Auf dem Berg und in der Ebene (1)
Lukas 9,28-36

Hamilton Smith

© Beröa-Verlag, online seit: 04.07.2009, aktualisiert: 30.05.2021

Leitverse: Lukas 9,28-36

Lk 9,28-36: 28 Es geschah aber etwa acht Tage nach diesen Worten, dass er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den Berg stieg, um zu beten. 29 Und während er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiß, strahlend. 30 Und siehe, zwei Männer unterredeten sich mit ihm, welche Mose und Elia waren. 31 Diese erschienen in Herrlichkeit und besprachen seinen Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte. 32 Petrus aber und die, die bei ihm waren, waren vom Schlaf beschwert; als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit und die zwei Männer, die bei ihm standen. 33 Und es geschah, als sie von ihm schieden, dass Petrus zu Jesus sprach: Meister, es ist gut, dass wir hier sind; und wir wollen drei Hütten machen, dir eine und Mose eine und Elia eine; und er wusste nicht, was er sagte. 34 Als er aber dies sagte, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie fürchteten sich aber, als sie in die Wolke eintraten; 35 und eine Stimme erging aus der Wolke, die sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn höRt 36 Und als die Stimme erging, wurde Jesus allein gefunden. Und sie schwiegen und berichteten in jenen Tagen niemand etwas von dem, was sie gesehen hatten.

Die Herrlichkeiten auf dem Berg

Wenn wir dem Herrn auf Seinem vollkommenen Weg folgen, werden wir in Lukas 9 zu zwei Szenen von außergewöhnlicher Bedeutung geführt. Die eine spielt sich auf dem Berg der Verklärung ab, die andere in der Ebene von Galiläa. Auf dem Berg befinden wir uns mit Christus in einer himmlischen Sphäre und gewinnen einen Einblick in das Herz des Vaters. In der Ebene haben wir Christus inmitten der Leiden dieser Erde bei uns, um in Gegenwart der Gnade Seines Herzens einen Einblick in unsere eigenen Herzen zu bekommen.

Es dient zum Nutzen und Gedeihen unserer Seelen, wenn wir uns Zeit nehmen, bei diesen beiden Begebenheiten etwas zu verweilen. Dabei muss aber der Berg der Ebene vorausgehen. Unsere Herzen müssen versichert sein, an den Herrlichkeiten auf dem Berg teilzuhaben, bevor wir den Leiden der Ebene begegnen können.

So wollen wir uns für eine Weile von dem Menschen und seiner kleinen Welt wegwenden und gewissermaßen auf den Berg steigen, um im Geist seine heilige Luft einzuatmen und unsere Seelen mit den vielfältigen Herrlichkeiten zu erfreuen.

Es ist nicht unserem eigenen geistlichen Urteilsvermögen überlassen, die Szene auf dem Berg auszulegen, denn wir haben den inspirierten Bericht von einem, der dort zugegen war. Indem Petrus auf die Zeit Bezug nimmt, da er und andere mit ihm „auf dem heiligen Berg“ waren, kann er sagen: „Denn wir haben euch die Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus nicht kundgetan, indem wir künstlich erdichteten Fabeln folgten, sondern als die da Augenzeugen seiner herrlichen Größe gewesen sind. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit eine solche Stimme an ihn erging: ‚Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe‘“ (2Pet 1,16.17). So sagt uns Petrus ganz klar, dass der heilige Berg uns einen Vorgeschmack der Herrlichkeiten und Freuden gibt, die wir bei der Ankunft des Herrn mit Ihm teilen werden. Er war lange Zeit abwesend, aber wenn Er schließlich kommen wird und wir in Seiner Gegenwart weilen werden, dann werden wir Seine Majestät sehen. Wir, die wir gesehen haben, wie Er von den Menschen mit Schande und Unehre überhäuft wurde, werden mit großer Freude sehen, dass Er vom Vater „Ehre und Herrlichkeit“ empfängt. Zusammen mit Christus werden wir in die Gegenwart des Vaters eingeführt werden und die Stimme des Vaters vernehmen, die zu uns von Seinem Wohlgefallen an Seinem geliebten Sohn spricht.

Der heilige Berg gibt uns einen Vorgeschmack von diesen kommenden Herrlichkeiten. Hier werden wir reichlich trinken von der Fettigkeit seines Hauses und mit dem Strom seiner Wonnen getränkt werden (Ps 36,8).

Gleich zu Beginn dieser Szene des Segens stoßen wir auf ein heiliges Geheimnis, denn dieses „ewige Gewicht von Herrlichkeit“ wird mit einem betenden Menschen eingeführt. „Es geschah aber …, dass er Petrus und Johannes und Jakobus mitnahm und auf den Berg stieg, um zu beten. Und indem er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders.“ Die Leiden der Erde können auf den Ungehorsam und die Unabhängigkeit eines einzigen Menschen zurückgeführt werden. Die Herrlichkeiten der zukünftigen Welt beginnen mit dem Gehorsam und der Abhängigkeit eines einzigen Menschen. Die kommenden Herrlichkeiten des Himmels haben einen betenden Menschen auf dieser Erde zum Mittelpunkt.

Und dann, wenn wir mit großer Freude auf den Herrn im Gebet blicken, dürfen wir sehen, wie der betende Mensch in den verherrlichten Menschen verwandelt wird. „Und indem er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts anders und sein Gewand weiß, strahlend.“ Als der Mensch von Gott unabhängig wurde, hörte er auf, Gott zu verherrlichen und wurde zum entehrten Menschen (Röm 1,21-32). Hier finden wir Einen, welcher der abhängige Mensch wurde, Gott verherrlichte und selbst verherrlicht ist. Auf dieser Erde sehen wir die Herrlichkeit des Menschen, die – wie Petrus uns in Erinnerung ruft – wie des Grases Blume ist, denn sie ist „abgefallen“. Auf dem Berg aber sehen wir mit Petrus eine vorübergehende Vorschau auf eine Herrlichkeit, die nie enden wird. Wir sehen Seine Majestät und Seine Herrlichkeit.

Aber auf dem Berg werden uns noch weitere Segnungen gezeigt, denn es wird uns nicht nur gesagt, dass wir Seine Herrlichkeit sehen, sondern dass wir Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen werden. Wir werden nicht nur entzückte Betrachter sein, sondern bevorrechtete Teilhaber. Und daher lesen wir: „Zwei Männer redeten mit ihm.“ Zuschauer einer Szene unvergleichlicher Herrlichkeit zu sein, würde das tiefe Sehnen des Herzens nicht befriedigen. Aber auch Teilhaber einer Herrlichkeit ohne Christus zu sein, wäre nicht genug. Doch die Gnade, die uns zur Herrlichkeit führt, schenkt es, dass wir die Herrlichkeit betrachten, an der Herrlichkeit teilhaben und mit Ihm daran teilhaben dürfen.

Ferner wird uns auf dem Berg eine weitere gesegnete Tatsache mitgeteilt: Wir werden nicht nur bei Ihm sein, sondern werden Ihm gleich sein. Darum lesen wir nicht nur, dass Mose und Elia erschienen, sondern sie „erschienen in Herrlichkeit“. Wir werden die Herrlichkeit nicht nur sehen und daran teilhaben, sondern für die Herrlichkeit passend gemacht sein. Mose braucht keinen Wüstenstab mehr; Elia hat seinen Prophetenmantel abgelegt. Die Tage ihrer Niedrigkeit sind für immer vorbei, und sie erscheinen in Herrlichkeit. Sie sind nicht nur bei Christus, sondern sie sind Ihm gleich, und sie sind passend für die Gegenwart Christi, weil sie Christus gleich sind. Auf dieser Erde ist es noch nicht sichtbar, was wir sein werden, aber auf dem Berg erhaschen wir einen Blick von dem, was wir sein werden, wenn Er erscheint. Wir werden Ihm gleich sein, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist (1Joh 3,2).

Das ist aber nicht alles, denn der Berg enthüllt uns noch ein weiteres Geheimnis. Wir werden nicht nur Teilhaber der Herrlichkeit und passend für die Herrlichkeit sein, sondern wir werden in der Herrlichkeit zu Hause sein. Denn wir lesen von Mose und Elia, dass sie „mit ihm redeten“. Das spricht von dem heiligen, glücklichen Umgang der Heiligen in der Herrlichkeit. Stände hier nur geschrieben, dass Er mit ihnen sprach, könnten wir denken, sie seien zwar beglückte, aber stille Zuhörer gewesen. Wenn sie aber mit Ihm reden können, ist jegliche Distanz und Zurückhaltung gewichen. Die Jünger hatten auf dieser Erde glücklichen Umgang mit Christus gehabt, manchmal aber mit einer gewissen Scheu und Zurückhaltung. In der Herrlichkeit jedoch werden die Beziehungen mit dem Herrn heilig, glücklich und ohne jegliche Spur von Hemmungen sein.

Ferner sehen wir nicht nur, dass in der Herrlichkeit freie und glückliche Gemeinschaft sein wird, sondern wir erfahren auch, was im Himmel das große Gesprächsthema ist. „Sie besprachen seinen Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte.“ Unmittelbar vor und nach der Szene auf dem Berg spricht der Herr von Seinem Tod (Lk9, 22.44), doch wir lesen: „Sie aber verstanden dieses Wort nicht“ (Lk 9,45). In der Ebene sind die Jünger träge im Hören; auf dem Berg zeigt sich göttliches Verständnis für die Denkweise des Himmels und das Herz Jesu. Dort haben Mose und Elia Gemeinschaft mit Christus über das, was Sein Herz erfüllt. Sie verlieren die Feindschaft der Menschen aus dem Auge; sie denken nicht mehr länger an den Tod Christi als von bösen Menschenhänden herbeigeführt, sondern vielmehr an „seinen Ausgang, den er erfüllen sollte“. Die Rolle des Menschen in diesem Geschehen ruft laut nach dem Gericht über diese Welt. Was Er tat, sendet die frohe Botschaft bis zu den entferntesten Grenzen der Erde. Zudem sehen sie, dass Sein Ausgang „in Jerusalem“ erfüllt werden sollte. Wie merkwürdig für einen Juden. Am gleichen Ort, von dem aus der Messias regieren wird und wo Er einen Thron und eine Krone empfangen wird, da sollte Sein Ausgang erfüllt werden und ein Kreuz und ein Grab Sein Teil sein. Aber auf dem Berg wird ohne Verwunderung über solch Erstaunliches gesprochen. Dort ist alles klar. Die Herrlichkeit des Reiches muss in Gerechtigkeit errichtet werden. Um die gerechten Ansprüche Gottes zu befriedigen, muss Er Seinen Ausgang erfüllen. Die Leiden müssen der Herrlichkeit vorangehen. Die Gerechtigkeit muss durch den Tod Christi in Jerusalem befriedigt werden, wenn die Gnade Gottes „anfangend von Jerusalem“ weltweit hinausfließen soll (Lk 24,47).

Mose hatte das Gesetz gegeben, aber niemand wusste besser als Mose, wie gänzlich das Volk unter dem Gesetz versagt hatte. Elia war dazu berufen worden, das abtrünnige Israel zu dem HERRN zurückzuführen; doch wurde nur sein hoffnungsloser Zustand bewiesen. Christus selbst war voller Gnade und Wahrheit gekommen, nur um gänzlich verworfen zu werden. Mose, Elia und vor allem Christus Selbst sind die Zeugen der Schuld des Volkes und der unumgänglichen Notwendigkeit der Leiden Christi, wenn es zu den Herrlichkeiten des Reiches gelangen sollte. Mose nennt das Volk nicht mehr „Widerspenstige“; Elia klagt die Kinder Israel nicht mehr an, den Bund verlassen, die Altäre niedergerissen und die Propheten mit dem Schwert getötet zu haben. Sie blicken über das Volk und die Bosheit des Menschen hinaus; sie sehen Christus, den Ausgang, den Er erfüllen sollte, und die Herrlichkeiten danach. Sie schauten über den Tod Christi voraus auf die Herrlichkeit; wir werden von der Herrlichkeit auf den Ausgang, den Er erfüllte, zurückblicken. Das war ihr Thema auf dem Berg, es wird unser Lied in der Herrlichkeit sein, wovon der Berg nur eine gesegnete Andeutung gibt.

Schließlich werden wir in dieser großartigen Szene in eine Herrlichkeit versetzt, welche die Herrlichkeit des Reiches übertrifft, denn wir werden in das Haus des Vaters geführt. „Es kam eine Wolke und überschattete sie.“ Sie waren von einer Wolke umgeben und bedeckt.

Diese jüdischen Jünger konnten die Bedeutung der Wolke sehr wohl verstehen, war sie doch ein Hinweis auf die Herrlichkeit der „Schechina“, die in alten Zeiten den Wohnort Gottes erfüllte und von der Gegenwart Gottes sprach. In den Tagen der Wüstenreise war die Wolke über Israel, aber sie konnten nie in die Wolke eintreten. Hier auf dem Berg konnten Mose und Elia aufgrund des Todes Christi, des Ausgangs, den zu erfüllen Er im Begriff stand, zusammen mit einem verherrlichten Christus in das Haus des Vaters eintreten. Und im Haus des Vaters hören sie die Stimme des Vaters, und diese Stimme drückt aus, was im Herzen des Vaters ist. Sie hören den Vater sagen: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ihn höret.“ Der Vater sagt nicht: „Dies ist der Sohn, den ihr anbeten und bewundern solltet“, sondern Er bringt Seine eigenen Gedanken über Ihn zum Ausdruck. „Dieser ist mein geliebter Sohn.“ Wir werden nicht einfach daran erinnert, dass Christus unser Geliebter ist, wie die Braut im Hohenlied sagen kann: „Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein“, sondern wir hören den Vater sagen: „Dieser ist Mein Geliebter.“ Geliebter aufgrund der Ihm eigenen Vorzüglichkeit, aber auch „Geliebter“ wegen des Ausgangs, den Er erfüllen würde. „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, auf dass ich es wiedernehme“ (Joh 10,17). Gerade zuvor haben wir erfahren, dass das Herz des Sohnes mit dem Gehorsam der Liebe zum Vater beschäftigt ist, indem Er in den Tod geht, und jetzt hören wir, dass das Herz des Vaters Sich im Sohn erfreut.

So ist es hier unser Vorrecht, mit göttlichen Personen Gemeinschaft zu haben: Gemeinschaft mit dem Sohn in Seinen Gedanken des vollkommenen Gehorsams gegenüber dem Willen des Vaters, und Gemeinschaft mit dem Vater in Seiner Freude am Sohn.

Welch ein Teil und welch eine Aussicht eröffnet sich somit dem Gläubigen durch den Ausgang, den Christus in Jerusalem erfüllen sollte, und die Herrlichkeit Christi, die darauf folgen würde – die Aussicht, dass es uns geschenkt wird, in das Haus des Vaters einzutreten und Seine Stimme zu hören, die uns Sein Herz offenbart!

Noch einmal müssen wir sagen: Welch eine Szene, die uns mit dem in Verbindung bringt, was bis dahin „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“! Wahrhaftig ein Vorgeschmack des Universums voller Glückseligkeit, wo der Mensch in ein Vertrauen zu Gott gebracht sein wird, in eine Szene der Herrlichkeit, mit Christus und Ihm gleich. Dort werden wir mit Christus „zu Hause“ sein, von allem reden, was in Seinem Herzen ist und die Geheimnisse des Vaterherzens kennenlernen.

Wir vermögen wohl nur in geringem Maß zu erkennen, wie gesegnet dies ist. Wie den Jüngern haftet auch uns das Gewicht dieser Erde an, und die Schwachheiten des Körpers hindern uns, so dass wir nur ein wenig in das Herz dieser himmlischen Geheimnisse hineinsehen können. Doch zu unserem Trost lesen wir: „Als sie aber völlig aufgewacht waren, sahen sie seine Herrlichkeit.“

Wie oft ist es mit uns ebenso, denn der Apostel sagt: „Wache auf, der du schläfst, … und der Christus wird dir leuchten!“ Und in Seinem Licht werden wir das Licht sehen; wir werden die zukünftigen Herrlichkeiten sehen, wir werden über die Schatten des Tales hinaus und das Sonnenlicht auf den Hügeln sehen, aber vor allem werden wir „den König in seiner Schönheit“ sehen, den Einen, der „ausgezeichnet ist vor Zehntausenden“ und an welchem alles lieblich ist.

Nächster Teil


Originaltitel: „Die Herrlichkeiten auf dem Berg und die Leiden in der Ebene. (1) Auf dem Berg“
aus Halte fest, Jg. 31, 1988, S. 215–224.
Mit freundlicher Genehmigung des Beröa-Verlages, Zürich


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