Besonderheiten im Text der Heiligen Schrift – Hören einer Stimme
phonä – akoúo

Christian Briem

© CSV, online seit: 07.03.2006, aktualisiert: 28.06.2023

Leitverse: Apostelgeschichte 9,4.7

Apg 9,4.7: Er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: Saul, Saul, was verfolgst du mich? … Die Männer aber, die mit ihm reisten, standen sprachlos da, weil sie wohl die Stimme hörten, aber niemand sahen.

Als Saulus von Tarsus auf dem Weg nach Damaskus war und ihn plötzlich ein Licht aus dem Himmel umstrahlte, hörte er eine Stimme, die die angeführten Worte zu ihm sprach. Auch die Männer, die mit ihm des Weges zogen, hörten die Stimme, aber es wird nicht gesagt, dass sie die Worte vernahmen. So ist es augenscheinlich, dass, wenn Saulus „eine Stimme hörte“, das etwas anderes bedeutet, als wenn die Männer, die ihn begleiteten, „die Stimme hörten“. Das wird noch klarer, wenn wir den entsprechenden Satz aus der späteren Schilderung des Paulus selbst hinzunehmen: „Die aber bei mir waren, sahen zwar das Licht [und wurden voll Furcht], aber die Stimme dessen, der mit mir redete, hörten sie nicht“ (Apg 22,9).

Hier scheint zunächst ein gewisser Widerspruch vorzuliegen, denn in Kapitel 9 wird gesagt, dass sie sehr wohl die Stimme hörten, und in Kapitel 22, dass sie die Stimme dessen, der mit Saulus redete, nicht hörten. Die Schwierigkeit löst sich aber auf, wenn wir bedenken, dass das griechische Wort phone nicht nur „Stimme, Rede“, sondern auch „Laut, Schall“ bedeutet. Diese letzte Bedeutung hat es zum Beispiel in Johannes 3,8, wo der Herr Jesus von dem Wind sagt, dass er weht, wo er will, „und du hörst sein Sausen“, das heißt den Laut, das Geräusch, das er verursacht. Nun kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass in den beiden Feststellungen bezüglich der „Stimme“, die die Männer hörten (Apg 9) bzw. nicht hörten (Apg 22), dieser Unterschied der Bedeutung vorliegt. Apostelgeschichte 9 bestätigt, dass sie den Schall dieser himmlischen Stimme hörten; Apostelgeschichte 22 aber macht klar, dass sie die Bedeutung der Stimme nicht verstanden. Einen sehr ähnlichen Vorgang haben wir in Johannes 12, wo eine Stimme aus dem Himmel kam und der Vater über den Sohn sprach, die Volksmenge aber, die dastand und zuhörte, sagte, es habe gedonnert (Joh 12,28.29).

Ein feiner Unterschied im griechischen Wortlaut der uns beschäftigenden Stellen untermauert noch das Gesagte. Das Wort „hören“ (akouo) kann den Genitiv oder Akkusativ nach sich ziehen; das heißt, das, was man hört, kann im Genitiv (2. Fall) oder im Akkusativ (4. Fall) stehen. Steht nach „hören“ der Genitiv, der etwas vom Ganzen Abgeteiltes angibt, dann wird mehr auf das hingewiesen, was man mit den Sinnen wahrnehmen kann: Man hört etwas von der Sache. Nun, dieser Fall liegt in Apostelgeschichte 9,7 vor: Die Männer standen sprachlos, da sie wohl die Stimme (im Genitiv) hörten, aber niemand sahen. Sie hörten etwas von der Stimme, nämlich den äußeren Schall; den Inhalt, die Bedeutung der Stimme aber, die durch Verwendung des Akkusativs wiedergegeben wird, blieb ihnen verborgen.

Dieser Akkusativ steht nun folgerichtig in Kapitel 22: Die Männer um Saulus hörten nicht die Stimme (im Akkusativ) dessen, der mit ihm redete; das heißt, sie verstanden nicht, was die Stimme redete. Schön ist auch der in Kapitel 9 vom Heiligen Geist sicher beabsichtigte Gegensatz zwischen dem, was Saulus hörte, und dem, was die Männer hörten. Während Letztere die Stimme hörten, ohne zu verstehen (was durch den Genitiv angedeutet wird; Apg 9,7), hörte Saulus die Stimme (im Akkusativ) des verherrlichten Herrn (Apg 9,4): Er verstand, was gesagt wurde.

Abschließend sei bemerkt, dass, wenn es im Neuen Testament um unser geistliches Erfassen der Stimme des Sohnes Gottes geht, im Allgemeinen der Genitiv steht. Denn wir erkennen „stückweise“, und wer könnte die Bedeutung seiner Worte ganz verstehen?

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Aus Ermunterung und Ermahnung
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