Das Johannesevangelium (3)
Kapitel 3

Hamilton Smith

© SoundWords, online seit: 20.04.2004, aktualisiert: 13.12.2020

Leitverse: Johannes 3

Die Souveränität Gottes (Joh 3,1-16)

Die überaus wichtigen Wahrheiten in Verbindung mit Gottes souveränem Werk in dem Menschen treten in der Geschichte von Nikodemus zutage, einem Menschen in seiner besten Form. Nikodemus war tiefreligiös, ausnehmend rechtschaffen und sehr klug. Er war ein Mann der Pharisäer, ein Anführer der Juden und ein Lehrer in Israel. Dennoch lernen wir, dass all diese menschlichen Vortrefflichkeiten dem Menschen nicht den Eintritt in das Königreich Gottes ermöglichen. Fleisch ist Fleisch. Auch wenn es sehr kultiviert und gebildet ist, wie es bei Nikodemus der Fall war, oder so tief gesunken war wie bei der Frau im vierten Kapitel: In beiden Fällen gibt es keine Wertschätzung des in Gnade offenbar gewordenen Gottes. Ohne die souveräne Gnade Gottes, die in uns wirkt, würde keiner zu Christus kommen.

Verse 1-3

Joh 3,1-3: Es war aber ein Mensch aus den Pharisäern, sein Name Nikodemus, ein Oberster der Juden. Dieser kam zu ihm bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen, denn niemand kann diese Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem {o. von oben her} geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Nikodemus war, wie diejenigen, die am Ende des letzten Kapitels erwähnt werden, aufgrund der äußerlich sichtbaren Wunder zu einer richtigen Schlussfolgerung in Bezug auf Christus gekommen. Er sagt zu dem Herrn: „Wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen, denn niemand kann diese Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ Dies war so weit eine richtige Schlussfolgerung, die der menschliche Verstand ziehen kann; wenn es aber über dieses Ergebnis des menschlichen Verstandes hinaus nichts gibt, bleibt die Seele von Gott entfernt und empfindet nicht, dass sie Christus braucht.

Im Gegensatz zu denen, die nur aufgrund dessen, was sie sahen, glaubten, war jedoch bei Nikodemus ein Verlangen vorhanden. Dieser Gegensatz wird durch den einleitenden Vers von Johannes 3 deutlich: „Es war aber ein Mensch … sein Name war Nikodemus.“ Andere diskutierten und blieben fern. Auch Nikodemus hatte Argumente vorzubringen, aber er ging zu Jesus und bewies damit, dass hinter seinen Argumenten und ihm selbst verborgen, Gott in seinem Herzen wirkte, weshalb er ein Verlangen verspürte und zu Jesus hingezogen wurde.

In dem Moment, da die Seele ein Verlangen verspürt, wird einem bewusst, dass die fleischliche Religion, die Führungsposition und das Ansehen als Lehrer nicht genug sind. Wenn der Geist dieses Verlangen verspüren lässt, tritt gleichzeitig das Bewusstsein auf, dass nur Christus dieses Verlangen stillen kann, und so wird die Seele zu Christus gezogen.

Dann kam Nikodemus bei Nacht. Sobald ein Verlangen nach Christus auftritt, kommt das Bewusstsein, dass die Welt – und insbesondere die religiöse Welt – dagegen sein wird. Deshalb geschieht das erste Hingezogenwerden zu Christus oft im Verborgenen.

Nikodemus nennt den Herrn „Rabbi“ (Meister). Er berichtet dem Herrn, was er weiß, und gibt ihm den Platz des Lehrers, während er den Platz des Schülers einnimmt. Ohne sich selbst wirklich zu kennen, glaubt er, recht lernfähig zu sein, wenn er nur jemanden hätte, der ihn lehrte. Bei der Antwort des Herrn: „Es sei den, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“, verschwindet bei Nikodemus sogleich die bewundernde Anerkennung für den Herrn als Rabbi, sein durch menschlichen Verstand erworbenes Wissen und sein natürliches Lernvermögen. Dies entspringt alles der alten Natur und ist wertlos, wenn es darum geht, in den Dingen Gottes belehrt zu werden. Der menschliche Verstand und natürliche Fähigkeiten machen es zwar möglich, eine Menge Dinge in der Natur zu sehen, solange ein Mensch jedoch nicht „von neuem geboren“ wurde, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Hier verbindet der Herr die Wiedergeburt mit dem Reich. Später wird Er von himmlischen Dingen, seinem Werk und dem ewigen Leben sprechen. Das Reich wurde zu dieser Zeit nicht in seiner materiellen und äußerlichen Form dargestellt, die die Natur erkennen könnte, sondern wurde in seinen moralischen Eigenschaften in Christus dargestellt. Der König war da, wurde aber abgelehnt. Die moralischen Eigenschaften des Reiches wurden in Ihm gesehen: „Gerechtigkeit, Friede und Freude“. Diese sind die Segnungen, die sein Königreich in der Zeit seiner Herrschaft tatsächlich charakterisieren werden und die jetzt diejenigen in der Kraft des Geistes kennen, die an Christus am Tage seiner Ablehnung geglaubt haben. Das Königtum in dieser moralischen Art in dem König zu sehen, war der Natur unmöglich. Aus diesem Grund muss es ein Wirken Gottes im Herzen geben, hier als die Neugeburt bezeichnet.

Vers 4

Joh 3,4: Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er etwa zum zweiten Male in den Leib seiner Mutter eingehen und geboren werden?

Nikodemus, der als natürlicher Mensch argumentiert, zeigt, dass die Gedanken des menschlichen Verstandes auf die menschliche Erfahrung beschränkt sind. Der Mensch kann geistliche und himmlische Dinge nicht begreifen, wenn er sich selbst überlassen ist.

Verse 5.6

Joh 3,5.6: Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand aus Wasser und Geist geboren werde, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen. Was aus dem Fleische geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.

Mit seiner Antwort führt uns der Herr über die Grenzen der menschlichen Erfahrung hinaus und sagt uns, was Gott tut. Dieses Werk Gottes, so lernen wir, ist nicht nur notwendig, um das Reich zu sehen, sondern auch, um hineinzugelangen. Um in irgendeiner Form an dem Reich teilzuhaben, ob in moralischer Form oder in seiner äußeren Herrlichkeit, muss eine Natur vorhanden sein, die zu dem Reich passt.

Der Herr spricht davon, aus Wasser und Geist geboren zu sein. Dann fügt Er hinzu: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geiste geboren ist, ist Geist.“ – „Was“ meint die Natur, die – aus dem Geist geboren – Geist ist. Sie hat teil an der Natur des Einen, durch den sie geboren wurde, und ist deshalb eine vollkommen neue Natur. Das Wasser ist ein Bild von dem Wort Gottes, wie es von dem Geist angewandt wird und die praktische Reinigung unserer Gedanken und Herzen von der alten Natur und deren Begierden bewirkt.

„Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch.“ Dies ist eine weitreichende Aussage. Sie zeigt, dass niemand aus dem Fleisch für das Reich Gottes geeignet ist. Israel nach dem Fleisch kann nicht das Reich Gottes ererben, aber jeder, der diese neue Natur hat – Jude oder aus den Nationen –, ist passend gemacht für das Reich Gottes. Der Herr führt uns außerhalb des jüdischen Volkes und öffnet das Reich allen, die von neuem geboren werden.

Verse 7.8

Joh 3,7.8: Verwundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsset von neuem {o. von oben her} geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt, und wohin er geht; also ist jeder, der aus dem Geiste geboren ist.

Hier erfahren wir von der Notwendigkeit der neuen Geburt. Darüber hinaus lernen wir jedoch auch, dass diese neue Geburt vollständig aus Gott ist. Es ist eine souveräne Handlung des Geistes Gottes, ähnlich dem Wind, der nicht nach Anweisung des Menschen weht. Wir können nicht sagen, woher er kommt oder wohin er geht: Genauso wenig kann das souveräne Handeln des Geistes auf die Juden oder bestimmte Personen beschränkt sein. Wir können das Handeln des Geistes nicht steuern, es ist nicht an uns zu sagen, wo oder in wem Er wirken kann.

Verse 9.10

Joh 3,9.10: Nikodemus antwortete und sprach zu ihm: Wie kann dies geschehen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer Israels und weißt dieses nicht?

Nikodemus ist immer noch verwundert über die Wahrheiten, die seinem natürlichen Verständnis so gänzlich entgegengesetzt sind. So fragt er: „Wie kann dies geschehen?“ Der Herr erwidert, dass er mit diesen Dingen doch vertraut sein sollte. Hatte nicht der Prophet Hesekiel von dem „Wasser“ und dem „Geist“, die in den Menschen wirken, gesprochen, auf dass diese von ihren Unreinigkeiten gereinigt würden und ein neues Herz haben würden (Hes 36,25-27)?

Vers 11

Joh 3,11: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmet ihr nicht an.

Im Gegensatz zu Nikodemus und den Führern Israels, die Lehrer waren und doch ihre eigenen Schriften nicht kannten, verkündete der Herr Wahrheiten, die Er vollkommen kannte, und bezeugte Dinge, die Er gesehen hatte. Er kannte nicht nur das Innere dieser Menschen (Joh 2,25), sondern wusste auch um alles, was in dem Herzen Gottes war. Er kennt das Ausmaß unserer Bedürfnisse und kennt die Größe der Gnade Gottes, diese zu stillen.

Dennoch muss der Herr hinzufügen: „Unser Zeugnis nehmet ihr nicht an.“ Wir können tatsächlich das Zeugnis von Menschen in Frage stellen, weil wir uns dessen bewusst sind, dass sich dieses nur auf beschränktes Wissen gründet. Wenn aber der Eine bezeugt, der über vollkommenes Wissen verfügt und dieses Zeugnis abgelehnt wird, dann ist das ein Beweis für die absolute Hoffnungslosigkeit des sich selbst überlassenen Menschen.

Somit haben wir eine komplette Darstellung und Beiseitesetzung des natürlichen Menschen von seiner besten Seite. Erstens: Er hat vielleicht bestimmte Schlussfolgerungen über Gott und die Schrift, die zwar richtig sind, ihn aber dennoch nicht näher zu Gott bringen. Zweitens: Wenn der, der über vollkommenes Wissen verfügt, von der Wahrheit Zeugnis gibt, wird dieses vom Menschen abgelehnt.

All das ist ein Beweis für die Notwendigkeit der großen Wahrheit, dass der Mensch „von neuem geboren werden muss“. Das Wort meint keine Veränderung oder Wechsel der alten Natur, sondern es handelt sich um eine Natur, die von Anfang an völlig neu ist. Das Wort „wieder“ wird in Lukas 1,3 mit „von Anfang an“ übersetzt und in Apostelgeschichte 26,5 mit „von der ersten Zeit“. Von neuem geboren zu werden, bedeutet nicht, dass der Heilige Geist am natürlichen Menschen wirkt, als ob Er einen schlechten Zustand in einen guten Zustand verwandelte, sondern dass es in dem Menschen eine völlig neue Schöpfung gibt.

Verse 12.13

Joh 3,12.13: Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubet nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage? Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel, als nur der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.

Im ersten Teil des Kapitels sprach der Herr von irdischen Dingen – dem Reich Gottes und der Notwendigkeit einer Neugeburt, um das Reich zu sehen und in dieses einzugehen. An dieser Stelle geht der Herr dazu über, von himmlischen Dingen, dem ewigen Leben und von der Notwendigkeit des Kreuzes zu sprechen. Wenn der Mensch schon nicht glaubte, als Christus von irdischen Dingen sprach, wie viel weniger könnte er an himmlische Dinge glauben. Wenn also eine Neugeburt nötig ist, um irdische Dinge zu sehen, wie viel mehr ist sie nötig, um himmlische Dinge zu verstehen. Der Täufer und die Propheten hatten von irdischen Dingen gesprochen, aber kein Mensch war jemals im Himmel gewesen, um von den Dingen dort zu berichten. Wenn es auch niemandem möglich war, in den Himmel hinaufzusteigen und von den himmlischen Dingen zu erzählen, gibt es doch Einen, der in Gnade vom Himmel herabkam – der Sohn des Menschen, der im Himmel ist. Dies ist von tiefer Bedeutung. Wir sehen, dass der Herr, obwohl wahrer Mensch, doch zu dem Himmel gehörte und in seinem Wesen himmlisch war. Wir verbinden den Gedanken an den Menschen mit der Erde, in dem Sohn des Menschen sehen wir jedoch einen Menschen, der mit dem Himmel verbunden war. Er ist der Gegenstand himmlischer Freude und Mittelpunkt des Lobes. Er kann vielleicht vorübergehend auf der Erde weilen, sein Zuhause ist jedoch im Himmel. Obwohl Er auf der Erde umherging, lebte Er alle Tage seines Aufenthaltes auf der Erde im Himmel. Der Ausdruck „himmlische Dinge“ erscheint nur noch in zwei anderen Abschnitten: in Hebräer 8,5 und Hebräer 9,23. Er bezieht sich auf das Christentum.

Vers 14

Joh 3,14: Und gleichwie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, also muss der Sohn des Menschen erhöht werden,

Es ist jedoch nicht der Gedanke Gottes, dass Christus der einzige Mensch in dieser schönen Szene sei. Wenn aber die Ratschläge Gottes, dass andere nach seiner Ordnung sein sollten, ausgeführt werden sollen, dann musste der Sohn des Menschen erhöht werden. Das bringt uns sofort zum Kreuz, das nicht nur unseren Sünden begegnet, so überaus wichtig das auch ist, sondern auch unserem Zustand.

Vers 15

Joh 3,15: … auf dass jeder, der an ihn glaubt, [nicht verloren gehe, sondern] ewiges Leben habe.

Nachdem der Sohn des Menschen erhöht wurde, kann die gute Nachricht verkündet werden, dass „jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“. Wir als gefallene Menschen befanden uns in einem sündigen Zustand, und es war unser Los, verlorenzugehen. Die Wirkung des Werkes Christi – seine Erhöhung – für alle, die glauben, ist ewiges Leben. Der Gläubige tritt in die neuen und himmlischen Beziehungen des Sohnes des Menschen ein.

In diesem Abschnitt wird uns das Evangelium von Gottes Seite aus vorgestellt. Es ist mehr die gute Nachricht von der Liebe und den Absichten des Herzens Gottes als die gute Nachricht, die unser Bedürfnis stillt. In dem Auftrag, den die Jünger erhalten (wie in Lukas 24 berichtet wird), werden sie unterwiesen, Buße und Vergebung der Sünden im Namen Christi unter allen Nationen zu predigen. Das ist die Botschaft für die ersten Bedürfnisses eines bußfertigen Sünders: die Vergebung der Sünden. In der Apostelgeschichte ist dies der Schwerpunkt aller Predigten, von denen wir lesen (siehe Apg 2,38; 3,9; 5,31; 10,42.43; 13,38; 17,30; 26,18). Die neue Geburt wurde offensichtlich nicht gepredigt noch war von ewigem Leben die Rede, obwohl, wo immer die Predigten empfangen wurden, die neue Geburt sicherlich mit einbezogen wurde und das ewige Leben als Ergebnis dessen (siehe Apg 13,47.48).

An dieser Stelle des Kapitels ist die Souveränität Gottes herausragend, und das Evangelium wird von Gottes Seite aus in all seiner Größe vorgestellt. Die erste Sorge des Menschen ist, dass er gesündigt hat, und Gott in seiner Gnade kommt dem entgegen, indem Er die Vergebung der Sünden durch den Tod und die Auferstehung Christi verkündet. Aber hinter den begangenen Sünden steht der Mensch, der die Sünde getan hat. In diesem Menschen ist absolut nichts Gutes. Die Heiligkeit Gottes verlangt deshalb, dass dieser Mensch im Gericht vollständig sein Ende findet.

Darüber hinaus wurde das Todesurteil, das auf diesem Menschen lag, nur auf dem Kreuz ausgeführt. Der Aspekt des Kreuzes, der uns hier vorgestellt wird, ist der, von dem schon die eherne Schlange spricht. Wenn die Kinder Israel auf die eherne Schlange sahen, erblickten sie darin die Ähnlichkeit mit dem, was in ihnen die Ursache für alles Übel war. Wir haben also das Vorrecht, zurück zum Kreuz zu schauen und Christus zu sehen, „indem er (Gott), seinen eigenen Sohn in Gleichheit des Fleisches der Sünde und für die Sünde sendend, die Sünde im Fleische verurteilte“ (Röm 8,3). Dort wurde Er zu dem gemacht, was wir waren, um das Gericht zu tragen, durch das wir hätten gehen müssen. Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch und befindet sich unter Gericht; und das Gericht über all das, was wir nach dem Fleisch nach sind, wurde für den Gläubigen am Kreuz getragen.

So wie dieser Aspekt des Kreuzes über das Tragen von Sünden hinausgeht, geht auch die Segnung für den Gläubigen weit über die Vergebung der Sünden hinaus. Es ist nicht nur so, dass dem verurteilten Leben ein Ende gemacht wurde, sondern dass ein neues Leben hineingebracht wurde – das ewige Leben – ein Leben, das darin besteht, Beziehungen zu göttlichen Personen zu genießen. Wie wir diese Beziehungen praktisch genießen, erfahren wir in Johannes 4: durch den Geist als das lebendige Wasser, das ins ewige Leben quillt. Darüber hinaus kann diese große Segnung nicht auf die Juden beschränkt sein, sie gilt auch für die Nationen. Deshalb heißt es: „Jeder, der an ihn glaubt“.

Verse 16.17

Joh 3,16.17: Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, auf dass er die Welt richte, sondern auf dass die Welt durch ihn errettet werde.

Hinter dem ganzen Handeln Gottes mit dem gerichteten Menschen steht die Liebe Gottes. Das ist für unsere Seelen von überaus großer Wichtigkeit. Abgesehen von dieser großartigen Wahrheit könnte der Vers 14 bei uns den Eindruck hinterlassen, dass Gott nur Richter ist – zwar ein vollkommener, aber immerhin ein Richter. Hier lernen wir, dass der Gott, der als Richter handelte, ein Gott der Liebe ist. Dasselbe Kreuz, das Gott als gerechten Richter offenbart, zeigt uns auch die Größe seiner Liebe. Er liebte so sehr, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe. Während dem Gerichtsurteil in vollkommener Gerechtigkeit gemäß den Versen 14 und 15 Genüge getan und dem Glaubenden ewiges Leben gegeben worden ist, hat die Segnung gleichzeitig ihren Ursprung in göttlicher Liebe nach Vers 16.

Wenn es darum geht, Gerechtigkeit zufriedenzustellen, wird Christus als der Sohn des Menschen dargestellt; geht es darum, die Liebe Gottes bekanntzumachen, wird Christus als der eingeborene Sohn dargestellt. Der, der den Platz des Menschen einnahm und dessen Gericht getragen hat, muss notwendigerweise ein Mensch sein: der Sohn des Menschen. Der, der zeigt, was in dem Herzen Gottes ist, muss eine lebendige Person sein: der eingeborene Sohn.

In diesen Versen wird alles auf die Quelle zurückgeführt, sei es Gott oder den Menschen betreffend, und alles blickt auf das Ende, sowohl auf der Seite Gottes als auch auf der Seite des Menschen. Bei Gott findet man, dass der Ursprung seines ganzen Handelns seine Liebe ist; beim Menschen liegt der Ursprung all seines Elends in dem, was er ist, und nicht in dem, was er getan hat. Das Ende nach Gottes Absicht ist ewiges Leben in einer himmlischen Sphäre für die Gläubigen. Auf den Ungläubigen wird der Zorn Gottes für immer bleiben.

Die Verantwortlichkeit des Menschen (Joh 3,18-21)

Vers 18

Joh 3,18: Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

Wenn der erste Teil des Kapitels die Souveränität Gottes darstellt, stellen die folgenden Verse die Verantwortlichkeit des Menschen vor uns. Gott hat in seiner Liebe seinen Sohn in die Welt gesandt, nicht um die Welt zu richten, sondern damit die Welt errettet werde. Wenn Vers 17 uns sagt, dass wir nur „durch ihn“ gerettet werden können, so sagen uns die folgenden Verse, dass die, die Ihn ablehnen, bereits verdammt sind. Der Mensch muss nicht bis zum Tag des Gerichts warten, bis er seine Verurteilung aufgrund seiner schlechten Taten erfährt. Wenn er Christus ablehnt, so ist er, unabhängig von seinem sonstigen Tun, bereits verdammt.

Der Abschnitt macht ganz klar, dass es für den Gläubigen in Christus kein Gericht geben kann. Wenn dies der Fall wäre, würde die Wirksamkeit des Werkes Christi, als Er auf das Kreuz erhöht wurde, geleugnet. In gleichem Maße wird aber auch deutlich, dass derjenige, der Christus ablehnt, bereits verdammt ist. Die Segnung oder das Gericht hängt von der Haltung des Menschen gegenüber Christus ab und nicht nur von dem Bösen, was er getan hat.

Verse 19-21

Joh 3,19-21: Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Lichte, auf dass seine Werke nicht bloßgestellt {o. gestraft} werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Lichte, auf dass seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind.

Die Verantwortlichkeit des Menschen gründet auf der Tatsache, dass das Licht in die Welt gekommen ist, das in Vollkommenheit in der Person des Sohnes strahlte und das Herz Gottes offenbar machte. Der Mensch aber hat für sich die Verantwortung, zu dem Licht zu kommen. Die Tatsache, dass es ihm selbst unmöglich ist, so zu handeln, befreit ihn nicht von der Verantwortung. Der Mensch zieht die Dunkelheit dem Licht vor. Die Frage ist, warum dies so ist. Nun, durch seine bösen Taten hat der Mensch es für sich unmöglich gemacht, von dem Licht zu profitieren. Ein Trinker kann sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken, so dass er seinen Pflichten nicht mehr nachkommen kann. Und doch ist er verantwortlich. Unfähigkeit befreit nicht von Verantwortung.

Die bösen Taten, die der Mensch tut, bringen ihn dazu, das Licht zu hassen, das seine Taten offenbar macht und das Gewissen beunruhigt. Ein beschwertes Gewissen macht das Licht unerträglich. Der, der die Wahrheit tut, wird das Licht nicht fürchten.

Das letzte Zeugnis Johannes des Täufers von der Herrlichkeit Christi (Joh 3,22-34)

In diesen letzten Versen stellt Johannes seinen eigenen Dienst dem des Christus gegenüber und gibt somit Zeugnis von der Herrlichkeit Christi und dem himmlischen Charakter seines Dienstes, vor dem er abnehmen muss, damit Christus zunehme.

Verse 22-27

Joh 3,22-27: Nach diesem kam Jesus und seine Jünger in das Land Judäa, und daselbst verweilte er mit ihnen und taufte. Aber auch Johannes taufte zu Aenon, nahe bei Salim, weil viel Wasser daselbst war; und sie kamen hin und wurden getauft. Denn Johannes war noch nicht ins Gefängnis geworfen. Es entstand nun eine Streitfrage unter den Jüngern Johannes’ mit einem Juden über die Reinigung. Und sie kamen zu Johannes und sprachen zu ihm: Rabbi, der jenseits des Jordan bei dir war, dem du Zeugnis gegeben hast, siehe, der tauft, und alle kommen zu ihm. Johannes antwortete und sprach: Ein Mensch kann nichts empfangen {o. nehmen}, es sei ihm denn aus dem Himmel gegeben.

Nachdem eine Frage in Bezug auf die Reinigung aufgetaucht war, nutzen die Juden die Gelegenheit, um Johannes’ Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass alle Menschen zu Christus kämen. Daraufhin gibt Johannes bereitwillig zu, dass die Menschenmengen, die einst zu ihm kamen, sich nun um Christus versammelten. Er erkennt, dass dieses Zu-Christus-Ziehen ein Werk vom Himmel ist, und ist erfreut, dass es so ist.

Verse 28-30

Joh 3,28-30: Ihr selbst gebet mir Zeugnis, dass ich sagte: Ich bin nicht der Christus, sondern dass ich vor ihm hergesandt bin. Der die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dasteht und ihn hört, ist hocherfreut über die Stimme des Bräutigams; diese meine Freude nun ist erfüllt. Er muss wachsen, ich aber abnehmen.

Dann beschreibt Johannes deutlich die Stellung, in der er zu Christus stand. Er ist der Vorläufer und, in Übereinstimmung mit dem Bild, das er gebraucht, der Freund des Bräutigams. Christus ist der wahre Bräutigam, der seine Braut empfangen wird. Johannes ist erfreut, weil er den Bräutigam gesehen und seine Stimme gehört hat. Johannes ist weder ein Teil der Braut noch sieht er die Braut. Als Freund hört er aber die Stimme des Bräutigams, und seine Freude ist vollkommen, seine Aufgabe getan. Darum fügt er hinzu: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“ Die Liebe freut sich daran, Christus erhoben zu sehen, auch wenn der, der sich in Christus erfreut, aus den Gedanken und der Sicht der Menschen verschwindet. Wenn doch jeder Gläubige die Gesinnung des Johannes hätte, der davor zurückschreckte, bei den Menschen bekannt und berühmt zu sein, damit Christus erhöht werde, der sich nichts aus sich macht, damit Christus alles in allem sein möge.

Verse 31-33

Joh 3,31-33: Der von oben kommt, ist über allen; {o. über allem} der von der {w. aus der, d.h. der daselbst seinen Ursprung hat} Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde. {d.h. wie einer, der von der Erde ist; o.: von der Erde aus} Der vom {w aus dem} Himmel kommt, ist über allen {o. über allem}, [und] was er gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er; und sein Zeugnis nimmt niemand an. Wer sein Zeugnis angenommen hat, {o. annimmt} hat besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist.

Schließlich gibt Johannes Zeugnis von der Herrlichkeit Christi, der von oben herab – vom Himmel – kommt und somit einen Platz einnehmen muss, der über allen steht, die von der Erde sind. Johannes, der irdischen Ursprungs war, hatte ein irdisches Wesen und sprach nur von irdischen Dingen: von dem Messias und seinem irdischen Reich. Der, der vom Himmel kam, spricht von himmlischen Dingen, die Er gesehen und gehört hat. Ein Prophet wie Johannes ist nicht nur auf irdische Dinge beschränkt, wenn es auch so wäre, handelte es sich um zukünftige Dinge, die noch nicht auf der Erde existieren. Christus dagegen spricht von tatsächlich im Himmel vorhandenen Dingen.

Johannes muss die ernste Tatsache hinzufügen: „Sein Zeugnis nimmt niemand an.“ Dieses Zeugnis von himmlischen Dingen – Dingen, die in der Gegenwart Gottes existieren – ist für Menschen uninteressant. Weder verstehen noch begehren sie die Dinge des Himmels. Kein sich selbst überlassener Mensch empfängt das Zeugnis des Christus. Dieses kann nur durch den Glauben empfangen werden. Der, der das Zeugnis empfängt, tut dies durch die Autorität Gottes und besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist.

Vers 34

Joh 3,34: Denn der, welchen Gott gesandt hat, redet die Worte Gottes; denn Gott gibt den Geist nicht nach Maß.

Der Glaubende hat eine gute Grundlage, dieses Zeugnis durch die Autorität Gottes zu empfangen: Eine von Gott gesandte Person bringt in der Macht einer göttlichen Person eine göttliche Botschaft. Christus wurde von Gott gesandt, um Gottes Wort in der Kraft des Geistes Gottes zu verkünden. Darüber hinaus wurde Christus der Geist nicht in einem bestimmten Maß gegeben. Es handelt sich nicht mehr, wie in den Tagen der Propheten, um eine Botschaft, die eine bestimmte Wahrheit enthielt, sondern es ist die Darstellung der vollen Wahrheit, da es der Sohn ist, der spricht .

Verse 35.36

Joh 3,35.36: Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, {o. sich nicht unterwirft, nicht gehorcht} wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.

Im Allgemeinen denkt man, dass die beiden letzten Verse das Zeugnis Johannes des Evangelisten in Bezug auf Christus ausdrücken. In diesen Versen geht es nämlich eher um das ewige Leben als gegenwärtiger und bekannter Besitz als um ein prophetisches Zeugnis davon, was Christus gibt, wie in dem Zeugnis Johannes des Täufers. Er sagt gleichsam, was der Täufer sagt: Gott gibt Christus den Geist nicht nach Maß, denn „der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben“. Die Fülle der Wahrheit, durch eine solch herrliche Person vorgestellt, führt, wenn sie empfangen wird, in die Fülle der Segnung: das ewige Leben. Wenn sie jedoch abgelehnt wird, wird schließlich der, der sie ablehnt, unter dem bleibenden Zorn Gottes sein.

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Übersetzung: J. Meister


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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