Wiederheirat nach Scheidung – ja oder nein?
Matthäus 5 und 19

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Leitverse: Matthäus 5,31.32; 19,9

Einleitung

Das Thema Wiederheirat nach Scheidung hat schon viele Gemüter erhitzt, und es ist auch schon viel darüber geschrieben worden. Wenn wir den vielen Ausführungen noch eine weitere hinzufügen, dann deshalb, weil wir glauben, dass folgende Gedanken nur sehr selten Gehör gefunden haben. Wir glauben, dass diese Ansicht jedenfalls überdacht werden sollte, ohne zu behaupten, dass sie nun die einzige Auslegungsvariante wäre.

Bei der Beurteilung der oben aufgeworfenen Frage handelt sich im Wesentlichen um folgende Bibelstellen:

Mt 5,31.32: Es ist aber gesagt: Wer irgend seine Frau entlässt, gebe ihr einen Scheidebrief. Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlässt, außer aufgrund von Hurerei, bewirkt, dass sie Ehebruch begeht; und wer irgend eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.

Mt 19,9: Ich sage euch aber: Wer irgend seine Frau entlässt, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; [und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.

Geschichtlicher Hintergrund

Wichtig für unsere Auslegung scheint der Gedanke zu sein, dass die Juden ihre Frauen schon wegen eines angebrannten Essens entlassen konnten und die entlassenen Frauen unbedingt wieder heiraten mussten, wenn sie in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht überleben wollten.

Keine Ausnahmeklausel in Matthäus 5

Nach unserer Auffassung kann man in den oben angegebenen Stellen nicht von einer sog. Ausnahmeklausel sprechen, wie viele Kommentare es tun. In Matthäus 5 heißt es ja, dass ein Mann, wenn er seine Frau entlässt, macht, dass sie Ehebruch begeht. Was heißt das? Für uns heute nicht leicht verständlich, aber für die damaligen Menschen sehr wohl verständlich.

Eine Frau war, wie oben erwähnt, sozial und wirtschaftlich von ihrem Mann abhängig, es gab keine Sozialhilfe oder dergleichen. Die Frau musste also wieder heiraten, um überleben zu können. So würde der Mann also machen, dass die Frau Ehebruch beging, wenn sie wieder heiratete, auch wenn er selbst keine neue Ehe einging. (Der Mann konnte, wie gesagt, seine Frau wegen irgendeiner Kleinigkeit entlassen!) Der Mann wäre also schuldig, wenn seine entlassene Frau Ehebruch beginge.

Nun sagt der Herr aber: „außer aufgrund von Hurerei“ (Mt 5), oder: „nicht wegen Hurerei“ (Mt 19). Der Herr will (wahrscheinlich!) Folgendes sagen: Wenn der Mann schon mit einer anderen Frau Hurerei getrieben hat oder wenn die Frau mit einem Mann Hurerei getrieben hat, wurde die Ehe natürlich schon gebrochen, bevor der Mann seine Frau entlässt; der Bruch kam nicht erst dadurch zustande, dass der Mann (wegen einer Kleinigkeit) seine Frau entlässt. Deshalb sagt der Herr: „außer aufgrund von Hurerei“. Sollte also keiner der beiden Hurerei getrieben haben (wenn der Mann seine Frau entlässt), so würde der Mann jedoch machen, dass seine Frau Ehebruch begeht, weil sie unter den sozialen Umständen in der Regel gar nicht anders konnte, als wieder zu heiraten. Anders kann man sich nicht erklären, warum der Mann als schuldig hingestellt wird, wenn die Frau nach einer Entlassung wieder heiratet. Nur mit dem geschichtlichen Hintergrund und der damaligen Sitte klärt sich der Sachverhalt ein wenig auf.

Keine Ausnahmeklausel in Matthäus 19

Matthäus 19 ist etwas schwieriger, und dennoch glauben wir, dass der gleiche Grundsatz auch hier vorliegt. Der Mann, der eine andere heiratet, begeht Ehebruch. Sollte er seine Frau entlassen, weil sie oder er selbst bereits Ehebruch beging, so ist die Ehe ja bereits gebrochen worden, deshalb der Zusatz des Herrn: „nicht wegen Hurerei“. Aus diesen Gründen glauben wir, dass wir hier nicht von einer sogenannten Ausnahmeklausel sprechen können, sondern die Zwischensätze sollten nur klären, wem der Bruch der Ehe zugerechnet werden sollte.

In Matthäus 19,9 heißt es: „Ich sage euch aber, dass, wer irgend seine Frau entlassen wird, nicht wegen Hurerei, [und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht = Satzteil 1]; [und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch = Satzteil 2].“

Grundsätzlich glauben wir, dass hier der Zwischensatz „nicht wegen Hurerei“ nicht als Freibrief aufgefasst werden kann, so dass man am Ende doch eine Entlassene oder einen Entlassenen heiraten kann. Der Zwischensatz bezieht sich unseres Erachtens nicht auf den zweiten Teil des Verses, nämlich: „wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch“, sondern auf den ersten Teil, nämlich: „wer irgend seine Frau entlassen wird, nicht wegen Hurerei, und eine andere heiraten wird, Ehebruch begeht“. So können wir hier keine Ausnahme (eine/n Entlassene/n zu heiraten) erkennen, da sich die sogenannte Ausnahmeklausel auf den ersten Satzteil bezieht und nicht auf den zweiten.

Seelsorgerliches Verhalten

Mit dieser Lehrmeinung ist natürlich noch nichts darüber gesagt, wie man in einem speziellen seelsorgerlichen Fall entscheiden muss. Was ist zum Beispiel, wenn ein Paar (von dem ein Teil geschieden ist) heiraten möchte und sie sich beide wirklich vor dem Herrn gefragt haben, was diese Stellen aussagen, und zu einer anderen Lehrauffassung gekommen sind? Kann man von ihnen verlangen, dass sie nicht heiraten? Wo fängt die Gnade an und wo der Kompromiss auf Kosten der Wahrheit?

Unbeteiligte können Rat geben und mitbeten, und eine Gesinnung wie die des Elisa wäre sicher gut, der zu Naaman in einer schwierigen Situation sagte: „Gehe hin in Frieden“ (2Kön 5,19).

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