Bileam
Die Treue Gottes, so wie wir sie in seinen Wegen mit Bileam finden

John Nelson Darby

© J. Das, online seit: 14.12.2003, aktualisiert: 23.11.2023

Leitverse:  4. Mose 22–24

4. Mose 22

Der Feind beabsichtigte, Gottes Volk am Genuss des Landes zu hindern, in das Gott sein Volk nach seiner Verheißung hineinbringen wollte. Jetzt ging es nicht um den Auszug aus Ägypten. Es war schon herausgeführt und befand sich fast am Ende seines Weges. Konnte sein Einzug in das Land vereitelt werden? Wenn es davon abhängig gewesen wäre, was das Volk in sich selbst war – natürlich! Und Satan, der Verkläger der Brüder, könnte wegen unserer Sünden auch uns den Eingang in den Himmel unmöglich machen, wenn wir auf der Grundlage unserer Würdigkeit dorthin gelangen müssten. Die Israeliten waren während des ganzen Weges steifnackig und voller Widersetzlichkeit, obwohl Gott ihnen Wasser aus dem Felsen gab gegen ihren Durst und Manna vom Himmel als Nahrung. Nun musste die ernste Frage geklärt werden, ob ihr Verhalten sie vom Einzug in das Land ausschließen konnte. In diesem Moment entfaltete sich die Macht des Feindes und nicht seine List. Letztere erkennen wir später in der Geschichte Bileams. Es ging darum, ob der Feind – sei es durch Macht, sei es durch List – Israel aus dem Land Kanaan heraushalten konnte. Wir werden sehen, wie Gott seine Gedanken über das Volk verkündet. Als Er die Frage zur Beantwortung übernahm, war der Feind völlig machtlos.

Moab nimmt den Platz weltlicher Macht ein. Es war sorglos von Jugend an. Still lag es auf seinen Hefen und wurde nicht von Fass zu Fass ausgeleert (Jer 48,11). Während es diese weltliche Stellung einnahm, rief es den Propheten mit dem Wahrsagerlohn in seiner Hand, um für Moab tätig zu werden. Balak besaß als König bürgerliche Autorität; doch er war sich dessen bewusst, dass er in diesem Fall eine ihm überlegene Macht zur Hilfe benötigte. Die obrigkeitlichen Gewalten sind von Gott eingesetzt (Röm 13,1). Wenn alles in Ordnung ist, benötigt man also normalerweise nicht diese übergeordnete Art von Macht, um über ein Volk zu herrschen. Da Balak kein Bewusstsein der Autorität und Macht Gottes hatte, suchte er seine Hilfe bei jemand anderem.

Die Israeliten hatten ihr Zeltlager an den Grenzen des Landes aufgeschlagen, als dieser Versuch gemacht wurde, ihren Einzug zu verhindern. Das ist für uns von praktischer Bedeutung, weil viele Gläubige zwar die Erlösung kennen, aber – wenn sie ihre geringe Übereinstimmung mit derselben in der Praxis und ihr Versagen erkennen – anfangen zu zweifeln, ob sie überhaupt jemals den Himmel erreichen werden. Es ist richtig, uns selbst wegen des Bösen in uns zu richten; dennoch sind wir es Christus schuldig, bis ans Ende auf die Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen.

Als das Volk das Rote Meer durchzogen hatte, sangen die Israeliten im Vertrauen auf die Macht Gottes, welche sie ans Ziel bringen würde: „Du … hast es {das Volk} durch deine Stärke geführt zu deiner heiligen Wohnung“ (2Mo 15,13). Damals waren Moab und alle anderen Feinde wie nichts vor Israel; denn die Israeliten wussten, dass die Macht Gottes für sie eintrat, obwohl die Wüste noch vor ihnen lag. Sie wussten, dass sie sicher aus Ägypten herausgekommen waren; alles Übrige setzten sie als gegeben voraus. Aber sie kannten sich selbst noch nicht. Darum führte Gott sie vierzig Jahre durch die Wüste, sie zu demütigen, zu erproben und ihnen bewusstzumachen, was in ihren Herzen war (5Mo 8,2). Im folgenden Kapitel (5Mo 9) können wir erkennen, dass Gott außerdem zeigen wollte, was seine Güte zu ihnen in all diesen Züchtigungen ausmachte.

Das Volk befand sich jetzt an der Grenze des Landes in der Nähe von Jericho. Galt hier am Jordan die Verheißung noch genauso wie am Roten Meer? Diese Frage erhob sich für das Volk als Ganzes und nicht so sehr für die Einzelpersonen. Das ist ein Muster für uns von geistlichen Dingen. Der Glaube führt uns vollständig über die Umstände hinaus. Er verschließt nicht seine Augen und läuft blind zum Himmel. Er nimmt stattdessen Gottes Urteil über die Sünde als gegeben hin und kennt die Gnade Gottes hinsichtlich unserer Errettung. Außerdem sieht er, dass die Prüfungen auf dem Weg dazu da sind, uns zu demütigen, zu erproben und am Ende zu unserem Besten zu dienen. Der Glaube geht nie geringschätzig über Gottes Urteil bezüglich unserer Sünden hinweg, sondern vertraut trotz ihres Vorhandenseins auf Gottes Gnade. Gott wird sein Volk züchtigen, aber niemals anklagen. Letzteres erlaubt Er auch Satan nicht.

Moab brauchte sich in Wirklichkeit nicht zu fürchten, denn Israel hatte strengen Befehl, dasselbe nicht anzutasten. Israel sollte beim Durchzug durch Moab sogar für das benötigte Wasser bezahlen. Aber Moab glaubte nicht, was Gott gesagt hatte. Satan kann mit all seiner Verschlagenheit nicht erkennen, was der einfältigste Glaube weiß, dass nämlich Gottes Gnade völlig errettet. Moab ist ein Beispiel für die gänzliche Unkenntnis der Gedanken Gottes in der Welt. Es ist gut, wenn wir uns daran erinnern! Die Welt erkennt den geheimnisvollen Einfluss Gottes und ist folglich diesbezüglich nicht ganz und gar unwissend; aber sie steht ihm feindlich gegenüber. Was hatte Gott zu Abraham gesagt? „Ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen“ (1Mo 12,3). Und jetzt macht Balak sich auf, gerade die Mittel zu ergreifen, die den Fluch Gottes auf ihn herabziehen. Das ist die völlige Blindheit des Fleisches. Sie geht immer einen Weg, der Gottes Gericht über sie bringt. Bei Balak lagen nicht nur Sünden vor – und zwar Unmengen –, sondern er hatte auch seine Augen gegen alle Gedanken Gottes verschlossen.

Es ist schrecklich, sich außerhalb des Lichtes Gottes zu befinden; und das ist bei der armen Welt der Fall. Wenn in den Schlupfwinkeln der Menschen die äußeren sittlichen Beschränkungen weggenommen sind, wenn ihren Leidenschaften sämtliche Hemmungen genommen werden – was sehen wir dann für eine moralische Herabwürdigung und welchen Jammer! Doch auch in den Fällen, wo es ein solches äußerlich sichtbares Elend nicht gibt – wie traurig ist es, eine Person ohne Gott durch diese Welt gehen zu sehen! Sie mag hochgeachtet sein und von ihren Mitmenschen sehr geschätzt werden – wie will sie ohne Gott durch den Tod und das Gericht hindurchgehen? Es ist furchtbar, an die Unwissenheit in den Menschen wegen der Blindheit ihrer Herzen zu denken. Wenn Gott auf der Grundlage menschlicher Werke richtet – was geschieht dann mit ihnen? Gott sagt: „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer“ (Röm 3,10). Die ganze Welt ist vor Gott schuldig geworden. Die Menschheit wandelt ihren eigenen Weg und denkt, dass am Ende alles gut ausgehen wird. Die Menschen der Welt handeln genauso wie Balak. Sie suchen den Segen, wo Gott verflucht, und den Fluch, wo Gott gesegnet hat. In einem Esel ist mehr Verständnis über die Wege Gottes als in einem Menschen, der ohne Ihn lebt.

Doch betrachten wir jetzt Bileam! Vor seinem Herzen standen zwei Dinge. Zum einen fürchtete er sich vor Gott, zum anderen war er habsüchtig. So fürchtet sich auch die Welt vor dem, was sie unter dem Volk Gottes geschehen sieht. Sie kann die zugrunde liegenden Beweggründe nicht wahrnehmen und hat nicht die Macht, diese zu beherrschen. Eltern haben keine Macht, die in einem Augenblick erfolgende Bekehrung ihres Kindes zu verhindern. Die Welt kann die Werke Gottes nicht kontrollieren. Beachte, wie sich Gott mit Bileam beschäftigt! Nimmt dieser sich jedoch wirklich die Zeit, zu Gott zu gehen?

In seinem Herzen steht Gott immer zu seinem Volk. Israel wusste von dem, was vorging, überhaupt nichts. Aber Gott wusste es. Er nahm wegen der Liebe seines Herzens die Angelegenheit seines Volkes in seine Hände. Obwohl Er dasselbe ermahnen und züchtigen musste, ließ Er nicht zu, dass es in die Gewalt Satans geriet.

Einen Beweis dafür, dass Balak ein gottloser Mann war, sehen wir in seinem Versuch, das Wort Gottes an Bileam rückgängig zu machen. In Sacharja 3 haben wir Ähnliches. Satan versucht dort, ein Verdammungsurteil seitens Gottes auf den Hohenpriester herabzuziehen. Was konnte Josua zu seinen Gunsten anführen? Gott jedoch sagt: „Ich habe deine Ungerechtigkeit von dir weggenommen“ (Sach 3,4). Er sagt nicht, dass Er die schmutzigen Kleider nicht sähe. Aber Er tritt in seiner Liebe und Gnade für Israel ein. „Ich kleide dich in Feierkleider.“ Gott hatte Bileam befohlen: „Du sollst nicht … gehen; du sollst das Volk nicht verfluchen!“ (4Mo 22,12). Das hätte ihn zum Schweigen bringen sollen. Dann wäre das Ergebnis seiner Gedanken gewesen: „Wenn Gott ,nein‘ sagt, dann ist die Sache erledigt.“ Doch er war so eigenwillig, wie er nur sein konnte.

Was für eine schreckliche Plage ist das Volk Gottes für die Welt! Die Gläubigen sind, wenn sie treu wandeln, in einem gewissen Sinn eine Pest für dieselbe. Wenn man sie umbringt, dann vermehren sie sich nur umso mehr. Man kann sie nicht loswerden und nichts mit ihnen anfangen. Bei den Kindern Gottes finden sich Grundsätze, Beweggründe und Handlungsweisen, denen die Welt sich nicht entziehen kann.

Bileam sagte: „Wenn Balak mir sein Haus voll Silber und Gold gäbe, so vermöchte ich nicht den Befehl des HERRN … zu übertreten“ (4Mo 22,18). Wie fromm er jetzt geworden ist! Wenn er hätte gehen dürfen, dann wäre er mit den Knechten Balaks gezogen. Obwohl er nicht das für Balak tun konnte, was er wünschte, behielt er dennoch weiterhin sein Ansehen als ein Prophet des HERRN aufrecht. So, als sei das Geheimnis des HERRN sein Teil, sprach er: „Ich werde erfahren, was der HERR ferner mit mir reden wird“ (4Mo 22,19). In Wirklichkeit dachte Bileam an das angebotene Geld; aber er redete, als stünde er in Verbindung mit Gott. Die Menschen handeln oft in dieser Weise. Sie behaupten, zu Gott eine Beziehung zu haben, leugnen jedoch jegliche Verbindung mit seinem Volk. Ersteres genügt nicht. Das Kreuz wurde in Verbindung mit Gottes Volk eingeführt; und dieses allein ist der Prüfstein für jeden Menschen.

Jetzt gestattete Gott Bileam zu gehen; und dieser war sehr erfreut darüber. Aber Gott ließ ihn nur den Willen seiner (Bileams) Wahl ausführen; und dieser Weg war genauso verkehrt wie alle seine Wege. Gott erlaubte Bileam die Reise, damit er einen Segen anstelle eines Fluchs über sein Volk ausspreche. Sittlich und in Bezug auf ihn selbst gesehen war es eine sehr böse Tat, dass Bileam aufbrach; und doch führte Gott alle seine Absichten dadurch aus. Bileam war nichts weiter als eine Rute in der Hand Gottes. Bileam zog los; und es begegnete ihm der HERR in der Gestalt eines Engels. Indem er mehr Verständnis als der Mensch besaß, in das Maul des unverständigen Tieres legte, tadelte Er die Wege des Mannes und seine Weisheit. Obwohl der Mensch Vernunft besitzt, benutzt er diese gegen Gott; das kann ein unvernünftiges Tier nicht tun. Der Mensch ist in einem Sinn noch blinder als Satan; denn Satan glaubt und zittert (Jak 2,19). Wenn es Gott gefällt, kann Er sich dem Auge eines Tieres genauso gut offenbaren wie dem eines Menschen. Die Wirkung dieser göttlichen Erscheinung war, dass Bileam in seinem Zorn den Esel beinahe getötet hätte; es fehlte ihm nur die Möglichkeit (4Mo 22,29). Danach öffnete Gott ihm die Augen, damit er seinen Wahnsinn und seine Blindheit auf dem ganzen Weg, den er gegangen war, erkennen konnte. Jetzt sah er ein, dass er gesündigt hatte und dass Gott ihn aufhielt (4Mo 22,34). Das geschah aber nur aufgrund des Schreckens, den er erfahren hatte; denn er zog weiter, ohne zu verstehen, dass er das Volk nicht verfluchen konnte, sondern im Gegenteil segnen sollte. Später ging Bileam zu den Götzen Balaks, um dort zu opfern. Er liebte die Religion; aber sein Herz war überhaupt nicht mit Gott in Übereinstimmung. Stattdessen richtete es sein Verlangen auf Geld und Ehre in dieser Welt. Welch ein Bild zeichnet dies von der Kraftlosigkeit der Sünde!

Lernen wir aus dieser Geschichte, welche Wege Gott im Umgang mit seinem Volk einschlägt! Der Mensch denkt, er könne dem Volk Gottes den Segen, den Er für dasselbe bereit hat, rauben. Zudem versucht Satan, Gott an seinen Absichten der Liebe zu hindern. Aber indem Gott die Menschen ihren eigenen Weg gehen lässt, erlaubt Er ihnen doch nur das, was seine Absichten zur Ausführung bringt. Das sehen wir in der Kreuzigung Christi. Die Juden sagten: „Nicht an dem Fest“ (Mt 26,5). Dennoch sollte unser Passah, Christus, für uns geschlachtet werden. Obwohl sie es nicht wollten, sollte Er an dem Tag, an dem das Fest gefeiert werden musste, sterben. Welch ein Trost bedeutet es für uns, dass Gott an uns denkt und alles für uns ordnet, obwohl wir im Denken an Ihn versagen! Es gibt keinen Tag, keinen Augenblick, ohne dass Gott an uns denkt; und Er steht über allen Verschwörungen Satans. Er wird für sein Volk sorgen. Brauchen die Seinen Nahrung? Er schickt ihnen das Manna! Leitung? Die Wolkensäule geht vor ihnen her! Erreichen sie den Jordan? Die Bundeslade ist in ihrer Mitte! Wohnen Feinde in dem Land? Josua ist da, um sie zu überwinden! Wenn sie es nötig haben, beschäftigt Er sich mit ihnen, wie auch früher mit Jakob, in seiner Zucht. Er demütigte ihn; aber am Ende gab Er ihm den Segen. Wenn wir so die Tätigkeit Gottes in Güte gegen uns auf allen seinen Wegen sehen – was für eine Vorstellung sollte uns dies von der Liebe Gottes geben! Welch ein Trost liegt in der Gewissheit, dass Er für uns ist, und zwar aus der Tiefe und auf dem Grundsatz seiner eigenen Liebe! Er führte seine Gnade und Gerechtigkeit in der Wegnahme der Sünde am Kreuz zusammen. Wir kennen niemals wirklich Gott, bevor wir erkannt haben, dass Er Liebe ist. Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass Er seinen Sohn sandte. Die Welt hatte Gott nicht darum gebeten, seinen Sohn zu senden, oder Christus, dass Er kommen möchte. Aber Gott liebte die Menschen und sandte Ihn. Ich sage es noch einmal: Was für ein Trost ist die Gewissheit, dass Gott für uns ist, wenn wir alle unsere Feinde – unsere Herzen, die Welt und Satan – sehen! Der Glaube geht durch alle Schwierigkeiten, indem Er darauf blickt, was Gott ist.

4. Mose 23

Wir haben gesehen, wie Gott Bileam ergriff und seine Bosheit herausstellte. Indem Er ihn in seiner Hand hielt, zwang Er ihn, sich mit Gott selbst in Hinsicht auf sein Volk auseinanderzusetzen. Es ist bemerkenswert, dass Israel in der ganzen Szene überhaupt nicht erscheint. Es ging hier um Gott und Bileam. Als Gott auf Israel blickte, erlaubte Er keinen Schaden für es, weil es sein Volk war. Unter dem Gesichtspunkt, dass Gott mit seinem Volk zog, nahm Er von all ihrer Widerspenstigkeit Kenntnis (vgl. 5Mo 9,24). Der zitierte Bibelabschnitt spricht davon, dass die Israeliten gerade zu jener Zeit in den Ebenen Moabs gegen Gott aufsässig waren. Gott richtet auch unsere, der Heiligen, Sünden in unserem Wandel hienieden; und unsere Sünden gegen Ihn, nachdem wir Heilige geworden sind, sollten uns noch mehr betrüben als die, welche wir als Sünder begangen haben. Wenn Gott unter seinem Volk dessen Wandel richtet, nimmt Er von allem Notiz; denn Er „hält keineswegs für schuldlos den Schuldigen“ (2Mo 34,7). Trotz der Reichtümer seiner Gnade erträgt oder erlaubt Er niemals Sünde, wie es die Menschen häufig behaupten. Er kann die Sünde in der Sühne verdecken; Er kann sie durch das Kreuz wegnehmen, um sie nicht mehr zuzurechnen. Er kann sie jedoch niemals ertragen und auf diese Weise irgendeine Forderung seiner Heiligkeit aufgeben.

Jetzt wurde die Frage jedoch zwischen Gott und seinem Feind ausgefochten; und diese Auseinandersetzung fand auf dem Berggipfel statt. Das Volk wusste nichts davon. Was konnte Bileam tun ohne den Willen Gottes gegen sein Volk? Nichts! Und als er erkannte, dass er mit Gott nichts gegen die Israeliten ausrichten konnte, verführte er sie später zur Sünde, so dass Gott sie züchtigen musste (4Mo 25; 31,16).

Aber jetzt, da Bileam es mit Gott in Hinsicht auf sein Volk zu tun hatte, wurde er die Gelegenheit, dass Gott eine neue Offenbarung seiner Gnade machen konnte. Gott konnte sein Volk nicht verfluchen oder Israel entgegentreten. Das musste Bileam Ihm nachsprechen. Gott hatte seine Gedanken über das Volk; und obwohl Er keinen Widerspruch zu seinem Charakter in seinem Volk erlauben konnte, wollte Er doch seine Absichten zur Ausführung bringen. „Und Gott kam dem Bileam entgegen; und dieser sprach zu ihm: Die sieben Altäre habe ich zugerichtet und auf jedem Altar einen Farren und einen Widder geopfert. Und der HERR legte ein Wort in den Mund Bileams und sprach: Kehre zu Balak zurück, und so sollst du reden. Und er kehrte zu ihm zurück; und siehe, er stand neben seinem Brandopfer, er und alle Fürsten von Moab. Da hob er seinen Spruch an und sprach: Aus Aram hat Balak mich hergeführt, der König von Moab von den Bergen des Ostens: Komm, verfluche mir Jakob; ja, komm, verwünsche Israel! Wie soll ich verfluchen, den Gott nicht verflucht, und wie verwünschen, den der HERR nicht verwünscht hat? Denn vom Gipfel der Felsen sehe ich es, und von den Höhen herab schaue ich es: siehe, ein Volk, das abgesondert wohnt und unter die Nationen nicht gerechnet wird. Wer könnte zählen den Staub Jakobs und, der Zahl nach, den vierten Teil Israels? Meine Seele sterbe den Tod der Rechtschaffenen, und mein Ende sei gleich dem ihrigen!“ (4Mo 23,4-10).

Es ist für uns von größter Wichtigkeit, zu erkennen, wie Gottes Urteil unsere Stellung in Christus von unserem Wandel als Heilige in der Welt unterscheidet. Wir beurteilen uns niemals so wie Gott. Der Heilige Geist, der uns zum Selbstgericht führt, nimmt alles Böse wahr, das Gottes Heiligkeit widerspricht. Wenn ich mich selbst richte, sollte ich fähig sein, in mir alles Böse zu erkennen. Dann sollte ich auch bereit sein zu sagen: „Das ist keine Liebe; das ist keine Heiligkeit!“ Ich soll mein Herz entsprechend dem richten, was ich bin. Das Urteil Gottes jedoch entspricht dem, wie Er mich in Christus sieht. Wenn ich nicht wüsste, dass das Urteil Gottes über mich diesen Charakter trägt, hätte ich niemals den Mut, mich selbst zu richten. Wie könnte ich auf das Böse in mir blicken, wenn ich annehmen müsste, dass Gott mir all dieses Böse zurechnet und mich dafür verdammen wird? Hierin besteht der ganze Unterschied zwischen Erfahrung und Glaube. Das Zeugnis des Heiligen Geistes in Hebräer 10,17 in Hinsicht auf das Urteil Gottes über uns – „Ihrer Sünden … werde ich nie mehr gedenken“ – müssen wir im Glauben festhalten.

Bileam besaß keinen Glauben an Gott. Darum ging er auf die Höhen, um zu erfahren, was Gott ihm sagen würde. „Vielleicht wird der HERR mir entgegenkommen“ (4Mo 23,3). Im nächsten Kapitel handelte er nicht mehr so. Hier sehen wir, wie er einen sehr religiösen Charakter annahm. Er betrachtete das Volk zusammen mit Gott von der Höhe herab und nicht mit Israel im Lager. Tatsächlich folgte das Volk weiterhin seiner Torheit bzw. seiner Frömmigkeit, denn unter ihm waren auch Männer wie Josua und Kaleb. Doch darum ging es hier nicht. Gott schöpfte sein ganzes Interesse an demselben aus den Quellen seines eigenen Herzens. Israel war „ein Volk, das abgesondert wohnt und nicht unter die Nationen gerechnet wird“ (4Mo 23,9).

Gott handelt genauso unumschränkt, indem Er das Volk für sich beiseitesetzt, wie indem Er es aus der Welt herausnimmt. So sind auch wir „um einen Preis erkauft worden“ (1Kor 6,20) und nicht mehr unser eigen. Wir sind aus der Verdammnis, der Sünde und dem Elend heraus- und in die Segnung hineingebracht worden. Wir sollen daher anders sein als die Menschen in der Welt. Als aus der Welt Erlöste gehören wir dem Grundsatz nach überhaupt nicht mehr uns selbst. Worin wir noch uns selbst gehören könnten, ist ein Bestandteil des ersten Adams. Gott hat uns jedoch aus dieser Welt herausgenommen, damit wir sein Eigentum sind. Er führte sein Volk Israel aus Ägypten heraus, um es zu seiner Wohnung zu machen (2Mo 15–18). Jetzt wohnt Gott auf der Erde in uns als seiner Wohnung. Bald werden wir im Himmel wohnen. Wir sind ein himmlisches Volk; und man erwartet von uns ein Leben, dass mit dem Wohnen Gottes in uns übereinstimmt.

Satan ist unermüdlich beschäftigt, uns unter einen Fluch zu bringen, und zwar gerade darum, weil wir erlöst sind. So handelte auch der Feind Gottes in der Geschichte seines Volkes. Er wollte, dass es verflucht würde. Wir haben ihm standhaft im Glauben zu widerstehen. Er bringt bei Gott seine Anklagen vor, und Gott antwortet für uns. Der Glaube macht sich die Antwort Gottes zu eigen, wie wir es in Sacharja 3 sahen. Es ist für unseren inneren Frieden und unsere praktische Heiligkeit von größter Wichtigkeit, diese Wahrheit zu verstehen. Was konnte der Hohepriester Josua zu den schmutzigen Kleidern, deren er angeklagt wurde, sagen? Was könnten wir zu unseren schmutzigen Kleidern sagen? Sicherlich nichts! Josua hatte nichts zu sagen, aber Gott antwortete für ihn. „Ist dieser nicht ein Brandscheit, das aus dem Feuer gerettet ist?“ (Sach 3,2); „… und du willst ihn wieder in das Feuer werfen?“ Dann sprach Er zu dem Engel: „Zieht ihm die schmutzigen Kleider aus!“ Danach erklärt Er Josua, was Er für ihn getan hat: „Siehe, ich habe deine Ungerechtigkeit von dir weggenommen.“ So zeigt Er dem armen Sünder die Vollkommenheit seines Werkes und die Liebe seines Herzens, die zu dessen Gunsten gewirkt hat. Gott sagt nicht: „Ich werde handeln“, sondern: „Ich habe getan.“

In 4. Mose 23,19 wird Bileam gezwungen, von dem Charakter Gottes Zeugnis abzulegen. „Nicht ein Mensch ist Gott, dass er lüge, noch ein Menschensohn, dass er bereue.“ Er ist nicht nur ein Gott der Wahrheit, sondern Er verändert diese auch nicht. Er sagt: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“ (Heb 10,17). Das spricht davon, dass Gott seine Zusagen nie bereuen wird. Die Wahrheit, die Er verkündet, ist eine ewige Wahrheit. Auch der Mund des Feindes muss sie jetzt aussprechen. „Ich kann es nicht wenden“ (4Mo 23,20). Er sagt nicht: „Ich will nicht“, sondern: „Ich kann … nicht.“

Für uns als einzelne Gläubige besteht jetzt in der Wüste die große Notwendigkeit, das Böse in uns praktisch zu erkennen und vollkommen zu richten. Dann werden wir niemals dafür gerichtet. Gott kann in uns keine Sünde zulassen. Sein Werk ihrer Hinwegnahme ist das Gegenteil von einer Duldung derselben. Er rechnet sie jedoch nicht zu.

Sicherlich, „da ist keine Zauberei gegen Jakob … Um diese Zeit wird von Jakob und von Israel gesagt werden, was Gott gewirkt hat“ (4Mo 23,23). Wenn eine Seele ausschließlich auf ihr Werk sieht, bleibt sie fern von Gott. Wenn sie jedoch sieht, was Gott getan hat, dann ist sie in Gemeinschaft mit Ihm glücklich. Ein Mensch weiß niemals so recht, wie er sich selbst verurteilen muss, bevor er in Gottes Gegenwart getreten ist. Solange er nicht weiß, was Gott sagt, ist alles ungewiss. Auf der einen Seite sehen wir Jesus, auf der anderen menschliche Hoffnungen – zur Rechten Licht, zur Linken Wolken. Nur wenn wir unsere Stellung in dem letzten Adam als auferweckt vor Gott kennen, haben wir Frieden, Freude und Zuversicht.

4. Mose 24

Die Anläufe des Feindes führten nicht dazu, dass Gott dieselben Segnungen einfach wiederholte. Sie bewogen Ihn vielmehr, alle Reichtümer seines Segens herauszustellen. Er führt seine Absichten nach seinem Willen und entsprechend seinen Gedanken aus. Wir haben zuerst gesehen, dass Gott Israel als sein Volk für sich beansprucht; und zweitens, dass es von Gott vollständig gerechtfertigt worden ist. „Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel“ (4Mo 23,21). Gott kam Bileam entgegen; und dieser musste erkennen, dass es keine Möglichkeit gab, gegen Gott aufzutreten. Anstatt also wie bisher auf Wahrsagerei auszugehen, wandte er sein Gesicht zur Wüste hin.

„Bileam erhob seine Augen und sah Israel, gelagert nach seinen Stämmen“ (4Mo 24,2). Wir erblicken hier nicht ein Bild von den Heiligen in der himmlischen Herrlichkeit; denn Israel wird hier nicht betrachtet, nachdem es in die abschließende Segnung des Landes gebracht worden war, sondern in der Wüste. Auf diese Weise erhalten wir durch Bileam Kenntnis von den Gedanken Gottes über sein Volk hienieden (4Mo 24,3-5). Sobald ich auf das blicke, was aus Gott geboren ist, finde ich eine neue Ordnung der Dinge. Wir sind nicht im Fleisch, sondern im Geist. Der Christ ist in Christus gerechtfertigt und außerdem durch den Heiligen Geist wiedergeboren. Bileam schaute mit den Augen Gottes auf das Volk. Der Geist Gottes erfüllte sein Herz; und er erkannte, was Gott über sein Volk dachte. Der Glaube ermöglicht uns, mit Gottes Augen zu sehen und nicht mit unseren eigenen. „Wie schön sind deine Zelte …“, „Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde … und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist“ (1Joh 3,9). Hier steht nicht: „Es (das neue Leben) kann nicht sündigen“, sondern: „Er kann nicht sündigen“ – der ganze Mensch ist aus Gott.

Bileam „sah Israel gelagert nach seinen Stämmen“. Das Volk war in der Wüste. Es geht hier nicht um die Rechtfertigung desselben, sondern um ihre Schönheit und Lieblichkeit in den Augen Gottes entsprechend dem Heiligen Geist. Es ist nicht allein der Gerechtigkeit nach von Gott angenommen worden, sondern es wandelt auch im Heiligen Geist. Von Abel wird gesagt: „Er (erlangte) Zeugnis, dass er gerecht war, indem Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben“ (Heb 11,4). Zuerst wurde er als Person von Gott angenommen, und danach waren seine Gaben wohlgefällig für Gott. Auch Henoch wurde nicht nur gerechtfertigt, sondern erfreute sich auch auf der Erde der Gunst Gottes. „Vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe“ (4Mo 24,5). Er wandelte sozusagen in der Freude an dem Lächeln des Vaters.

„Wie schön sind deine Zelte …“ (4Mo 24,5). Dieser Vers verdeutlicht die Darstellung der Kirche (Versammlung) Gottes auf der Erde durch den Heiligen Geist (Eph 2,22). Das steht weit über dem Zustand im Paradies. Dort gab es keine Wohnung oder Hütte Gottes. Bald wird seine Hütte bei den Menschen sein (Off 21,3). Doch der Stellung der Kirche nach sind wir sozusagen schon in das Paradies Gottes versetzt. Wir sind aufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist. Auch wenn die Kirche zerteilt und verstreut ist, hält Gott sie trotzdem in seiner Hand. „Der Wolf raubt sie und zerstreut die Schafe.“ Doch es wird auch gesagt: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben“ (Joh 10,12.28).

Wir sind die Behausung Gottes. Das ist etwas anderes als unsere Wiedergeburt. Die Tatsache der Wiedergeburt offenbart unseren Seelen keine Wahrheiten. Gott offenbart uns Dinge durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.

Die nach außen sichtbare Schönheit des geistlichen Lebens in einem einzelnen Gläubigen oder in der Kirche ist etwas anderes und beruht natürlich auf der Treue im Wandel. Aber die Aufrechterhaltung des geistlichen Lebens ist ausschließlich Gottes Sache und versagt nie.

„Gleich Tälern breiten sie sich aus“ (4Mo 24,6). Das ist die erfrischende Kraft des Evangeliums. „Wie schön sind deine Zelte …“ Sie stimmen mit dem Wohlgefallen, das Gott an seinem ganzen Volk hat, überein. Dabei beruht die Lieblichkeit des Anblicks auf der Bewässerung durch den Strom Gottes – „gleich Gärten am Strom“.

Es ist unmöglich, dass Christus dem Bedürfnis des Glaubens nicht begegnet – sei der allgemeine Unglaube, wie er will. Es ist sehr demütigend; aber der Glaube einer Einzelperson strahlt oft am hellsten, wenn der allgemeine Unglaube am finstersten ist. So war es bei dem Apostel Paulus. Trotz aller Schwierigkeiten ging er weiter, als „alle das Ihrige (suchten), nicht das, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21). Der Glaube blickt nicht nur auf die Segnung in Gott, sondern auch auf den Ort, wo Er die Segnung gegeben hat, nämlich unter seinem Volk. Das Volk ist mit Gott in der Höhe verbunden. Darum ist es gesegnet; darum kann Gott jedoch auch kein Böses in ihm dulden.

Der Glaube erkennt den Ort, wo der Segen ist, und nimmt Letzteren begierig auf. „Gleich Aloebäumen, die der HERR gepflanzt hat …“ Nachdem es so mit Segnungen erfüllt ist, wird sein Volk zur Quelle des Segens für andere. „Wasser wird fließen aus seinen Eimern“ (4Mo 24,7). Die Braut sagt zu ihrem Herrn: „Komm!“, und zu dem, der Durst hat: Nimm „das Wasser des Lebens umsonst!“ (Off 22,17).

Ich habe Christus noch nicht als mein gegenwärtiges Teil; doch ich habe das lebendige Wasser; und deshalb kann ich sagen: „Komm und trinke!“ Wir sind noch nicht in der Herrlichkeit und gehören auch nicht zur Welt. Aber wir besitzen den Heiligen Geist, und darum wird gesagt: „Wer an mich glaubt, … aus dessen Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen“ (Joh 7,38).

Indem wir Christus besitzen, sind wir des Baumes des Lebens teilhaftig geworden. Das Ergebnis ist grenzenlos. Es ist in keinster Weise eingeschränkt; obwohl wir in Wirklichkeit nur wenig Kraft besitzen, es zu benutzen. „Sein Same wird in großen Wassern sein.“ Damit wird die Ausdehnung der Segnung angezeigt.

Doch außerdem gibt es Kraft. „Sein König wird höher sein als Agag, und sein Königreich wird erhaben sein.“ Israel wird in Zion einen König haben. Wir stehen jedoch als Braut in viel engerer Beziehung zum Bräutigam. Auch wir werden bald in dem Königreich dargestellt werden. Beachten wir auch den Unterschied in der Ausdrucksweise! „Wie schön sind deine Zelte …“ Danach lesen wir: „Sein König wird …“ Das Volk hatte noch keinen König. Ihre sichtbare Segnung in Macht sollte erst noch kommen. Ihre Erhöhung sollte zukünftig im Land verwirklicht werden.

Wir erwarten nicht das Königreich als Gegenstand unserer Hoffnung. Tatsächlich befinden wir uns in einem gewissen Sinn schon darin. Es trägt für uns den Charakter als „Königtum und … Ausharren“ (Off 1,9); denn Christus ist noch verworfen und nicht da. Wir sind berufen, seine Verwerfung zu teilen und später seine Herrlichkeit. Wir werden mit Ihm herrschen. Er ist ein König; und auch wir sind Könige. Er ist ein Priester; und auch wir sind Priester. Wenn wir mit Ihm leiden, werden wir auch mit Ihm verherrlicht werden. Er ist unser Haupt; und Er muss in allem den Vorrang haben. Alle jene Gläubigen, die das Reich besitzen, sollen mit Kraft in Verbindung stehen. Gott gibt nicht nur Segnungen, sondern diese sind auch verbunden mit dem Volk Gottes.


Originaltitel: „The Faithfulness of God seen in His Ways with Balaam“, 
übersetzt aus Bible Treasury 3 (1860), S. 172–174, S. 187–189; 
Collected Writings, Bd. 19 (1971) S. 293–303 

J. Das

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