Die Pharisäer-Falle (1)
Matthäus 23 – Einleitung

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 05.09.2003, aktualisiert: 18.01.2024

Leitverse: Matthäus 23

Ich habe mich oft gefragt, was der Herr Jesus uns mit der Beschreibung der Pharisäer wirklich sagen wollte. Wollte Er uns ein Instrument in die Hand geben, mit dem wir gut auf andere zielen und auf andere zeigen könnten? Die Pharisäer sind doch für die meisten von uns sogenannte bibeltreue Christen eher der Abschaum schlechthin. Wenn wir schon zugeben müssen, „allzumal Sünder“ zu sein, dann wollen wir aber nicht in einem Atemzug mit den Pharisäern genannt werden. Schließlich haben die Pharisäer letztlich den Herrn gekreuzigt und wollten Ihn auch während seiner Lebzeit mehrfach töten. Sie haben den Herrn provoziert, herausgefordert, angeklagt und mit falschen Zeugnissen wider Ihn gestritten. Nein, ein Pharisäer bin ich nicht.

Wirklich nicht? Wenn ich ehrlich bin, habe ich im Geheimen manches Mal gedacht, ob ich nicht selbst auch manchmal ein ganz guter Pharisäer gewesen wäre – manchmal, wenn ich tief empfunden habe, dass mein eigener Mund nicht immer das wiedergab, was wirklich im Herzen war. Wenn letztlich eine Diskrepanz zwischen Herz und Mund besteht, dann muss ich doch ehrlich zugeben, dass mir manches vom Pharisäertum nicht ganz fremd ist.

Andererseits habe ich oft bei mir gedacht: Mensch, so schlecht sind die Pharisäer doch auch nicht. Es waren die Hüter des Gesetzes. Sie nannten sich die Abgesonderten. Keiner in Israel konnte alle 613 Gebote so gut aufsagen wie die Pharisäer. Sie verstanden etwas von der Lehre des Alten Testamentes, und sie schätzten ihre großen Rabbiner Hillel und Schammai. Sie konnten die Unterschiede zwischen den beiden pharisäischen Schulen sehr gut erklären. Wir würden heute sagen: Es waren sehr bibeltreue Leute, diese Pharisäer. Es war den Pharisäern wirklich ernst mit dem Gehorsam zur Schrift. Sie entwickelten zusätzliche Regeln und Gebote, wie es einem gottesfürchtigen Juden möglich sein würde, alle 613 Gebote des Gesetzes zu beachten. Sie meinten es wirklich ernst. Und von dem vielleicht größten aller Pharisäer aus der Bibel, Paulus, heißt es in Philipper 3,6: „was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, tadellos erfunden“. Und selbst der Herr Jesus gibt den Pharisäern ein verstecktes Lob, indem Er sagt: „Alles nun, was irgend sie euch sagen, tut und haltet“ (Mt 23,3). Erst nachdem ich neulich ein Buch las (von Tom Hovestol, Die Pharisäer-Falle, R.Brockhaus-Verlag), das sich mit den Pharisäern beschäftigt, fühlte ich mich ein wenig bestätigt, dass es offensichtlich auch andere gab, die sich des Eindrucks nicht erwehren konnten, dass die Pharisäer nicht die Untreuesten, sondern gerade die Bibeltreuen jener Tage waren.

Irgendwie sind mir die Pharisäer auch wiederum ein wenig sympathisch, wenn man sie mal durch diese Brille des Eifers für die Bibel betrachtet. Und ich glaube, weil der Herr Jesus gerade diese Pharisäer so sehr liebte, weil sie sich in der Regel aufrichtig bemühten, das Gesetz zu repräsentieren. Deshalb kümmert sich der Herr Jesus auch ganz besonders um diese Gruppe der Pharisäer, und deshalb kümmert Er sich auch heute noch ganz besonders um jene, die im Prinzip nichts anderes wollen, als von ganzem Herzen bibeltreu zu sein. Der reiche Jüngling aus Markus 10 war vielleicht auch ein treuer Pharisäer, und es heißt von ihm: „Und Jesus liebte ihn.“ Jedoch dürfen wir der schmerzhaften, aber heilsamen Korrektur durch den Herrn nicht aus der Schule laufen, indem wir schnell mit den Pharisäern fertig sind und sagen: Nein, wir sind das nicht, denn wir hätten den Herrn nicht angeklagt und letztlich gekreuzigt. – Vielleicht sagen wir das noch nicht mal, aber wie oft haben wir das so oder ähnlich gedacht. Wir können ungemein viel von den Pharisäern lernen, wenn wir erkennen, dass wir es sind und dass in jedem von uns ein Pharisäer steckt und wahrscheinlich in demjenigen am meisten, der es am wenigsten für möglich hält.

Machen wir doch einfach einmal die Probe und beschäftigen uns mit dem 23. Kapitel des Matthäusevangelium.

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