Das Johannesevangelium (21)
Kapitel 21

Hamilton Smith

© SoundWords, online seit: 26.10.2010, aktualisiert: 11.12.2020

Leitverse: Johannes 21

Aus Johannes 21,14 lernen wir, dass die Anfangsszene über das dritte Erscheinen des Herrn vor seinen Jüngern nach der Auferstehung aus den Toten berichtet.

Das Evangelium beginnt damit, dass es drei Szenen beschreibt, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Zusammenhang mit der Erscheinung des Herrn vor seinen Jüngern stattfanden (Joh 1,35.43; 2,1). Und auch am Ende des Evangeliums betont der Geist, in Auferstehung, drei Erscheinungen. Sowohl am Anfang als auch am Ende des Evangeliums scheinen diese drei Erscheinungen bildlich die Versammlung Gottes in der heutigen Zeit, einen gottesfürchtigen Überrest unter den Juden am Tag des Kommens Christi sowie die zukünftige tausendjährige Segnung Israels darzustellen. Es gibt allerdings einen Unterschied: Am Anfang des Evangeliums dienen diese Bilder eher hauptsächlich dazu, die Herrlichkeiten des Christus zu enthüllen. Sie werden eingeführt durch Christus und das, was Er sagte und tat. Daher lesen wir am Anfang des ersten Vorfalls: „Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen“ (Joh 1,38). Der zweite Tag beginnt mit der Aussage: „Am folgenden Tag wollte er aufbrechen“ (Joh 1,43); währenddessen beginnt der dritte Tag, an dem auch die Hochzeit zu Kana stattfand, damit, dass uns gesagt wird: „Es war aber auch Jesus … geladen“ (Joh 2,2). Gehen wir zum Ende des Evangeliums, so sehen wir, dass die erste Szene angeführt wird, als die Jünger zusammenkommen (Joh 20,19); in der zweiten Szene „waren seine Jünger wieder drinnen“ (Joh 20,26); in der letzten Szene schließlich fischen die Jünger. Daher würden wir sagen, dass die ersten drei Szenen Christus und seine Herrlichkeit in Verbindung mit seinen Jüngern rühmen, während die letzten drei Szenen uns hauptsächlich die Jünger und deren Segnungen in Verbindung mit Christus aufzeigen.

Wir haben bereits gesehen, dass das erste Erscheinen des Herrn bildlich die Segnungen darstellt, die die Versammlung als mit dem Herrn in der Mitte versammelt genossen hat (Joh 20,19-25). Das zweite Erscheinen, acht Tage später, zeigt bildlich den gottesfürchtigen jüdischen Überrest, der in den letzten Tagen Christus anerkennen als seinen Herrn und Gott wird. Das dritte Erscheinen, ebenfalls in diesem Kapitel, zeigt uns ein Bild des tausendjährigen Segens Israels, wenn Christus wiederkommen wird.

Es beginnt mit einer nächtlichen Szene und den vergeblichen Bemühungen des Menschen. Sieben Menschen waren zusammen – die Vortrefflichen der Erde –, doch alle ihre Bemühungen waren vergeblich. Die ganze Nacht mühten sie sich ab, zu fischen, doch sie fingen nichts. Sicherlich sagt uns das Bild, dass während der langen Nacht der Abwesenheit Christi alle Bemühungen des Menschen, mit den Bösen der Welt umzugehen und für Israel und die Nationen Segnungen einzubringen, vergeblich sind. Gleichgültig, wie außerordentlich sich Menschen in solcher Arbeit engagieren oder wie rein ihre Motive sind, all ihre Bemühungen sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie mögen ihr selbst gebautes Schiff betreten – eine menschliche Vorrichtung, um den Menschen an einen anderen Ort zu bringen –, sie mögen die Nacht hindurch hart arbeiten, um diese Welt von ihren Sorgen zu befreien, doch es gibt erst Rettung für diese Welt, wenn Jesus kommt.

Zuletzt allerdings dämmert der Tag, der Morgen bricht an und Jesus kommt – die Sonne der Gerechtigkeit geht auf mit Heilung unter ihren Flügeln. Schon vor langer Zeit sagten die Könige und Propheten voraus, dass, wenn Christus kommt, um zu regieren, die lange Nacht der Sorgen dieser Welt beendet sein wird und Christus wie das Licht am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, sein wird, wie ein Morgen ohne Wolken (2Sam 23,4).

Auf Anweisung des Herrn werfen die Jünger das Netz in den See und fangen so viel Fische, dass sie nicht fähig sind, das Netz ins Schiff zu ziehen. So wird es sein, wenn der Herr kommt. Er wird den gottesfürchtigen Überrest der Juden dazu gebrauchen, Israel aus dem Meer der Nationen zu ziehen, sie zurück in ihr Land zu bringen und jedem ihrer Bedürfnisse nachzukommen.

Verse 1.2

Joh 21,1.2: 1 Danach offenbarte Jesus sich wieder den Jüngern am See von Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Simon Petrus und Thomas, genannt Zwilling, und Nathanael, der von Kana in Galiläa war, und die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen.

Diese Verse sind sicherlich die dispensationale Lehre dieser schönen Szene. Doch die ganze Begebenheit und das Handeln des Herrn mit Petrus sind reich an moralischer und geistlicher Unterweisung für den Gläubigen. Betrachtet man diesen Abschnitt in diesem Licht, bemerken wir, dass die Geschichte mit sieben Jüngern am See von Tiberias beginnt. Wir wissen, dass die Jünger zu diesem Zeitpunkt von ihrem Beruf als Fischer abberufen worden waren, um dem Herrn zu folgen und Menschenfischer zu werden. Dreieinhalb Jahre hatten sie den Herrn auf seinem demütigen Weg begleitet, als Er die frohe Nachricht predigte, Kranke heilte und Dämonen austrieb. In all diesen Jahren begegnete Er ihren Bedürfnissen; ihnen fehlte nichts. Dann kam die Zeit für den Herrn, zum Vater zurückzukehren, und offenbar dachten seine Jünger, dass seine unmittelbare Fürsorge mit seinem Weggang endete und dass die Zeit gekommen war, in der sie ihre irdische Berufung am alten Platz wieder aufnehmen müssten, um ihre täglichen Bedürfnisse zu stillen.

Vers 3

Joh 21,3: Simon Petrus spricht zu ihnen: Ich gehe hin fischen. Sie sprechen zu ihm: Auch wir gehen mit dir. Sie gingen hinaus und stiegen in das Schiff; und in jener Nacht fingen sie nichts.

Petrus mit seinem aktiven Gemüt übernimmt die Führung. Er sagt: „Ich gehe hin fischen.“ Die anderen sagen, offenbar nach kurzem Nachdenken: „Auch wir gehen mit dir.“ Demzufolge gingen sie fort und „in jener Nacht fingen sie nichts“. Warum hatten sie keinen Erfolg? War es nicht so, dass sie auf ihre eigene Verantwortung fortgingen? Ist das nicht auch der Grund, warum wir oft so viel Mühe haben und so wenig Ergebnis? Wir mühen uns die ganze Nacht ab; wir erreichen nichts. Wir handeln möglicherweise aufrichtig, doch nach unserem eigenen Willen und nicht unter der Führung des Herrn.

Verse 4.5

Joh 21,4.5: 4 Als aber schon der frühe Morgen anbrach, stand Jesus am Ufer; doch wussten die Jünger nicht, dass es Jesus war. 5 Jesus spricht nun zu ihnen: Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.

Am Morgen hat sich alles verändert. Als das Licht anbricht, sehen sie Jesus am Ufer stehen. Die Jünger sind zurückgegangen in das alte Leben, doch der Herr tadelt sie mit keinem Wort, sondern wendet sich mit einem zärtlichen Kosenamen an sie. Er nennt sie „Kinder“. Dennoch deckt Er auf, wie sinnlos es ist, sich ohne seine Führung abzumühen, indem Er fragt: „Habt ihr wohl etwas zu essen?“ Haben sie durch ihre Arbeit in der Dunkelheit irgendetwas erworben? Sie sind gezwungen, zuzugeben, dass sie nichts haben.

Vers 6

Joh 21,6: Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netzt auf der rechten Seite des Schiffes aus, und ihr werdet finden. Da warfen sie es aus und vermochten es vor der Menge der Fische nicht mehr zu ziehen.

Nun gibt Er ihnen Anweisungen. Sie tun das, was sie wohl die ganze Nacht über getan haben – doch jetzt werfen sie ihr Netz auf seinen Befehl hin aus. Was für einen Unterschied macht das! Nun fangen sie so viele Fische, dass sie gar nicht fähig sind, ihre Netze einzuholen. Jemand hat gesagt: „Lasst uns niemals vergessen, dass Erfolg völlig abhängig ist davon, dass wir uns im Strom des Waltens Gottes befinden. Nur insoweit wir persönlich mit Gott wandeln und völlig abhängig von Christus und von Ihm geführt sind, wird Segen unsere Arbeit begleiten. Der Erfolg hängt nicht von der Menge an Arbeit ab, sondern davon, ob wir nah genug beim Herrn sind, um von Ihm geleitet zu werden, das Netz auf der richtigen Seite des Schiffes auszuwerfen.“

Verse 7.8

Joh 21,7.8: 7 Da sagt jener Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr. Simon Petrus nun, als er hörte, dass es der Herr sei, gürtete das Oberkleid um – denn er war nicht bekleidet – und warf sich in den See. 8 Die anderen Jünger aber kamen mit dem Boot – denn sie waren nicht weit vom Land, sondern etwa zweihundert Ellen – und zogen das Netz mit den Fischen nach.

Dann sehen wir den charakteristischen Unterschied zwischen den Aposteln Johannes und Petrus: Johannes, der mit dem Herzen Jesu tiefer vertraut ist, der Mann, der sich selbst beschreiben konnte als „den Jünger, den Jesus liebte“, erkennt, dass es der Herr ist; Petrus mit seiner typischen Energie wirft sich in den See, um zum Herrn zu gelangen. Den einen Jünger kennzeichnet geistliche Erkenntnis, den anderen Schnelligkeit im Handeln. Beides ist richtig und beides wird zu ihrer Zeit gebraucht.

Verse 9-14

Joh 21,9-14: 9 Als sie nun ans Land ausstiegen, sehen sie ein Kohlenfeuer angelegt und Fisch darauf liegen und Brot. 10 Jesus spricht zu ihnen: Bringt von den Fischen her, die ihr jetzt gefangen habt. 11 Da ging Simon Petrus hinauf und zog das Netz voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig, auf das Land; und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. 12 Jesus spricht zu ihnen: Kommt her, frühstückt! Keiner aber von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? ? da sie wussten, dass es der Herr war. 13 Jesus kommt und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch. 14 Dies ist schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern offenbarte, nachdem er aus den Toten auferweckt war.

Die bewegende Szene, die folgt, ist so wunderschön wie lehrreich. Schon die Jünger haben entdeckt, dass ihre eigenen Bemühungen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, fruchtlos sind; nun, nachdem sie an Land gekommen sind, stellen sie fest, dass sie nutzlos sind. Dann sehen sie, dass dort ein Feuer brennt, um sie zu wärmen, und Fisch und Brot, um sie zu nähren. Obendrein steht nicht nur Essen bereit, sondern sie werden auch eingeladen, am Essen teilzunehmen. Sie erfahren kein Wort des Tadels, dass sie zurückgegangen waren, sondern ein Wort der Liebe, das sagt: „Kommt her, frühstückt.“

Und sie erfahren sogar noch mehr: Der auferstandene Herr der Herrlichkeit wartet auf seine müden, niedergeschlagenen Jünger. Wie Er in den Tagen seines Fleisches unter ihnen war wie einer, der dient, so dient Er nun in den Tagen seiner Auferstehungsherrlichkeit immer noch seinen armen erfolglosen, versagenden Jüngern. Daher lesen wir: „Jesus kommt und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch.“ Nichts, was die Seinen betrifft, ist unterhalb seiner liebevollen Fürsorge und Rücksichtnahme.

Wunderbarer Heiland! Er wusch unsere Füße in der Zeit seines Fleisches. Er wusch unsere Sünden hinweg in seinem kostbaren Blut an dem Tag der Tage am Kreuz. Er sorgt für unsere Bedürfnisse jetzt in der Zeit seiner Abwesenheit, und wenn der Tag der Herrlichkeit anbricht, lässt Er uns niedersitzen, und Er wird hinzutreten, um uns zu dienen (Lk 12,37).

Verse 15-22

Joh 21,15-22: 15 Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Wieder spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Hüte meine Schafe! 17 Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und spricht zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe! 18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst. 19 Dies aber sagte er, andeutend, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach! 20 Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert? 21 Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem? 22 Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach! 23 Es ging nun dieses Wort unter die Brüder aus: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu ihm, dass er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?

Falls es damals in dieser schönen Begebenheit kein Wort des Vorwurfs gab, können wir daraus schließen, dass dem Herrn unser Umherirren gleichgültig ist? Das Feuer der Kohlen, die Fische und das Brot sind ein rührendes Zeugnis, dass Er nicht unseren kleinsten Bedürfnissen gegenüber nicht gleichgültig ist: Die nun folgende Szene wird für immer zeigen, dass Er nicht gleichgültig ist gegenüber unserem Versagen und unserer Abkehr.

Wir sehen darin, dass der Herr Feuer und Fisch bereitstellt, seine liebevolle Fürsorge für unseren Körper; in seinem Handeln mit seinem geliebten Diener Petrus lernen wir sogar seine tiefe Liebe zu unserer Seelen kennen. Drei Dinge sind wichtig für uns: erstens die Art und Weise, wie der Herr unser Herz sucht, um die Ursache unserer Abkehr zu finden; zweitens die rührende Art und Weise, wie Er unser Herz wiederherstellt, damit wir Gemeinschaft mit Ihm haben, und drittens die wundervolle Gnade nach unserer Wiederherstellung, die uns trotz unserer Abkehr und all unseres Versagens in seinem gesegneten Dienst erneut gebrauchen kann.

Weiterhin erkennen wir die Gnade und Vollkommenheit des Herrn an dem Zeitpunkt, den Er für seine Wiederherstellungsarbeit wählt. Es war, „als sie nun gefrühstückt hatten“. Indem Er ihre Bedürfnisse befriedigt, sie zum Kommen und Essen einlädt und in seiner demütigen Gnade auf sie wartet, hat Er sie in seiner Gegenwart in Ruhe versetzt, das Vertrauen ihrer Herzen gewonnen und gezeigt, dass keine Verbitterung in seinem Herzen war. Erst jetzt begann Er, das Herz des Petrus zu erproben, um ihm und auch uns allen die versteckte Wurzel all unserer Fehler zu zeigen.

Am Kreuz hatten alle Jünger den Herrn vergessen und waren geflohen. In dieser Auferstehungsszene waren einige in das alte Leben zurückgekehrt. Doch wie immer ging Petrus weiter als die anderen. Am Kreuz hatte er den Herrn dreimal verleugnet: am Tag der Auferstehung übernimmt er die Führung, dass sie wieder zu ihren Schiffen und Netzen zurückkehrten. Darum wendet der Herr sich auf besondere Art und Weise an Petrus, doch auch zum Nutzen für uns alle. Denn beachten wir, dass der Herr sich nicht mit der speziellen Sünde der Verleugnung beschäftigt, sondern mit dem ungerichteten Bösen des Fleisches, das uns alle wie Petrus fallen lässt oder sogar noch schlimmer.

Lasst uns auch nicht vergessen, dass wir nicht öffentlich versagen müssen, um ein Abtrünniger zu sein. Wir können Rückfällige sein, ohne dass wir den Herrn mit Schwüren und Flüchen verleugnen, denn die Heilige Schrift spricht von denen, die „abtrünnig im Herzen“ sind (Spr 14,14). Zu unserer Ermutigung wollen wir aber nicht vergessen, dass jeder Abtrünnige – ob wir nun öffentlich oder im Herzen abtrünnig waren – wiederhergestellt wird, wenngleich es möglicherweise erst auf dem Sterbebett geschieht. Jede Wiederherstellung geschieht mit dem Herrn. Das umherirrende Schaf würde niemals zurückkehren, würde der Herr in seiner Gnade nicht dem Schaf nachgehen. David sagt: „Er erquickt meine Seele.“ Naomi sagt: „[Der HERR] hat mich zurückkehren lassen.“ Gesegnet sei sein Name, zuletzt wird Er uns alle heimbringen.

Hier sehen wir den letzten Schritt der Wiederherstellung dieses treu ergebenen Dieners. Es ist allerdings sehr lehrreich, diesen Schritten bis zur endgültigen Wiederherstellung nachzuspüren:

  1. Der erste Schritt war das Gebet des Herrn für Petrus. Bevor Petrus fiel, sagte der Herr im Bezug auf seine Verleugnung: „Simon, Simon! Siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sichten wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebetet“ (Lk 22,31.32). Wir tun gut daran, zu beachten, wofür der Herr betete. Er betete nicht dafür, dass Petrus nicht in Versuchung kommen möge, dass der Teufel ihn nicht sichten möge, nicht einmal dafür, dass er nicht fallen möge. Das Sichten, die Versuchung, der Fall waren nötig, um Licht in das natürliche Selbstvertrauen von Petrus zu bringen. Doch der Herr betet, dass, wenn Petrus versagt, sein Glaube dennoch nicht versagt. Das Ergebnis der Sünde ist, dass das Vertrauen in Gott zerstört wird; doch wenn das Vertrauen in Gottes Gnade verlorengegangen ist, wie soll die Seele dann jemals wieder zurück zum Herrn gebracht werden? Der Teufel lockt uns gerne in die Sünde, in der Hoffnung, unseren Glauben zu zerstören und uns in Verzweiflung zu stürzen. Das wird der Herr nicht zulassen. Der Teufel „sichtete“ den Petrus, und dies war für Petrus’ Versagen verantwortlich; doch das Gebet des Herrn war für Petrus’ Glauben verantwortlich, und der Teufel kann nicht hinter dem Gebet des Herrn stehen. Der Teufel drängte Judas dazu, den Herrn zu verraten, doch Judas hatte keinen Glauben und fiel in Verzweiflung und Vernichtung. Petrus verleugnete den Herrn, doch sein Glaube blieb bestehen, und er gelangte zur Buße und Wiederherstellung.

  2. Der zweite Schritt bei der Wiederherstellung des Petrus war die Warnung des Herrn (Lk 22,34). Kein Heiliger fiel jemals, ohne dass er zuvor gewarnt wurde. Voller Selbstvertrauen schenken wir der Warnung nur wenig oder gar keine Beachtung; doch in der einen oder anderen Form gibt es eine Warnung. Wie direkt war diese Warnung doch bei Petrus, als der Herr sagte: „Ich sage dir, … du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen.“

  3. Der dritte Schritt ist der Blick des Herrn (Lk 22,61). Als Petrus den Herrn zum dritten Mal verleugnete, lesen wir: „Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an.“ Wir können sicher sein, dass es ein Blick grenzenloser Liebe war. Petrus hatte sich gerade vom Herrn abgewandt und gesagt: „Ich kenne den Menschen nicht“ (Mt 26,74). Unmittelbar danach dreht sich der Herr zu Petrus um und wirft ihm einen Blick zu, der zu Petrus’ Herz gesagt haben muss: Du behauptest, mich nicht zu kennen, aber ich kenne dich und ich liebe dich. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende“ (Joh 13,1). Oh, die Liebe, die wunderbare Liebe, die uns nicht gehen lassen wird! Wir wollen noch einmal beachten, dass die herzlose Verleugnung des Petrus keinerlei Verbitterung oder Ärger im Herzen des Herrn erweckte. Leider erweckt ein sehr kleiner Ausdruck von Undank oder Verlassenheit oder Bosheit vonseiten unserer Brüder bittere Gedanken in unseren Herzen und bringt böse Worte hervor. So war es nicht bei dem Herrn.

  4. Der vierte Schritt bei seiner Wiederherstellung war das Wort des Herrn (Lk 22,61). Der Blick des Herrn erinnerte Petrus an dessen Worte: „Petrus gedachte an das Wort des Herrn.“ Der Blick des Herrn brach ihm das Herz; das Wort des Herrn erreichte sein Gewissen mit folgendem Ergebnis, dass er hinausging und bitterlich weinte. Judas ging „alsbald hinaus. Es war aber Nacht“ – die ewige Nacht der puren Verzweiflung. Petrus „ging hinaus“ in tiefer Reue auf dem Weg zu seiner Wiederherstellung. Er „ging hinaus“, weil sein erwecktes Gewissen ihm nicht länger erlaubte, in falschen Verbindungen zu verharren. Er weinte bitterlich, weil die unveränderliche Liebe des Herrn sein Herz erreicht hatte.

  5. Der fünfte Schritt war die Botschaft des Herrn (Mk 16,7). Welch liebevolle Fürsorge wendet der Herr für ein einzelnes verirrtes Schaf auf. Der Blick des Herrn hatte Petrus das Herz gebrochen; das Wort des Herrn hatte sein Gewissen erreicht; nun wird die Botschaft des Herrn seinen Glauben bekräftigen. Daher sondert der Herr am Morgen der Auferstehung den Petrus für eine besondere Botschaft aus. Die Worte der Engel an die Frauen waren: „Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er euch vorausgeht nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“ Hätte der Engel nur gesagt: „Sagt seinen Jüngern“, hätte Petrus vielleicht gedacht: „Das betrifft mich nicht, nie mehr kann ich zu seinen Jüngern zählen.“ Doch der Herr nennt Petrus’ Namen besonders, um sein zitterndes Herz zu beruhigen, dass – obwohl Petrus einst den Herrn verlassen und verleugnet hatte – der Herr den Weg führen und Petrus folgen und den Herrn sehen wird, genau so wie Er es gesagt hatte. Petrus war gefallen, doch das Wort des Herrn wird nie fallen; alles wird so kommen, „wie er gesagt hat“. Wie muss es das Herz des Petrus berührt haben – genauso wie es unsere Herzen berührt –, dass nicht ein einziges Wort des Herrn zu Boden fallen wird, gleichgültig, wie sehr unser Selbstvertrauen uns ins Versagen führen mag.

  6. Der sechste Schritt war die private Unterredung des Herrn (Lk 24,23; 1Kor 15,5). Die Auferstehungsbotschaft war die Vorbereitung für das Auferstehungstreffen. Die Botschaft des Meisters bereitete Petrus für den Meister höchstpersönlich vor. Der Diener, der den Herrn verleugnete, würde ein persönliches Treffen mit dem Herrn haben, den er verleugnet hatte, denn wir lesen: „Der Herr ist wirklich auferweckt worden und dem Simon erschienen.“ Wie wundervoll ist diese Gnade. Wir hätten gedacht, Er wäre dem Jünger erschienen, den Jesus liebte, oder der treu ergebenen Frau, die seine Füße gesalbt hatte. Doch die Gnade nimmt einen viel wunderbareren Weg und erscheint zuerst dem Jünger, der Ihn verleugnet hatte. Der Apostel Paulus schreibt dazu: „… dass er Kephas erschienen ist, dann den Zwölfen.“ Der arme gefallene Petrus war ein besonderer Gegenstand seiner Liebe und Fürsorge. Johannes und die anderen Jünger mochten warten, Petrus aber würde Er nicht warten lassen. Der Herr verbindet zuerst das gebrochene Herz des Petrus, bevor Er die Herzen der Zwölf glücklich macht. Und bei dieser verborgenen Unterredung sollte sich kein Fremder einmischen. Der Herr möchte, dass alles Versagen, alle Fehler bekannt und ans Licht gebracht werden, doch das geschieht allein mit Ihm, und keiner soll jemals wissen, was zwischen dem Herrn und dem Diener in diesem ernsten Augenblick geschah.

  7. Der siebte Schritt war das öffentliche Handeln des Herrn. Das bringt uns zum letzten Kapitel des Johannesevangeliums zurück. Hier finden wir den letzten Schritt zur Wiederherstellung des Petrus. Die aktuelle Sünde war in einer persönlichen Unterredung abgehandelt worden. Die böse Frucht des alten Baumes war gerichtet und dem Herrn bekannt worden, und Petrus’ Gewissen war auf diese Weise erleichtert worden; doch die böse Wurzel, die die böse Frucht hervorgebracht hatte, muss noch freigelegt und gerichtet werden, damit sein Herz völlig wiederhergestellt werden kann, um Gemeinschaft mit dem Herrn zu haben. Zu unserem Nutzen geschah dieses Werk in der Öffentlichkeit, denn wir alle haben die Wurzel des Bösen in uns, auch wenn wir nicht in spezielle Sünden gefallen sind. Diese Wurzel kommt aus dem natürlichen Menschen. Daher spricht der Herr gemäß seiner Gnade Petrus nicht mit seinem neuen Namen, sondern mit seinem natürlichen Namen an: „Simon, Sohn Jonas“.

Dreimal hatte Petrus den Herrn verleugnet, und nun möchte der Herrn sein Herz mit drei Fragen prüfen. Petrus hatte seine Sünden beurteilt; nun wird er dazu geführt, sich selbst zu beurteilen. Wir lesen: „Aber wenn wir uns selbst beurteilten, so würden wir nicht gerichtet“ (1Kor 11,31). Hinter all unseren äußeren Fehlern steckt ungerichtetes Fleisch.

Die erste erforschende Frage des Herrn lautet: „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese?“ Petrus hatte öffentlich bekannt, den Herrn mehr zu lieben als alle, denn er hatte gesagt: „Wenn auch alle Anstoß nehmen werden, ich aber nicht“ (Mk 14,29). Nun scheint der Herr zu Petrus zu sagen: „Bekennst du immer noch, mich mehr zu lieben als die anderen Jünger?“ Hier lernen wir nun, dass die Wurzel des Versagens von Petrus und oft auch die Wurzel unseres eigenen Versagens das ungerichtete Selbstvertrauen des Fleisches ist. Wie bei Petrus betrügt auch uns dieses Selbstvertrauen, indem wir meinen, wir wären besser als andere, stärker als andere und demütiger als andere. Und je aktiver wir im Dienst stehen, umso mehr sind wir geneigt, hoch von uns zu denken. Wir drücken unser Selbstvertrauen vielleicht nicht in Worten aus so wie Petrus, doch im Herzen mag der Gedanke sein, dass wir besser oder begabter sind als andere, und dass wir, gleichgültig, wie oft die andern scheitern, nicht scheitern werden. Der Herr möchte uns dahin führen, dass wir dieses Selbstvertrauen und diese fleischliche Eitelkeit entdecken und richten.

Glücklicherweise lehnt Petrus es ab, sich weiterhin von den anderen abzuheben, und wirft sich in seiner Antwort auf den Herrn, indem er sagt: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Es ist, als würde er sagen: „Nach meiner schrecklichen Verleugnung sieht es so aus, als hätte ich dich nie geliebt, und vielleicht glaubt auch niemand, dass ich dich liebe, doch du weißt, dass ich dich trotz allem lieb habe.“

In seiner zweiten Frage prüft der Herr das Herz des Petrus ein wenig genauer. Er fragt ihn nicht, ob er Ihn mehr liebt als die anderen, sondern ob er Ihn überhaupt liebt. Er sagt: „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich?“ Wieder bezieht Petrus sich darauf, dass der Herr es weiß. Petrus will nicht mit dem eigenen Wissen angeben oder auf seine Gefühle vertrauen; er möchte sich auf das stützen, was der Herr weiß.

Bei der dritten Frage benutzt der Herr das Wort, das Petrus für „lieben“ gebraucht hatte; es ist ein anderes Wort ist als das, das der Herr in seinen ersten beiden Fragen benutzt hatte. Der Herr hatte ein Wort benutzt, das eine intelligente und anspruchsvolle Liebe beinhaltet. Petrus benutzt ein Wort, das eine wahre, aber emotionale Liebe zu einer Person ausdrückt, ohne viel Einsicht oder Wertschätzung der Person gegenüber, die geliebt wird. Daher fragt der Herr in dieser dritten Frage: „Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb?“ Petrus ist völlig bewegt von der dritten Frage des Herrn und wirft sich völlig auf den Herrn; er sagt: „Herr, du weißt alles.“ Nach seiner Verleugnung wissen andere vielleicht nicht, was sie über Petrus’ Liebe zum Herrn denken sollen. Doch er kann zum Herrn sagen: „Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe.“ Petrus scheint zu sagen: „Ich wage nicht, noch irgendetwas über mich oder meine Liebe oder meine Hingabe zu sagen; doch ich verlasse mich darauf, dass der Herr alles weiß. Er kennt alles, was in meinem Herzen ist; Er kennt die Liebe, die andere nicht sehen können; und Er kennt das Selbstvertrauen, das ich kaum gesehen habe. Er weiß alles, und fortan kann ich meinem Eifer, meiner Hingabe oder meiner Liebe nicht trauen, aber ich kann dem Herrn, der alles weiß, vertrauen, dass Er mich bewahrt.“

Er sagt nicht: „Mein Fall hat mich so viel Elend und Scham gekostet, dass ich meine Lektion gelernt habe und nun nie wieder den Herrn verleugnen werde.“ So zu sprechen, wäre der erste Schritt auf dem Weg, erneut zu fallen. Er sagt vielmehr: „Ich habe meine völlige Schwachheit erkennt, dass ich wieder fallen werde, wenn der Herr, der alles weiß, sich nicht für mich verbürgt.“ So vollkommen ist Christus, so vollkommen sein Wissen, so unveränderlich seine Liebe, dass Petrus bewusst geworden ist, dass der Eine, gegen den er gesündigt hat, der Einzige ist, dem er trauen kann, dass Er ihn in der Zukunft tragen und aufrechterhalten kann.

Jemand sagte einmal: „Wir sind sowohl geschichtlich als auch lehrmäßig (es mag versuchsweise sein) unterrichtet, dass das Herz derart falsch ist, dass keine Gabe, keine Gnade, die wir aus der Fülle Jesu erhalten haben, kein aufrichtiger Eifer für seinen Namen, keine Hingabe in vergangenen Diensten, keine Beschäftigung im Dienst in der Gegenwart ein Schutz dagegen ist … Obwohl Wachsamkeit und Gebet immer nötig sind, wird er nur dann untadelig, ohne Scham und ohne Anstoß sein und in der ernsten Überzeugung wandeln, dass er den Ausbruch der schrecklichsten Sünden fürchten muss, wenn seine Seele mit Jesus beschäftigt ist.“ Er allein ist fähig, uns vom Fallen abzuhalten und uns tadellos darzustellen in der Gegenwart seiner Herrlichkeit mit außerordentlicher Freude.

Das Werk der erneuernden Gnade ist getan. Petrus musste nicht nur seine Sünde beurteilen, sondern auch sich selbst und das Selbstvertrauen, das ihn in die Hände Satans verraten hatte. Er anerkannte seine eigene Nichtigkeit und die Allwissenheit des Herrn. Nachdem der Herr das Selbstvertrauen von Petrus niedergerissen hat, gibt Er ihm einen Beweis seines Vertrauens in ihn. Er nimmt den auf, der einst voller Selbstvertrauen war, doch nun ein gedemütigter und wiederhergestellter Heiliger ist, und stellt ihn in seinen Dienst. Er vertraut Petrus nicht nur seine Schafe an, sondern auch seine Lämmer. Er soll die Lämmer weiden und die Schafe hüten. Und noch darüber hinaus: Die zwei Dinge, in denen Petrus so katastrophal scheiterte, weil er sie in seiner eigenen Kraft ausführte, sind die zwei Dinge, in denen er das große Vorrecht hat, sie in Abhängigkeit vom Herrn auszuführen. Petrus hatte gesagt: „Mit dir bin ich bereit, auch ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“ Jetzt sagt der Herr sozusagen: „Du wirst dieses große Vorrecht haben. Ich habe das Selbstvertrauen weggenommen, das sagte: ‚Ich will‘; nun werde ich die Liebe belohnen, von der ich weiß, dass sie in deinem Herzen war. Du wirst wirklich in Gefängnis und Tod gehen; denn ,wenn du alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst‘.“ Doch wenn Petrus am Ende in Gefängnis und Tod geht, wird er es nicht tun als der Mann mit dem Selbstvertrauen, der mit seiner Liebe prahlt, sondern als der gedemütigte und abhängige Nachfolger des Meisters, der alle Dinge weiß. Und nachdem der Herr diese Worte gesprochen hatte, „spricht er zu ihm: Folge mir nach“. Deshalb soll dieser wiederhergestellte Heilige

  1. Christi Schafe hüten (Joh 21,17)
  2. Gott verherrlichen (Joh 21,19)
  3. Christus nachfolgen (Joh 21,19).

Bevor Petrus diese Welt verlässt, gibt er in den kommenden Jahren diese drei Ermahnung an alle Gläubigen weiter. Er sagt uns, dass „Christus hat für [uns] gelitten, [uns] ein Beispiel hinterlassend, damit [wir] seinen Fußstapfen nachfolgen“. Dann fordert er uns auf, so zu reden und zu handeln, dass „in allem Gott verherrlicht werde“. Zum Schluss sagt er: „Hütet die Herde Gottes“ (1Pet 2,21; 4,11; 5,2).

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Übersetzung: Simone Storek


Hinweis der Redaktion:

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