dir, Hiob, und du kannst es nicht überhören. Jetzt spricht Gott laut, und später finden wir es wörtlich, wenn Gott aus dem Sturm zu ihm ruft. Hiob, du kannst jetzt nicht umhin, dass Gott mit dir beschäftigt ist.

Gott ist Richter und Erzieher

Jetzt kommt, was ich vorhin schon andeutete: „Gott handelt erhaben in seiner Macht; wer ist ein Lehrer wie er?“ (Hiob 36,22). Da hat man so ein Schlüsselwort, das man sich gut anstreichen sollte. Das ist das, was ich vorhin aufzeigte: Gott als Erzieher. Das ist etwas ganz anderes als ein Bestrafer. Gott ist nicht jemand, der sich als Richter gibt und einen vor sich hat, den er gar nicht kennt. Wenn ein Richter jemanden vor sich hätte, den er kennt, könnte er kein guter Richter sein, weil er befangen wäre. Richter haben völlig fremde Personen mit ihren Übertretungen zu beurteilen. Er hat das Gesetz, untersucht die Schwere der Straftat, prüft im Gesetz, welches Strafmaß angewendet werden muss und erteilt dann diese Strafe. Ein Richter ist kein Resozialisierungsbeamter und beschäftigt sich nicht mit Erziehung.

Gottes Lehrplan

Wer so über Gott als Bestrafer denkt, hat ein völlig falsches Bild von Gott. Er kennt Gott nicht als Lehrer und Erzieher, wie das beispielsweise ein Kinder-Richter sein kann, der auf eine ganz andere Weise das Recht spricht. Gott ist ein Erzieher, der seine Kinder in die Schule bringt, in der es auch schwere Fächer zu lernen gibt. Manchmal sind die Klassen schwierig. Diese Schule hat einen schwierigen Lehrplan, hat aber ebenso einen ausgezeichneten Lehrer und eine ausgezeichnete Erziehung, die uns durch Leiden erzieht. Wer könnte Ihm vorschreiben, wie der Lehrplan auszusehen hat? „Wer hat ihm seinen Weg vorgeschrieben, und wer dürfte sagen: Du hast Unrecht getan?“ (Hiob 36,23).

Heutzutage hat man Schülervertretungen, die mit darüber entscheiden dürfen, wie der Lehrplan aussehen soll, oder Studenten, die daran teilhaben dürfen, was ihnen vermittelt werden darf und was nicht. Hier im Buch Hiob steht, dass das Torheit ist, wenn ein Mensch selbst bestimmen kann, welchen Unterricht er erhalten soll und welchen nicht. Wenn ein Mensch das bestimmen könnte, wäre er über den Unterricht selbst erhaben. Wer könnte Gott vorschreiben, welche Schule Er in deinem und meinem Leben am besten anwenden sollte und was seinem Urteil gemäß der richtige Lehrplan ist? „Erinnere dich daran“, sagt Elihu im positiven Sinn, „dass du sein Tun erhebst, das Menschen besingen. Alle Menschen schauen es an, der Sterbliche erblickt es aus der Ferne. Siehe, Gott ist zu erhaben für unsere Erkenntnis und die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich“ (Hiob 36,24-26). Das ist Gott, der Ewige.

Kapitel 37

Gottes Größe in der Natur

In den folgenden Versen des 36. Kapitels und auch in Kapitel 37 verwendet Elihu schließlich ein ganz wichtiges Argument. Die Wichtigkeit zeigt sich schon in der Tatsache, dass es eigentlich das große Argument ist, das der Herr ab Kapitel 38 selbst gebrauchen wird: Gottes Majestät in der Natur. Die ganze Darlegung Elihus entwickelt sich dahin. Danach wird diese Ausführung von dem Herrn selbst übernommen. Es handelt sich um dieses Argument: Hiob, wenn Gott so groß ist, wie wir ihn in der Natur sehen, wie klein bist du dann?

Ihr müsst das gut verstehen. Wir würden so ein Argument heute nicht so sehr gebrauchen. Wir sind heutzutage durch die Wissenschaft so unterwiesen, dass, wenn wir Donner hören, wir schon den Kindern sagen, dass das mit unterschiedlich elektrisch geladenen Wolken zu tun hat. Das ist eigentlich eine ganz komische Art des Unterrichts, nicht wahr? Wir haben die frühere Spontaneität vollständig verloren. Früher erklärten die Menschen das viel besser: Es ist Gottes Stimme. Denken wir, dass dieses Argument verfallen ist, seitdem wir in der Lage sind, physikalisch genau zu erläutern, was bei Unwetter geschieht?

Elihu erläutert in Vers 14 von Kapitel 37: „Stehe und betrachte die Wunder Gottes!“ Von Wundern hat man eigentlich ganz andere Vorstellungen. Hier sind Wunder die Wunder des Unwetters. So einfach. Das Wunder von Blitz und Donner. Heutzutage wissen wir millionenmal so viel über die Entwicklung eines Menschenkindes im Mutterschoß als früher. Ändert das etwas an der Tatsache, dass in Psalm 139 steht, dass die Entwicklung des Menschen ein Wunder ist? Ist das Wunderbare dadurch gemäßigt? Ist es weniger ein Wunder, wenn wir Gottes Tun und Lassen in der Natur wahrnehmen, seitdem wir mehr davon erklären können?

Ich muss oft daran denken, dass das mit den Herbstfarben auch so ist, um ein anderes Beispiel aus der Natur zu wählen. Wenn Kinder fragen, wie das geschieht, dass die Farben im Herbst entstehen, erzählen wir eine komplizierte Geschichte über Bäume, die im Winter nicht austrocknen dürfen und deswegen ihre Blätter abstoßen und einen Pfropfen in ihren Blattstielen bilden, wodurch die Blätter dann abfallen usw. Ist das die einzige Erklärung, die man geben kann? Wir sind derart durch die Wissenschaft beherrscht, dass diese ein Götze geworden ist. Das ist im eigenen Denken viel mehr der Fall, als man sich bewusst ist. Wir alle geben derartige Erklärungen ab, die unter aller Kritik sind. Die einzig richtige Erklärung ist, dass die Natur im Winter stirbt. Sterben ist eine traurige Angelegenheit, weshalb uns Gott im Herbst trösten will und uns diese herrlichen Farben schenkt, die uns den Abschied vom Sommer einigermaßen versüßen. Das ist die einzige wirkliche Erklärung. Alles andere ist auch Erklärung, jedoch zweitrangig. Das ist für Kinder auch viel weniger interessant. Es ist viel wichtiger, die Kinder so mit der Natur als Gottes Natur zu konfrontieren.

Wir sollten sowieso diese Argumente nicht gebrauchen. Wir sollten auf die Schrift hinweisen. Die Natur ist Offenbarung Gottes. Die Schrift ist auch Offenbarung Gottes, die sogar an erster Stelle steht, weil wir durch das Licht der Schrift die Natur richtig verstehen. In dieser Zeit gab es die Schrift allerdings noch nicht. In Psalm 19 findet mein beides nebeneinander: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes, und die Ausdehnung verkündigt seiner Hände Werk.“ Direkt danach findet man als Zweites in Psalm 19 die Schrift: „Das Gesetz des Herrn ist vollkommen.“ Hier hat man die beiden Offenbarungen Gottes. Zu Hiobs Zeit gab es die Schrift noch nicht. In unserem Fall heute sollten wir auf die Schrift hinweisen. Damals war das noch nicht möglich. Damals musste Hiob auf das Zeugnis der Natur verwiesen werden. Auf die Details brauche ich gar nicht einzugehen. Die sind nicht schwierig zu verstehen. Am Ende von Kapitel 36 finden wir eine Beschreibung des Regens und des ganzen Segens, den Gott dadurch dem Menschen bereitet.

Elihus Rede bereitet die Antwort Gottes vor

Ich kann mir vorstellen, dass es tatsächlich anfing zu regnen, als Elihu darüber sprach, und dass der Regen immer heftiger wurde und ein Unwetter mit Blitz und Donner losging. Elihu musste das vielleicht sogar mit seiner Stimme übertönen, um zu Hiob sprechen zu können. Auf dem Höhepunkt des Sturms antwortete der Herr „Hiob aus dem Sturm“ (Hiob 38,1). Da fing der Herr an – auf welche Weise auch immer –, zu Hiob zu reden. Ich kann mir das so vorstellen: Während das Unwetter in Kapitel 37 immer stärker wurde, wies Elihu darauf hin: „Hört, hört das Getöse seiner Stimme und das Grollen, das aus seinem Mund hervorgeht“ (Hiob 37,2). Hatte er recht oder nicht?

Ein Unwetter brachte die Reformation auf den Weg. Das müssen wir uns mal vergegenwärtigen. War das Zufall? Vielleicht ist das etwas übertrieben, wenn ich das so sage. Jedoch hat das eine Unwetter, in das Luther geriet und in dem er so schreckliche Angst bekam, weil der Blitz überall um ihn herum einschlug, ihn zu dem Gelübde gebracht, ins Kloster zu gehen. Und menschlich gesprochen: Wäre er nicht ins Kloster gegangen, hätte er nie eine Bibel zu sehen bekommen und hätte nie in der Schrift studiert, und er hätte nie die Wahrheit erkannt, dass der Mensch allein aus Glauben gerechtfertigt wird. Willst du sagen, dass Gott durch Unwetter nicht redet? „Hört das Getöse seiner Stimme … Gott donnert mit seiner Stimme“ (Hiob 37,2.4).

Danach kommen die Wunder von Schnee, Sturzregen und Regengüssen, die Wunder in der Tierwelt, Sturm und Kälte, Eis, die Wasserfläche wie gegossenes Metall. Anschließend lesen wir: „Und unter seiner Leitung wenden sie sich ringsumher zu ihrem Werk, zu allem, was er ihnen gebietet, über die Fläche des Erdkreises hin“ (Hiob 37,12). All diese Dinge sind Gottes Handlungen. Das ist das, was wir als moderne Menschen Naturgesetze nennen. Das ist ja nicht verkehrt, solange wir bedenken, dass sie nichts anderes als eine Umschreibung von Gottes Handeln sind. Gesetze sind nicht unabhängig von Gott oder von Ihm losgelöst, sondern geben wieder, wie Gott in der Natur handelt. Gott handelt bei der Entwicklung eines Kindes im Mutterschoß. Er handelt bei Unwetter, das losbersten kann und das nie zufällig auftritt. Gott handelt durch alles, was Er in der Natur zuwege bringt.

„Nimm dies zu Ohren, Hiob, stehe und betrachte die Wunder Gottes. Weißt du, wie Gott sie belädt und den Blitz seines Gewölks leuchten lässt? Verstehst du dich auf das Schweben der Wolke, auf die Wundertaten des an Wissen Vollkommenen? Du, dessen Kleider heiß werden, wenn das Land schwül wird von Süden her, kannst du wie er das Himmelsgewölbe ausbreiten, fest wie ein gegossener Spiegel? Tu uns kund, was wir ihm sagen sollen! Wir können vor Finsternis nichts vorbringen. Soll ihm gemeldet werden, dass ich reden wolle? Wenn jemand zu ihm spricht, er wird gewiss verschlungen werden. Und jetzt sieht man das Licht nicht, das am Himmelsgewölbe leuchtet; aber ein Wind fährt daher und reinigt es. Aus dem Norden kommt Gold – um Gott ist furchterregende Pracht“ (Hiob 37,14-22).

Es würde mich nicht wundern, wenn Elihu hier selbst die Herrlichkeit Gottes auf die ein oder andere Weise verspürt, wenn wir bedenken, dass Gott ja einige Augenblicke später die Rede Elihus übernimmt, um dann persönlich zu Hiob zu sprechen. „… der Allmächtige, den wir nicht erreichen, der Erhabene an Kraft und Recht“ (Hiob 37,23). Hiob ist so ein Eigensinniger wie in Vers 24.

Elihus Rede in der Zusammenfassung

Elihus Zusammenfassung ist diese: Gott, der groß ist in Gerechtigkeit, beugt sie nicht. Gott ist nicht ungerecht. Er ist der Gerechte. Auch in dem, was Gott jetzt über dich bringt, Hiob, in allem Leid, das dir widerfährt, ist Gott gerecht. Er ist dein großer Erzieher. Höre auf das, was Gott dir durch diese Dinge zu sagen hat, Hiob. Das kannst du nur selbst wissen. Das kann dir ein anderer nicht sagen, was die Stimme Gottes dir in seiner Schule zu sagen hat. Das müssen wir für uns selbst lernen. Elihu sagt Hiob das nicht, wenngleich er auf die Größe Gottes anspielt, in der die Kleinheit Hiobs eingeschlossen ist.

Hiob muss die Schlussfolgerung selbst ziehen. Und er tut es. Das hoffen wir das nächste Mal zu betrachten, wenn wir uns die letzten Kapitel dieses Buches ansehen werden.

Vorheriger Teil Nächster Teil


Übersetzung: Stephan Winterhoff

Weitere Artikel des Autors Willem Johannes Ouweneel (65)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen