Der Brief an die Römer (7)
Kapitel 7

Hamilton Smith

© SoundWords, online seit: 03.12.2011, aktualisiert: 08.06.2020

Leitverse: Römer 7

4. BEFREIUNG VOM GESETZ 

Römer 6 zeigt uns den Weg der Befreiung von der Macht der Sünde; Römer 7 zeigt uns den Weg der Befreiung vom Joch des Gesetzes. Offensichtlich gibt es einen großen Unterschied zwischen „Sünde“ und „Gesetz“. Sünde kam durch den Menschen in die Welt; das Gesetz wurde von Gott gegeben. Das eine war vollkommen böse, das andere „heilig und gerecht und gut“ (Röm 7,12). Es ist einfach, zu verstehen, dass wir Befreiung nötig haben von dem, was böse ist; es ist nicht so leicht, zu lernen, dass wir als Gläubige es genauso brauchen, von dem Grundsatz des Gesetzes befreit zu werden.

Jedoch sollten uns die Betrachtung der Art des Gesetzes und dessen Auswirkungen von der Notwendigkeit der Befreiung seiner Herrschaft überzeugen: 

  1. Zuerst wollen wir uns erinnern, dass das Gesetz dem natürlichen Menschen gegeben wurde, um ihm den Maßstab des Verhaltens zu zeigen, den Gott von einem Menschen fordert, wenn er aufgrund seiner eigenen Taten gesegnet werden soll. 

  2. Das Gesetz offenbart auch die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes, indem es bewusstmacht, was Gott von einem Menschen erwartet. 

  3. Das Gesetz zeigt die vollkommene Schwäche und Unfähigkeit des Menschen, das Gesetz zu halten und so auf Gottes gerechte Forderungen zu antworten. 

  4. Es gibt dem Menschen, während es Anforderungen an den Menschen stellt und seine Schwäche offenbart, keine Hilfe oder Unterstützung bei der Erfüllung seiner Anforderungen. 

  5. Letztendlich verurteilt das Gesetz, heilig und unnachgiebig wie es ist, den Menschen, der es nicht in allen Punkten halten kann.

Kurz zusammengefasst stellt der Grundsatz des Gesetzes, bezogen auf den Menschen, Anforderungen an mich, die ich aus Kraftlosigkeit nicht halten kann; es gibt mir keine Kraft, um seine Anforderungen zu erfüllen; und wenn ich in der Befolgung seiner Anforderungen versage, verurteilt es mich völlig. Dadurch wird das Gesetz – obwohl es in sich selbst heilig ist und dazu bestimmt ist, Leben zu geben und zu segnen, wenn es gehalten wird – ein Mittel zur Offenbarung der Heiligkeit Gottes, meiner Schwachheit und infolgedessen meiner Verurteilung. So wird klar, dass der Gläubige Befreiung von der Sünde braucht; und noch mehr braucht er eine andere Hilfe, wenn er Frucht hervorbringen soll für Gott. Vers 4 macht es sehr deutlich, dass es Gottes Verlangen ist, dass sein Volk Ihm zu seiner Freude Frucht hervorbringen soll. Damit das so sein kann, müssen wir die Befreiung von der Sünde, dem Gesetz und dem Fleisch kennen.

Das bringt uns zu dem großen Thema von Kapitel 7: Wir lernen Gottes Weg der Befreiung von der Knechtschaft des Gesetzes kennen und dass eine neue Bindung gebildet wurde zwischen dem Gläubigen und dem auferstanden Christus, so dass wir Frucht hervorbringen können für Gott. Das Kapitel schließt mit der Erfahrung, die wir machen, wenn wir unser Bedürfnis kennenlernen, um Gottes Weg der Befreiung zu akzeptieren.

Das Kapitel könnte wie folgt aufgeteilt werden: 

  1. Zuerst wird in Römer 7,1-3 der Grundsatz erklärt und veranschaulicht: Das Gesetz bestimmt über einen Menschen, solange er lebt.

  2. Römer 7,4-6 erklärt den Grundsatz am Gläubigen und wendet ihn auf den Gläubigen an.

  3. Römer 7,7-13 zeigt den Nutzen und die Wirkung des Gesetzes, angewandt auf den Menschen im Fleisch.

  4. In Römer 7,14-25 betrachten wir die Erfahrungen eines Menschen, der anhand des Gesetzes die wahre Natur des Fleisches und seiner Notwendigkeit eines Erlösers kennenlernt.

1. Der Grundsatz: Die Herrschaft des Gesetzes endet mit dem Tod (Röm 7,1-3)

Der große Grundsatz, der der Lehre des sechsten und siebten Kapitels zugrunde liegt, ist, dass wir nicht in dem lebendig sein können, in dem wir gestorben sind. In Kapitel 6 wird der Grundsatz auf die Sünde angewendet: Wenn wir der Sünde gestorben sind, können wir nicht in der Sünde leben. In Kapitel 7 wird dieser Grundsatz auf das Gesetz angewandt: Wenn wir dem Gesetz gestorben sind, sind wir nicht mehr unter Gesetz.

Verse 1-3

Röm 7,1-3: 1 Oder wisst ihr nicht, Brüder (denn ich rede zu denen, die das Gesetz kennen), dass das Gesetz über den Menschen herrscht, solange er lebt? 2 Denn die verheiratete Frau ist durch Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. 3 Also wird sie denn, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei von dem Gesetz, so dass sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird.

Der Apostel schreibt denen, die das Gesetz „kennen“. Das würde Heiden genauso wie Juden einschließen. Der Jude war unter Gesetz; die Heiden jedoch, einschließlich Christenheit, waren grundsätzlich nicht unter Gesetz, die meisten „kannten“ aber sicherlich das Gesetz. Der Apostel erinnert an einen gut bekannten Grundsatz, „dass das Gesetz über einen Menschen herrscht, solange er lebt“. Dieser Grundsatz wird erklärt an dem Fall einer verheirateten Frau. Der unantastbare Ehebund wird gebraucht, um die Unantastbarkeit des Gesetzes zu verdeutlichen. Solange der Ehemann lebt, ist die Frau durch das Gesetz an den Ehemann gebunden. Wenn der Ehemann stirbt, ist sie frei von dem Gesetz ihres Ehemannes; er hat kein Eigentumsrecht mehr über sie. Der Tod hat den Bund gelöst. Es steht ihr frei, jemand anderen zu heiraten. Genauso wurde der große Grundsatz aufgestellt, dass, wenn Gott ein Gesetz einem Menschen gibt, ein göttlich geformtes Band gebildet wird zwischen dem Gesetz und demjenigen unter dem Gesetz, das durch nichts als den Tod gelöst werden kann.

2. Der Grundsatz, dass die Herrschaft des Gesetzes mit dem Tod endet, wird auf den Gläubigen angewendet (Röm 7,4-6)

Vers 4

Röm 7,4: Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten. 

Nachdem der Apostel den Grundsatz, dass der Tod die Herrschaft des Gesetzes beendet, erklärt und illustriert hat, wendet er den Grundsatz nun auf den Gläubigen an. In der Illustration stirbt der Ehemann, in der Anwendung stirbt die Frau. Aber das macht keinen Unterschied in dem dargestellten Grundsatz, der besagt, dass der Tod den Bund löst. In der Sprache der Illustration sterben wir, um jemand anderen zu heiraten. Das große Thema von Römer 6 und 7 ist, dass wir gestorben sind; aber wir sind in den Tod Christi gestorben. Dieser Tod wird erklärt mit dem Ausdruck „der Leib des Christus“ (Röm 7,4). Im Tod Christi wurden wir freigemacht von der Herrschaft des Gesetzes, um unter die Herrschaft des von den Toten auferstandenen Christus zu kommen. Anstatt dass unser Leben bestimmt wird von einem geschriebenen Gesetz, das gegen uns ist, sind wir unter die Kontrolle einer lebenden Person gekommen, die uns liebt.

In der Illustration gibt es zwei Dinge: Trennung vom ersten Ehemann durch den Tod und Vereinigung mit dem Ehemann im Leben. In der Anwendung wird der Gläubige als getrennt vom Gesetz gesehen durch den Tod Christi und vereinigt mit dem lebenden und auferstandenen Christus. Aber Trennung von dem Gesetz und Vereinigung mit dem auferstandenen Christus sind keine bloßen Vorrechte, die wir beanspruchen können, sondern aufgrund des Handelns Gottes ein tatsächlicher Zustand der Gläubigen. Gott selbst hat durch den Tod Christi den Bund des Gesetzes für den Gläubigen gelöst: „Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten“ (Röm 7,4). Wir sind dem Gesetz nicht durch bestimmte Erfahrungen gestorben, die wir durchgemacht haben, sondern durch den Leib Christi. Als der tote Leib Christi am Kreuz hing, war es offensichtlich, dass Er ausgetreten war aus dem Zustand des Lebens, in dem das Gesetz galt. Was in Gottes Sicht auf Christus zutrifft, trifft auf den Gläubigen zu, an dessen Stelle Christus starb. Es ist dadurch von größter Wichtigkeit, zu sehen, dass wir durch das Handeln Gottes selbst „nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (Röm 6,14) sind.

Vielleicht stelle ich mich auf zweierlei Weise praktisch unter Gesetz – erstens durch den Gedanken: Gott ist gegen mich wegen meiner Sünden; oder zweitens durch den Gedanken: Gott ist für mich aufgrund meines eingebildeten guten Betragens. In beiden Fällen mache ich Gottes Haltung mir gegenüber davon abhängig, was ich vor Gott bin, und das ist das Prinzip des Gesetzes. Gnade zeigt mir, dass Gott nicht gegen mich ist aufgrund meiner Sünde und nicht für mich aufgrund meines guten Betragens, sondern dass Gott für mich ist aufgrund dessen, was Er in sich selbst ist, und dass Er sich selbst mir gerechterweise zeigen kann aufgrund dessen, was Christus tat. Das ist dann die erste große Wahrheit, die wir lernen müssen: dass Gott durch den Tod Christi die Gläubigen freigemacht hat von dem Prinzip der Sünde und sie unter Gnade gebracht hat.

Jedoch ist es für praktische Befreiung von Gesetzmäßigkeit nicht genug, zu verstehen, dass der alte Bund durch den Tod Christi aufgelöst wurde, sondern wir müssen außerdem begreifen, dass mit Christi Auferstehung ein neuer Bund gebildet wurde. Denn es ist so, dass wir in der Kraft dieses neuen Bundes leben, der unseren Seelen Frieden gebracht hat, und wir sollen Frucht für Gott hervorbringen. Das Bild der Ehe stellt auf sehr schöne Weise den neuen Bund dar, den Gott für den Gläubigen mit dem auferstandenen Christus gebildet hat. Eine Ehefrau kann in der Ehebeziehung auf drei Dinge zählen: die Gemeinschaft, die Liebe und die Unterstützung ihres Ehemannes. Verbunden zu sein mit dem auferstandenen Christus, bedeutet Gemeinschaft mit Ihm, seine Liebe zu genießen und seine Unterstützung zu bekommen.

Wir sehen diese drei Dinge zu unserem Segen festgelegt, als der HERR mit seinen Jüngern hier auf der Erde war. Sie hatten die Gemeinschaft, die Liebe und Unterstützung Jesu. Sie waren Menschen mit derselben Leidenschaft wie wir – absolut schwach, oft fehlerhaft, unwissend und egoistisch. Sie hatten Stürme gegen sich, Entbehrungen zu begegnen und den Feind gegen sich; aber Christus war mit ihnen, Christus liebte sie bis ans Ende, und Christus unterstützte sie jeden Schritt des Weges.

Nun ist Er auferstanden, und es ist unser Vorrecht, noch immer seine Gemeinschaft zu haben, denn Er hat gesagt: „Ich werde dich nicht versäumen und dich nicht verlassen“ (Jos 1,5). Auch können wir seine Liebe genießen in einer tieferen Weise, als es die Jünger gekannt haben konnten, denn es ist eine Liebe, die geprüft und erfunden worden ist, dass sie stärker als Tod ist. Außerdem haben wir seine Unterstützung in einer Weise, die seine Jünger kaum erkannt haben; denn es ist die Unterstützung des Einen, der über jeden Feind triumphiert und die Macht des Todes und Grabes gebrochen hat. Wie könnten wir einsam sein in der Gemeinschaft desjenigen, der vollkommen lieblich ist; wie könnten wir unzufrieden sein, wenn unsere Herzen mit einer Liebe gefüllt werden, die der Tod nicht zerstören, die die Zeit nicht verändern und die die Ewigkeit nicht beenden kann? Wie könnten wir über unsere Schwachheit reden, wenn wir merken, dass wir alle dieselbe Macht des auferstandenen Christus haben, die uns unterstützt?

Folglich sollten wir in der Erkenntnis unserer Vereinigung mit dem auferstandenen Christus praktische Befreiung finden. Es ist das Verständnis dieser beiden Dinge – Trennung vom Gesetz und Vereinigung mit dem auferstandenen Christus –, die die Seele bekommt, wenn sie herausschreit: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren HERRN.“ Dadurch findet sie Befreiung vom Gesetz und bewirkt Frucht für Gott.

Verse 5.6

Röm 7,5.6: 5 Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen. 6 Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, in dem wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens. 

Außerdem ist es wichtig, zu verstehen, dass wir nicht gleichzeitig unter der Macht des Gesetzes und unter der Macht Christi stehen können. Der Kontrast, unter Gesetz und unter Christus zu sein, wird in den Versen 5 und 6 anschaulich beschrieben. In Vers 5 beschreibt der Apostel die Auswirkung auf den, der unter Gesetz ist, als wir im Fleisch waren. Er kann sagen „als wir im Fleisch waren“, weil er vom christlichen Standpunkt aus spricht. Als Christen sind wir nicht mehr im Fleisch, das der alte Adam-Zustand mit all seinen Verantwortungen ist. Indem er auf den alten Zustand zurückschaut, beschreibt er die Wirkung auf den, der unter Gesetz ist. Das Gesetz erregt die sündhafte Lüste, indem es sie verbietet. Dann, wenn die Leidenschaften erregt sind, leben unsere Glieder sie aus mit dem Ergebnis, dass Tod oder Spaltung zwischen unsere Seelen und Gott kommt.

Aber jetzt (im Kontrast zur Vergangenheit, als wir im Fleisch waren) hat sich alles verändert; diese Veränderung wurde durch das Sterben mit Christus bewirkt. Nicht das Gesetz ist gestorben, sondern wir sind gestorben. Das Ergebnis ist, dass wir Gott nicht mehr in dem Sinn einer gesetzlichen Verpflichtung dienen – dass wir dies oder jenes tun müssen, damit Gott zu uns wohlwollend sein kann. Das wäre das „Alte des Buchstabens“ (Röm 7,6), das sagt: „Tu das und du sollst leben.“ Aber freigemacht vom Grundsatz des Gesetzes dienen wir im Geist und haben Freude daran, den Willen Gottes zu tun. Das ist „Neuheit des Geistes“ (Röm 7,6)

Die Auswirkung des Gesetzes auf den Menschen im Fleisch (Röm 7,7-13)

Verse 7-11

Röm 7,7-11: 7 Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz. Denn auch von der Begierde hätte ich nichts gewusst, wenn nicht das Gesetz gesagt hätte: „Du sollst nicht begehren.“ 8 Die Sünde aber, durch das Gebot Anlass nehmend, bewirkte jede Begierde in mir; denn ohne Gesetz ist die Sünde tot. 9 Ich aber lebte einst ohne Gesetz; als aber das Gebot kam, lebte die Sünde auf; 10 ich aber starb. Und das Gebot, das zum Leben gegeben war, dieses erwies sich mir zum Tod. 11 Denn die Sünde, durch das Gebot Anlass nehmend, betrog mich und tötete mich durch dasselbe. 

Nachdem der Apostel den Grundsatz, dass der Tod vom Band des Gesetzes befreit, erklärt und angewandt hat, zeigt er nun die Auswirkung des Gesetzes, indem er die Wirkung auf den Menschen im Fleisch beschreibt. Der Apostel legt Nachdruck auf die Wahrheit, dass der Gläubige befreit ist vom Gesetz. Bedeutet die Notwendigkeit der Befreiung dann, dass das Gesetz böse ist? Er fragt: „Ist das Gesetz Sünde?“ Die unmittelbare Antwort ist: „Das sei ferne!“ Der Apostel fährt dann fort, die Anwendung des Gesetzes aufzuzeigen und seine Vorzüglichkeit zu erklären.

Der hauptsächliche Nutzen des Gesetzes ist es, zu beweisen, dass wir in uns ein böses Prinzip haben, genannt „Sünde“. Der Apostel sagt: „Aber die Sünde hätte ich nicht erkannt als nur durch Gesetz.“ Er sagt nicht „Sünden“, sondern „Sünde“. Er wäre sich der Sünde bewusst gewesen, wenn er nie das Gesetz gekannt hätte. Wir brauchen kein Gesetz, um zu wissen, dass es falsch ist, zu stehlen und zu töten. Natürliches Bewusstsein überführt einen Menschen seines falschen Verhaltens. Aber Bewusstsein würde niemals einem Menschen seinen inneren Zustand der Sünde zeigen. Das Gesetz sagt: „Lass dich nicht gelüsten.“ Dieses eine Gebot betrifft den inneren Menschen und nicht, wie die anderen neun Gebote, das äußere Verhalten. Das äußere Verhalten könnte tadellos sein, und infolgedessen hätte das Gewissen kein Gefühl für Gericht oder Tod. Aber wenn wir die Sünde in uns kennen, ist die unmittelbare Folge des Gesetzes, wenn es sagt: „Lass dich nicht gelüsten“, dass die Lust bewirkt wird, und sofort weiß das Gewissen, dass das Gesetz gebrochen wurde und begreift, dass der Tod das Resultat ist. „Die Sünde lebte auf, ich aber starb.“ Das Gesetz, das zum Leben bestimmt war, wenn es gehalten wurde, bringt bei Nichteinhaltung Tod in das Bewusstsein.

Verse 12.13

Röm 7,12.13: 12 Also ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut. 13 Gereichte nun das Gute mir zum Tod? Das sei ferne! Sondern die Sünde, damit sie als Sünde erschiene, indem sie mir durch das Gute den Tod bewirkte, damit die Sünde überaus sündig würde durch das Gebot. 

Ist das Gesetz, weil es die Lust bewirkt und Tod ins Bewusstsein bringt, falsch? Es ist weit davon entfernt, falsch zu sein, das Gesetz ist heilig, und das einzelne Gebot „Lass dich nicht gelüsten“ ist heilig und gerecht und gut.

Ist deswegen das, was gut ist, der Grund des Todes? Überhaupt nicht. Sünde ist der Grund des Todes, nicht Gesetz. Was das Gesetz tut, ist, die Gegenwart und den Charakter der Sünde offenbar zu machen. Tatsächlich ist die Sünde so schlecht, dass sie Gelegenheit sucht, durch das Gute den Tod ins Bewusstsein zu bringen. Dadurch ist der Zweck des Gesetzes für den lüsternen Menschen, nicht nur die Existenz der Sünde zu entdecken, sondern auch die übermäßige Sündigkeit der Sünde.

Die Erfahrung, durch die der wahre Charakter des Fleisches entdeckt wird, und die daraus folgende Notwendigkeit eines Befreiers (Röm 7,14-25)

Die abschließenden Verse des Kapitels zeigen die Erfahrungen eines Menschen unter Gesetz, der dennoch wiedergeboren ist und deshalb erneuerte Wünsche in seinem Sinn hat. Die Erfahrungen werden so dargelegt, wie sie bei jemandem auftreten, der frei ist von der Herrschaft des Gesetzes. Deswegen beginnt der Apostel mit den Worten „Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist“. Dieses „wir“ repräsentiert diejenigen in der vollen christlichen Position. Es ist das, was die wissen, die frei sind. Dann fährt der Apostel mit den Erfahrungen von jemand unter Gesetz fort und streicht sofort das „wir“ und benutzt „ich“, weil die vorgestellten Erfahrungen nicht echten christlichen Erfahrungen entsprechen. Dennoch sind es Erfahrungen, die die meisten Christen in verschiedenen Ausmaßen durchlaufen.

Es ist höchst notwendig, dass wir den wahren Charakter unserer alten Natur kennenlernen – das Fleisch – und den Punkt erreichen, an dem wir mit Hiob nicht bloß sagen müssen: „Ich bin schlecht“, sondern auch: „Ich verabscheue mich selbst.“ Wir können dieses Wissen über uns selbst auf drei Wegen erreichen:

Zuerst können wir lernen, was wir in der Gegenwart des Herrn sind, so wie Petrus, als er „zu den Knien Jesu niederfiel“ und bekannte: „Ich bin ein sündiger Mensch, Herr“ (Lk 5,8). Zweitens können wir das Böse unserer Herzen kennenlernen, indem wir vom Teufel zu einer öffentlichen Sünde verleitet werden so wie Petrus, als er den Herrn verleugnete. Zuletzt können wir den Charakter des Fleisches kennenlernen, indem wir nach dem streben, was richtig ist nach unseren eigenen gesetzlichen Anstrengungen. Dies ist der dritte Weg, wie wir uns selbst kennenlernen können; er wird uns im siebten Kapitel des Römerbriefes vorgestellt. Hier wird uns der Fall vorgestellt, dass ein Mensch mit erneuerten Begierden, der danach strebt, das Richtige zu tun, sich selbst unter das Gesetz stellt. In all diesen Erfahrungen wird Christus oder der Heilige Geist nicht erwähnt. Der Mensch denkt nur an die Anforderungen des Gesetzes, an sich selbst und seine eigenen Anstrengungen.

Wir können sicher sein, dass wir Erlösung nicht durch das Einhalten der Zehn Gebote erlangen; dennoch können wir zur selben Zeit bemüht sein, das Fleisch zu überwältigen, und denken, dass wir richtig daran tun, wenn wir nach dem Grundsatz des Gesetzes handeln. Das bedeutet, dass ich bemüht sein kann, das Fleisch durch eigene Anstrengungen zu bändigen, um bestimmte Regeln und Grundsätze aufrechtzuerhalten, anstatt auf Christus zu schauen, der mich trägt und stützt.

Der Grundsatz des Gesetzes ist, dass ich den erhofften Segen sicherstelle, indem ich meine Verantwortung wahrnehme. Ich kann erklären, dass ich nicht unter Gesetz bin, und zu mir selbst sagen: Ich darf diese böse Lust nicht zulassen; ich muss den Sieg erringen über den alten Menschen und die innewohnende Sünde. Indem ich das sage, stelle ich mich selbst unter Gesetz; das heißt, alle solche Gedanken über den Sieg über die Sünde und Befreiung von seiner Macht hängen davon ab, dass ich meine Verantwortung wahrnehme oder, in anderen Worten, sie hängen von meinen eigenen Anstrengungen ab. Wenn Sieg über Sünde von irgendetwas abhängt, was ich tue, dann habe ich etwas, womit ich prahlen kann. Langsam aber sicher müssen wir die Wahrheit über das Böse des Fleisches akzeptieren, unsere Unfähigkeit, das Böse zu besiegen, und dass diese Wahrheiten durch oft bittere Erfahrungen gelernt werden müssen. Wir können es jahrelang durchmachen, durch unsere Anstrengungen die Sünde zu besiegen und freizukommen von seiner Macht; aber solange wie diese Anstrengungen andauern, wird unser Leben von konstanter Niederlage und Enttäuschung geprägt sein.

Solche Erfahrungen werden, auch wenn sie noch so nützlich und notwendig sind, niemals Befreiung von der Sünde bewirken. Die Erfahrung wird nur zeigen, dass wir uns selbst nicht von der Macht der Sünde befreien können. Das ist nötig, zu lernen, bevor wir wirklich frei sein können; deshalb muss Erfahrung, auch wenn sie Befreiung nicht herbeiführen kann, in gewissem Maß der Befreiung vorangehen. Durch diese Erfahrungen, wie schmerzvoll sie auch sein mögen, lernen wir einige notwendige Lektionen, wie der Apostel zeigt.

Vers 14

Röm 7,14: Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verkauft; 

In dem angenommenen Fall lernt dieser Mensch zuerst, dass er in Knechtschaft unter der Macht der Sünde ist. Er begreift, dass das Gesetz, durch das er versucht, sein Verhalten zu regeln, geistlich ist, aber er erkennt, dass er „fleischlich, unter die Sünde verkauft“ ist.

Vers 15

Röm 7,15: ... denn was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht das, was ich will, tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus. 

Er lernt das durch Erfahrung, „denn“, sagt er, „was ich vollbringe, erkenne ich nicht; denn nicht, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus“. Es ist klar: Wenn ich nicht das tun kann, was ich will, und wenn ich getrieben bin, das zu tun, was ich hasse, bin ich kein freier Mensch; ich bin ein Gefangener.

Vers 16

Röm 7,16: Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei, dass es recht ist. 

Wenn er das tut, was er nicht will, zeigt das klar, dass er dem Gesetz zustimmt, dass es gut ist, und dass er nicht gewillt war, das Böse zu tun, sondern durch feindliche Macht getrieben war.

Vers 17

Röm 7,17: Nun aber vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. 

Diese Macht entdeckt er als das böse Prinzip der Sünde. Also kommt er zu dem Ergebnis: „Nun aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde.“ Dadurch führt ihn der Versuch, das Böse seines eigenen Herzens durch gesetzliche Anstrengungen zu kontrollieren und zu besiegen, zu der Entdeckung, dass die Seele ein Gefangener unter der Macht der Sünde ist.

Vers 18

Röm 7,18: Denn ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; 

Zweitens wurde im Kampf, das Gute zu tun und die Sünde durch gesetzliche Anstrengungen zu besiegen, eine andere wichtige Wahrheit gelernt. Ich entdecke das unverbesserliche Böse des Fleisches, so wie es der Apostel sagt: „Denn ich weiß, dass in mir, das ist meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt.“ Er sagt nicht: „Ich tue nichts Gutes“, sondern: „… dass in mir, … nichts Gutes wohnt.“ Es geht hier um die Frage, was ich bin, nicht darum, was ich tue. Tatsächlich kann das Fleisch einige Dinge tun, die moralisch richtig sind. Zweifellos war in dem angenommenen Fall das Leben tadellos. Das Versagen war Lust, und das ist im Innern.

„Im Fleisch“ ist ein Ausdruck, der in der Schrift benutzt wird, um unseren gefallenen Zustand zu verdeutlichen: regiert von der alten Natur, verbunden mit Adam. Der unschuldige Adam war im Fleisch, aber ohne Sünde. Auch der Herr war im Fleisch, aber ohne Sünde. Durch den Fall des Fleisches oder der Natur des Menschen kamen wir unter die Herrschaft der Sünde, und so wurde das Fleisch sündig (Röm 8,3).

Im Kampf, das Gute zu tun, entdecken wir, dass sich das Fleisch durch die Mühe all unserer Anstrengungen nicht ändert. Lust kommt in unseren Herzen immer wieder und wieder hervor und zeigt auf, dass die alte Natur da ist und dass sie unverbesserlich ist. Wir entdecken, dass dort nicht nur viel Böses ist, sondern auch, dass im Fleisch nicht Gutes ist. Wir kommen zu diesem Punkt, wenn wir uns selbst verabscheuen.

Verse 18.19

Röm 7,18.19: 18 ... denn das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, [finde ich] nicht. 19 Denn nicht das Gute, das ich will, übe ich aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. 

Drittens lernt man in diesem Kampf eine andere ernste Wahrheit – die Tatsache, dass wir keine Kraft haben. Das ist vielleicht die härteste und am meisten demütigende Wahrheit, die wir lernen müssen. Jemand hat gesagt, es ist „eine große, sehr demütigende Lektion, zu lernen, dass ich in der Tat bestimmte Sünden in der vergangenen Zeit meines Lebens begangen habe. Das ruft eine Frage hervor: nicht was ich war, bevor ich Jesus kannte, sondern was ich jetzt bin und tue.“

Die Lektion, dass wir keine Kraft in uns selbst haben, lernen wir durch unsere zwecklosen Bemühungen, das Fleisch zu besiegen. Wenn wir begreifen, dass diese Lust, dieser Hochmut, diese Eitelkeit falsch sind und überwunden werden müssen, fangen wir an, durch Gebet, Studium des Wortes Gottes und andere religiöse Übungen diese bösen Dinge besiegen zu wollen. Als Ergebnis merken wir, dass wir uns selbst ermüden mit vergeblichen Bemühungen, bis wir gezwungen sind, zu sagen: „Das Wollen ist bei mir vorhanden, aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, dieses tue ich.“ Dadurch lernen wir: Wenn der Sieg von unseren eigenen Bemühungen abhängt, sind wir völlig besiegt, denn wir haben keine Kraft. Da ist nicht nur nichts Gutes im Fleisch, sondern wir haben dagegen auch keine Kraft. Wenn wir uns selbst und unseren Bemühungen überlassen bleiben, sind wir bloß elende Menschen, denn unser Fall ist hoffnungslos.

Verse 20-23

Röm 7,20-23: 20 Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. 21 Also finde ich das Gesetz für mich, der ich das Rechte ausüben will, dass das Böse bei mir vorhanden ist. 22 Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; 23 ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet und mich in Gefangenschaft bringt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. 

Viertens lernen wir in dem Kampf, die Lüste des Fleisches zu überwinden, einen Unterschied zu machen zwischen uns selbst und dem bösen Prinzip in uns: „Wenn ich aber dieses, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde.“ In uns gibt es einen neuen Menschen, der „der innere Mensch“ genannt wird, und dieser neue Mensch erfreut sich daran, Gutes zu tun. Aber es gibt auch ein böses Prinzip, das Macht hat über Glieder des Körpers und Krieg führt gegen das Verlangen fürs Gute, das den inneren Menschen regiert. Letztendlich lassen uns alle Kämpfe gegen das Fleisch durch unsere eigenen Anstrengungen Gefangene des Prinzips der Sünde bleiben, das in unseren Gliedern arbeitet.

Vers 24

Röm 7,24: Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes? 

Jetzt, wo wir entdeckt haben, dass wir an einen von Sünde beherrschten Körper gebunden sind und dass uns das zum Tod führt, sind wir dahin geleitet, von uns selbst wegzuschauen und nach einem Befreier zu rufen: „Wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?“

Die Seele hält nicht nur einfach nach Befreiung Ausschau, sondern nach einem Erlöser. Wir können zu diesem Punkt kommen, wenn wir die Notwendigkeit unserer Befreiung von der Sünde einsehen, aber wir erreichen die Befreiung nicht, wenn wir nach Befreiung suchen anstatt nach einem Befreier. Die Frage ist nicht: „Wie kann ich befreit werden?“, sondern: „Wer kann mich befreien?“

Vers 25

Röm 7,25: Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! Also nun diene ich selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.

Sofort folgt die Antwort: „Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ Das Geheimnis der Befreiung wird gefunden, indem man lebt „durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Befreiung wird nicht gefunden durch Vertrauen auf unsere Gebete, unsere Kenntnis der Schrift oder unsere Hingabe, sondern indem wir auf den Sohn Gottes schauen. In der Gegenwart unseres Fleisches, der Welt und des Teufels – Feinde, die viel mächtiger sind als wir selbst – schauen wir auf Einen, der viel mächtiger ist als alle unsere Feinde. Das Fleisch ist zu stark für uns, aber der Sohn kann uns freimachen (Joh 8,36); die Welt ist zu stark für uns, aber der Sohn hat die Welt besiegt (Joh 16,33); Satan ist zu stark für uns, aber der Sohn Gottes war gekommen, um die Werke des Teufels zu vernichten (1Joh 3,8). Wenn wir auf Ihn schauen, schauen wir auf den Einen, der mit uns ist, uns liebt und uns tragen kann. Wir kommen Stück für Stück zu der Wahrheit, die zu Beginn des Kapitels gelehrt wird: dass wir „eines anderen werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten“.

So also wird Befreiung erlangt: nämlich durch den Befreier. Trotzdem ist es nicht die Befreiung von der Gegenwart der Sünde, aber von der Macht der Sünde. Im Himmel werden wir völlig befreit werden von der Gegenwart der Sünde. Aber während wir auf der Erde sind, ist das Fleisch noch immer in uns, obgleich es von seiner Macht befreit ist. Der letzte Satz von Vers 25 zeigt uns das klar: „Also nun diene ich selbst mit dem Sinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.“ Das ist eine Aussage über die Natur und die Gesinnung der neuen und der alten Natur. Befreiung von der Sünde ändert nicht die Gesinnung des erneuerten Verstandes in Bezug auf das Gesetz. Ob befreit oder unbefreit – die Neigung des erneuerten Sinnes ist es, dem Gesetz Gottes zu gehorchen, und die Neigung des Fleisches ist es, Gott zu widerstehen und der Sünde zu gehorchen.

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Aus dem Buch The Epistle to the Romans. An Expositry Outline, 1935

Übersetzung: Hartmut Storek


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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